IHr werdet derhalben/ sagte Gobrias/ etwas hören/ das der Griechi-
schen
Gemüter werth ist. Dann es sindt bey vns viel Thaten ritter-
licher
Leute fürgegangen/ die den jenigen/ welche andere Völcker
von sich
selber schreiben/ im geringsten nicht weichen. Wir haben
aber
nichts als die Verse der Druiden/ so würdige Dinge die bey vns
geschehen/ erhalten. Sie sindt auch weder auff Holtz noch in Wachs
eingedruckt; sondern werden der Jugendt in das
Gedächtniß ge-
pflantzet/ auß dessen singen [691] wir vnserer Vorfahren Tugen-
den erkennen. Aber/
damit ich mich nicht lang vber vnsere Sitten
beklage/ es ist
besser/ weil jhr es begeret/ meiner Zusag mit der Er-
zehlung ein
Genügen zu thun. Es regierte bey vns ein König Brito-
mandes
geheissen/ dessen Name vnsern Leuten noch jetzundt
ange-
a
Vber ein so grosses Volck/ fuhr Gobrias fort/ herrschete auß vät-
terlicher
Erbschafft der Britomandes. Er hatte einen Sohn auch deß
Nahmens
Britomandes; der aber nach erreichung deß
mann-[693]
lichen Alters mit so vielen
Kranckheiten zerrissen ward/ daß jhm
die vnendlichen
Schmertzen zugleich die Kräfften deß Gemüts ver-
zehreten. Doch
begab er sich in Heyraht mit einer seines Geblütes
von solcher
Tugend/ daß ich zweiffele/ welches man an jhr höher
halten solle/
entweder jhre Keuschheit/ oder Frömmigkeit/ oder
mannlichen
Verstandt vnd Klugheit. Sie heisset Timandre. Als
Britomandes der Vatter Todes verbliechen/ gleichsam als
mit jhm
auch vnser Glück gestorben were/ sind alle Sachen in bösen
Zustand
gerahten. Wir erkandten nichts das an dem newen Könige dem
Vat-
ter zutraff/ ausser die Frömigkeit vnd den Nahmen. Vnter den
für-
nemsten deß Landes war einer Commindorix geheissen/ sehr mäch-
tig/
edeler vnd reicher als Privatpersonen zuseyn pflegen/ vnd end-
lich
eben so einer/ wie jhr saget daß Lycogenes gewesen sey. Dieser
war bey Zeiten deß
alten Britomandes wegen Ansehens eines der-
gleichen
Königes zimlich in Furchten gehalten worden. Bey dem
Sohne aber
vermochte er/ deß Beruffes sonderlicher Weißheit vnd
Gewalt
halben/ so viel/ daß er in seinem Namen selber regierete/ mit
grossem Vnwillen der Timandre/ die jhren Gemahl zu vätterlicher
vnd angebohrener Hertzhafftigkeit anzumahnen nicht auffhörete. Er
aber vertrawte auß Schwachheit der Sinnen dem Commindorix/ der
alle seiner Gemählin Rhatschläge
listiglich außforschete. Wir/ als
wir das gute Glück/ zu
welchem der ältere Britomandes das [694]
Landt
angewehnet hatte/ verloren/ kamen bey seiner Grabschafft
offtmals
zusammen; zwar vnter dem Scheine einer Andacht/ in
Warheit aber/
nach vnseres Landes Gebrauche daselbst vom
Orackel zu erfahren/ ob
etwan ein gutes Glück/ oder ein Gott vns
ein Mittel
entdeckte den Commindorix außzurotten. Dann vnserer
viel hielten
es für eine Tugendt wann wir jhn hasseten; sonderlich
aber/ wie von
jhm das Geschrey gieng/ als hette er auß brennender
Regiersucht der
Timandren Sohn durch Hülffe der Ammen hinge-
richtet. Warumb aber
die Königin nicht auch sey mit gleichem Auß-
gange
weggeraffet worden/ kan man nicht wissen; ob sie sich viel-
leichte
weißlich vor dem Giffte vnd Betruge gehütet/ oder er sich das
c
Als Timandre noch einmal mit schwerem Leibe gieng/ vnd
sich
wegen jrer armseligen Frucht/ welche für jhrer Geburt zum Tode
bestimmet wardt/ besorgete/ brachte sie in Zeiten die Hebammen
an sich/ nebenst zweyen Matronen/ vnter denen ich vnlängst die
eine durch Vermittelung der Königin geheyrhatet habe. Von
diesen
begehrte die Königin/ wann sie einen Sohn zur Welt brächte/
daß
man ein an-[695]deres Kindt an die
stelle geben/ vnnd das jhrige
heimlich retten solte. Die Frawen
entdeckten solchen Anschlag
einer anderen auff dem Lande/ die mit
meiner bekandt war/ vnd
das Kindt erziehen kundte; sie
heisset Sicambre. Als die Königin
gleich liegen solte/
führete sie meine Fraw nebenst jhrem Manne/
dessen man auch
bedurffte/ nach Hofe. Nachdem sie nun sich mit
dem tewresten Eyde
verbunden hatten/ die Sache in geheim zuhal-
ten/ wardt niemandt in
der Königin Gemach gelassen/ als die so
darumb wusten. Die
Götter halffen. Timandre wardt eines Sohnes
entbunden; vnnd die
betrüglichen Weiber legten eine Tochter in die
Königliche Wiege.
Was für Gedancken meinet jhr wol daß die Kö-
nigin damals gehabt
habe? Sie empfandt ein beben nach dem an-
dern/ vnd hielte es für
eine Freundtschafft/ wann man jhr die Geburt
hinweg neme/
welche die Mütter sonst mit so grossen Schmertzen
kauffen. Ich hab
es offt auß jhrem Munde gehöret/ sie hette nichts-
mehr gefürchtet/
als daß durch deß Kindes schreyen/ oder der Wei-
ber Furchtsamkeit
der Anschlag möchte verrahten werden. Nichts-
destoweniger/ ob
schon jhre Marter vnd Pein vnaußsprechlich war/
redete sie
doch mit leiser Stimm die Sicambre/ welche das Kindt
vnter dem Getümmel weg
tragen solte/ also an: Meine Freundin/
vergönnet mir/ daß ich euch
bey allen Göttern beschwere mir Trew
zuseyn; damit ich nicht/ in
dem ich andere zu betriegen gedencke/
durch wegschickung meines
Kindes von mir selbst betrogen werde.
Dann ich [696]
muß doch das jenige für das meine erkennen/ welchs
jhr mir geben werdet. Die Fraw gab zur Antwortt. Die Götter/ Gnä-
digste Königin/ welche jhr anruffet/ haben gemacht/ daß euch nie-
mandt durch List/ für welcher jhr euch befahret/ schaden könne;
so
d
Sicambre/ welcher die Königin jhr Kindt vertrawet hatte/
war
eine Fraw von mittelem Zustande; dann bey fürnemen
Leuten were
das Kindt nicht wol verborgen blieben/ vnnd bey Armen
hette so
ein zarter Leib nach Notturfft nicht mögen versehen
werden. Sie
hatte jhren Mann/ so Cerovist heisset/ mit sich gebracht; welchem
sie
nicht weit von dem Pallaste das heilige Pfandt sanffte zu tragen
vbergeben hat. Die Barmhertzigkeit vnnd grosse Hoffnung
mach-
ten daß er auff das Kindt genawe Achtung gab. Derhalben ent-
wieche er von der Frawen/ damit seine Leute in keinen Argwohn
geriethen/ vnd gieng in sein Vorwerck. Dann er hatte zimlich viel
äcker an dem Strande deß Rhodans/ so keiner Statt nahe gelegen/
vnd hielte sein gesinde in ehrbarem Wandel nach Bäwrischer
Ein-
falt. Als er nach Hause kommen/ gab er für/ er hette dieses
Kindt
e
f
g