AVff den Abend begab sich Archombrotus seiner Gewonheit nach in
deß Königs Garten.
Daselbst als er allein im Schatten der Bäume
herumb spatzierte/ gedachte er
an die Nacht/ in welcher er sampt
dem Poliarchus bey der Timocleen eingekehret. Vnter andern fiel
jhm
ein die Veränderung deß Gesichtes vnd der Sprache/ welche
dem Poliarchus bey Erwehnung der Argenis wiederfahren. Dann
Archombrotus hatte solches für ein Liebeszeichen auffgenommen;
Hernach aber wegen vorfallender vieler Geschäffte auß der Acht ge-
lassen; vnd darumb desto eher/ weil er es für keine solche Liebe die
beyderseits geheget würde/ sondern nur an dem Poliarchus für eine
Narrheit der Jugendt gehalten. An jetzo
aber erwoge er alles mit
besserem Fleisse: Poliarchus were vber der Argenis Namen zwey
mal verstarret; als
er jhn auch zwey mal von der Princessin Alter
vnd Sitten gefraget/
hette er nur kürtzlich geantwortet/ daß man
leichtlich abnehmen können/ daß
jhr Nahmen sein Hertze verwir-
ret machte. Als er diesen Sachen weiter
nachgrübelte/ erinnerte er
sich/ daß Argenis/ [203] als sie den Arsidas bey jhrem Vatter mit
ernsten Worten vnd Bitten
schützete/ gantz gebrannt habe. Daß
auch deß Arsidas Sache den Poliarchus angienge/ wie er jhm dieses
hin vnd her für Augen
gestellet/ gerhiete Archombrotus in die
Muthmassung/ es muste zwischen jhnen beyden
eine heimliche
Vertrewligkeit seyn. Es fielen jhm zugleich in die Gedancken
die
Tugenden deß Poliarchus/ vnd was jhn sonsten zu dergleichen
Hoffnung
anreitzen/ oder die Argenis bewegen können. Weil er
auch seine Ankunfft nicht
eröffnen wolte/ so möchte wol was statt-
liches darhinder seyn. Dann sagte
er/ ich bin nicht alleine/ dessen
Geschlechte vnd Standt man auß der Larven
vnter welcher ich mich
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verdecke nicht schätzen sol. Als jhm aber eyn kam die
Gestalt der
Argenis/ vnd wer sie sey/ hielte er den Poliarchus für mehr als
glückselig/ vnd fieng erst an dasselbe
zu loben vnd sich darüber zu
wundern/ was er zuvor vnbeweget hatte
angeschawt. Dann was
könte schöner seyn als Argenis? Bey welchem
Menschen würden
vber solche Zierligkeit vnd hohe Geburt so viel Tugenden
gefunden?
Wann man gleich den Stamm beyseite setzen/ vnd vnter allen Jung-
frawen in Sicilien die Wahl solte halten/ so were keine für der Ar-
genis zum Königreiche zu erheben. Ihr Verstandt/ jhre Sitsamkeit
vnd Rede weren nicht weiblich/ jhre Schönheit aber auch nicht
menschlich.
Hernach kam Archombrotus auff sich selber/ vnd [204]
betrachtete/ daß
sein Adel vnd Hoheit einer solchen Hoffnung wol
werth were; welches dann Anlaß
zu einem newen Fewer gab. Vnd
dieses fieng sich an/ nicht zwar als er sich gar
für einen Liebhaber
außgeben; sondern nur als er jhm eine blinde
Hoffnung/ die aber doch
nicht vngereymet were/ machen wolte. Folgendts bekam er
mehr
vnd mehr Lust zu jhr/ vnd wuste vber der vnruhigen Ergetzung
dieser
Eynbildungen nicht/ daß er/ den Sieg vnd seine Freyheit zu
erhalten/ diesem
Anfange zu lieben mit Gewalt entgegen tretten
müste. Je mehr jm Argenis
lieber ward/ je mehr ließ er von der
Freundschafft/ welche er mit dem
Poliarchus getroffen/ sincken: in
dem jhn erstlich der Neydt
hernachmals auch der Eyfer eynnam.
Als gieng er kranck vnd mit gefangenen
Hertzen auß dem Garten/
in welchen er kurtz zuvor glückselig vnd frey gegangen
war. Was
aber sein Vbel vermehrete war dieses/ daß er/ in Meynung durch
die Einsamkeit Trost zu suchen/ sich absonderlich zu Abend spei-
sen ließ.
Dann weil er in der Stille vnd Absonderung nichts anders
hörete als die Liebe/
ergab er sich gemach denen sorgen/ welche
den höchstverliebten Menschen
jnnerhalb wenig tagen mit solchen
Schmertzen vmbringeten/ dergleichen er
zuvor niemals erfahren
dürffen.
In dem sich dieses bey Hofe zuträget/ bemühet sich Lycogenes
nicht weniger seinen bösen Anschlag ins Werck zu richten. Er be-
gab
sich mit vnterschie-[205]denem Scheine in die fürnemsten
Stätte/ hielt den beampteten Gastereyen/ vnd ermahnete sie bey gu-
ter Lust vnd Fröligkeit/ sie wolten die allgemeine Freyheit nicht
a
b
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verrhaten lassen. Sicilien würde mit schädlichen
Rhatgebungen
angegriffen; sie solten bedencken/ daß sie nicht in einem König-
reiche/ sondern vnter einer Tyranney weren. Im Fall er deß Köni-
ges
erwehnete/ redete er so vmbschweiffend vnd zweiffelhafftig/ daß
er auch
den Meleander selber solches gut zu heissen vberreden kön-
nen.
Wann er dann merckete/ daß sie von diesen Worten beweget
worden/ sagte er
entweder offentlich/ oder den Fürnemsten gleich-
sam als er gemeiner mit
jhnen vmbgienge/ mit Seufftzen etwas nur
halb in die Ohren/ daß es schiene/
als er auß trewer Fürsorge sich
eines ärgeren befürchtete als er
durffte offenbahren. Derentwegen
waren jhr nicht wenig die auff jhn als eine
Seule deß gemeinen We-
sens sahen/ vnd mit widerwärtigen Gedancken deß
Meleanders satt
gewonnen. Fürnemlich wann vnter dem gemeinen
Manne die Rede
gieng/ man foderte den eingebohrenen deß Landes zur Schmach
lauter frembde zu offentlichen Aemptern; die Renten vnd Zölle
würden gesteigert: es were sich auch der König wegen vorigen
Krieges zu
rechen/ vnd viel beym Kopffe zunehmen gesonnen. Vber
diese Grieffe halffen
hierzu nicht wenig die Priester/ welche jhnen
die Hände versilbern lassen: in
dem sie allerley Zeichen vnd Deu-
tungen erdachten/ vnd ein
jegli-[206]
ches für eine sonderliche An-
zeygung von
den Göttern außgaben. Es wardt ein Opffer offentlich
oder heimlich
geschlachtet/ so schreckten sie die vmbstehenden
mit ertichteten
Wunderwercken: baldt mangelte der Leber etwas/
baldt standt das Geäder nicht
an seinem Orte/ vnd allzeit ward auff
einen newen Zustandt/ der besser
als der vorige seyn sol/ gedeutet.
Was aber damals fürgenommen würde/ gefiele
den Göttern gantz
vnd gar nicht. Vber diese Betriegereyen haben sich auch
etliche war-
hafftige Geschichte zugetragen/ darauß man künfftiges
Blutvergies-
sen erkennen mögen. Dann es hat Steine geregnet/ vnd an vnter-
schiedenen Orten sind zwey Sonnen gesehen worden. Aber durch
diese wenige Wunder sind vnterschiedene ander Eynbildungen be-
stetiget
worden: so daß die Leute alles vnbesonnener Weise geglau-
bet/ vnd befürchtet
haben.
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