DEr Schiffmann fiel zwey mal in das Gespräche von der Philosophy/
vnd gab dem Arsidas zuverstehen/ man müßte der schönen Zeit war-
nehmen. Derhalben bedanckte er sich gegen dem Priester seiner ge-
habten Müh/ vnd weiser Vnterrichtung wegen/ nebenst erzeigung
noch anderer Freygebigkeit am Gelde/ damit er auff morgen für jhn
vnd die seinigen der Fortunen widerumb opfferte; gieng also in be-
gleitung deß Priesters biß an das Vfer zu Schiffe. Also segelte er mit
gutem Winde das Landt Latin fürbey/ hernach durch das
Hetruri- a


scheMeer/ dessen Strandt voll schlammiger vnd gefährlicher Sand-
bäncke ist. Auff dieses gelangte er an die seitte der Ligurier/ da jhm
dann von ferrnen nicht wenig Schiffe/ so noch den Wolcken/ oder
herfür ragenden Felsen ähnlich sahen/ in das Gesichte kamen. Als
sie etwas näher waren/ sagte der Schiffmann/ es beduncke jhn eine
KriegsFlotte zuseyn/ es sey dann daß es Räuberschiffe weren/ die
selbiges Revier antasten wolten. Hielte er es derowe-
[685]gen für
den sichersten Weg/ daß man an das Landt/ wiewol sie darinnen
frembde/ abführe. Es stunden jhnen aber die scharffen abgehawe-
nen Klippen an dem Strande am Wege/ an welche das Schiff wegen
der gefährlichen Steine im Wasser nicht kommen kundte; vnd da sie
gleich angelendet hetten/ würden sie doch keinen Weg vber das
gehlinge Gebirge hinauff zu steigen gefunden haben. In dem der-
halben die Schiffer zweiffelten was sie thun solten/ vnd eine Gefahr
gegen der andern hielten/ waren sie schon von den Galleren so gegen
sie lieffen/ vmbringet. Arsidas war gäntzlich entschlossen sich zur
Wehr zusetzen; aber die forchtsamen Schiffer hielten jhme den ge-
meinen Schiffgebrauch ein/ daß nämlich auff der schützung jhr ge-
wisser Todt bestünde. Wann sie nur mit niderlassung der Segel sich
ergeben/ so hette man sich eines bessern zugetrösten. Dann im
Fall sie von rechtmässigen Soldaten gefangen würden/ so köndte
jhnen ihre Ergebung wenig verfänglich seyn; weren es Räuber/ als-
dann müßte man sie mit der Beuth vnd guten Worten sänfftigen.
Dieses erzehlten die Schiffer vnd Ruderknechte dem Arsidas/ wel-
cher als er schwerlich einwilligen wolte sich zu geben/ liessen sie die
Segel auß eigenem Bewegnüß nider/ vnd erwarteten mit auffgehabe-
nen Rudern/ was die so da kamen/ begehren würden. Nachdem nun
diese das Schiff mit einem Hacken an eines der jhrigen gefasset
hatten/ fiengen sie glimpfflich an zu fragen/ wer sie weren/
[686]
vnd von wannen sie kämen. Die Schiffer giengen gerade zu/ sie se-
gelten auß dem grössern Griechenlande nach Massilien/ vnd weren
von einem Außländer gedinget worden; zeigten also auff den Ar-
sidas. Als er befraget ward/ vnd mit allem nicht herauß wolte/ kam
er in Verdacht als ob er Feindt were: Derhalben wardt er gefangen/
b c d

vnd in ein anders Schiff genommen; seinen Leuten aber wardt be-
fohlen mit jhrem zu folgen. Doch beleydigten sie jhn weiter nicht/
vnnd entschüldigten auch dieses freundtlich/ daß sie jhn zu jhrem
Obristen auff eine Vnterredung führeten. Nicht weit darvon kam
das Hauptschiff mit vollen Segeln ohn Ruder gelauffen. Der Capi-
tain/ als er den Arsidas bringen sahe/ gieng er jhm mit darbietung
der Faust entgegen/ vnd versicherte jhn in Griechischer Sprache/ es
solte jhm kein Leydt wiederfahren. Aber/ sagte er/ der Krieges-
brauch bringt es also mit sich; man muß auff allen Seiten zu-
schawen/ vnd nicht allein den Feinden zuvor kommen/ sondern
auch bey frembden vnd Vnbekandten bißweilen Nachfrage halten.
Wann ich selber in ewer Schiff gegangen were/ so wolte ich nach
Besprechung euch an ewerer Reise/ im Fall dieselbe nötig ist/ nicht
verhinderlich gewesen seyn. Arsidas/ der wegen so leutseliger worte
sich alles guten versahe/ sagte jhm alles was er sagen dürffte; Er
sey ein Sicilier/ vnnd reise in Franckreich zu einem guten Freunde;
hoffete also/
[687] baldt loß gelassen zu werden. Der Capitain aber/
als er den Namen Sicilien hörte/ gab noch genawer Achtung/ vnd be-
gehrete zuwissen/ was er in Franckreich zuverrichten hette. Vnd
ich bitte euch/ fieng er an/ es nicht vbel zu vermercken/ daß ich
euch diesen Abendt zum Nachtessen bey mit behalte. Ihr sollet in
meinem Schiffe schlaffen/ da wir euch sämptlich angenehme Dienste
nach Vermögen leisten wöllen. Ich bin eines grossen Königes Offi-
cirer/ welcher nicht weit von hier mit Heeres krafft folget. Für
diesen wil ich euch morgendes Tages bringen. Dann weil jhr auß
Sicilien kompt/ so wirdt er froh seyn euch zu sehen/ vnnd vielleicht
etwas von euch vernehmen das er zuwissen begierig ist. Ihr wer-
det es für eine sonderliche Gunst deß Glückes schätzen/ so einen
Demütigen Fürsten zuschawen. Arsidas merckte/ daß es sein
bestes nicht were/ wann er schon vergeblich wiederstünde. Dann
also kundte er sich in grösseren Verdacht/ vnd in härtere Verhaff-
tung bringen. Darumb erzeigte er sich gleichsam willig/ vnnd stalte
dem Capitain alles zu seinem Gefallen. Dann ein gefangener vnnd
sonderlich ein vnschüldiger Mensch müste sich für keinem zu er-
scheinen/ er were gleich wer er wolte/ entbrechen.

Nach diesen Worten beyderseidts zwungen sie Gesichte vnnd e f



Hertze/ sich mit allerley Gesprächen einer Fröligkeit anzunehmen:
zwar dieser/ da-
[688]mit Arsidas vnbesorget bliebe; jener aber/ daß
er nicht mercken liesse/ als ob jhm die Bestrickung entgegen were.
Darumb fragten vnd hörten sie viel voneinander; also daß der ge-
neigte Wille/ der bißher nur ertichtet gewesen/ sich mehr vnd mehr
in eine rechte Zuneigung verwandelte: wie es dann mit Mensch-
licher Natur beschaffen ist/ daß gute Gemüter sich leichtlich in ein-
ander verlieben. Arsidas zwar/ ob er wol verhafftet/ vnnd an seiner
Reise gesaümet wardt/ verziehe es jhnen leichtlich/ daß man etwas
an jhm thete was er in gleichem an einem andern gethan hette:
sonderlich weil er in dieser höfflichen Verwahrung nicht länger als
eine Nacht zu verbleiben gebetten worden. Der Capitain aber ent-
hielte jhn/ an dem er nichts schuldiges verspürte/ mit allen Ehren/
daß er jhn als einen Freundt wieder von sich lassen köndte. Als sie
derwegen beyde in dem hintertheile deß Schiffes sassen/ vnnd etwas
von der See/ den Winden/ vnnd dem vnterscheide der Galleren ge-
redt hatten/ fieng entlich Gobryas (also hieß der Capitain) glimpff-
lich an den Arsidas von dem Zustande Siciliens vnnd der Gelegenheit
deß Landes zufragen. Arsidas erzehlete kürtzlich den Verlauff der
Bürgerlichen Kriege/ die Empörung vnnd den Todt deß Lycogenes/
deß Meleanders Alter/ vnnd was er sonsten ohn erwehnung deß
Poliarchus sagen kundte. Dann er hütete sich mit Fleisse jhn zu
nennen/ damit er nicht von jhm einem der jhn nicht kennete er-
zehlen muste.
[689] Gobryas erlustigte sich vber diesem nicht ge-
meinem Gespräche/ vnd gerechtem Außschlage deß Krieges. Als
hernach Arsidas zu wissen begehrete/ wie der König für welchem
er erscheinen solte/ hiesse/ in welchem Lande er regierete/ vnd wor-
zu er eine solche Schiffsmacht beysammen hielte/ bleib er ein we-
nig in Gedancken bey sich selber; dann er wolte dem Frembden
mit Berichtung gleiche thun/ vnd war begierig seines Landes für-
nemste Zufälle ebener massen zuerzehlen. Derhalben/ ob zwar/
sagte er/ wir mit Außländern nicht viel handlen/ als welches die
Kauffleute allein zuthun pflegen; doch haben wir nichts destowe-
niger von dem einheimischen Vbel das Sicilien betroffen hat gehö-
ret. Es ist aber keine Wahr/ so eher auff der See verdirbt als die
Warheit. Das Geschrey hatt vns viel vngewisse Dinge/ viel das ewe-
rem jetzigen Bericht zugegen läufft/ zugebracht. Hergegen zweiffele
g

ich auch nicht/ jhr werdet ingleichen von den Vnordnungen vnd vn-
glückseligem Verlauffe vnseres Landes etwas vernommen haben:
aber sie werden entweder auß Boßheit/ oder auß Vnwissenheit de-
rer die sich darvon zu reden vnterstehen selten recht erzehlet. Wann
ich mich aber nicht besorgete/ euch mit zu langem Gespräche ver-
drüßlich zu seyn/ wolte ich euch nicht allein das so jhr begehret/
sondern auch die Blindtheit meines Königes/ welche vnter die Hi-
storien gesetzt zuwerden würdig ist/ von Grunde auß erklären. Die

[690] schöne Sache solcher Erzehlung machte dem Arsidas eine Be-
gier/ daß er zur Antwort gab/ wann es dem Gobryas gefiele/ so
wolte er dieses mit sonderbarer Lust vernehmen.


Fußnotenapparat

a das Hetrurische Meer] Etrus-
cum mare; la mer d’Hetrurie
b seitte] Vom Frz. beeinflußt: en la
coste des Liguriens; Ligures inde
erant, quorum sinus sulcabatur.
c schützung = Verteidigung (de-
fensio)
d giengen gerade zu = redeten
ohne Umschweife(omnia simpli-
citer retulerunt; respondirent
naïfuement)
e sich entbrechen = sich mühsam
enthalten ([non] oportere defu-
gere)
f Gesichte vnnd Hertze/] Virgel
eingefügt
g enthielte = nahm bei sich auf
(indulgebat; traictoit)
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