VNder dessen fand sich der Schiffmann/ vnd zeigte an/ daß der
Windt gut were. Wann Gelanor käme/ so wolten sie in wenig Stun-
den weit von Africa seyn. Derhalben fertigt jhn Poliarchus eylends
ab/ vnd befahl jhm was er dem Meleander bringen/ vnd der Arge-
nis sagen/ item der Selenissen/ dem Archombrotus/ vnd andern gu-
ten Freunden vertrawen solte. Er könde auch in geheim Nachfor-
schung halten/ was der König mit seinen fahrenden Gütern ge-
than/ ob er sie zu kauffe außgesetzt/ vnd welche sie eingelöset het-
ten. Dann darauß würde abzunehmen seyn/ wie Meleander gegen
jhme gesonnen were. Nach seiner verrichtung in Sicilien/ solte er
auffs ehiste als möglich/ nach Clupea/ da er seiner zu warten ge-
sonnen war/ wider vmbkehren.

Als Gelanor fortgereiset/ vnd die Mohren abgetretten waren/ wol-
te er sich zu Ruhe begeben/ weil er eine Müdigkeit befandt. So bald
aber als er in das Bette kommen/ vnd die lebendigen Geister/ welche
durch Einbildung vnterschiedener Sachen ange-
[283]halten wor-
den/ sich wieder funden/ da fiengen die Wunden/ welche jhm der
Räuber in die Seite geschlagen/ vnd er nicht allein nicht geachtet/
sondern auch mit Arbeit vnd bemühung deß Gemütes mehr gereitzet
hatte/ erst an zu brennen/ vnd wurffen jhn mit einem hitzigen
Feber darnieder. Dieser Fall hielt seine fürgenommene Reise auff
den folgenden Tag zurücke/ vnd erschreckte die Königin nicht we-
niger/ als wann jhr leiblicher Sohn in Kranckheit gefallen were.
Dann vber die grosse Gutthat die sie vom Poliarchus empfangen
hatte/ betrachtete sie auch die Anmutigkeit seiner Natur vnd die
Höffligkeit im reden. Sie hette jhr auch seiner Ankunfft halben
Gedancken gemacht/ vnd bildete jhr im Gemüte was grosses ein;
also daß sie jhm mehr vnd mehr günstig ward. Dessentwegen be-
suchte sie jhn mit jhren ärtzten auff früen morgen. Der Königin
fol- a b

[Seite 175]

geten
jhre fürnemste Leute/ vnd bezeigeten mit trawrigen Ge-
sichte jhr Mitleiden.

Gelanor/ so von diesem allen nicht wuste/ segelte mit glücklichem
Winde auff Sicilien zu. Wiewol sie aber gutes Gewitter nach Epeirc-
te hatten/ so wolte er doch daselbst nicht einfahren; sondern stieg in
einem vnbekanten Hafen auß/ damit niemandt seine Schiffleute
kennen/ oder vom Poliarchus fragen köndte. Er gieng zu deß Apol-
lo Tempel/ welcher nicht weit vom Gestade gegen Palermo war/
mehr bekandt deß berühmbten Priesters als seines Gottes wegen
selber. Der Priester hieß Antenorius/
[284] ein friedfertiger Alter/
frey von allen Sorgen/ vnd glückselig nach seinem Willen. Dann
ob er gleich baldt in seiner Jugendt zu hohen Ehren gelangete/ vnd
seine Freunde jhnen die höchste Hoffnung von jhm machten; so
hat er doch auß vielen Exempeln gelernet/ welch ein elendes vnd
mißliches Thun es vmb den Ehrgeitz sey/ ist jhm also die Freyheit
deß Gemütes lieber gewesen/ vnd damit er seiner Zuneigung
möchte ein genügen thun/ so hat er jhm deß Phebus Tempel er-
wehlet/ daß er daselbst sein Alter zubrächte. Dann er war eyfrig in
dem Dienste desselbigen Gottes/ welcher nach seiner Anruffung
auch offtermahls auß ihm geredet hat. Im vbrigen wuste er sich in
alles Vnglück/ es betraff gleich jhn/ oder seine Freunde/ so wol zu-
schicken/ daß er mit frölichem Hertzen alle Fälle vberwinden kund-
te. Beyneben war er auch sehr gelehrt/ scharffsinnig vnd fertig/
welches alles durch den erbahren Wandel vnd auffrichtiges Leben
deß stattlichen Altens gezieret ward. Sonsten liebete er den Poliar-
chus/ vnd rühmete jhn ehe er wider in Gnaden war offenbahrlich.
Gelanor/ der vmb seine Redligkeit wußte/ nam den Weg ausser-
halb der Strassen auff jhn zu/ vnd fand jhn in dem Eingang seines
Tempels ligen/ (dann er war nicht wol zu Fusse) da er seinem ge-
brauch nach mit guten Bekandten mitten vnter seinen Büchern sich
weißlich ergetzte vnd lustig machte.

Sie waren noch miteinander in dem ersten empfangen/ als Nico-
pompus eine newe Frewde dar-
[285]zwischen brachte. Er war deß
Antenorius bester Freund/ vnd voll von Sorgen vnd Vnruh deß
Hofes. Derentwegen kam er dahin durch das Gespräch deß an-
mutigen Alten/ der verwirrung deß gemeinen Wesens ein wenig
zuvergessen. Als jhn Antenorius ersahe/ fragt er höfflich/ ob er zu
jhm/ oder zum Phöbus kommen were? Zu allen beyden/ sagte er.
Aber wer ist dieser? Gelanor seyd jhr hie? Die Götter wöllen/ daß

[Seite 176]


Poliarchus auch nicht weit sey. Wiewol ohn den Antenorius vnd
Nicopompus niemand zu entgegen war (dann die andern waren auff
Befehl deß Antenorius abgetretten) jedoch befand es Gelanor nicht
für rahtsamb/ seines Herrn Anschläge vnd Fälle jemanden ehe als
der Argenis zu vertrawen. Darumb gab er für/ er were in Italien/
vnd hette jhn auß dem Bajanischen Port zum König abgesendet.

In dem sie also reden/ häuffete das Glück die Frewde desselbigen
Tages noch mehr: Hieroleander kam von einem andern Wege zum
Tempel/ gleichsam als er bescheiden were. Er war der Argenis Se-
cretari/ ein Mann von fürtrefflicher Tugendt/ der an Geschickligkeit
keinem weichen dürffte/ vnd war/ das Glück außgenommen/ nicht
geringer als sein Vetter/ der mit seiner Tugent den Scharlach der
hohen Geistligkeit erworben hatte. Dieser kam deß Antenorius
halben zum offtern in den Tempel; vnd damals hatte jhn Argenis
dahin geschickt den Apollo anzuruffen. Als er aber deß
[286] Gela-
nors ansichtig worden/ vnd jhn nach genügen vmbfangen hatte/
gab er jhm mit einem leichten Ding/ welches er nicht vermeinete/
Anlaß alles das zu erforschen/ warumb er in Sicilien kommen war/
in dem er sich beklagte/ daß jhme die Augen für Schmertzen auff-
gelauffen/ weil Aldine gestorben were. Ob er sich vielleicht also ent-
schuldigen wolte/ daß er jhn entweder bey sich behalten/ oder daß
er jhn nicht besser in Acht genommen hette. Als Gelanor den Na-
men Aldine höret/ blieb er ein wenig bestutzen/ vnd sahe den Hiero-
leander an. Diese Aldine war der schönesten Hündin eine; welche
dem Poliarchus trefflich lieb gewesen. Bey seinem Abreisen auß
Sicilien hatte jhn Hieroleander fleissig gesucht/ vnd biß her mit
grosser Fürsorge enthalten. Weil Argenis selber dessen sich nicht
dörffen annehmen/ damit es nicht das Ansehen hette/ als trüge sie
sich vnbarmhertziger weise mit deß Poliarchus Raube/ oder her-
gegen auch/ als liebte sie den Hund wegen seines abwesenden
Herrns. Er war vber bringung der jungen gestorben/ mit grossem
doch verborgenem Schmertzen der Argenis. Aber Hieroleander/ der
jhm manche Frewd mit dem Hündlein gemacht hatte/ kundte die-
sen Verlust noch vbeler vertragen; so daß es von seinetwegen am
Hofe gar beruffen ward/ sonderlich durch die Verß vieler Poeten/
die jhm zu gefallen alle schöne Gesänge vnd Lorbeerbäume deß
c d e f

[Seite 177]


Parnassus auff deß Hunds Begräbnüß zusammen trugen. Gelanor
merckte wol/ daß die erwehnung deß Hunds
[287] jhm zur Nach-
richtung viel dienete; wiewol er jhn lieber hette lebendig gesehen.
Dann mit solchem Anfang kundte er nachfragen von dem was jhm
vom Poliarchus anbefohlen worden; wo nämlich seine Sachen vnd
gleichsam sein Raub hinkommen were. Als er aber verstanden/
daß der König Verwalter deß Hauses gesetzt hette/ damit dem ei-
genthümblichen Herren nichts darauß verruckt würde/ vnd allein
Aldine vom Hieroleander auffgefangen worden sey/ damit jhrer
destobesser gewartet würde/ ließ sichs ansehen daß alles wol von
statten gienge. Dann er hielte dafür/ weil Aldine gleichwol in der
Argenis Hauß gelitten worden/ so sey diß geschehen zur Erinnerung
deß Poliarchus. Vnd als er vernam/ daß jhr Tod die Argenis etwas
betrübet hette/ wußte er wol/ wannher solche Liebe vnd Betrübnüß
rührete. Damit er aber nicht zu erkennen gebe/ daß er auff die Rede/
welche von seines Herrn Vorrath/ vnd der Aldine vorbracht wor-
den/ sonderlich achtung gebe/ vnd eine sonderliche Anzeigung dar-
auß nemmen wolte/ kam er auff ein anders Gespräche. Ich bin froh/
sagte er/ jhr Herren/ daß Sicilien an jetzo in solchem Zustandt ist/
darinnen man Zeit hat von einem Hundt zu reden/ vnd seinen Todt
zu beklagen. Dannher kan ich abnemmen/ daß jhr auff die alten
Kriege vnd allgemeines wüten nun in Ruhe vnd Frieden sitzet. Ja
wol/ sagte Nicopompus/ dieses ist gleich ein Anstandt/ durch den
wir vnserm Kummer deß gemeinen Wesens halben zuweilen ein
wenig abbrechen;
[288] damit wir hernach die Last/ welche vns
durch die vnwandelbahre Schickung auffgeleget wirdt/ desto be-
hertzter tragen können. Gelanor fragte weiter nach; Ob Lycogenes
Trew vnd Glauben hielte/ oder ob der Friede gebrochen/ vnd eine
newe Empörung entstanden were. Sie fiengen stracks darauff an;
es stünde alles in grosser Vngewißheit; Eristenes vnd Oloodemus
legen bestricket. Lycogenes rüste sich/ vnd die Vnderthanen hetten
sich einander selber zu verderben wider den König auffgelehnet.

[Seite 178]


Fußnotenapparat

a fahrende Güter = Hausrat,
Rüstzeug, Ausstattung (supel-
lex; meubles)
b Mohren = Mauren, Maurita-
nier (Mauri; Mores)
c zu entgegen = anwesend
d bescheiden = (hin)beschieden
(condictum)
e jhn = den Hund
f enthalten = durch Nahrung er-
halten (aluerat)
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