IN dem Selenisse solches erzehlete/ vermochte
Radirobanes sein
Gemüte nicht zu regieren/ so begierig war
er den Außgang solchen
wunderbarlichen Kampffes zuhören. Aber Argenis war
auff dieses-
mal dem Radirobanes zum ersten verdrüßlich/ vnd verhinderte jhre
a
Argenis kundte wegen jres scharffsinnigen Kopffes/ oder auß an-
trieb der Liebe wol abnemmen/ daß Selenisse müste verändert seyn.
Doch ließ sie jhre Verweisung biß auff andere Zeit nachbleiben/ vnd
lehnete diese Erwehnung von deß Radirobanes Liebe gar gelind ab;
weil sie etwas
grössers für sich hatte/ dardurch sie die listige Alte
mit einem andern
Betrug zu stürtzen vermeinete. Als sie derwegen
ein wenig geschwiegen
hatte/ Es ist mir selber leydt/ Selenisse/ hub
sie an/ daß dieser König/
der sich wol vmb [495] vns verdienet hat/
auff
solche Hoffnung gerahten ist/ darinnen jhm kein Vergnügen
von vns
geschehen kan. Aber wir wöllen ein andermal hiervon re-
den. Selenisse
ward fro/ als ob die Götter jhrer List geholffen het-
ten/ vnd ließ die
Princessin allein; welche sich bald an das Fenster
legte/ vnd sich mit
gestewertem Kinne auff die Hand ergrimmete/
daß sie der jenigen nicht
trawen dürffte/ welcher jhr gantzes Ge-
heimniß bekandt were. Dann
wem solte sie künfftig jhren Kummer
offenbahren? wen solte sie jhren
Schmertzen vnd Frewden theil-
hafftig machen? Endtlich hielte sie sich
gleichsam lachende an/
vnd bedachte/ daß vns die Götter niemals ohne eine
Vermischung
günstig oder gehässig seyn. Diesen Tag aber hette sie Glücks
genug
gehabt. Es were nur vonnöhten/ im Fall jhr etwas
wiederwertiges
auffstiesse/ daß sie es hernach auch ertrüge. Sie wolte
eben dieses
für eine Gunst der Götter rechnen/ daß sie der Selenissen jhrem an-
deren Gebrauche nach nicht bald hette
geoffenbahret/ was sich be-
geben hette/ vnd noch zutragen würde. Es war
aber dieses: Als sie
im Walde spatzieren gegangen/ hatte jhr
Arsidas angekündiget/
Poliarchus were in der Stadt in deß Nicopompus Hause verborgen/
vnd hetten sie es mit einander
abgeredet/ daß man jhn bey Nacht
durch das Hinterthor zu dem königlichen
Schlosse führen solte.
Eben diese Frewde/ welche sie allein nicht gar
fassen kundte/ wolte
die Princessin der Selenissen [496] erzehlen/ vnd eilete
darumb
nach Hause. Sie erschrack aber zu anfange jhres Gespreches/ daß
sich die Alte auff deß Radirobanes Seite bewegen lassen/ vnd
d
Dann als Gelanor widerumb in Africa kommen/ vnd den Poliar-
chus jhrer Abrede
nach zu Clupea nicht gefunden hat/ ist er auff den
Königlichen
Hoff der Hianisben zugereiset/ da er noch am Feber
kranck gelegen. Vbergab
er jhm also der Argenis Schreiben/ vnd
sagte/ was jhr von jhm anbefohlen
worden/ mit Erzehlung in was
für Vngewißheit Sicilien/ vnd in was für
Gefahr die Princessin vn-
ter dem fast gewissen Siege deß Lycogenes stünde. Er ließ nichts
aussen/ als was jhm
Argenis zu offenbahren verbotten hatte; wie
nemlich Meleander jhm abgünstig were. Den Archombrotus be-
treffendt schwiege er gantz nicht. Ich
weiß nicht/ sagte er/ wie doch
Archombrotus jhm so viel zu Sinnen zeucht; er fraget nach vns
sehr wenig. Gelanor bildete jhm nichts anders ein/ als daß er die
Freundtschafft in Vergessenheit gestellet hette; aber es ist nichts
nachdencklichers als der Argwohn der Liebe. Poliarchus muth-
massete stracks/ Archombrotus were von der Argenis Schönheit ge-
fangen/ vnd
hierdurch wieder jhn mit einem Eyfer erreget worden.
Dann/ sprach
er/ wer weiß durch was für Mittel er erfahren hat/
daß ich die Argenis
gleichsfals liebe? Gelanor/ wir [497] richten
nichts/
wann wir vns nicht alsbaldt in Sicilien machen. Gleichsamb
als eines
andern stärcke mir in dem Kriegswesen an jenem Ort die
Argenis erhalten
solle/ weil ich in diesem hier müssig sitze: oder
als ich könne
zulassen/ daß sie jhre Befreyung einem andern müsse
zudancken haben. Dem
Gelanor kam solcher seines Herren An-
schlag schmertzlich
für. Dann er förchtete den Meleander/ welcher
jhm gehässig war/ vnd Argenis hatte jhm
die Freyheit benommen
jhn zu warnen. Endlich erhielt er seine Trew gegen
allen beyden
auff solche weise/ daß er zwar von deß Meleanders Vnwillen nichts
meldete/ nichts destoweniger
aber Erinnerung thete/ es were dem
Poliarchus nicht zurathen/ daß er ohne Vrsach sich vnter so viel
Feinde/ bey solcher Freyheit deß Krieges wagen solte. Es were
besser/
daß er nach Hauß schiffete/ von da auß mit Heereskrafft
nach
Sicilien segelte/ vnd zu erkennen gebe wer er were. Ich wil es
thun/ gab
Poliarchus zur Antwort: Aber jhr wisset/ daß vns der
Weg
nach Hause fast an dem Sicilischen Strande fürüber trägt.
e
f
Poliarchus verschmähete die Fürsorge seines getrewen Dieners
nicht/ vnd nam die Bedingung an. Aber sein Leib/ der mit einem
Hefftigen viertäglichen Feber abgemattet wardt/ hielt die Begier deß
Gemütes wieder; welche Kranckheit durch den newen Fürsatz vnd
Bangigkeit also gestärcket wardt/ daß jhn die folgende Nacht/ so
jhn
zwar mit einem gelinden Froste ankam/ hergegen mit viel grös-
serer Hitze
als zuvor beschwerete. Gelanor ließ jhm diese Vnpaßlig-
keit nicht sehr zuwider
seyn/ weil sie jhn von gewisserer Gefahr ab-
hielte. Poliarchus aber kundte die ärtzte nicht vertragen/ welche
jhm rhieten/ daß er dem Feber die stärcke durch stetes Fasten be-
nemen/ vnd es also vertreiben solte. Er hatte gehöret/ daß etliche
diesem Wesen mit einem starcken Truncke Weines abgeholffen
hatten/
vnd nam jhm für eben dieses Mittel zuversuchen. Es ist kein
Wunder/ sagte
er/ wann ich nach gutbedüncken der ärtzte alle
Lebens Krafft durch
Außhungerung verliere vnd sterbe/ daß sich
als dann auch das Feber
verlieren werde. Ich wil lieber mit jhm
daran gehen/ weil ich noch die
Stärcke habe/ vnd mich nach mei-
nem Kopffe gesundt machen. Es ist zwar
vngewiß/ ob dieses zu
meinem Leben oder Tode dienen wirdt: aber es ist
ge-[499]nug/
daß ich also auff das jenige/
was mir von der vnwandelbahren Vor-
sehung verordnet ist/ nicht lange
werde warten dürffen. Dann mei-
ne Sache verhelt sich nur also/ daß es mir
schmertzlicher ist kranck
zuseyn/ als zusterben. Gelanor/ der sich vor dieser Gefahr entsatzte/
vermochte
sein Gemüte weder mit bitten noch weinen zugewinnen;
was er jhm
auch von der Argenis/ von seiner Mutter vnnd Freun-
den sagte. Die Königin
Hianisbe kundte selber bey jhm nichts er-
halten. Derhalben als das Feber
nach dreyen Tagen wider kam/ ließ
g