ES verhinderte den Meleander an seinem Einzuge nach Epeircte
nichts/ als daß man den Gebliebenen jhren letzten Dienst erzeigete.
Dann das Heer war beydes auß eigener Bewegnüß/ vnd der Zeichen-
deuter Warnung zu diesem guten Wercke geneiget/ vnd hielte an/
daß den Verstorbenen jhre Ehre möchte erwiesen werden. Diese hie-
ben Bäwme ab/ die andern trugen sie herzu/ eines theiles machten
die Bette von erhabenem Rasen vnd Erde. Durch solchen Fleiß
wor- a


den
in Eil viel Holtzhauffen auffgesetzet/ vnd auff jeglichen etz-
liche Cörper geleget/ sonderlich aber gemeiner Knechte: Dann viel
der Fürnehmen legten jhre Freunde in Sänfften absonderlich/ damit
sie desto kostbarer verbrand würden. Also zierten sie die Holtz-
stösse auff Krieges art mit dem Raube der Vberwundenen auß/ so
daß die vnterschiedenen Rüstungen vnd Gewehre einem Sieges-
zeichen ähnlich sahen/ die jhre Privatfreunde vnd Verwandten
hat-
[406]ten/ worden in den Wunden mit wasser außgeseubert/ ge-
salbet/ oder nach jhrem Vermögen geschmücket/ vnd erwarteten
also jhres Fewers. Einem jeglichen wardt ein Krantz von Eppich
auffgesetzt/ als welches sich den Siegenden vnd Todten gehöret:
dann man pflegte es nicht allein auff die Gräber zutragen/ sondern
auch Griechenlandt/ die Vberwinder in etlichen Kämpffen mit die-
ser Belohnung zu krönen. Es waren viel Weiber vnd Kinder herzu-
gelauffen/ die von sich selber mit jhrem Klagen vnd außgebreiteten
Haaren jhr Leichbegengnüs zufeyern anfiengen/ anzuzeigen/ daß
jhre Threnen nicht erkaufft vnd gedinget weren. Sie beweineten
gleich jhre Freunde/ oder wurden durch Trawrigkeit deß Specta-
kels/ oder der andern/ welche auch weineten/ jhr Exempel bewe-
get/ so stimmeten sie doch alle mit jhrem kläglichen Geschrey vnd
Betrawrung zusammen.

Als die Cörper nach Gebühr geleget waren/ gieng Meleander in
Trawerkleidern auß dem Läger. Das Heer folgte dem Könige
nach/ mit vmbgekehrten/ vnd gegen der erden geneigeten Waffen.
Auff solche Weise giengen sie etlichemal vmb das Klagefeldt/
schrien eines vmb das andere wie befohlen wardt/ vnd schwiegen
baldt stille/ welches nicht weniger jämmerlich vnd schrecklich zu-
sehen war. Endtlich gieng der König zu dem grössesten Holtz-
hauffen/ vnd hielt eine angezündete Fackel in der Handt/ biß die
Soldaten jhre Spießgesellen/ die
[407] baldt brennen würden/ ange-
schrien. Als sie jhnen zum drittenmal geruffet/ warff er mit be-
decktem Haüpte vnd gekehretem Rücken das Fewer vnter. Solches
that Radirobanes bey einem andern Stosse/ vnd Archombrotus
wider bey einem andern. Die vbrigen worden von jhren Freunden
auch geschwinde angesteckt. Am schrecklichsten aber war zusehen/
wie die erregeten vnd wütenden Soldaten/ mit jhren Gefangenen
b



vmbgiengen. Zwar der Innwohner verschonete man; aber die an-
dern/ welche sich beym Lycogenes vnterhalten lassen/ führte man
gebunden zu den Holtzhauffen/ da sie Hauffenweise erstochen wor-
den/ vnnd das Fewer mit jhrem Blute besprengeten. Die sieghafften
Knechte rufften die verstorbenen Geister jhrer Rottgesellen/ zu so
erschrecklicher Vergeltung/ biß der König vor solcher Grausamkeit
eine Abschew bekam/ vnd die vbrigen Gefangenen gleichsam als zu
einer anderen Straffe verwahren ließ. Zu den Cörpern der Feinde
aber/ damit sie nicht durch vervnreinigung der Lufft erst nach jhrem
Tode schadeten/ schickte man die Schergen mit Hacken/ welche sie
in beygelegene Wässer vnd Gruben vnverschorren werffen musten.

Als der Tumult auffhörete/ vnd das Fewer begundte zu sincken/
stiege Meleander auff einen erhabenen Ort. Daselbst lobte er als ein
König mit kurtzen Worten die jenigen derer Leichbegängniß nun-
mehr geschehen were; sagte/ daß sie dennoch
[408] Vberwinder vnd
im Tode glückselig weren/ das Leben mitten in bezeugung der Tu-
gendt dargesetzt/ vnd jhr Lob durch keine Vnglückseligkeit oder
vnrühmliche That befleckt hetten. Sie erlangten für jhre kurtze
Schmertzen eine reichliche Belohnung/ weren den Göttern ange-
nehm/ vnd jhr Lob kundte auff Erden so lange nicht vntergehen/ so
lange man die wolverstorbenen rühmen würde. Hernach wandte er
sich die Vmbstehenden zu loben/ danckte jhnen für jhren grossen
Fleiß vnd Trewe. Zwar die Götter/ die Tugend/ das gute Gewissen/
vnd angenehme Gedächtnüß bey den Nachkommenen/ weren auffge-
wackten ritterlichen Leuten gar genug zu jhrer Belohnung: doch
wolte er im vbrigen auch nicht vnterlassen/ als ein danckbarer Kö-
nig jhnen mit allen Gnaden beygethan zuverbleiben. Sie solten
nunmehr das Leydt ablegen/ jhme in die Statt folgen/ vnd mehr frö-
lichem Gottesdienst beywohnen. Auff diese Wort/ in dem der Prie-
ster das geweihete Wasser herumb sprengte/ waren Leute angeord-
net/ die herzu tratten/ vnd jhme nach abziehung deß Trawerkleids
einen TriumphHabit anlegten. Andere huben einen SiegsGesang
an/ riessen Kräuter vnd Este von den Bäumen die einer guten Be-
deutung sind/ kröneten jhre Häupter/ vnd nam ein jeder etwas in
die Hände.

Wie nun alles so zubereitet ward/ eilete der König nach Epeircte
wider vmbzukehren. Er mochte aber mit einem Triumph nicht
ein- c d


ziehen/
weil er [409] vber seine eigene Vnderthanen gesieget. Doch
war seine Ankunfft einem Triumph auch nicht vnähnlich. Dann
die Soldaten hatten jhre Häupter mit Lorbeerblättern/ die andern/
welche den Auffzug anstelleten/ mit Oelzweigen gezieret. Das Heer
gieng mit den Fahnen voran/ vnd rufften mit vielerley Gesängen
den Göttern/ solcher jhrer Fröligkeit zu zuschawen. Dem Meleander
hatten sie einen Wagen mit dem Schmuck aller Majestät vnd Sieges
vorgezogen: auff welchen als er den Radirobanes zu sitzen vermah-
nete/ ehreten sie sich lang miteinander. Radirobanes sagte/ solche
stelle gebürete der Argenis: würde derwegen die Princessin sich zu
jhrem Vatter dem Könige setzen. Sie solten beyde von jederman ge-
sehen werden/ beyde die frölichen Stimmen der Glückwündschen-
den annehmen: jhnen hetten die Götter vnd das Glück gestritten.
Ihn belangendt/ wann sie es jhm vergönneten/ so wolte er an dem
Wagen ziehen helffen; oder/ da es nicht seyn köndte/ zu nechst
hinder demselbigen her gehen. Man mochte leichtlich spüren/ daß
der Ehrgeitzige junge König solches auß Liebe/ vnd wegen Hoff-
nung künfftiger Heyrath thete. Als jhn nun Meleander auffzu-
steigen/ oder so lang biß ein anderer käme zu warten nicht bewegen
kundte/ wolte er selbsten auch sich nicht führen lassen. Ward also
endlich auff Gutachten der Könige/ vnd einhelligen Wundsch der
Soldaten Argenis allein darauff gesetzt. Die
[410] Könige ritten
auff jhren Rossen/ die auch mit Lorbeerzweigen bestecket waren/
vor dem Wagen her. Vor jhnen war Archombrotus auff einem
weissen Pferdt/ hatte den Zaum in der lincken Hand/ vnd in der
Rechten die fürnembste Beuthe/ den Kopff deß Lycogenes/ wel-
chen das Volck frölich beschawete/ angesehen/ daß darinnen der
Sieg mehrentheils bestünde. Den Stock daran deß Lycogenes Waffen
hiengen/ trug dem Archombrotus einer von seinen liebsten Solda-
ten voran. Nicht weit darvon war Menocritus an Ketten geschmie-
det. Die obriste Guardi vnd fürnembsten Soldaten/ so den Wagen der
Argenis vnd die Könige vmbringten/ mochten sich zwar/ der Prin-
cessin zu schonen/ jhrer Freyheit beym Triumph nicht gebrauchen/
vnd hielten mit vnzüchtigen Schertzworten jnne/ doch sungen sie
von den HochzeitGöttern/ rufften Hymeneus/ Juno vnd Erycina/
vnd sahen bald die Argenis/ bald den Radirobanes an. Man hielte
darfür/ daß die Sardinier solches erregt hetten. Vnd weil die Sicilier
meineten/ es were der Heyrath halben von den zweyen Königen
schon beredt worden/ als machten sie jhrem künfftigen Fürsten


mit Fleiß solche Frewde. Argenis aber trug kein Gefallen daran; es
bedauchte sie ein thewrer Sieg zuseyn den sie also belohnen solte/
vnd fieng fast an dem Radirobanes feindt zuwerden.

In dessen hatte das Volck die Thüren geschmücket/ vnd mit
Fackeln vnd Lorbeerzweigen bestecket.
[411] Welche von jhnen in
den Höffen Bildnüsse jhrer Vorfahren hatten/ machten alles auff
dieselben anzuschawen/ vnd rufften zugleich den Bildern der Tod-
ten/ sich mit jhnen lustig zumachen. Die Bürger waren auch in
Ordnung gestellt/ vnd kamen dem Meleander entgegen. Vornen an
giengen die Knaben Weiß bekleidet/ welche vber jhrem einfältigen
Lobgesang mehr schrien als jhnen befohlen ward. Dann folgten alle
Musicanten in der Statt/ vnd lobten den König mit Stimmen/ Lau-
ten/ Geigen/ vnd andern Instrumenten. Auff diese waren die Künst-
ler vnd Gewercken/ vnd bald hernach die Obrigkeit/ ein jeglicher
mit dem EhrenZeichen seines Ampts. Als diese den König mit
jhrem glückwündschen lang auffgehalten/ liessen sie hernach die
Priester hinzu/ welche zu dieser Ehr auffs letzte behalten worden.
Etliche von jhnen trugen alter Götter vnformliche Bilder/ etliche
Kräntze/ vnd alle Fewer/ vnd redten gantz sicher/ mit ohne Lachen
verständiger Leute/ von den guten Anzeigungen der Götter. Es het-
ten die Vögel/ der Blitz/ vnd andere Wunderzeichen deß Lycogenes
Todt vorher gesaget. Vnter wehrendem solchem Auffzuge kam der
König an das StattThor/ auff dessen Eingang das Bildnuß deß
Friedens in der Höhe stundt/ welchem Mars einen Oelzweig in die
Handt reichte. Von dem Thor auß zohe der König in den grossen
Tempel Jupiters. Meno-
[412]critus ward in Verhafftung geleget/
vnd mit jhme Anaximander/ welchen die Catanenser kurtz zuvor
gefangen eingebracht: aber jener ist von wegen empfangener
Wunden jnnerhalb vier Tagen/ der ander nicht lengst hernach auß
Trawrigkeit gestorben. Es worden auch deß Lycogenes Bildtniß ab-
gebrochen/ vnd Befehl gethan/ daß sie niemand zu Hause halten/
oder in seines Geschlechtes Ehren vnd Leichbegengnissen zeigen
vnd führen solte. Nach vollbrachtem Heiligthumb/ begab sich Mele-
ander ins Schloß. Er war müde von gestriger Schlacht/ wie auch
von den Sorgen/ vnd der Fröligkeit selbsten. Derhalben gieng er in
sein Zimmer/ ließ sich nur vnter seinen gewöhnlichen Auffwärtern
e f



absonderlich speisen/ vnd legte sich zur Ruh. Nicht weniger such-
ten vnter dem Scheine deß Schlaffens auch Radirobanes/ Archom-
brotus vnd Argenis jhren Gedancken in Einsamkeit zu verhengen.
Ein jegliches von jhnen hatte seinen eigen Schmertzen. Radiroba-
nes/ wiewol er hoffertiger Vermessenheit voll war/ jedoch kräncke-
te es jhn doch sehr/ daß Archombrotus solche Tugendt vnd Fortgang
gehabt/ vnd daß jhm die Leute so frölich zugeschrien/ jhn auch
Meleander gantz gnädig angeschawet hatte. Aber er verachtete
jhn als der jhm nicht gemesse were: außgenommen/ daß die grosse
Liebe sich für allen Dingen besorget. Derhalben fieng er an sich
selbst zubetrachten/ wie viel er geholffen/ wie starck vnd mächtig
er gewesen; biß jhn der süsse Schlaff/ welcher jhm das Bildt-
[413]
nis deß glücklichen Treffens allezeit fürstellete/ einnahm. Archom-
brotus war tieffer verwundet/ vnd erfuhr/ daß nichts grawsamers
sey/ als das jenige/ welches die Menschen die süsse Liebe heisen. Er
glaubte auch nicht/ daß jhm das Glücke so sehr schadete als sein
Stillschweigen. Dann er wurde für eine Priuatperson gehalten/
weil er sein Geschlecht vnd Vermögen nicht melden wolte. Es sey
weiter nichts rahtsamers/ als daß er dem Meleander offenbahrte/
was sein Standt vnd bey jhm sein Begehren sey. In dem er aber
vber dieser Erklärung war/ kam jhm der Befehl seiner Mutter ein/
vnd die Götter welchen er geschworen hatte/ niemanden in Sicilien
seinen Standt zuoffenbahren. Ob es besser sey der Mutter zuschrei-
ben/ oder dahin zuverreisen/ Ansuchung zu thun/ jhn seines Eydes
zuerlassen? Es schiene jhm beydes zulangsam seyn; doch mißfiel
jhm der Rhat zuschreiben am wenigsten. Dann er vermeinete/ daß
ein Mensch/ die Argenis zulieben/ nicht werth were/ der so lange
köndte auß Sicilien bleiben. Als er in wehrender Vnruh seines Ge-
mütes/ sich im Bette hin vnd wieder warff/ wardt er nicht gewar daß
die Kranckheit deß Hertzens auch dem Leibe zu Schaden gerei-
chen wolte.

Argenis aber/ welche durch vielfaltiges Vbel verwirret war/ hatte
Selenissen bey sich/ sie zutrösten; da sie dann sich beyde vber den
Poliarchus vnd Radirobanes beklagten. Warumb bliebe jener so

[414] lange aussen/ vnd dieser so lange zugegen? Meine Mutter/
sagte Argenis/ wie schwer kömpt mich dieser Sieg an? Was hilfft es/
ob Lycogenes gewonnen hat/ oder Radirobanes? außgenommen
g h i



dieses/ daß mein Vatter von dem Schwerdt deß Lycogenes erlöset
ist/ vnd nun durch meinen Todt sein Leben enden wird. Dann im
Fall er mich dem Radirobanes vbergiebet/ so werde ich meine Auß-
flucht im Tode finden/ vnd machen/ daß mein alter Vatter durch
die Schmertzen meiner Wunden vmbkommen müsse. Bin ich dann
zu einem Raube/ oder zu einer Beute vnd Belohnung deß Sieges
gebohren worden? Haben mir dann die Götter das jenige zu meinem
Vntergange gegeben/ was an mir das fürnemste ist/ das Königreich
vnd die Schönheit? Bin ich nur dessentwegen mit dem Poliarchus
in Kundtschafft gerahten/ damit ich erfahren solle/ daß ich mit
einer so vollkommenen Tugendt vereiniget zuwerden/ nicht würdig
sey? Was meinet jhr wol/ Selenisse/ das jhn auffhalte? Ob er
nicht meine Bestendigkeit zuprüfen in einem Orte/ vnd vielleicht in
eben dieser Insel sich verborgen helt? Oder ob er der behertzte/ vnd
derentwegen nicht Arggedenckliche Mensch/ sich für Hinterlist
seiner Feinde besorgen muß? Wem aber darff ich mich vertrawen?
wen darff ich schicken der von seinem Wolstand sich erkündige/
vnd jhm meinen Kummer offenbahre? Vber diesem fieng sie an

[415] zuweinen/ vnd hörete der Selenissen zu/ welche jhr mehr
Trost einsprach/ als sie selber glauben oder annehmen kundte; biß
sie wiederumb anfieng sich zubeklagen/ vnd sagte: Ich bin nicht die
erste/ Selenisse/ die im Lieben Vnglückhafftig ist. Warumb ergeben
wir vns so gar dem Glücke? der Tod ist das einige Mittel/ welches
vns niemals entgehen wird. Kan ich wol selber in verdeckter Klei-
dung verreisen/ vnd den Poliarchus suchen? Ach daß ich nicht fähig
bin einen solchen behertzten Anschlag hienauß zuführen/ weil ich
im Betriegen nicht erfahren/ vnd zum Lügen zu auffrichtig bin? Es
köndte auch seyn/ wiewohl es das geringste were/ daß ich in weh-
render Bemühung stürbe. Vber diß/ so köndtet jhr mich nicht be-
gleiten/ vnd man würde euch die Schuldt geben/ wann ich ohn Vor-
wissen deß Königes mich darvon machte. Höret was mich am aller
thuelichsten zuseyn bedüncket. Archombrotus/ wie jhr wisset/ ist
deß Poliarchus vertrawtester Freundt; wie er jhn dann vnlengst
nach seinem Abwesen beym Könige vertretten/ vnd gerahten hatt/
man solte jhn zurück beruffen. Ich wil es leichtlich zu wege rich-
ten/ daß er den Poliarchus suche/ vnd wiederumb in Sicilien bringe;
j k l

jedennoch aber nicht wisse/ auß was für Vrsachen ich jhn zusehen
begehre. Man kan etwas anders vorgeben; wie es dann an einem
Scheine der Warheit nicht mangeln wirdt/ welchen wir beyde jhm
wöllen gläublich machen.


[416] Selenisse lobete den Anschlag/ entweder daß jhr der Betrug
gefiel/ oder daß sie Müdigkeit halben nach solcher Quälung/ jr vnd
der Argenis die vbrigen Stunden der Nacht Rhue suchte; welche als
sie fürüber war/ ruffte sie dem obristen Kämmerer/ vnd nach kurt-
zer Erwehnung deß vmbgebrachten Lycogenes/ befahl sie vnge-
schewet den Archombrotus zufragen/ ob er diese Nacht der Wun-
den halben (dann er war an vielen Orten/ aber nicht harte beschädi-
get) auch hette ruhen können. Dann sie nam sich mit vleisse solcher
Freundtligkeit an/ weil sie jhm so schwere Sachen aufflegen wolte.
Archombrotus/ gleichsam als ob er im Himmel were/ vnd nun mehr
nicht zweiffelte daß er geliebet würde/ sagte dem Kämmerer/ daß
wann Meleander vnd Argenis wol auff weren/ jhm auch nicht
köndte vbel seyn/ weil seine Gesundtheit in der jhrigen begriffen
were. O wie hassen die Menschlichen Gemüter offtmals jhre Glück-
seligkeit/ vnd lieben jhr Elendt! Der junge Mensche/ welcher der
Argenis Anschlag nicht wuste/ kränckte sich mit vergebenen Ge-
dancken/ vnd wartete an der Princessin Thür/ sie bey jhrem herauß
gehen zubegrüssen. Sein Anwesen war auch nicht vnangenem; wie
sie dann den gantzen Weg vber/ weil sie zum Meleander gieng/ mit
jhm redete/ deß Poliarchus aber noch nicht erwehnete; dann die
Sache war noch nicht reiff vnd erfoderte auch eine geheime Vnter-
redung. Aber schawet wiederumb einen newen Irrthumb. Radiro-
banes/ welcher der Lie-
[417]be halben nicht mehr bey Sinnen war/
hatte Kundtschaffer mit Gelde erkaufft/ welche jhm allen Verlauff
mit der Argenis vnd dem Meleander zutrugen. Derhalben wardt jhm
als er noch im Bette lag/ gesaget/ daß Argenis sehr früh zum Ar-
chombrotus geschickt hette. Darauff er dann baldt da gewesen/ vnd
mit der Princessin in vertrewliches Gespräche kommen were. Als
baldt erbrandte er in Argwohn/ vnd wie in einer strittigen Glückse-
ligkeit/ bereitete er sein Gemüte nicht anders zum lieben/ als vor-
mals zum streiten. Er gieng gantz ergrimmet mit dem Virtiganes
auff eine Seite/ sich zuberahten/ mit was für Kunst vnd Beschö-
nung Archombrotus köndte fortgebracht werden. Es schickte sich
ja nichts vbeler/ als daß sich ein König für einem Vnbekandten vnd
vatperson besorgen solte/ daß dieselbte eben dieses was er
be-


gehrte.
Virtiganes besänfftigte seinen Zorn/ mit Verachtung deß
Archombrotus/ vnd riethe jhm daß er noch denselbigen Tag dem
Meleander/ mit welchem er auff den Mittag Tafel zuhalten verheis-
sen/ den Anschlag/ Verwandtnuß zu treffen/ solte offenbaren. Die-
ser Sachen würde leichtlich zu helffen seyn/ vnd Archombrotus
hette zu genugsamer Straffe seiner Thorheit nichts als Verachtung
zugewarten/ da hergegen/ wann Radirobanes sich mit grösserer
vnd offentlicher Widersetzung an jhn machen wolte/ es jhme doch
zu einem Trost seines Vnglücks gerathen würde/ daß ein König
vber jhm geeyfert hette.


Fußnotenapparat

a Gefangen.] Punkt eingefügt
b Griechenlandt ... krönen.]
Nach Griechenlandt ist das Ver-
bum
pflegte zu wiederholen.
c Hacken = Haken (uncus)
d beygelegen = nahe (in proximos
gurgites)
e das Gewerck = Vereinigung
von Handwerkern (artificium
collegia)
f Heiligthumb = gottesdienst-
liche Handlung (peractis sacris)
g verhengen = nachhängen
h glaubte] Aus Dkf glaube
i kam ... ein = fiel ein (occurre-
bant)
j mir] Aus Dkf wir
k Wolstand = Wohlergehen (suae
salutis)
l zu auffrichtig] Aus zuauffrich-
tig geändert
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