ALs das Schiff auff welchem Poliarchus von Rhege nach Franck-
reich wolte in der Flut
zerstossen war/ vnd sich vor grosser Last der
So bald sie auß dem kleinen in das grössere Schiff kommen wa-
ren/ hielten sie mit jhrer Betriegerey nicht lang hinder dem Berge/
sondern wolten sich vnterstehen jnen Ketten anzulegen. Poliar-
chus
erschrack vber dem Abenthewer/ vnd/ was sol das seyn/ sagte
er/ jhr Leute? was
habt jhr zu vns? oder womit seynd wir euch so
geschwind zuwider gewesen/ da jhr
vns doch erst gewürdiget habt/
daß wir mit ewerer Gefahr auß der Flut
seynd errettet worden? Po-
liarchus war mit seinem Degen auch nit langsamer/
vnd [256] wolte
sich durchauß nicht binden lassen. Als
sie aber auff Poliarchus Wort
nichts gaben/ sondern sich nur hefftiger
ergrimmeten/ vnd zur
Wehr griffen/ mochte Poliarchus nicht länger jnne halten/ vnd
straffte denselben
der jhm die Kette wolte anlegen dermassen/ daß
er ihn durch vnd durch stieß; den
andern fertigte er eben so ab.
Gelanor der auch allbereit einen darnider gemacht hatte/ tratt ne-
ben seinen Herren: also stunden sie mit den Rücken beysammen/
daß man sie
nicht vmbringen kundt/ vnd boten den Feinden auff
beyden seiten die
Stirne. Sie zubrachen auch die Ruder welche sie
funden/ vnd gebrauchten die
Laffen darvon an statt der Schildte. Die
Boßleute welche die Räuber mit dem
Poliarchus eingeholt vnd bin-
den wöllen/ wurden durch solche
Exempel auffgefrischet/ ergrieffen
Stangen/ vnd fiengen ingleichem an sich zu
widersetzen. Es waren
vber diß etliche andere Gefangene nur mit Riemen
gebunden/ ohne
die jenigen welche an Ketten geschmiedet/ rudern mußten.
Diesel-
b
c
Die vberbleibung von der Schlacht wandte sich auff die andere
seitte deß Kampffs/ wo nämlich die Gefangene stritten/ welche von
ihren Banden entlediget worden. Aber dieselben waren nicht weni-
ger wegen deß
glücklichen Fortgangs doppelt behertzter als zuvor.
Sie vmbringten die Räuber
auff einer/ vnd Poliarchus vnd Gelanor
auff der andern seitten/ so daß Poliarchus kaum hat können abweh-
ren/ daß sie nicht alle haben
nidergehawen. Dann er wolte sie viel
lieber fangen/ vnd zu verdienter
Straffe [258] vorbehalten. Derent-
wegen ließ er drey so
jhm zu Fusse fielen in die Ketten schlagen:
vnd wie das arme Volck jhm danckete/
daß sie durch seine Vermitte-
lung der Mörder Gewalt entgangen weren/ empfandt er
einen gros-
sen Trost/ daß er solche seine Müh dem allgemeinen Wolstande zum
besten angeleget hette. Sie schrien einhellig/ daß er jhr Beschirmer
vnd jhr Gott were der sie beschützete; er hette die Meineidigen
Leut mit
mehr als Menschenkrafft vberwunden vnnd verdienete/
daß alle betrübte in der
gantzen Welt Zuflucht bey jhm sucheten.
In solcher allgemeinen Frewde waren aber
die Stimmen
vnter
Poliarchus/ damit er sie nicht mit seiner eigenen Gefahr loß lies-
se/ fragte nach der Ordnung wer desselben Schiffes Herr/ wer der
Patron darauff sey/ vnd von wannen die Rauber weren? Einer von
den Ruderern
ruffte: Mein Herr/ erbarmet euch meiner. Ich habe
diß Schiff mit meinen vncosten
gebawet/ ich bin Herr vnd Patron
darüber gewesen/ vnd habe allzeit meinen Handel
in Africa vnd
Spanien getrieben. Ich hatte ohn gefehr auß dem
Außgange des
[259] Flusses Betis abgestossen/ vnd kauffte nach meiner
Abladung
andere Spanische Wahren ein/ wie diese Seeräuber/ vnter dem
scheine
als begehrten sie mit mir fort zuschiffen/ mich in diß Elendt
gesetzt haben.
Damit ich wegen jhrer Anzahl keinen Argwohn
schöpffen solte/ kam je einer nach
dem andern. Sie gaben auch für/
daß sie in vnterschiedenen Porten
außsteigen wolten. Diese zu Adru-
met/ jene zu Clupea/ oder Vtica. Sie handelten auch mit mir vmb
das Schifflohn;
daß also ich Armseliger sie alle angenommen/ vnd
auff den ehrvergessenen Betrug
nie gedacht habe. Damit sie mich
auch desto behutsamer herumb führeten/ als
giengen sie so lange
wir am Port lagen/ oder von einem Orte in der Nähe
hülffe gewarten
kundten/ mit einander also vmb als keiner den andern kennete. So
baldt vns aber der Windt weit vom Lande getragen hatte/ vnd viel
von den
Schiffleuten wegen deß guten Gewitters entschlaffen wa-
ren/ vberfielen sie vns
plötzlich/ vnd mich zwar schlugen sie von
dem Stewerruder herunter/ die
andern trugen sie noch halb
schlaffend zu den Ruderbäncken/ bunden sie/ vnd wie
Räuber ge-
brauch ist/ an stat daß sie nur mit vns vberschifften/ wurden sie
Herrn/ vnd fuhren nach jhrem belieben. Es hatte einen vnter jhnen/
der deß
Schiffwesens gar wol kündig war: vnter dem Schein jhrer
Bürden aber vnd
Gerähtes führeten sie Ketten bey sich/ welche sie
d
Wie Poliarchus dieses höret/ fragte er einen von diesen ange-
schmiedeten Räubern/ ob sich alles so verhielte wie der Schiffer sag-
te? Er
bekandte alles mit stillschweigen. Aber Poliarchus fußte der
letzten That ferner nach; ob sie der
Königin in Mauritanien Schatz
geraubet hatten; wie sie darzu kommen können/
vnd in welchem
Orth deß Schiffes dieser Diebstal läge. Er sagte/ er were durch
das
groß Geschrey/ so allenthalben von den köstlichen Steinen der
Königin
erschollen/ zu solchem kühnen Anschlag bewogen wor-
den. Sieben von seiner
Rott weren vmb Mitternacht auff der Gassen
gewaffnet gestanden/ gleichsam als man
sie auff Befehl der Köni-
gin dahin gestellt hette/ damit sie die so fürüber
giengen hetten zu
rücke gewiesen; biß zweene von jhnen [261] das Fenstereysen/ so
mit dicken Hacken in einander geflochten
gewesen/ durch verbor-
genen Werckzeug beugen können: daß wir also/ sagte
er/ sindt hinein
kommen. Nach erlangtem Begehren machten wir vns wider zur
See/ vnd gaben die Flucht; daß noch keiner den Schatz nicht berüh-
ret hat;
dann von demselbigen Vfer an hat vns erstlich die Flucht/
hernach das Vngewitter
so viel Zeit nicht gelassen. Auß Forchte
auch daß vns solche fürnehme
Außbeuthe nicht möchte aneinander
hetzen/ haben wir gewartet/ biß wir sie bey der
Windtstille theilen
köndten. Gieng derhalben Poliarchus vnter die Schiffbühne/ vnd
der Rauber vor jhm her/ der
jhm den mächtigen Mauritanischen
Schatz/ so mehrentheils Weiber-Schmuck war/
zeigete.
Damals/ gleichsam als beruffte jhn das Glück zu newen
An-
schlägen/ bedachte er sich lange bey sich selber. Es hatte das An-
sehen/ als ob die Götter seine Reise auff Franckreich verhindert/
e
Nachdem er sich dessen entschlossen/ sagte er also wider
den
Rauber: Die Gerechtigkeit verbindet mich der Königin das jhrige
wider
zugeben/ vnd euch ehrlose Leute nach Verdienst zu straffen.
Wir müssen vnsere
Schiffart auff Mauritanien richten/ damit sol-
che schröckliche Verwegenheit
nicht vngerochen bleibe/ oder an-
dere Vnschuldige in ewerer bösen That
verdacht gerahten. Stracks
ließ er den Herren deß Schiffs/ von dem er alle
Gelegenheit der
Meerräuber verstanden/ auß den Ketten schlagen/ vnd wider einen
Stewermann geben. Die andern/ so auff den Ruderbäncken sassen/
verbott er
loß zumachen. Dann er bedurffte nicht allein Ruderer
damit er in
Africa käme: sondern wolte auch so vielen vnbekandten
Leuten/ vnd
die vielleicht jhrer Ketten wol werth weren/ nicht
trawen/ vnd Gelegenheit lassen
jhn zu beleydigen. Derentwegen
suchte er die Schlüssel zu den Ruderbäncken vnd
Fesseln fleissig
zusammen/ vnd gab sie dem Gelanor zu verwahren. Damit sie sich
aber gleichwol vber
diesem Sieg etwas zu frewen hetten; Wolan/
sagte er/ jhr Ruderer/ ewer [263]
Glück blühet schon. Macht nur
daß wir baldt in Mauritanien ankommen/ ich sage beym Jupiter zu/
euch alle auff freyen Fuß zustellen. Was darff es euch
frembde für-
kommen/ daß ich/ zu vergeltung ewerer Freyheit/ eine kleine Müh
begehre/ deren ich aber nicht entberen kan. Wann der Schiffpatron
gerade zusaget/ so wöllen wir in zweyen Tagen da seyn. Hernach
wird sich
zugleich mein schiffen vnd ewer Gefängnüß enden.
Als die Ruderer solche Hoffnung bekommen/ theileten sie sich
dermassen mit der Arbeit ein/ daß es schiene/ als ein jeglicher nicht
in
Africa/ sondern nach Hause vnd zu den Seinigen gelangen solte.
Der
Patron zeigete beynebenst an/ das Meer pflegte keine Leichen
auff den
Schiffen zuleyden; vnd die Seegötter erzürneten sich hier-
über; so daß solch
Erbarmung gegen den Todten/ offtmals die Le-
bendigen in grosse Gefahr gebracht
hette. Es lagen drey von den
Räubern/ so in vorigem Kampff vmbkommen/ auff dem
Getäfel deß
Schiffes. Poliarchus durffte mit vngelegener Frömmigkeit der all-
gemeinen Einbildung der Schiffenden nicht widersprechen. Darumb
entschuldigte
er sich Ehrerbietig gegen den Hellischen Göttern/
daß er sie vnbegraben
außwürffe; So bald sie jhn in Africa bringen
würden/ wolte er jnen an dem Vfer Grabstätte
auffrichten. Gab also
zu/ daß sie sich mit den Cörpern der entleibten fasseten.
Damit
aber nicht etwas vergebens vmbkäme/ suchten sie in jhren Klei-
dern/ ob was guts [264] darinnen were. Bey zweyen funden
sie etwas
von Geldt. Der dritte/ gleich als were er was fürnehmers/ hatte
Kniebänder vmb die Schenckel. Wie dieselbe ein Schiffer abnam/
fiel ein
Schreiben herab/ welches der Mensch/ wie man sahe/ mit
fleiß dahin
gebunden hatte. Poliarchus hieß jhm solches hingeben/
vnd als er es geöffnet hatte/
stund er gantz verstarret/ weil er sahe/
daß der Brieff an jhn/ vnd zwar vom
Lycogenes gegeben worden.
Solte Lycogenes jhme schreiben? vnd dieser Brieff/ solte er jhn
durch
solch Abendthewer vberkommen? Er vermochte fast nicht
zu glauben was er
sahe/ sonderlich als er laß: Lycogenes wünd-
schet dem Poliarchus alle Wolfahrt. Er hieß bald den Leichnam
auffrichten/
vnd halff dem Gelanor genawe zuschawen/ weil er erst
kurtz verschieden/ vnd sich
im Gesichte noch nicht geändert hatte/
ob sie jhn erkennen möchten. Aber es
kundte sich keiner erinnern
daß er jhm jemals fürkommen were/ weil er ein
schlechter Mensch/
vnd nur auß den gemeinen Dienern deß Lycogenes war. Als sie
auch fleissig nachgesuchet/ ob er noch mehr
Schreiben oder son-
sten wunderliche Sachen bey sich trüge/ warffen sie jhn vber
Bortt/
vnwissendt ob er Freundt oder Feindt gewesen. Es war aber eben
der jenige/ welchen Lycogenes zum Poliarchus abgefertiget hatte.
Dann er hatte sich/ in dem Timonides auff seinem Gut verblieben/
auff die Reiß gemacht/ vnd
weil jhn die Räuber gefangen
bekom-
g
Poliarchus/ der von diesem Handel gantz nichts wuste/ lehnete
sich an den Mast. Hernach veränderte er Gesichte vnd Gemüte/ vnd
lase ein jedes
Wort mit Schrecken. Meleander wardt einer Gifft-
beybringung beschüldiget; Lycogenes war der Ankläger. Er ver-
nam daß Meleander jhn wolte hinrichten; hergegen Lycogenes seine
Freundtschafft antrüge. Was were aber diß für ein
Armbandt? oder
wohin were Timonides zu jhm geschickt worden? Er meinete nicht
daß er den
Brieff lese/ oder recht wachete. Hernach als er zu sich sel-
ber kommen/ vnd den
Brief noch ein mahl vbersahe; Gelanor/ sagte
er/ das Ding hat was grosses auff sich. Ich habe
mich fürm Lycoge-
nes niemals mehr gefürchtet als jetzundt/ da er sich vmb meine
Wohlfart bekümmert. Wann der noch lebete so den Brieff bey sich
hatte/ vielleicht könte man etliche Anzeigungen auß jhm bringen/
darauß wir
etwas gewisses erzwingen möchten. Nun aber zweiffele
ich/ was ich gedencken/ oder
wie ich hinder die Warheit kommen
sol. Hernach erwuge er bey sich selber/ ob es
auch möglich were/
daß jhn Meleander ohn alle seine Schuldt vnter dem scheine der
Freundtschafft hette verletzen wöllen? Es war der Arglistigkeit deß
Lycogenes gemäser/ daß er vom Könige gelogen/ als daß der König
so
einen vnauffrichtigen Betrug erdacht hette. Mit diesen vnd der-
gleichen
Gedancken gieng der [266] Tag fürüber; wie jhm auch die
Nacht allerley vnd fast vnsinnige Einbildungen machte. Vnter an-
dern
Anschlägen sahe er fürs beste an/ wann er den Gelanor in
Sicilien schickte; vnd zwar ohn alles andere Schreiben
an den Kö-
nig: sondern nur mit eben diesen deß Lycogenes Brieffe/ welchen er
dem Meleander vbergeben solte. Besser köndte er die Warheit nit
erfahren. Dann es würde dem König kümmerlich fürkommen/ ent-
weder wegen der
Schmach/ vber außbreitung deß Betrugs der jhm
gefehlet hette/ oder wegen deß
vnbillichen Verdachts den man auff
jhn würffe. Vnd würde Gelanor auß deß Königs vnd der Vmbste-
henden Augen und Worten
genugsam abnehmen können/ was er
von solcher deß Lycogenes Zeitung glauben solte. Er ließ es sich
auch nicht
anfechten/ daß Lycogenes hierdurch möchte beleydiget
h