ALs das Schiff auff welchem Poliarchus von Rhege nach Franck-
reich wolte in der Flut zerstossen war/ vnd sich vor grosser Last der

[Seite 157]


Wellen voneinander gab/ machte er sich sampt dem Gelanor vnd
zweyen Schiffern in den Weydling. Sie strebeten dem Wind nicht zu-
wider/ außgenommen daß sie die Streiche der Ruder also führeten/
daß die Wellen nicht an die seitte deß Weydlings schlagen kundten.
Nachdem sie aber das nechste vorgebirge vmbsegelt hatten/ war
jhnen das vorige Schiff/ vor dessen Vntergange sie außgestiegen/
auß dem Gesichte kommen. Wie der Wind jhnen hernach etwas ge-
linder zusatzte/ vnd sie noch weit herumb jrreten/ lieff das Schiff-
lein wider die Spitzen eines Felsen der vnter dem seichten Wasser
verdecket war; so daß die Ruderknechte nicht fort kondten. Derent-
wegen sprungen sie mitten in die See/ zwar auff harte/ aber doch
dermassen vngleiche Steine/ daß die Fluth keinem biß vnter das
Knie/ vnd gleichwol auch nicht
[254] biß an den Nabel gieng. Das
Vfer war fern; sie kundten kein Schiff erblicken/ vnd die grösse deß
Vbels beraubte sie aller Hoffnung. Poliarchus wolte seinem Elende
mit dem Degen abhelffen: Gelanor aber sein Leben viel lieber den
reissenden Wellen hingeben; die Schiffleute sagten auch/ man solte
nicht so sehr auß Vertröstung darvon zu kommen/ als wegen
Schrecken also zu sterben der Natur vnd deß Glückes Willen er-
warten. In dem sie von jhrem Tode Sprach hielten/ erblickten sie
von weitem ein Schiff das durch die Wellen getrieben ward/ vnd
sich allgemach zu jhnen nahete. Es war ein Raubschiff/ welches
ringfügig vnd wegen deß Vngewitters mit Fleiß war gemacht wor-
den/ so daß es diesen Sturm vnverletzet außgestanden hatte. Wie
auch die Winde nur ein wenig nachliessen/ kundte man es mit dem
Stewer Ruder zimblich regieren. Der Patron wußte/ daß es in der-
selben Gegend steinicht were/ welches jhm auch der Schaum/ vnd
das brausen/ so an solchen felsichten Orten allzeit hefftiger ist/ zu-
erkennen gab. Derhalben lenckte er das Schiff ab/ vnd ward in
dessen etlicher Bretter von dem zerstossenen Weydlinge jnnen/ er
sahe auch auff den nechsten Steinen diese Menschen/ welche die
Hände auffhuben/ vnd vmb Hülffe rufften. Die Räuber stunden im
Zweiffel/ ob sie auffzunemmen weren. Was hetten sie zugewarten/
da sie jhnen gleich beyspringen? oder was würden sie denen zu
nehmen finden/ welche Schiffbruch erlitten? Ihr grausames
[255]
Gewerb aber das sie trieben hatte alle Freundligkeit auß jhren Ge- a
[Seite 158]

müthern
weggerissen. In erwegung gleichwol/ daß offtmals Rei-
sende jhre beste Sachen vnd Zehrung in den Kleydern zuverbergen
pflegen/ befunden sie es für gut/ weil die See fast stille worden/ daß
sie zu solchem Raub sich hin machten; vnd fertigten also jhr Nach-
schiff auß. Damit sie aber nicht an die Klippen führen/ ruderten sie
etwas langsamb/ vnd versuchten allzeit wie tieff der Grundt lege.
Sie rufften auch denen die also badeten zu/ daß sie so viel als mög-
lich auff den Steinen vnd hartem Sande näher herzu giengen. End-
lich legten die Räuber jhre Ruder von dem Schiff an den nechsten
Felsen/ daß sie als auff einer Brücken kundten hinein gehen. Sie
wunderten sich aber deß Poliarchus vnd Gelanors Gesichtes/ vnd
trugen einen Gefallen vber jhrer Schönheit vnd zierlichen Kley-
dern/ in Meinung/ daß es eine reiche Beuth bey jhnen setzen würde.

So bald sie auß dem kleinen in das grössere Schiff kommen wa-
ren/ hielten sie mit jhrer Betriegerey nicht lang hinder dem Berge/
sondern wolten sich vnterstehen jnen Ketten anzulegen. Poliar-
chus erschrack vber dem Abenthewer/ vnd/ was sol das seyn/ sagte
er/ jhr Leute? was habt jhr zu vns? oder womit seynd wir euch so
geschwind zuwider gewesen/ da jhr vns doch erst gewürdiget habt/
daß wir mit ewerer Gefahr auß der Flut seynd errettet worden? Po-
liarchus war mit seinem Degen auch nit langsamer/ vnd
[256] wolte
sich durchauß nicht binden lassen. Als sie aber auff Poliarchus Wort
nichts gaben/ sondern sich nur hefftiger ergrimmeten/ vnd zur
Wehr griffen/ mochte Poliarchus nicht länger jnne halten/ vnd
straffte denselben der jhm die Kette wolte anlegen dermassen/ daß
er ihn durch vnd durch stieß; den andern fertigte er eben so ab.
Gelanor der auch allbereit einen darnider gemacht hatte/ tratt ne-
ben seinen Herren: also stunden sie mit den Rücken beysammen/
daß man sie nicht vmbringen kundt/ vnd boten den Feinden auff
beyden seiten die Stirne. Sie zubrachen auch die Ruder welche sie
funden/ vnd gebrauchten die Laffen darvon an statt der Schildte. Die
Boßleute welche die Räuber mit dem Poliarchus eingeholt vnd bin-
den wöllen/ wurden durch solche Exempel auffgefrischet/ ergrieffen
Stangen/ vnd fiengen ingleichem an sich zu widersetzen. Es waren
vber diß etliche andere Gefangene nur mit Riemen gebunden/ ohne
die jenigen welche an Ketten geschmiedet/ rudern mußten.
Diesel- b c

[Seite 159]

ben
sahen dem Streitt mit Frewden zu/ vnd merckte Poliarchus auß
der armen Leut Gesichte wol/ daß sie jhme den Sieg gönneten.
Darumb/ weil er auch vermeinete/ jhr Beystandt were nicht zu ver-
achten/ hieb er etlichen die Riemen entzwey/ vnd vermahnete sie/
daß sie trewlich wider die Ehrlosen Leute fechten wolten. Diese lö-
seten jhrer Gesellen Bande/ daß sie also den Feinden an der Zahl
fast gleich wurden. Es waren der Seeräuber dreyzehn. Von diesen
hatte Poliarchus
[257] zweene/ vnd Gelanor einen erlegt. Die
Schiffer vnd Knechte/ welche Poliarchus auffgelöset/ hatten es mit
Fünffen angenommen. So das Poliarchus vnd Gelanor mit den
vbrigen fünffen kämpffen musten. Doch worden sie auch nicht vn-
gerochen hingerichtet. Dann sie hatten schon einen von deß Poliar-
chus Schiffleuten in das Meer gejaget. Vnd der eine stellte sich als
wolte er dem Poliarchus ein Keule mit eisernen Spitzen in den
Nacken legen/ vnd schlug jhn mit behender List in die Seiten. Wann
der Pantzer nicht hette auffgehalten/ wie schwer were die Argenis
diese Keule ankommen? Dann sie ist auch also mit vielen/ aber
nicht tieffen Wunden eingedrungen. Poliarchus entbrandte hierüber
noch hefftiger/ wande seinem Widersacher die Keule auß/ vnd
schlug jhm darmit biß in das Gehirne; vermahnete hierüber den
Gelanor mit vnerschrockner Stimme zum Sieg/ welcher ingleichem
nicht rastete/ vnd noch zweene fortgeschickt hatte.

Die vberbleibung von der Schlacht wandte sich auff die andere
seitte deß Kampffs/ wo nämlich die Gefangene stritten/ welche von
ihren Banden entlediget worden. Aber dieselben waren nicht weni-
ger wegen deß glücklichen Fortgangs doppelt behertzter als zuvor.
Sie vmbringten die Räuber auff einer/ vnd Poliarchus vnd Gelanor
auff der andern seitten/ so daß Poliarchus kaum hat können abweh-
ren/ daß sie nicht alle haben nidergehawen. Dann er wolte sie viel
lieber fangen/ vnd zu verdienter Straffe
[258] vorbehalten. Derent-
wegen ließ er drey so jhm zu Fusse fielen in die Ketten schlagen:
vnd wie das arme Volck jhm danckete/ daß sie durch seine Vermitte-
lung der Mörder Gewalt entgangen weren/ empfandt er einen gros-
sen Trost/ daß er solche seine Müh dem allgemeinen Wolstande zum
besten angeleget hette. Sie schrien einhellig/ daß er jhr Beschirmer
vnd jhr Gott were der sie beschützete; er hette die Meineidigen
Leut mit mehr als Menschenkrafft vberwunden vnnd verdienete/
daß alle betrübte in der gantzen Welt Zuflucht bey jhm sucheten.
In solcher allgemeinen Frewde waren aber die Stimmen
vnter

[Seite 160]

schieden.
Dann die welche allein mit Riemen gebunden gewesen/
vnd nun jhre Freyheit empfunden/ bedanckten sich gegen jhrem
Helffer/ vnd wundscheten jhnen selber Glück. Die Ruderer aber/
so auch eine völlige Gnade begehreten/ baten hefftig daß man sie
aufflösete/ vnd in denselben Standt gesetz würden in dem sie zuvor/
ehe man so vnbarmhertzig mit jhnen verfahren hette/ gewesen
weren.

Poliarchus/ damit er sie nicht mit seiner eigenen Gefahr loß lies-
se/ fragte nach der Ordnung wer desselben Schiffes Herr/ wer der
Patron darauff sey/ vnd von wannen die Rauber weren? Einer von
den Ruderern ruffte: Mein Herr/ erbarmet euch meiner. Ich habe
diß Schiff mit meinen vncosten gebawet/ ich bin Herr vnd Patron
darüber gewesen/ vnd habe allzeit meinen Handel in Africa vnd
Spanien getrieben. Ich hatte ohn gefehr auß dem Außgange des

[259] Flusses Betis abgestossen/ vnd kauffte nach meiner Abladung
andere Spanische Wahren ein/ wie diese Seeräuber/ vnter dem
scheine als begehrten sie mit mir fort zuschiffen/ mich in diß Elendt
gesetzt haben. Damit ich wegen jhrer Anzahl keinen Argwohn
schöpffen solte/ kam je einer nach dem andern. Sie gaben auch für/
daß sie in vnterschiedenen Porten außsteigen wolten. Diese zu Adru-
met
/ jene zu Clupea/ oder Vtica. Sie handelten auch mit mir vmb
das Schifflohn; daß also ich Armseliger sie alle angenommen/ vnd
auff den ehrvergessenen Betrug nie gedacht habe. Damit sie mich
auch desto behutsamer herumb führeten/ als giengen sie so lange
wir am Port lagen/ oder von einem Orte in der Nähe hülffe gewarten
kundten/ mit einander also vmb als keiner den andern kennete. So
baldt vns aber der Windt weit vom Lande getragen hatte/ vnd viel
von den Schiffleuten wegen deß guten Gewitters entschlaffen wa-
ren/ vberfielen sie vns plötzlich/ vnd mich zwar schlugen sie von
dem Stewerruder herunter/ die andern trugen sie noch halb
schlaffend zu den Ruderbäncken/ bunden sie/ vnd wie Räuber ge-
brauch ist/ an stat daß sie nur mit vns vberschifften/ wurden sie
Herrn/ vnd fuhren nach jhrem belieben. Es hatte einen vnter jhnen/
der deß Schiffwesens gar wol kündig war: vnter dem Schein jhrer
Bürden aber vnd Gerähtes führeten sie Ketten bey sich/ welche sie
d

[Seite 161]


vns allen an die Schenckel schlossen. [260] Hernach wann jhnen
kleine Schiffe auffstiessen/ grieffen sie dieselbige an; vnd haben also
viel Waffen/ Gefangene/ vnd Reichthumb zusammen gebracht.
Sie waren auch nit begnüget auff der See zu rauben/ sondern stie-
gen offtmals an das Land/ vnd wann sie an einem Ort genugsamb
geplündert hatten/ so suchten sie mit meinem Schiff einen newen.
Es ist nicht lange/ daß etliche von jhrem Hauffen/ als sie nur drey
Tag aussen gewesen/ mit kostbaren Gütern auß Mauritanien wider
zum Schiff kommen seynd; da sie dann/ wie ich auß ihren Reden
abnehmen können/ durch sonderliche List der Mauritanischen Kö-
nigin liebsten Schatz angetastet haben.

Wie Poliarchus dieses höret/ fragte er einen von diesen ange-
schmiedeten Räubern/ ob sich alles so verhielte wie der Schiffer sag-
te? Er bekandte alles mit stillschweigen. Aber Poliarchus fußte der
letzten That ferner nach; ob sie der Königin in Mauritanien Schatz
geraubet hatten; wie sie darzu kommen können/ vnd in welchem
Orth deß Schiffes dieser Diebstal läge. Er sagte/ er were durch das
groß Geschrey/ so allenthalben von den köstlichen Steinen der
Königin erschollen/ zu solchem kühnen Anschlag bewogen wor-
den. Sieben von seiner Rott weren vmb Mitternacht auff der Gassen
gewaffnet gestanden/ gleichsam als man sie auff Befehl der Köni-
gin dahin gestellt hette/ damit sie die so fürüber giengen hetten zu
rücke gewiesen; biß zweene von jhnen
[261] das Fenstereysen/ so
mit dicken Hacken in einander geflochten gewesen/ durch verbor-
genen Werckzeug beugen können: daß wir also/ sagte er/ sindt hinein
kommen. Nach erlangtem Begehren machten wir vns wider zur
See/ vnd gaben die Flucht; daß noch keiner den Schatz nicht berüh-
ret hat; dann von demselbigen Vfer an hat vns erstlich die Flucht/
hernach das Vngewitter so viel Zeit nicht gelassen. Auß Forchte
auch daß vns solche fürnehme Außbeuthe nicht möchte aneinander
hetzen/ haben wir gewartet/ biß wir sie bey der Windtstille theilen
köndten. Gieng derhalben Poliarchus vnter die Schiffbühne/ vnd
der Rauber vor jhm her/ der jhm den mächtigen Mauritanischen
Schatz/ so mehrentheils Weiber-Schmuck war/ zeigete.


Damals/ gleichsam als beruffte jhn das Glück zu newen An-
schlägen/ bedachte er sich lange bey sich selber. Es hatte das An-
sehen/ als ob die Götter seine Reise auff Franckreich verhindert/
e

[Seite 162]


vnd auffschieben wolten. Es hatte jhn das Vngewitter von dem
Wege verschlagen/ vnd war jhm ein Schiff auffgestossen/ welches
in die Africanischen Hafen einzusegeln gewohnet war: vnd er hielte
es auch für vnbillich/ dieses der Königin nicht bald zu offenbaren/
daß jhre Güter widerumb erobert weren. Vnd vielleicht (fieng er
bey sich selber an) ist den Göttern mein Ruhm vnd Ehre selber an-
gelegen. Sie wöllen ja nicht/ daß ich das jenige mit meiner Nation
stärcke vnd Waffen hinauß führen sol/ wessen ich mich in vnbe-
kand-
[262]ter Gestalt in Sicilien vnterwunden habe. Damit ich we-
der meinem Geschlecht/ noch meiner Heereskrafft/ sondern einig
mir selber solle zu dancken haben alle die Glückseligkeit/ so mir zu
handen kompt. Ich wil dieser guten Anzeigung folgen. Auß Africa
werde ich leichtlich den Zustand Siciliens erfahren/ vnd den Meini-
gen der Argenis offenbaren können.


Nachdem er sich dessen entschlossen/ sagte er also wider den
Rauber: Die Gerechtigkeit verbindet mich der Königin das jhrige
wider zugeben/ vnd euch ehrlose Leute nach Verdienst zu straffen.
Wir müssen vnsere Schiffart auff Mauritanien richten/ damit sol-
che schröckliche Verwegenheit nicht vngerochen bleibe/ oder an-
dere Vnschuldige in ewerer bösen That verdacht gerahten. Stracks
ließ er den Herren deß Schiffs/ von dem er alle Gelegenheit der
Meerräuber verstanden/ auß den Ketten schlagen/ vnd wider einen
Stewermann geben. Die andern/ so auff den Ruderbäncken sassen/
verbott er loß zumachen. Dann er bedurffte nicht allein Ruderer
damit er in Africa käme: sondern wolte auch so vielen vnbekandten
Leuten/ vnd die vielleicht jhrer Ketten wol werth weren/ nicht
trawen/ vnd Gelegenheit lassen jhn zu beleydigen. Derentwegen
suchte er die Schlüssel zu den Ruderbäncken vnd Fesseln fleissig
zusammen/ vnd gab sie dem Gelanor zu verwahren. Damit sie sich
aber gleichwol vber diesem Sieg etwas zu frewen hetten; Wolan/
sagte er/ jhr Ruderer/ ewer
[263] Glück blühet schon. Macht nur
daß wir baldt in Mauritanien ankommen/ ich sage beym Jupiter zu/
euch alle auff freyen Fuß zustellen. Was darff es euch frembde für-
kommen/ daß ich/ zu vergeltung ewerer Freyheit/ eine kleine Müh
begehre/ deren ich aber nicht entberen kan. Wann der Schiffpatron
gerade zusaget/ so wöllen wir in zweyen Tagen da seyn. Hernach
wird sich zugleich mein schiffen vnd ewer Gefängnüß enden.

f
[Seite 163]

Als die Ruderer solche Hoffnung bekommen/ theileten sie sich
dermassen mit der Arbeit ein/ daß es schiene/ als ein jeglicher nicht
in Africa/ sondern nach Hause vnd zu den Seinigen gelangen solte.
Der Patron zeigete beynebenst an/ das Meer pflegte keine Leichen
auff den Schiffen zuleyden; vnd die Seegötter erzürneten sich hier-
über; so daß solch Erbarmung gegen den Todten/ offtmals die Le-
bendigen in grosse Gefahr gebracht hette. Es lagen drey von den
Räubern/ so in vorigem Kampff vmbkommen/ auff dem Getäfel deß
Schiffes. Poliarchus durffte mit vngelegener Frömmigkeit der all-
gemeinen Einbildung der Schiffenden nicht widersprechen. Darumb
entschuldigte er sich Ehrerbietig gegen den Hellischen Göttern/
daß er sie vnbegraben außwürffe; So bald sie jhn in Africa bringen
würden/ wolte er jnen an dem Vfer Grabstätte auffrichten. Gab also
zu/ daß sie sich mit den Cörpern der entleibten fasseten. Damit
aber nicht etwas vergebens vmbkäme/ suchten sie in jhren Klei-
dern/ ob was guts
[264] darinnen were. Bey zweyen funden sie etwas
von Geldt. Der dritte/ gleich als were er was fürnehmers/ hatte
Kniebänder vmb die Schenckel. Wie dieselbe ein Schiffer abnam/
fiel ein Schreiben herab/ welches der Mensch/ wie man sahe/ mit
fleiß dahin gebunden hatte. Poliarchus hieß jhm solches hingeben/
vnd als er es geöffnet hatte/ stund er gantz verstarret/ weil er sahe/
daß der Brieff an jhn/ vnd zwar vom Lycogenes gegeben worden.
Solte Lycogenes jhme schreiben? vnd dieser Brieff/ solte er jhn
durch solch Abendthewer vberkommen? Er vermochte fast nicht
zu glauben was er sahe/ sonderlich als er laß: Lycogenes wünd-
schet dem Poliarchus alle Wolfahrt. Er hieß bald den Leichnam
auffrichten/ vnd halff dem Gelanor genawe zuschawen/ weil er erst
kurtz verschieden/ vnd sich im Gesichte noch nicht geändert hatte/
ob sie jhn erkennen möchten. Aber es kundte sich keiner erinnern
daß er jhm jemals fürkommen were/ weil er ein schlechter Mensch/
vnd nur auß den gemeinen Dienern deß Lycogenes war. Als sie
auch fleissig nachgesuchet/ ob er noch mehr Schreiben oder son-
sten wunderliche Sachen bey sich trüge/ warffen sie jhn vber Bortt/
vnwissendt ob er Freundt oder Feindt gewesen. Es war aber eben
der jenige/ welchen Lycogenes zum Poliarchus abgefertiget hatte.
Dann er hatte sich/ in dem Timonides auff seinem Gut verblieben/
auff die Reiß gemacht/ vnd weil jhn die Räuber gefangen
bekom- g

[Seite 164]

men/
war er damals im Streitte blieben; gleichsamb als das
[265]
Glücke gezweiffelt hette/ ob so ein schändtlicher Brieff dem Poliar-
chus solte vbergeben werden.

Poliarchus/ der von diesem Handel gantz nichts wuste/ lehnete
sich an den Mast. Hernach veränderte er Gesichte vnd Gemüte/ vnd
lase ein jedes Wort mit Schrecken. Meleander wardt einer Gifft-
beybringung beschüldiget; Lycogenes war der Ankläger. Er ver-
nam daß Meleander jhn wolte hinrichten; hergegen Lycogenes seine
Freundtschafft antrüge. Was were aber diß für ein Armbandt? oder
wohin were Timonides zu jhm geschickt worden? Er meinete nicht
daß er den Brieff lese/ oder recht wachete. Hernach als er zu sich sel-
ber kommen/ vnd den Brief noch ein mahl vbersahe; Gelanor/ sagte
er/ das Ding hat was grosses auff sich. Ich habe mich fürm Lycoge-
nes niemals mehr gefürchtet als jetzundt/ da er sich vmb meine
Wohlfart bekümmert. Wann der noch lebete so den Brieff bey sich
hatte/ vielleicht könte man etliche Anzeigungen auß jhm bringen/
darauß wir etwas gewisses erzwingen möchten. Nun aber zweiffele
ich/ was ich gedencken/ oder wie ich hinder die Warheit kommen
sol. Hernach erwuge er bey sich selber/ ob es auch möglich were/
daß jhn Meleander ohn alle seine Schuldt vnter dem scheine der
Freundtschafft hette verletzen wöllen? Es war der Arglistigkeit deß
Lycogenes gemäser/ daß er vom Könige gelogen/ als daß der König
so einen vnauffrichtigen Betrug erdacht hette. Mit diesen vnd der-
gleichen Gedancken gieng der
[266] Tag fürüber; wie jhm auch die
Nacht allerley vnd fast vnsinnige Einbildungen machte. Vnter an-
dern Anschlägen sahe er fürs beste an/ wann er den Gelanor in
Sicilien schickte; vnd zwar ohn alles andere Schreiben an den Kö-
nig: sondern nur mit eben diesen deß Lycogenes Brieffe/ welchen er
dem Meleander vbergeben solte. Besser köndte er die Warheit nit
erfahren. Dann es würde dem König kümmerlich fürkommen/ ent-
weder wegen der Schmach/ vber außbreitung deß Betrugs der jhm
gefehlet hette/ oder wegen deß vnbillichen Verdachts den man auff
jhn würffe. Vnd würde Gelanor auß deß Königs vnd der Vmbste-
henden Augen und Worten genugsam abnehmen können/ was er
von solcher deß Lycogenes Zeitung glauben solte. Er ließ es sich
auch nicht anfechten/ daß Lycogenes hierdurch möchte beleydiget
h

[Seite 165]


werden; dessen Verträwligkeit er jhm nicht begerte/ ob gleich Me-
leander seiner Feindschafft wert were. Zu solchem Rahtschlag halff
viel die Begier an die Argenis zu schreiben/ mit welcher er durch
niemanden als den Gelanor oder Arsidas Brieffe zuwechseln sich
wagen wolte.


Fußnotenapparat

a ringfügig = geringfügig,
schlicht, was allerdings légère,
dagegen nicht habilis wiedergibt.
b Nachschiff = Anhängeboot
c Laffe = das Blatt, die Ruder-
schaufel (palmula)
d Gewitter = Wetter, Witterung;
guten Gewitters = in coelo se-
curo; le beau temps
e fußte = ging
fußte ferner nach] intentius
urgebat
f beleydigen = in Leid stürzen (in
se peccare)
g Getäfel] constratum, tillac; also
Deck
h gefehlet = fehlgeschlagen (in
crimine ... falso; ce crime inuti-
le, et qui n’auroit point reüssi)
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