Lycogenes hatte jhm alle Sachen schon richtig gemacht/ vnd den
Tag zu seinem Anschlage bestimmet/ mitten im Frühling/ den ze-
henden deß Monats/ welcher Targelion genennet ward. Eristenes
besaß nicht weit von Epeircte ein Gut mit einem Walde/ welcher we-
gen langer hegung voll Wildes war. Dieser war auff erwehneten
Tag den Meleander dahin einzuladen gesonnen/ Ob jhm vielleicht
der Vorsatz gerahten wolte/ den Meleander vnd die Argenis/ gleich-
samb zur beschawung der Bilder vnd Tafeln/ mit wenigen in einen
verborgenen Ort deß Hauses zuführen/ vnd durch die hinder Thür
dem Lycogenes alsbald zuvberlieffern. Wann Meleander sich zur
Wehr gestellt/ oder auff Hülffe geruffen hette/ war er entschlossen
jhn vmbzubringen:
[219] dann es sey genug/ wann sie die Argenis
darvon brächten. Im Fall aber böse Zeichen oder vnpaßligkeit
Meleandern selbigen Tag in Epeircte auffhielte/ als solte Lycogenes
jhn mit einem geschwinden Heerzuge vberfallen: Dann sie hatten
sich also vereiniget/ daß er gleich auff diesen Tag sich nebenst den
andern seinen Mitgenossen solte zu Syracuse befinden/ daselbst vn-
ter dem Namen der fürnembsten Häupter vnd Stätte einen Tumult
zu erwecken/ vnd sich dem gemeinen Wesen zum besten für einen
Obristen auffwerffen deß Krieges wider den König. Hierzu köndte
sich auch Oloodemus mit etlichem Volck finden/ solche Newerung
durch seine Stimme vnd Gewalt zu bekräfftigen. Man hielte dafür
es würden viel Oerter von dem Könige abfallen/ weil sie theils das
Exempel vorigen Krieges für Augen hatten/ theils vmb den Betrug
der Verwalter vnd Beampten/ die sie allbereit bestochen hatten/
vnd vmb die Gemüter/ so von sich selber zum Auffruhr geneiget wa-
ren/ gute Wissenschafft trugen.

Als der Rhat auff solche weise geschlossen war/ hatte Lycogenes
Willens den Meleander vnd dieser jhn zuvberfallen. Aber Argenis
war beydes deß Poliarchus vnd deß gemeinen Wesens halben sorg-
fältig/ vnd bemühete sich auff das euserste/ damit das jenige was
a

[Seite 139]


die Freunde dem Könige gerahten möchte vollzogen werden. Man
solte Geschenck für den Poliarchus auffbringen/ den Arsidas zu
rück
[220] fordern/ vnd auff einen trewen Menschen sinnen/ dem
man solches zu verrichten möchte anbefehlen. Niemand ohn den
Archombrotus/ vermerckte der Princessin heimliches Anliegen:
welcher Fürnehmen jhm darumb nicht kondte verborgen seyn/ weil
jhn die Liebe durch jhr vnauffhörliches Wüten fast zu einer Ver-
zweiffelung leitete/ vnd er auff eine jegliche der Argenis bemühung
deß Poliarchus wegen mit vngewöhnlichem Eyfer achtung gab. Für
allen dingen klagte er sich selber an/ daß er den König zum ersten
vberredet den Poliarchus wider zu fordern/ so daß er auch bißweilen
gesonnen war/ Meleandern heimlich anzusprechen/ vnd jhn auff
das Widerspiel zu leiten. Aber Schande wegen/ vnd der Argenis
Zorn zuvermeiden/ satzte er solchen vnbillichen Rahtschlage zu
rücke. Es trug sich ohngefehr zu/ daß er den König antraff/ als er
mit seiner Tochter von Widerkunfft des Arsidas Gespräch hielt. Er
war der Argenis dazumal lieb/ der Wolthat halben so er jhr new-
lich wegen guter Erwehnung deß Poliarchus beym König erwiesen.
Derowegen sahe sie jhn als einen Beschützer jrer Sache/ mit fröli-
chem Gesichte an/ vnd grüßte jhn freundlicher dann sie sonsten im
Gebrauch hatte. Archombrotus der nicht wußte wannher solche
Liebkosung käme/ ward dermassen durch so vnvorsehene Frewde
bestürtzt/ daß er wider zu sich selber zukommen so baldt er kundte
in die Kammer mußte abtretten. Als er daselbst wegen der vber-
mässigen/ vnd doch nicht genugsam ver-
[221]sicherten Frew-
den in grosser vngewißheit war/ fieng er endlich also an wider sich
selbst zureden: Ists möglich daß du so glückselig bist? sol dir die
Liebe so günstig seyn? Wie? hastu dann auff der Princessin Ant-
litz vnd Augen nicht achtung gegeben? Wie du bist hinein getret-
ten/ hat sie nicht gar auffgehüpffet? O ich Vnglückseliger? Wie
thöricht thue ich/ daß ich meiner Hoffnung so viel einräume? Die
Götter lassen ein solch grosses Glück nicht so leichtlich hin. Ge-
meine Heyrathen werden durch Widerwärtigkeit nicht verworren/
vnd durch seltzame Fälle nicht beruffen gemacht. Das Glück mi-
schet sich in Liebe fürnehmer Personen ein/ daß sie durch Mühe vnd
Arbeit denen/ welche sie suchen/ desto angenehmer werden. Helffen
b c d
[Seite 140]


die Götter daß ich jrre/ vnd daß nit die Begrüssung/ vnd das an-
mutige Gesicht der Argenis/ welches mir jetzundt ein solches Hertz
macht/ eine Anzeigung meines Vntergangs sey. Wie elend bin ich
doch? (welches ich kaum zu gedencken vermag!) Diese Zeichen
deß geneigten Willens solten sie nicht wol wegen der Liebe des Po-
liarchus herrühren? hat sie mich nicht darumb so freundtlich an-
gesehen/ daß ich jhm bey dem Könige wol an Worten gewesen?
Oder hat sie mich hiedurch nicht mit stillschweigen gebeten/ daß
ich meine Fürbitte wiederholen solte? Die Freundtschafft muß sich
so weit nicht erstrecken; gewiß nicht: ich schwere bey der Argenis.
Ich wil auch nicht daß ich dem Poliarchus der Argenis Gunst we-
gen/ noch daß mir Ar-
[222]genis deß Poliarchus wegen zu dancken
habe. Soll ich mich mir selber zum Feinde machen/ damit ich einem
andern zu seiner Glückseligkeit möge behülfflich seyn? Sol ich als
ein verachteter Mensch knechtischer Dienste halben geliebet wer-
den/ vnd die Argenis einem andern vbergeben? Du jrrest aber/
Archombrotus/ im fall du mit Gewaldt verfahren wilst. Die Liebe
muß man mit bitten/ Gedult vnd Gehorsamb vberwältigen. Wilst
du der Argenis dienen oder gebieten? Wie vnverschämet würde
diese Rede seyn? Ich wil nicht daß du den Poliarchus lieb habest?
Ein ernster Vatter gebraucht sich kaum solches Befehles. Es ist eine
nicht werth daß sie geliebet werde/ wann sie nicht denselbigen lie-
bet den sie für den Fürtrefflichsten helt. Du must mit dem Poliar-
chus mit Tugendt/ Ehre/ vnd gutem Gerüchte streiten. Es ist dir
selber daran gelegen/ daß er zu rück gelange: dann wir pflegen den
Abwesenden allezeit hertzlicher/ vnd mit einem Erbarmen günstiger
zu seyn. Wie er der Argenis durch seine Gegenwart gefallen kan/ so
kan er jhr auch durch einen Widerwillen oder Eckel mißfallen. Du
must erfahren warumb er geliebet wirdt/ damit du dich gleichsfals
mit ebenmässiger Tugent der Princessin angenem machest. Was er
auch thun wirdt/ das wirst du mit deiner Zuneigung vbertreffen:
vnd wo alles andere nicht wirdt von statten gehen/ so ist der nechste
Weg daß du jhn niederstossest. Du kanst leichtlich Vrsache zu
Zancke vnd Schlagen finden. Vnd ob
[223] er auch von grosser
Stärcke ist/ so ist die Liebe doch stärcker/ welche meine Hand
führen wird. In dessen aber daß wir von seiner Widerkunfft
han- e
[Seite 141]

deln/
wirdt gelegenheit genugsamb seyn mit der Argenis zu reden.
Sie wirdt gewohnen mich zu hören/ vnd mir zu glauben. Offtmals
aber wann solche Freundschafft eingewurtzelt ist/ so dienet sie zu
vielen andern Sachen/ als warumb man sie hat angefangen.


Nachdem Archombrotus sein widerspänstiges Gemüthe auff sol-
che Meinung gebracht hatte/ gieng er widerumb zum Meleander/
da er einen newen Anlaß fand zu trawren. Dann Cleobulus hatte
den König vberredet/ daß alle Verehrungen welche er dem Poliar-
chus schickte/ jhme im Namen der Argenis vberreicht würden. Sie/
sagte er/ hat sein theil an dem Fehler/ daß er auß Sicilien hat entwei-
chen müssen. Nechst euch aber hat sie sich der Sorgen für das Kö-
nigreich anzumassen. So wird er vber diß auch wol spüren/ daß
ewere Bitte vnter der jhrigen begriffen sey: vnd da er sich sonsten
gegen vns was härter stellen möchte/ so wirdt er sich doch mit einer
Jungfrawen in keinen Streitt einlassen. Meleandern gefiele dieser
Anschlag trefflich wol; Vnd/ Es mangelt nun nichts/ sagte er/ als
daß wir das Geschencke/ vnd einen der es vbergebe außlesen. Ti-
monides war ein hurtiger junger Edelmann/ vnd den man wußte
deß Poliarchus grossen Freundt zu seyn. Denselben bestimmete
[224] der König/ auff Vorschlag der Argenis/ zu solcher heim-
lichen Absendung. Wie dieses also beschlossen war/ beriethen sie
sich auch deß Geschencks wegen. Es hatte ohngefehr ein Kauffmann
auß Arabien vnd Syrien viel schöne Sachen gebracht/ so zwar meh-
rentheil zu nichts als zum Pracht vnd Eytelkeit dieser Welt dienen.
Vnter andern war ein Armbandt von gestickter Seyden/ mit allerley
edelen Steinen von vnterschiedenen Farben also versetzet/ daß sie
eine Jagt machten der ergrimmeten oder flüchtigen Thiere/ welchen
die Jäger mit jhren Bogen nacheileten/ oder mit den Spiessen einen
Fang gaben. Die Perlen vnd Kunst waren hoch am Kauffe: dann
sie bey Funffzig Talent machten. Dieses Armbandt haben viel Sici-
lier beschawet. Meleander/ Argenis vnd Cleobulus hielten darfür/
daß es gar bequem were dem Poliarchus zur Verehrung zu vber-
senden/ weil man es leichtlich verbergen könte; vnd die Sache
heimlich muste gehalten werden. Dann wann man jhm Waffen vnd
Rosse zuschickete/ so würden sie von den Feinden vngesehen nicht
bleiben. So sey auch dieses in etlichen Ortten so wol eine Ziehr der
Männer als der Frawen. Vnd möchte es derentwegen ein Frawen
zimmer einer Mannes Person wol verehren. Der König hatte es
zwar zuvor in deß Kauffmans Händen gesehen/ weil er aber
grös

[Seite 142]

sere
Sorgen gehabt/ hat er fast nie achtung darauff gegeben. Nichts
desto weniger schickte er nach dem Eristenes als dem Obristen
Cammermei-
[225]ster/ vnd ließ es die Jubilierer besichtigen ob es
werth were daß es vom König gekaufft würde. Damals aber/ damit
sich niemandt verwunderte/ daß er es so bald zu sich lösete/ be-
gehrte der König die Würffel/ spielte mit der Argenis drümb/ vnd
verlohr gutwillig. Nachmals ruffte er dem Eristenes/ gleichsamb
als sie vmd das Armband geworffen hetten/ vnd befahl daß er es in
rechtem Werthe für die Argenis einkauffen solte.


Fußnotenapparat

a sorgfältig = besorgt (duplici
solicitudine icta)
b des] Aus Fehler der geändert
c Fälle = Zufälle (casus; acci-
dents)
d beruffen = berühmt (renom-
mées)
e vberwältigen.] Fragezeichen
nach den Vorlagen in Punkt ge-
ändert
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