DEr edele Jüngling/ so sich in aller Tugent herfür gethan/ hatte
jhm vorlängst eines jeglichen Hertz verbunden. Derhalben wardt

[734] männiglich zugegen wegen seiner Glückseligkeit höchlich er-
frewet. Sie ehrten jhn als jhren Fürsten/ vnd giengen hinzu jhme
die Hände vnd den Rock zu küssen. Die Eltesten erinnerten sich
seines Großvattern Britomandes/ vnd liessen sich entweder wahr-
hafftig/ oder auß Liebe so jhre Augen betrog/ bedüncken/ es hette
die Natur viel auß seinem Gesicht in den Sohnssohn gepflantzet.
Endlich fieng der König an zu fragen nach der gantzen Ordnung/
welche die Götter in Erhaltung deß Kinds gebraucht hetten. Ti-
mandre aber sagte zu jhm: Ich wil es euch nach der länge erzehlen/
wann vnsere Fröligkeit nicht so sehr mit Geschäfften wirdt beladen
seyn. Jetzundt müssen wir vns die Gefahr von dem Halse treiben.
So lang Commindorix leben wirdt/ wil ich weder glauben daß wir
regieren/ noch daß wir fast leben. Mit was für Gemüth meinet jhr wol
daß der hoffärtige Mensch dieses ewers Hauses Auffnehmen anhören
werde? Wann jhr mir aber glaubet/ so sol jhm sein Wüten nicht
helffen. Nemmet deß Volcks vnd der Soldaten Hertzen mit plötz-
lichem vnd leichtlichem Handgriffe ein. Ach/ wann jhr Gesundheit
wegen euch offentlich von jhnen schawen lassen/ vnd zu diesem
wichtigen Handel gegenwärtig den Anfang machen köndtet! Ich
wil zu jhnen/ Ewre Liebe/ sagte er; ich wil es thun: vnd wann jhr

[Seite 443]


es für gut ansehet/ sol das Volck auff den Vorhoff deß Pallasts zur
Versamblung beschieden werden. Eben dieses hab ich gewündschet/
sagte die Köni-
[735]gin. Man muß fleissig eylen/ ehe Commindorix
gewarnet werde/ vnd etwas darzwischen bringe.


Derhalben schickte man die Trompeter durch die gantze Statt/
welche das Volck zu dem Gespräche das der König halten würde/
treiben solten. Sie wurden von allen für vnsinnig gescholten. Dann
wer wolte glauben/ daß der König/ welcher sich von vielen Jahren
her offentlich nicht schawen lassen/ so geschwindt sich zeigen/
vnd selber reden würde? Es kam männiglichen frembd für/ vnd
einer fragte den andern/ was doch so gehling auffgestossen were.
Etliche vnterfiengen sich zu sagen/ er wolte bey allgemeiner Ver-
samblung das Königreich ablegen/ vnd dieses würde die letzte ge-
brauchung seines königlichen Ansehens seyn. Sie waren sämptlich
begierig den Handel zu erfahren/ vnd die Welt lieff von allen seiten
zu. Die Leibguardie/ so auch erfordert worden/ stundt in jhren
Companien vnd Fahnen eingetheilet. Indessen hatten wir mit Fleiß
ein hohes Ort gleichsamb als einen Schawplatz auffgerichtet/ zu
welchem nach dem Britomandes inmitten seiner fürnemsten Her-
ren gegangen/ vnnd sampt der Timandre auff den Thron gesessen/
auch den Astiorist am nechsten zu sich gestellet hatte/ giengen vn-
ter dem Volck allerley reden. Diese weineten vber dem Anschawen
deß Königes; andere fragten/ wie der frembde Jüngling so eylends
zu solcher Würden gelanget were. Letztlich/ als man etliche
[736]
mal stille zuseyn befohlen/ fieng Britomandes an also zu sagen: Es
were billich/ daß er vnd seine Vnterthanen den Göttern dancketen/
welche jhm seinen Sohn/ vnnd dem Königreiche seinen Erben wieder
gegeben hetten. Dieser Jüngling/ welchen sie zunechst bey jhm
schaweten/ sey von der Königin kommen: weil man sich aber für
den Feinden gefürchtet/ als hette man jhn nach seiner Geburt ver-
borgen/ vnd als ein Kindt von gemeinem Stande erzogen; er sey
auch durch vnterschiedenes Verhengniß verlohren vnnd wieder ge-
funden worden. Auff diesen Tag hette er seinen Sohn zum ersten er-
kandt/ vnnd nicht länger jnnen halten wöllen/ dem Volcke solche
allgemeine Frewde mitzutheilen. Vnnd damit ein jedweder zwey-
fache Vrsache zur Fröligkeit habe/ wolte er den Soldaten eine
Gnadenbeschenckung thun: den Städten vnd Meerhafen aber den
dritten Theil der Gefälle vnd Zölle erlassen. Sie solten nur als ge-
trewe Vnterthanen handeln/ vnd den gutten Anfang der Götter/

[Seite 444]


welche Gallien so wol wolten/ in das Werck richten helffen. Hier-
nach redete Astiorist auff Befehl deß Königes gegen den Soldaten
vnd dem Volck. Er war ohne diß bey jederman angenehm gewesen;
vnnd damals schiene/ als ob zu seiner herrlichen Gestalt noch etwas
höhers kommen were. Er/ welcher auff das newe ein Gnadengelt
folgenden Tag verhiesse/ brachte die Soldaten gantz auff seine Sei-
ten. Das Volck belangendt/ dem allbereit eine Linderung der Stewren
versprochen war
[737] (dann Commindorix hatte dieselben/ den
König verhaßt zumachen/ sehr vnbillich gesteigert) sagt er jhm
noch vber diß eine Außtheilung von Getreyde vnd offentliches Gast-
gebott zu.

In so newen vnd wichtingen Geschäfften halffen zu Bewegung
der Gemüter deß Volcks sonderlich viel die fürnehmen Herren so
sich bey dem König befunden; von denen etliche Verwalter der Pro-
vintzen/ etliche Befelchshaber im Kriege/ vnd fast alle von hohem
Stand waren. Derwegen erfüllete die Menge die Lufft mit Glück-
wündschung; die Knechte schlugen mit jhren Waffen zusammen/
vnd/ wie deß Pöfels Gebrauch ist/ sie liessen jhnen diese Verände-
rungen mit einhelliger vnd geschwinder stimmung sämptlich ge-
fallen. Allein die Creaturen deß Commindorix fiengen an zu verza-
gen/ als ob es vmb jhr Haupt geschehen were: oder die jenigen so
sich auff jhre Macht verliessen/ dräweten heimlich denen/ die sich
in seinem Abwesen dessen vnterstünden. Sie kundten aber für der
Menge nicht auffkommen; welche zwar damals ausser der Ge-
fahr Hertzens genug hatte/ baldt aber durch plötzliches schrecken
für den Kopff gestossen wardt. Dann Commindorix/ der in weh-
render Erregung in die Statt kommen war/ hatte von etlichen
seines Anhangs/ die bey Ankündigung/ daß die Vnderthanen
sich für den König versamblen solten/ zu jhm gelauffen waren/
verstanden/ daß was vnverhofftes vnterhanden were. Er/ wie er
noch in seinem JägerKleyde gieng/ vnd
[738] für eilen vnnd Zorne
hitzete/ als er die Versamlung deß Volckes/ vnnd den Britomandes
auff dem Throne sahe/ auch noch nicht wußte was gehandelt würde/
trat/ in Meinung durch sein Ansehen alles leichtlich zustillen/ auff
den König zu. Es satzte sich jhm niemandt zugegen/ weil seine
Tyranney nicht weniger geehret vnnd gefürchtet als gehasset wardt.
Derhalben gieng er ohne Verhinderung mitten durch das Volck/
a

[Seite 445]


welches nunmehr verstummete/ vnd sich besorgete/ es würde ge-
sündiget haben. Er trug einen Schweinspieß in der Handt/ vnnd
den Degen an der Seiten. Es begleiteten jhn wegen grossen eylens
wenig seiner Leute/ welche mehrentheils Scheffeline wie bey vns
bräuchlich sindt hatten. Er war schon an die obriste Bühne kom-
men/ wo die wenigen Herren vmb den König her standen. Als er die
Stiegen hienauff gegangen: was sol dieses newes seyn? fieng er an.
Wer hat in meinem Abwesen deß Königes vnd gemeinen Wesens
durch solche Auffrührische Zusammenkunfft mißgebrauchet? Sie
verbliechen alle/ wegen der Gewohnheit jhm zu gehorchen vnd jhn
zu fürchten. Es schiene auch/ als ob man sich auff den König nicht
viel zuverlassen hette. Allein Astiorist stundt vnerschrocken/ gieng
jhm stracks darauff entgegen/ vnnd stieß jhn mit der Handt ge-
linde zurücke/ mit Befehl/ er solte die Waffen hinweg legen/ vnd
mit mehrer Ehrerbietung für den König gehen/ den er auff dem
Throne sitzen sehe. Commindorix wardt im Grim hefftig erreget/
daß
[739] jemandt sich dessen gegen jhm vnterstehen dürffen/
vnnd gedachte ferner nicht nach/ sondern/ damit es nicht vngero-
chen hingienge/ stieß mit dem Spiesse nach dem Astiorist. Er fehlte
aber seiner vnnd verwundete einen Soldaten. Auff dieses zohen sie
beyde den Degen auß.

Es hat sich vielleicht zu vnserer Zeit kein mehr denckwürdiges
Spectackel begeben als eben dieses. Vnd damit jhr ingleichen ein ge-
nügen darvon habet/ so vergönnet mir/ bitte ich/ daß ich euch sol-
ches für Augen stelle. Schawet was sich zutrug: Der gantze Platz
vmb den Pallast war erfüllet mit Soldaten vnd dem Volcke/ wel-
ches gleichsfals sein Gewehr trug/ wie es bey Zusammenkunfften in
Gallien gebräuchlich ist. Auff der Bühnen wo der Königliche Sitz
war/ stunden alle Herren die Timandre berufft hatte. Der König
sampt seiner Gemahlin saß auff einem erhabenen Stule. Nichts
destoweniger/ als Astiorist vnd Commindorix die Degen gezuckt
hatten/ vnterfieng sich niemandt den Kampff entweder zubeför-
dern/ oder zu vnternehmen. Es war ein sämptliches Stillschweigen/
als ob sie durch sonderliche Schickung alle verstarret weren; vnd
sie hatten jhre Augen vnnd Gemüter bloß auff diesen Kampff ge-
wandt. Dann alle waren durch dessen Außgang jhres Glückes ge-
wertig; vnd ein jeglicher war entweder in Furchten oder im Wündt-
schen/ als ob mit diesen Schwerdtern sein eigen Blut vergossen
wür- b

[Seite 446]

de.
[740] Viel hielten auch dafür/ daß die Götter als Richter dessen
Streits selbst anwesend weren. Sie solten vber den Handel/ das ist/
vber die Geburt deß Astioristes sprechen. Wann man jhm das
Scepter durch keine ertichtete Eytelkeit zueignete/ so würden die
Götter nicht verhengen/ daß derjenige/ welchen sie wunderbar-
licher weise erhalten hetten/ in dem ersten Eingange seiner recht-
mässigen Glückseligkeit vntergienge. Der Augenschein dieser strei-
tenden Personen bewegte die Gemüter zum hefftigsten/ vnd trannte
die Hertzen auff vnterschiedene Seiten. Dann Commindorix war
fast vber rechte Menschen grösse; sehr starck von Gliedern/ vnd
seiner Länge gemässe. Von Gesichte war er grimmig/ in der Blüte
deß Alters/ mächtiger Kräfften/ hurtig/ vnd berühmet der Krieges-
kunst vnd deß Fechtens wegen. Astiorist hergegen war zwar leb-
hafftig/ aber jung/ vnd gieng seinem Feinde nicht weiter als biß an
die Achseln. Von Gesichte/ wiewol er trutzig außsahe/ schiene er
eine Jungfraw zuseyn; war frey im Gange/ vnd in allem nicht weni-
ger werth geliebet als gefürchtet zuwerden. Derwegen trugen gute
Leute ein Mitleiden/ weil er es mit einem so versuchten Manne
der zum offtern obgesieget annehme. Im vbrigen waren jhre Waffen
gleiche/ vnd hatte ein jetweder seinen Degen. So war Commindorix
ausser allem Zweiffel/ den Jüngling auff den ersten Antritt zuerle-
gen; dermassen daß er vnachtsam hinan gieng/ als ob es jhm leichte
were zusiegen. Nach
[741] dem aber sein Wiedersacher den Streich
welchen er jhm zu geben vermeinete aufffieng/ vnd er deß Astiorists
Hieb kaum außnehmen kundte/ fieng er fleissiger an Achtung auff
jhn zugeben/ vnd sich als für einem gleichmässigen Wiedersacher
zu hüten. Sie hatten beyde zwey oder dreymahl Fehl geschlagen/
als endlich Astiorist zum ersten in das Haupt zu obriste an der Stir-
nen verwundet wardt. Er sahe von dem Schweisse vnd Blute schö-
ner auß/ vnd entbrandte für Zorn hefftig; gieng in einem Kreisse/
tratt zu jhm/ vnd wieder zurücke/ vnd machte jhn mit seiner Kunst
vnd Geschickligkeit der Natur müde. Die Ehre vnd Belohnung deß
Sieges ermunterten das edele Gemüte/ weil es wuste/ daß der Gallier
Königreich die Belohnung deß Kampffes were. Doch trieb jhn noch
mehr die kindliche Liebe/ seine Eltern die er erst wieder gefunden
hatte zubeschützen. Letzlich in dem er den Feindt verfolgete/ kam
c
[Seite 447]


das Glück auff seine seiten. Dann/ wie es bey vns Galliern der alte
Gebrauch ist mehr zu hawen als zustossen/ er hatte vermeinet einen
Hieb auff deß Feindes Haupt an zubringen/ welcher durch Beugung
deß Halses nicht gäntzlich fehlgieng. Der Streich geriehte auff das
Ohr/ welches jhm sampt einem Stücke vom Wangen auff die Erde
fiel. Der Tyrann schüttelte das Haar/ vnd schnaubete für Wehmuth
vnd Dräwen. Dieser Fall hatte jhm die Straffe vnd Schmach der
Diebe angethan. Er verblutete sich sehr/ vnd was
[742] jhm seine
vnsinnigkeit vermehrte war dieses/ daß Astiorist (gleichsam auß
verachtung) nebenst der Wunden jhn noch hönisch hielt. Darumb
fieng sich der Kampff auff das newe an/ biß es das ansehen hatte/ als
ob sich Astiorist vber dem langwirigen Streite entrüstete. Es war
ein glücklicher vnd Gallien heilsamer Streich/ welcher dem Com-
mindorix den Arm wegnam: als dieser gefallen/ kniete der Vberwin-
der auff jhn/ vnd durchstieß jhm weil er noch nit todt war die Gur-
gel.


Fußnotenapparat

a Werck richten] Aus Dkf Werck-
richten
b vnternehmen = verhindern
c außnehmen = abwehren, parie-
ren (aegre a jugulo removit;
s’estant paré)
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