ES hatte an dem Strande daselbst einen von Alters her
weitbe-
rühmbten Tempel/ welcher von den Vorfahren der Fortunen gehei-
liget worden. Als die Inwohner
solchen dem Arsidas gezeiget/ knie-
te er mit grosser Andacht
alsbaldt in den Sandt nieder/ vnd betete
bey sich selbst die
Göttin an. Wie er nachmals gegen dem Tempel
gieng/ kam jhm der
Priester in einem weissen Kleyd mit Purpur
verbordiret entgegen.
Sein grawes Haar hieng vber die Schultern/
auff dem Häupte stundt
ein Lorbeerkrantz/ vnd in der Handt hatte
er einen vmbkröneten
Stab. Dieser/ als er den Arsidas also noch an-
gethan wie er von der
Reyse kam in den Tempel kommen sahe/
redte er jhn freundlich mit
solchen Worten an: Geliebter Außländer/
jhr möget entweder hier
angelanget seyn etwas von vnserer Göttin
zu fragen/ oder/ im Fall
sie euch allbereit von dem was jhr geförch-
tet befreyet hat/ jhr
zu dancken/ vnd newe Gnade zu verdienen mit
gutem
Hertzen [676] hoffen. Gehet für der gütigen
Göttin Augen/
vnnd versöhnet sie euch entweder mit einem angenehmen
Opffer/
oder/ wo es euch gefelt/ mit lieblichem Geraüche. Darauff
sagte
Arsidas; Mein Vatter/ weil ewere Tracht andeutet daß jhr
Obrister
Priester allhier seydt/ so saget mir/ damit ich keinen
Fehler be-
gehe/ wie ich mich für anbetung der Göttin
reinigen/ vnd was für
Opffer ich jhr bringen soll; vnnd ob die
Fortune auch zulest/ daß
man sie in solchen
Reisekleidern ehre. Dann ich begehre der Göt-
tin zu opffern/ vnnd
die gelegene Zeit zum Schiffen wil mir auch
lange verweilung nicht
vergönnen. Der Priester zeigete jhm als-
baldt einen Brunnen
der stracks für dem Tempel fürlieff: daselbst
solte er dreymal die
Augen vnd Hände abwaschen; vnterdessen
wolte er jhm einen Rock vnnd
Krantz herzubringen. In dem
Vor-
a
b
[678] Der Priester war allbereit mit den Schlachtopffern
kom-
men/ vnd Arsidas/ der einen Krantz auff dem Haupte hatte/ fiel in
einem Weissen Kleydt für dem Bilde der Göttin nieder/ brachte sein
Gelübd/ vnd was jhm Argenis sonst befohlen/ an. Der
Priester
hatte ein Kalb vnd zwey Lämmer zum Opffer erlesen. Dieses
wardt
baldt darnider geschlagen/ jenen stach er ein Messer in die
Gurgel/
damit die Häupter zu einem Gastgebott gantz verblieben. Es
schrie
der Priester/ die Eingeweyde zeigten auff lauter gutes/ vnd
als das
Loß geworffen worden/ hette die Fortune in alles was Arsidas be-
gehrte gewilliget. Hernach liessen sie
das so sie der Göttin auffge-
opffert für sich kochen/ vnd bey dem
Nachessen/ als die andern in
dessen truncken/ fieng Arsidas an sich mit dem Priester von den
Verhängnissen vnd Wahrsagungen/ item von der Gewalt deß
Glücks vber den Erdboden zu vnterreden; weil er auß seinem Ge-
spräche verstanden/ daß er ein Philosophus were. Er/ als er deß
Arsidas Weißheit spürete/ vnd jhn würdig schätzete von
heiligen
Sachen gründlich berichtet zu werden/ redet er also zu
jhm: Das
gemeine Volck ist dermassen vnwissendt in dem jenigen was
wir
vnter dem Namen der Fortune ehren/ daß es fast die Heiligkeit des-
sen
Geheimnisses mit einer gegensinnigen Außlegung verderbet hat.
Alles
was vngewiß ist/ heissen sie Fortune. Dieses meinen sie aber
vngewiß zuseyn/ was
solchen Außgang hat welchen menschliche
Gedancken nicht
ergründen [679] können. Derowegen nennen sie
diese eine leichte/ ein blinde Göttin/ vnd tichten jhr/
welche sie doch
anbeten/ mehr Laster an/ als sie in einem Menschen
ertragen wür-
den; so daß ich nicht weiß/ ob die Göttin von den
vnsinnigen Leuten
mehr geehret oder geschmähet werde. Wann sie
etwas vbersehen/
wann sie jhre Hoffnung bedrängt/ so muß die Fortun
alsbaldt
Schuldt daran haben. Sie verweisen jhr daß sie Böse
erhebe/ vnd
Guten vngnädig sey/ vnd sich fürzusehen scheine/ damit
sie nie-
mals rechtes Vrtheil fälle. Die elende Menschen aber
werden nicht
jnnen/ daß solches Glück nicht etwas Göttliches/
sondern nur ein
j
Ihr sehet/ mein Freundt/ wie ich die Fortune vmbgestossen habe;
nicht zwar diejenige
welche ich ehre/ sondern die so vnerfahrne
Leute erdencken/ vnd
sich mit dem höchsten Gemüte/ welches
alles nach seinem Gefallen
gestifftet/ die Natur erschaffen/ die Vr-
sachen den Dingen
gegeben hat/ vnd sich verborgener weise ohn
Vnterlaß fortpflantzet/
keines wegs gleichen kan. Dann ob schon
die Schiffer in wehrendem
Sturm nicht wissen/ wann die Wellen
sich legen/ vnd die Winde
auffhören sollen/ so ist doch dem Jupi-
ter nicht vnwissend/ ob er
das Schiff zerschmettern oder erhalten
wil. Damit jhr aber
nicht saget/ Es sey derwegen vnvonnöhten die
Götter anzuruffen/ vnd
würde es nur vergebens seyn/ wann wir erst
durch Beten vnser
Vnglück wolten hintertreiben/ weil sich die Göt-
ter vorlängst
entschlossen haben/ was sie vns wöllen wiederfahren
lassen. Solche
Lästerung der Götter/ die [682] niemals von den
Menschen ohn Nutz vnd Ersprößligkeit geehret werden/ sey
ferren
von vns. Dann Jupiter/ als er der Welt den Anfang/ vnd der Natur
jhre Gesetze gemacht/ als er den Verlauff der Dinge/ sampt jhren
Vrsachen vnd Endungen verbunden hat/ hat wol gesehen/ was du
dermaleines mit deiner Frömmigkeit gegen jhm verdienen würdest.
Das Gebet so jhr heute thut ist jhm nicht new; sondern er
hat es
schon damals gewust/ als er jhm die Welt/ das Menschliche
Ge-
schlecht vnd euch selber zu machen fürgenommen hat. Derhalben
werden durch ewre Frömmigkeit vnd Tugenden die Versehungen
gemiltert/ welche er damals wieder euch auffgezeichnet hette/
wann es ohn diese Andacht gewesen/ die er in ewrem Gemüte
zuvor
gespüret hat. Eben in solcher Meinung sol die Ruchlosigkeit
sich
nicht für sicher halten/ vnd die zornigen Götter von jhrer
Rache ab-
zuwenden gedencken. Dann die Göttliche Gerechtigkeit
hette die
Pfeile so vber den Köpffen böser Menschen hencken nicht
zuge-
richtet/ wann das Vbel so sie begehen nicht zuvor
seine Billigkeit
mit künfftigem Verbrechen zur Straffe gereitzet
hette.
Solche Gewalt nun vnd Vorwissenheit deß Jupiters/ welche alles l m