NAch dem der Timonides abgefertiget worden/ war deß Meleanders
einige Sorge/ wie er den Lycogenes sampt dem Oloodemus zu sich
bringen möchte. Derhalben verschrieb er sie beyde. Lycogenes/ der
seine Sachen zur Abweichung noch nicht gäntzlich angeordnet
hatte/ war Willens gehorsam zu leysten/ vnd etliche Tage beym
Könige zu verbleiben: Oloodemus aber/ nach dem jhm die könig-
lichen Schreiben eyngehändiget worden/ reysete vorhin zum Lyco-
genes als nach Hofe. Daselbst als sie sich beriehten/ kam es jhnen
verdächtig für/ daß Meleander alle beyde erfoderte. Dann im Fall er
auff was böses vmbgienge/ so würde er viel sicherer mit beyden zu-
gleich verfahren können/ als mit einem allein. Der beste Weg were/
daß Lycogenes sich Kranckheit wegen entschuldigte/ vnd Oloode-
mus nach Hofe verreysete alles Fürhaben außzukundschaffen.
Derentwegen als er vom Lycogenes wegk gezogen/ machte er sich
auff Epeircte/ vnd ward nach Begrüs-
[235]sung deß Meleanders
selbigen Abendt zu der Tafel gelassen. Er vberantwortete auch dem
Könige die Schreiben/ darinnen sich Lycogenes entschuldigte. Der
König/ wiewol er merckte daß es nur eine ertichtete Vnpaßligkeit
were/ jedoch fragte er/ mit eben solchem Scheine wie sie jhn be-
triegen wolten/ sehr weitläufftig/ an was für einer Kranckheit er
lege. Nach gehaltener Malzeit beruffte er den Cleobulus/ Eurimedes
vnd Archombrotus/ vnd fragte/ wie doch mit dem Lycogenes zu
a b c

[Seite 148]


thun were/ der sich nicht wolte einstellen. Was man auch mit dem
Oloodemus vnd Eristenes solte angeben/ die eben mit solcher Ver-
messenheit/ wie jener were aussen blieben/ bey Hoffe erscheynen
dürfften/ da sie sich doch schüldig wüsten. Archombrotus vnd Euri-
medes hielten dafür/ man solte noch nichts erregen; sondern es
mit dem Lycogenes noch auff einen Weg versuchen. Dann wann
er frey were/ so würde die Straffe der andern nicht viel helffen.
Cleobolus aber sagte; So viel ich verstehe/ halte ich dafür/ daß wir
von der Beute die wir allbereyt haben nichts sollen loß lassen.
Meynet jhr/ wann Lycogenes wegen eines verrhäterischen An-
schlages kein böses Gewissen hette/ daß er dem Könige sich mit
einer solchen greifflichen Lügen der Kranckheit halben würde ent-
brochen haben? Die Götter wollen vns behüten: so viel ich aber
muthmassen vnd auß trewer Leute Zuschrei-
[236]bung abnehmen
kan/ so werden diese sich bald von uns wegk stelen/ vnd sampt jhm
vns gewaffnet vnter Augen tretten. Das ist meine Meynung; der
König sol jhn noch einmal erfordern. Wirdt er es außschlagen/ so
mögen wir es als eine gewisse Rebellion für bekandt annehmen.
Vnter dessen muß man sich durch auffrichtige Leute deß Oloodemus
vnd Eristenes also versichern/ daß sie jhrer Anhaltung nit innen
werden. Wann man erfahren wird/ daß Lycogenes sich nicht ge-
stellen wil/ als dann kan man mit der Schärpffe gegen jhnen ver-
fahren. Wird Lycogenes diese Häupter/ von dergleichen Vermögen
vnd Anhangen verliehren/ so wird seiner Macht ein grosses ent-
gehen. Vber diß wird solcher Ernst vnd Furchte der Straffe in vie-
ler Gemütern eine Ehrerbietung gegen dem Könige erwecken/ vnd
eine heylsame Veränderung machen. Man hielte deß Cleobulus Re-
den für sehr gut/ schrieb also hierauff der König folgenden Tages an
den Lycogenes/ vnd befahl jhm mit guten Worten/ daß er sich nach
Hofe finden solte. Er aber der mehr vnd mehr mißtrawte/ gehor-
chete nit allein nicht/ sondern ließ auch den Oloodemus vnd Eriste-
nes durch Botten warnen/ sie solten sich deß Hofs entbrechen.
Dann deß Königes Gütigkeit sey nicht zu trawen: so müsse man
nun auch öffentliche Gewalt für die Handt nehmen; weil die be-
stimmete Zeit zu dem Kriege herbey kommen sey. Es verachtete
keiner
[237] von den beyden deß Lycogenes seine Muhtmassung.
Aber sie vermochten auch die fleissige Auffachtung deß Cleobulus
d e
[Seite 149]


nicht zu betriegen/ welcher zwene von deß Eristenes Leuten längst
zuvor mit Gelde vnd Verheissungen an sich gebracht hatte/ die jm
durch heimliche Bottschafft jhres Herren Fürhaben offters zu wis-
sen machten. Von diesem erfuhr er dazumal auch/ daß ausserhalb
Epeircte etliche Rosse in Bereytschafft stünden/ mit denen Eriste-
nes auff die Nacht fort wolte. Der König ward fro/ daß diese jhre ver-
stolene Entweychung für ein Theil deß Verbrechens köndte angezo-
gen werden/ vnd befahl dem Archombrotus/ daß er sie auff frischer
That ergreiffen/ vnd mit Gewalt zu rück bringen solte. Diesem Ge-
bote nach zu leben versahe er sich sonderlich nach deß Eurimedes
Gutbedüncken mit alle dem was von nöthen war. Man wuste wol/
daß sie mit wenigen Personen außreissen würden; damit das Ge-
tümmel jre Flucht nicht offenbahrete. Derhalben nam Archombro-
tus nur zehen Soldaten zu sich/ vnd alles Spanier/ damit sie sich
nicht durch Gleichheit der Sprache/ oder die Seuche dieses Ver-
bündnüsses zu eben denen Herren schlagen möchten/ wider wel-
che sie außgerüstet worden. Sie verlohren sich einer nach den an-
dern auß der Festung/ wie sie Archombrotus angestifftet hatte/ ohn
Vermerckung einigen Menschens. Auff dieses folgete er hernach/
stalte sie zusammen vnter dem We
[238]ge vnter ein altes vnd be-
quemes Dach/ wo man nohtwendig von Hofe muste fürüber gehen.
Er hatte nicht lange auffgewartet/ als er wegen deß Monden Schei-
nes den Oloodemus vnd Eristenes erblickte/ welche nebenst dreyen
Knechten geschwinde vnd mit gebückten Häuptern gegangen ka-
men. Derentwegen gieng er jhnen mit seiner Rott entgegen/ vnd/
Wo hinauß/ sagte er/ Oloodemus? Wo hinauß Eristenes? Beym
Jupiter; jhr müst nichts gutes im Schilde führen. Warumb bey
Nacht? Warumb beyde zugleich? Warumb machet jhr euch ohn
deß Königes Vorwissen hinweg? Warumb habet jhr so wenig Die-
ner vnd Freunde bey euch? Sie wusten vor Schrecken nichts zu sa-
gen. Wie sie gehen wolten/ führte er sie wider zu rücke/ vnd vber-
antwortete sie also den Wächtern im Gefängnüsse zu verwahren.
Ihre Flucht war augenscheinlich: die Knechte hielten mit den Pfer-
den nicht weit darvon/ vnd vnter den andern zugleiche hatten sie
jhre Reysekleider angeleget.

Vber diesem Verlauff ward ein jeder verwirret/ vnd als es Iburra-
nes vnd Dunalbius folgenden Tag erfahren/ welche damals zu dem
f g h

[Seite 150]


Tempel deß Apollo bey Palermo verreyset waren/ vnd sich daselbst
bey dem Vorsteher deß Tempels dem Antenorius einem sehr lustigen
Manne eine Zeitlang auffgehalten hatten/ liessen sie eylendts an-
spannen/
[239] vnd fuhren im Biegen auff den König zu; welcher sie
bey jhrer Ankunfft vmbfienge/ vnd nach dem er den gantzen Ver-
lauff erzehlet hatte/ so war die Götter mich lieben/ fieng er an/ ich
wil an diesen zweyen ein Exempel erweysen. Zum wenigsten sollen
sie mich vngenossen nicht mehr verachten. Ich frage auch nach
böser Leute Lästerung im wenigsten nicht/ sie mögen Schmähe-
karten werffen vnd drewen wie sie wollen; wie dann diesen morgen
meiner Kämmerer einer dergleichen Schrifft bey meinem Zimmer
gefunden hat. Dunalbius nam sie/ vnd laß sie neben dem Iburranes
nicht ohn grosses Schrecken.

[240: Kupfer Nr. 6]


Fußnotenapparat

a bestrickt = gebunden, festge-
nommen (arrester)
b verschrieb = forderte brieflich
auf (literis advocat; les mande
... par lettres)
c vberantwortete] Aus Dkf vber-
antworte verbessert
d böses] Aus Dkf böse
e sey.] Aus sey? geändert
f würden] Aus Dkf wurden (erup-
turos)
g müst] Aus Dkf must
h führte] Aus Dkf fuhrte
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