AVff dieses wolte Meleander dem Schloß/ in welches die Mörder
kommen können/ nicht
mehr trawen/ vnd begleitete durch einen
newen Anschlag seine Tochter nach
Syracuse; nicht so sehr auß
Haß gegen dem Lycogenes/ als auß Danckbarkeit gegen der Pallas.
Es naheten sich herzu fünff Tage deß Festes/ auff dem man
dieser
Göttin Geburtstag zu begehen pfleget. Als sie nun herzu [549]
kommen/ machte sich der König in den Tempel/ vnd fieng nach
zu-
sammenruffung deß Volcks also an zureden: Es were jhnen be-
wußt/
alles das/ was er von der Pallas Gutthat gegen jhn sagen
möchte. Jedoch köndte er der Göttin
weniger Belohnung für jhre
Hülffe nicht erzeigen/ als wann er jhm belieben
liesse/ offtmals
jhrer zu erwehnen. Hernach erzehlte er die Hinterlist wieder jhn
vnd die Argenis; doch ohne Entdeckung derer die an der Vbelthat
schüldig weren; sagte auch kein böses Wort vom Lycogenes. Pallas
were in Menschlicher Gestalt/ vnd verdeckt vnter der Theocrinen
Namen/ jhm in der Gefahr beygesprungen. Diese hette mit jhrer
Göttlichen
Gewalt vnd Handt die tödtlichen Streiche auffgefangen:
daß die Rauber
durch Vberfallung der Göttinn weren vmbkommen.
Welches Pfandt werden wir jhr nun
einstellen können/ zu Bezeu-
gung deß Gedächtnüß jhrer geleisteten Hülffe/ als
eben das jenige
köstliche Pfandt/ welches sie mir erhalten hat? Meine Tochter Ar-
genis/ sage ich/ welche ich zu jhrem Dienste eigenthümblich geben
wil. Dieselbe nemme ich als der Obriste Geistliche in Gegenwart
Als der König auffgehört zu reden/ gieng Ar-[550]genis/ wie ge-
ordnet worden/ zum Vatter; die Zeichendeuter
aber stunden vmb-
her. Der König hielte ein weisses Kleidt/ in welches alle die
Histo-
rien gesticket waren/ so der Pallas beym Volcke Ehrerbietung
machen. Dieses warff er seiner
Tochter so für jhm kniete vber. Wo
jhr/ sagte er/ der Göttin nicht seyn könnet/
wann ich euch nicht zu-
vor meiner vätterlichen Gewalt vber euch erlassen
habe/ so wil ich
euch hiemit von meiner Macht loß vnd frey sagen. Die einige Hey-
raht sol euch auß dem Dienste der Pallas entnemmen. Vnsere Vn-
terthanen sollen euch an allen
Märckten jhr opffern sehen. Auff
diese deß Meleanders Worte fieng das aberglaubige Volck an zu-
weinen/
zu frolocken/ vnd Glück zu wündschen. Hernach/ als sie
wieder nach Hofe
vmbkehrten/ worden sie von der gantzen Stadt
begleitet. Bald darauff ward dieser
Ceremonien Newigkeit in allen
Häusern die Nacht vber mit Fressen vnd Sauffen
bestetiget.
Radirobanes/ so durch einen hitzigen Eyfer entzündet wardt/
vnd/ Sagt mir/ Selenisse/ fieng er darzwischen an/ kundte denn Ar-
genis
leyden/ daß jhr Vatter so lange betrogen ward? Entschüldigte
sie sich nicht den
heiligen Zieraht anzunehmen? Benam sie deß
Königes Gemüte solche vngereimte
Gottesfurcht nicht? Gestandt
sie/ daß man den Poliarchus vnter der Pallas Namen feyerte? zwar
ich [551] ward vnwillig/ sprach die Alte/ daß deß Glückes Spiel so
weit kommen were. Wann
ich mich aber der Begier meiner Pflege-
tochter wiedersetzet hette/ welche schon
bekandt hatte daß sie
dem Poliarchus günstig were/ so würde es mit mir nicht wol auß-
geschlagen haben. Es were dem Meleander auch nicht lieb gewesen/
wann man jhn von seinem
Irrthumb zurück gewiesen hette. Dann
welch eine Ehre war es jhm/ daß er durch
eine Göttin gerettet
worden? Vber diß wolte er seine Tochter beym Priesterthumb
ha-
ben/ nicht allein in Betrachtung der Andacht/ sondern damit das
Volck
gewohnte diejenige zusehen/ vnd sich vber jhr zuverwundern/
welche in
kürtzen zum Zepter gelangen solte. Durch dieses Mittel
a
b
c
[552] In wehrender Zeit kam Poliarchus/ seiner Zusage nach/ als
ein Ritter nach hofe. Mit jhm
war niemandt als der so sich zuvor
für seinen Vetter außgegeben. Damals nannte er
jhn nach verkehr-
tem Zustande vnd Namen Gelanor/ vnd hielte jhn als seinen frey-
gelassenen Diener.
Erstlich ist er zum Eurimedes kommen/ vnd
mit jhm/ von wegen seiner stattlichen
Natur/ vnd sonderlichen
heimlichen Zuneigung welche fürneme Männer gegen einander
haben/ stracks in Freundtschafft gerahten. Kurtz hernach als er
durch jhn
für den König kommen/ hat er vermeldet/ er were auß
entlegenen Landen
angelanget/ vnd wolte es jhm für Glückselig-
keit halten/ wann er in eines
solchen Fürstens Hofe in Tugend
möchte vnterwiesen werden. Der König/ welcher
Theocrinen nicht
offt gesehen hatte/ kante jhn/ wegen veränderter
Rede vnd Klei-
dung dermassen nicht/ daß er also mit jhm Gespräche hielte/ als ob
er jhm gantz frembde/ vnd erst jetzt in Sicilien kommen were. Doch
verwunderte er sich vber seinem Antlitz; vnd weil alles in jhm ein
sonderliches Außsehen hatte/ vermochte er destoleichtlicher den
Weg
zukünfftiger Hoheit zutreffen.
Es war der Tag/ an dem zu Anfange deß Marcktes Argenis zum
Tempel gehen muste/ als wir beyde wusten/ daß Poliarchus bey
Hofe were. Derhalben waren wir in grossen Engsten:
Sie zwar auß
Empfindung vnmässiger Frewden; ich aber auß Schrecken vnd
Zweiffel/ daß sie nicht et-[553]was begienge/ welches
sich jhrer
Sitten/ vnd meiner Warnung nicht geziemete. Aber die Tugendt
bey-
d
e
[555] Wir kehreten zurück nach Hofe. Fraget nicht/ was ich vnd
Argenis damals geredt haben. Vnser einiges Gespräche war vom
Poliarchus. Letztlich sagte sie zu mir: Meine Mutter/ was werde
ich
Vbels thun/ wann ich meinen vnd meines Vattern Erhalter
heiliger vnd
lieber haben werde als die so jhn nicht kennen? Wann
ich doch zum wenigsten jhn
anreden/ vnd die eitelkeit meines Prie-
sterthumbs mit jhm belachen solte? Ich
wil schon sehen/ gnädig-
stes Fräwlein/ fieng ich an/ daß es zuthun möglich sey/
vnd Mittel
finden jhn zu euch zu bringen. Zu solcher Verheissung war ich
destowilliger/ daß sie (weil keine Hoffnung der Gesundtheit war)
mir
nicht etwan jhre Kranckheit mit gefährlicher Schamhafftig-
keit verbirge/ vnd/
wann ich jhr nicht etwas zuliesse/ auff andere
vnd bessere Grieff bedacht were.
Als ich von der Argenis herauß
gieng/ sahe ich den Poliarchus mit meinem Sohne in der Fürkammer
spatzieren
gehen. Dann er suchte einen vnverdächtigen Zugang zu
mir. Ich/ zum Scheine als
gienge ich zu meinem Sohn/ grüßte den
Poliarchus/ vnd gab jhm kürtzlich zuverstehen/ er wolte auff den
Abendt in eben diesem Ort sich befinden lassen. Was sol ich viel
Wort
machen? Als ich jhn heimlich zur Argenis geführet/ hielte er
sich so
ehrbar vnd züchtig/ daß ich meinete/ er were widerumb
Theocrine worden. Sie redeten niemals miteinander (dann er kam
offtmahls wider) daß [556] ich nicht were darbey gewesen.
Der
junge vnd darzu verliebte Mensch hat nichts vnzimliches oder ver-
wegenes begangen; ohne daß er eines males solcher Reden sich
vnterfangen hat; Er were auß Königlichem Geblüte/ vnd gedächte
in dem
Privatstande länger nicht zu bleiben/ als jhm die Liebe ge-
gen Argenis würde
zulassen; von derselben wüntschte er in Bündt-
nuß vnd zum Breuttigam
auffgenommen zu werden. Daß er in die
Helle werde auffgenommen/ sagte Radirobanes. O der närrischen
Freyheit deß weibischen
Menschens! Ich glaubte nicht/ hub die
Alte an/ daß die Princessin Rede würde
finden jhn zu beantwortten/
vnd wolte schon anfangen jhre Stelle zuvertretten.
Sie aber/ zu er-
weisen/ daß sie/ als in einer plötzlichen Sache/ sich lange be-
dächte/ nam das Hertze jhm also hergegen zusagen: Die Götter/
Dieses sagte er mir damals; vnd war in seinem Thun nicht weni-
ger bescheiden/ als in den Worten; so daß er nach diesem heim-
lichen
Vernehmen eben dieselbige Erbarkeit behielt/ welche er zu-
vor erwiesen hatte. Er
lebte bey Hoff. Kauffte etliche Knechte. Sein
Stall stundt voll Pferdt/
welche er sonderlich liebte: vnd kundte
man wol mercken/ daß er müßte Reich seyn.
So brachte er jhm auch
mit [559] seiner guten Natur/ mit
allerley Vbung vnd erweisung der
Stärcke bey aller gelegenheit vieler Gunst
zuwegen. Welcher an-
sehenlichen Thaten halben er vom König nicht minder als
anjetzt
Archombrotus/ wie jhr sehet/ geliebet wardt. Vmb all seine Sachen
wußte der einige Gelanor: Seine andere Leute/ die er in Sicilien zu-
sammen gelesen/
wusten nicht wer jhr Herr were. Also kam er offt-
mals zur Argenis/ gleichsamb
auß Höffligkeit/ welche ohn allen
Verdacht war; er war auch offtmahls hinder
aller wissen bey der
Argenis/ außgenommen daß ich allzeit mußte darbey
seyn. Ihr
würdet gesagt haben/ es spielten Bruder vnd Schwester mit ein-
ander/ vnd ich were jhre Mutter. Ich bilde mir ein/ als schawete ich
jhn zum
Opffer kommen/ welches der Pallas/ die es nicht verdienet/
zu vergeltung seiner Tugendt
gebracht wardt; als die Fürsteherin Ar-
genis die Pallas nennete/ vnd den Poliarchus meinete; sich von
dem Bilde der Göttin/ als ob es
ohngefehr widerführe/ zu jhm wend-
te/ vnd das Gebett auff jhn richtete; er
ingleichem/ dem die
Co-
j