DAs Glück schiene dem abgeredeten Anschlage der ehrlosen Leute
günstig zu seyn. Dann Meleander kam in das Schloß/ es fiel diesel-
bige Nacht ein starcker Regen/ vnd war zu Außgange deß Mondens
sehr finster/ so daß man wenig sahe/ noch hörete. Der König hatte
im Gebrauch/ wann er zu seiner Tochter gelangete/ daß er seine für-
nehme Herren beym Thor von sich schickte/ vnd sie entweder in das
nechstgelegene Quartier der Soldaten/ oder in die besten benach-
barten Städte
[489] einkehren ließ; wir aber warteten jhm vnter-
dessen auff. Alsdann hatte der gute Alte seine beste Zeit. Er ließ
jhm bey vns rechtschaffen wol seyn/ gleichsam als er alle Sorgen/
a b

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vnd die Majestät selber/ vor dem Thore abgeleget hette. Den Abendt/
welcher zu der Verrhäterey bestimmet war/ wuste er nicht allein
von der instehenden Gefahr nicht/ sondern war auch dermassen frö-
lich/ daß er nach gehaltener Tafel anfieng zufragen/ mit was für
Spielen die Jungfrawen den vnflätigen nassen Tag volbracht hetten;
Mit Fabeln/ sagte ich/ Herr; zu welchem sie sonderlich geneiget
sindt. Selenisse/ gab er zur Antwort/ jhr sollet jhnen hierinnen nichts
zuvor geben/ weil jhr nun fortmehr Alt vnd selber eine Fabel werdet.
Aber ich begehre von einer jeglichen zu hören/ was sie in diesem
Rhate fürgebracht habe. Als wir alle lachten/ vnd er es außdrück-
lich wissen wolte/ fiengen die so jhm am nechsten stunden an jhre
Thorheit zu erzehlen. Vnter solchem Gespreche kam dem Könige
der Schlaff mehr vnd mehr in die Augen/ legte sich auff eben das
Bette wo er gessen hatte nieder/ vnnd hub an zu schnarchen. Weil
er aber nicht leichtlich wieder entschlaffen kundte wann man ihn
einmal erweckte/ legten wir seinen Rock zur Rechte/ deckten jhn
zu/ vnd als wir nicht weit von jhm ein Liecht gesetzt hatten/ giengen
wir leise von jhm.

Als das Frawenzimmer in jhre Kammer kommen/ entschlieffen
sie alsbald; doch redte ich noch mit der Argenis vnd Theocrine;
dann Theocrine vnd
[490] ich hatten vnsere Bette in der Argenis
Schlaffgemache. Bald höreten wir vber Gewohnheit ein starckes
Gemürmel/ vnd das zimlich laut vnd starck geredet vnd gegangen
wardt. Ich gedachte in der ersten/ daß die Jungfrawen nur ein
solch Getümmel hetten/ vnd miteinander spieleten. Als aber das
Vbel näher kam/ hörete ich/ daß es vnbekante Mannesstimmen
waren. In dem ich im Zweiffel stund/ vnd für Furchten kein Wort
sagte/ ward die Kammerthür mit Gewalt auffgeschlagen. Verwun-
dert euch nicht/ daß ich wegen deß Gedächtnisses derselbigen Nacht
gantz verworren werde. Es fehlte nicht viel/ daß ich für grossem
Erschrecknis nicht den Geist auffgab. Ach der bösen That! Ich sahe
gerüstete Leute mit blancken Degen in das Gemach einbrechen. Mehr
wust ich nicht zuthun/ als daß ich sampt der Argenis laut anfieng
zuschreyen. Aber Theocrine (höret etwas das werth ist den Nach-
kommenen nicht verschwiegen/ noch von vns verdrucket zublei-
ben) Vnsere Theocrine/ sage ich/ sprang von dem Bette auff/ vnd
lieff die Räuber mit solchem Grimm an/ als ob sie von einem
gött- c d

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lichen
Geiste rasende gemacht würde. Wie sie sich vber der Jung-
frawen vnverhofften Künheit entsatzten/ vnd nicht wusten was sie
thun wolte oder könte/ ergrieff Theocrine den der zum ersten hien-
ein kommen war/ vnd hielt jhn nicht allein wieder/ daß er zum
Streiche nicht gelangen kundte; sondern fieng auch sein Schwert

[491] auff/ vnd drehete jhm es auß. Eben so geschwinde/ Herr (dann
sie hatte deß Mörders Waffen ehe in den Händen/ als ich davon
gesagt habe) rieß sie jhm den Schild vom Halse/ vnd hieng jhn an
jhren lincken Arm. Ich sahe vmb mich/ vnd erschracke nicht so sehr
vber der Gefahr/ als der vngläublichen Hülffe/ als sie einem den
Kopff mit solcher Stärcke herunter hieb/ daß das Blut auß dem Cör-
per auff mich vnd die Argenis sprang. Hernach stieß sie einen mit
dem Schilde/ den andern mit der Spitze/ den dritten mit dem Heffte
am Degen. Damals fiengen die Mörder/ welche wegen deß vnge-
wöhnlichen Kämpffens erstlich erschrocken zu rück gewiechen wa-
ren/ an sie als in einem rechtmessigen Streite zufechten/ so daß sie
sich nicht schämeten es mit einer einigen Jungfrawen anzuneh-
men. Die Waffen erklungen wegen der Enge deß Ortes/ vnd das
klägliche Geschrey deß Frawenzimmers (dann die andern waren
auch zu vns gelauffen) schiene einer Stadt ersteigung gleiche zu-
seyn/ mit hefftigerm Tumulte als der Platz oder vnsere Anzahl groß
war.


Fußnotenapparat

a viertel] Siehe Anm. S. 122.
b Außgange des Mondens = Neu-
mond (exeunte mense illunis)
c That!] Aus That? geändert
d verdrucket = unterdrückt (sup-
primée)
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