ALs der König zu Epeircte war/ kamen viel Herren nach Hofe/ die
Frewde welche sie wegen seiner Gesundheit empfangen zu bezeu-
gen. Meleander aber verbarg was er zuthun willens hatte/ vnd
be

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quemete
sich zu aller Lust die man anstellete. Oloodemus vnd Eri-
stenes deß Lycogenes fürnemste Freunde waren damahls im höch-
sten Ansehen. Dann Meleander hatte dem Eristenes die Schatz-
kammer anvertrawet/ wiewol er gewiß wußte/ daß er seinem Feinde
so viel einräumete: aber die Zeit vnd sein heimlicher Anschlag
wolten es nicht anderst leyden: Oloodemus aber verwaltete das
theil Landes welches an dem Pachynischen Vorgebirge lieget. Diese
zween hatten jhre falsche Geschäffte zwischen
[197] sich eingethei-
let/ vnd giengen vnterschiedenen Sachen nach. Oloodemus war mit
dem Lycogenes Sicilien auffzuwiegeln/ nicht bey Hofe; Euristenes
forschete vnter dem Scheine seines tragenden Amptes des Königes
Fürhaben auß. Es war jederman bekandt/ daß alle Macht der Feinde
auff diesen dreyen beruhete. Der König/ wiewol er sich schon ent-
schlossen hatte/ jedoch begehrete er deß Cleobulus Meinung gleichs-
fals zu hören. Er gebrauchte sich auch deß Eurimedes Rathes sehr;
vnd war dem Archombrotus mit höchsten Gnaden beygethan. Dero-
wegen ruffte der König sampt der Argenis diese drey in geheim zu-
sammen/ vnd hub an erstlich also zureden/ daß er seinen Fürsatz
nicht entdeckte/ damit er den andern durch dieses Mittel/ auß
Forchte dem Könige zu widersprechen/ oder ja vergebens Rhat
mitzutheilen/ die Freyheit jhrer Gedancken vnd Reden nicht zu-
rück hielte. Er stellete jhnen für/ in was für einem Zustande Sici-
lien were/ vnd daß gegenwertiger Friede mehr Schaden brächte als
voriger Krieg. Weil er nun solches lange Zeit zuvor gemuthmasset/
als habe er das Schlos zu Epeircte/ darinnen sie sich damals be-
funden/ desto besser befestiget. Er wisse daß die gantze Macht eines
so schädlichen Bundes bey wenigen Hauptern stünde: vnd begehre
an jetzo zuhören/ was sie jhm dißfals riethen. Wegen der Wichtig-
keit einer so grossen Sach wolte sich niemandt vnterstehen erst-
lich zu reden: biß der König angesehen das grosse Alter/ vnd die
bekandte
[198] Verständigkeit deß Cleobulus/ jhm befahl seine
Meinung herauß zu sagen. Herr/ fieng er an/ Ewere Majestät hat
hefftig zu eylen/ oder muß gleichsam mit verhülletem Haupte den
bevorstehenden Streich vnsers endlichen Vntergangs erwarten. Es
wird ein Laster seyn/ wann jhr nicht mehr haben werdet als eine
mittelmässige Tugendt. Glaubet ja nicht/ daß jhr die Götter/ oder
ewer Ansehen beleydigen könnet/ wann jhr euch an diesen Feinden
rechet. Dann Lycogenes hat das Bündnuß zum ersten gebrochen;
vnd dieselben welche euch verachten oder hassen/ werden durch
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seine Straffe sich bessern. Wir wissen was er an die Stätte gemuthet/
vnd wie er sein geworbenes Volck fast vnter den Fahnen habe. Was
verziehet jhr? wöllet jhr warten biß Sicilien gantz vnd gar abtrün-
nig werde? Förchtet jhr euch jhre noch frühezeitige Zubereitung
zu vberfallen? oder macht jhr euch Gewissen die Waffen nicht ehe
zu ergreiffen/ als wann euch die Spitze schon wirdt an den Hals ge-
setzet seyn? Ihr habt den Eristenes allhier; befehlet dem Lycogenes
vnd Oloodemus/ daß sie sich/ zu Berahtschlagung einer ohngefehr
fürgefallenen Sache/ ingleichem einstellen. Kommen sie/ so ver-
fahret mit jhnen als mit solchen Leuten die der beleydigten Maje-
stät schuldig worden. Schlagen sie es ab/ so erkläret sie für Rebel-
len/ vnd greiffet sie/ weil jhr Thun noch nicht in völliger Bereit-
schafft ist/ mit wolgefasten vnd geschwinden Krie-
[199]ge an. Zu
diesen deß Cleobulus Worten satzte Eurimedes dieses/ er wolte wet-
ten daß sechs Tausent zu Fuß vnd funffhundert zu Roß auffge-
bracht könnten werden; weil man sie schon theils in der König-
lichen Leibguardie/ theils in der Besatzung zu Epeircte hette: theils
legen sie auch zu Palermo vnd Epipolis. Ein solcher geringer Hauf-
fen alter Soldaten würde besser seyn als alle die so Lycogenes auff
den Fuß zubringen vermöchte: wann man auch die Königlichen
Fahnen nur ein mal würde schwingen/ so würden ohne zweifel viel
auff die gerechte Seite fallen.

Als Archombrotus vom Kriege reden hörete/ wardt er gantz er-
frewet/ vnd hielte dafür daß er gelegenheit hette deß Poliarchus hal-
ben sich etwas zu vnterfangen. Mich belangent/ sagte er/ der ich ein
Außlender vnd junger Mensch bin/ ich menge mich nicht hier zwi-
schen/ von so hohen Sachen zureden. Wann euch aber Krieg zufüh-
ren geliebet/ warumb verstosset jhr die Hülffe? warumb schwä-
chet jhr ewere Kräfften vor der Gefahr? Es ist kein Soldat im Hauf-
fen der nicht wündtsche daß Poliarchus/ welchen deß Lycogenes
Neidt vertrieben hat/ möge zu rück geruffen werden. Ohn daß er
mannhafftig vnd in Kriegessachen geübet ist/ von den Feinden auch
sonderlich gefürchtet wirdt/ so wisset daß vber seiner Widerkunfft
vnd anschawen/ gleichsam als vber einem gewissen Zeichen des
Sieges das gantze Volck williger zum Schlagen muhtiger
[200] wirdt
werden. Meine Gedancken seynd man solle jhn suchen lassen/ vnd
a b

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jhn/ nebenst Entschuldigung jetziger betrübten Zeiten/ welche jhn
verjaget haben/ zu Erlangung einer newen Ehr vnd Lobs auffmun-
tern.

Als er mit solcher Freyheit für den Poliarchus redte/ sahe jhn
Argenis an/ vnd frewete sich sonderlich darüber/ daß der König jm
mit sonderbarer Lust zuhörte. Derentwegen/ damit keiner zwischen
einen so grossen vnd schönen Anfang etwas einwürffe/ sagte sie
vber diß/ daß eben dieses deß Arsidas Meinung were; von wel-
chem die gemeine Rede gieng/ daß er sich in Italien auffhielte/ als
ob er vertrieben worden. Man wüßte jhn auch sonsten wegen nichts
zubeschuldigen/ als daß er den Poliarchus weg geflüchtet hette. An
deß Arsidas Trew/ Herr/ habt jhr nicht zu zweiffeln; vnd vielleicht
hat er sich mit solcher seiner That besser vmb vns verdienet/ als
vmb den Poliarchus selber. Hat er aber ja etwas verbrochen/ so
bitte ich jhn mir zuschencken; wiewol er nicht kan für recht ge-
sprochen werden/ so lange Poliarchus verdammet oder verhasset
ist. Wie Argenis den Arsidas/ weil deß Poliarchus Wolfahrt auch
darunter begriffen ward/ dermassen freymütig vertheydigte/ wur-
den die andern alle/ der Princessin zugefallen/ eben dieser Meinung.


Daß den Göttern vnsere Sachen angelegen sind/ sagte der König/
erkenne ich nur darauß/ daß jhr mit einhelliger Stimmung mir
sämptlich eben diß
[201] gerahten habt/ was ich mir schon zuvor
fürgenommen. So sey nun in der Götter Namen der Krieg wieder
den Lycogenes erkleret; wann er ohn Empörung/ vnd als ein Mein-
eidiger nicht wirdt können auffgereumet werden. Ich hab auß eige-
ner Bewegnüß den Poliarchus vnd Arsidas schon längst recht ge-
sprochen: jetzundt ist nur darauff zu gedencken/ wie man sie wie-
derumb versöhnen vnd zu rück bringen möge. Sie hielten alle dafür/
man solte einen getrewen Mann mit Geschencken zum Poliarchus
absenden/ vnd jhn ersuchen/ daß er/ so bald man sich wider den
Lycogenes rüsten werde/ sich in die Insel begeben wölle. Nach die-
ser Abrede ließ der König den Raht von sich/ vnd befahl alles was
sie wüßten vnd gerahten hetten mit höchstem Fleiß in geheim zu
halten. Aber Argenis/ wie der Liebhabenden gebrauch ist/ daß sie
allzeit entweder zu lustig oder zu trawrig sind/ kundte jhre vnver-
hoffte Frewde nicht halten; so daß jhr Vatter/ dem die Vrsach nicht
c d

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bewußt war/ zu jhr anfieng: Meine Tochter/ jhr macht mir gar ein
Hertz: gewiß so lang wir in dieser Widerwärtigkeit schweben/sehe
ich euch jetzt zum ersten mal frölich vnd von lustigem Gesichte.


Fußnotenapparat

a etwas an jemanden muten =
jemandem etwas zumuten (sol-
licitatas urbes)
b Widerkunfft] Aus Dkf Wider-
kuntfft
c gemeine] Aus Dkf gemeind nach
B verbessert
d auffreumen = aus dem Wege
schaffen (capere)
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