ALs Poliarchus in solchen Gedancken war/ kam jhm für/ als ob
sein Schiff weder durch die Winde noch die Ruder genugsam fort-
getrieben wurde. Derhalben gieng er auff den Bäncken hin vnd
wider/ vnd vermahnete die Boßleute/ als sich das Vngewitter er-
hub/ vnd sie auß dem fürgenommenen Lauffe brachte. Er/ wiewol
sein Gemüte vnerschrocken war/ als er sahe wie die Wellen mehr
vnd mehr auffsprungen/ vnd jhm Augenscheinlich den Todt dräwe-
ten/ machte die Liebe gegen seine Mutter vnd Braut/ daß er sich
förchtete zu sterben. Derhalben wie er spürete/ daß sie wegen grösse
deß Vbels verzweiffelten/ vermahnete er sie nicht zu verzagen/ vnd
das eusserste zu gedencken. Das gute Glück were jhm besser be-
wogen/ als daß es jhn in solchem Alter solte ersauffen lassen. Wie-
wol er sie nun durch diese Hoffnung zur Arbeit auffgemundert
hatte/ jedennoch kundten sie wider die strengen Wellen wenig
[762]
verrichten/ biß hernach/ als die Flotte so weit getrieben war/ daß
sie ein frembdes vnbekandtes Landt erblicken mochten/ die Vn-
gestümmigkeit sich von sich selber legte. Die Boßknechte kundten
wegen Müdigkeit die Ruder länger nit regieren/ vnd die Schiffe/ so
von dem starcken außschlagen der Wellen beschädiget waren/ auff
der See auch ferrner nicht tawren: welches den Poliarchus hertzlich
kränckte/ als der in den Gedancken stundt/ daß alle Tag die er ausser
Sicilien verbrächte/ jhm vnd der Argenis den Todt verursachen
köndten. Jedennoch mußte er der einhelligen Meinung der Schiffer/
vnd der Gefahr deß Schiffbruchs nachgeben. Dann er sorgte auch
für seine Wolfahrt der Argenis wegen. Derhalben hieß er an das
nechste Vfer lenden/ ob sie vielleicht die Schiffe allda sicher ein-
setzen köndten.

Sie wußten noch nicht/ was für Leute oder für Landt daselbst
were; daß es aber ein lustiger Ort seyn müßte/ zeigten viel Bäume
vnd kleine Hügel an dem Strande. Es lagen auch allerley Kauff-
vnd Fischerschiffe hin vnd wider zu Ancker. Derhalben schickten

[Seite 458]


sie etliche Schiffleute auff einer geschwinden Barcken voran/ sich
zu erkündigen an was für Landes Gelegenheit sie weren; welche
den Poliarchus stracks hernach berichteten/ es sey Mauritanien.
Darauff er die Gestalt der Oerter von dem obristen Schiffboden be-
schawete/ vnd anfieng: O Gelanor/ erkennet jhr den Fluß? erkennet
jhr die Statt Lixa? erkennet jhr das Frawenvorwerck auff
[763] dem
Hügel? Dieses ist Mauritanien/ darinnen wir so viel Freunde ha-
ben; es ist der guten Königin Hyanisbe Landt. Das Glück ist vns
nicht gäntzlich zuwider/ welches vns nach solchem Schrecken hin-
der vnserm Wissen in ein Königreich mit dem wir verbunden sindt/
getrieben hat. Damit wir sie aber mit vnserer Flotte so plötzlich
nicht erschrecken; so machet euch erstlich zu der Königin/ mit
Andeutung/ was für ein Zufall mich dahin verworffen/ vnd bittet
gebürlicher massen/ sie wölle meinen Schiffen den Hafen vergön-
nen. Wir wolten vns indessen allhier auffhalten. Alsbaldt kam das
Geschrey vnter die Soldaten vnd Schiffer/ das Landt welches sie für
sich hetten were mit jhrem Könige befreundet; es würden beydes
Volck vnd Schiffe nicht minder gute Bequemigkeit haben als in
jhrem eigenen Vatterlande. Sie glaubten leichtlich was sie so sehr
wündtschten/ machten ein fröliches Geschrey/ vnd hielten die
Schiffe/ wie befohlen worden/ mit vmbgewandten Rudern zurücke.
Dann für der Königin Erlaubniß mochten sie in den Port nicht ab-
stossen.

So baldt Gelanor auff einem leichten Schiffe in den Fluß einfuhr/
wardt jhm durch einen schröcklichen Tumult die grosse Sicherheit
benommen. Dann der gantze Strandt vmbher war mit Schiffen be-
deckt/ vnd die Waffen hatten allenthalben das Vfer erfüllet. Die Vr-
sach der plötzlichen Erregung war gewesen/ daß sie den Poliarchus
mit seiner Flotte
[764] von ferrnen in der See ersehen hatten. Dann
es war jhnen zu Ohren kommen/ wie jhm dann nicht anders/ daß
ein feindliches Schiffheer wider sie käme. Derhalben vermeinten sie
es sey eben dieses/ vnd hatten im Schrecken die Waffen ergriffen.
Ausserhalb etlichen gerüsteten Schiffen war noch wenig Volck bey-
sammen; dann die Gefahr deß künfftigen Krieges war jhnen erst
kurtz zuvor Kundt gethan worden. Die gantze Menge bestundt
mehrentheils in Bürgern/ welche in wütendem Getümmel den
Gelanor mit vielen Schiffen vmbringeten; dann sie hielten jhn für
einen Heroldt deß herzunahenden Feinds/ der vnter diesem Schein
Kundschafft einziehen solte. Er/ wiewol er bestürtzt wardt/ dennoch

[Seite 459]


sagt er zu vnderschiedlichen malen/ er als ein Freund vnd Bunds-
genosse/ habe nicht verdienet geförchtet oder so vbel gehalten zu-
werden; er würde vom Poliarchus zu der Königin gesendet. Letzt-
lich fandt sich einer der diesen Frembden kandte/ daß er nämlich
für wenig Monaten nebenst dem Poliarchus mit höchster Begnadi-
gung der Hyanisbe auß diesem Vfer abgesegelt were. Dannher kam
das Volck auff andere Gedancken/ vnd fragten von der Flotte welche
sie sahen. Er berichtete/ es sey kein feindliches Heer wider Africa/
sondern Poliarchus mit seinen Soldaten. Also stieg er zu Landt/
vnd wardt zu der Königin geführet; welche sich vber seiner An-
kunfft so sehr erfrewete (weil sie zuvor wegen Einbildung gegen-
wärtigen Kriegs erschrocken war) daß sie nicht so sehr
[765]
glaubte/ Poliarchus mit seinen Heereskräfften/ als die Schutzgötter
vber Africa weren selbst ankommen. Sie schickte eylendts etliche
von den Herren/ so den Poliarchus auff das Landt laden solten.
Nachmals fragte sie den Galanor weitleufftig/ vber was für Völcker
Poliarchus herschete/ wieder welche er Krieg führen wolte/ vnnd
auß was Vrsachen er für diesem vnter gemeiner Tracht seine Maje-
stät verborgen hette. Gelanor dem nicht vnwissent war was er
schweigen oder offenbahren solte/ erquickte der Königin Gemüte
mit angenehmen Gesprächen/ daß sie jhm kümmerlich vergönnete
zu seinem Herren vmb zukehren/ jhn wegen angenehmer empfan-
gung zu berichten.

Es war allbereit der fünffte Tag/ seidt die Königin/ heimlicher
vnnd allgemeiner Sorgen halben/ kaum etwas von Speise zu sich ge-
nommen hatte. Dann als Radirobanes auff erlangeten Spott wegen
vnverschämpter Vbelthat wieder die Argenis nach Calaris zurück
gelanget war/ vnd die Schande seines bösen Anschlages erwogen
hatte/ besorgte er sich/ seine Vnterthanen möchten ins künfftig so
viel auff jhn mehr nicht halten; weil er wol wuste/ daß der Pöfel
vnnd die Soldaten von Fürsten nach jhrem Fortgange zu vrtheilen
pflegen/ daß man glückseligen Leuten etwas für eine Tugendt zu-
schriebe was nur ein blosses Glück ist/ vnnd daß vergebener An-
schlag Verachtung zu Lohn habe. Derowegen damit durch Müssig-
gang nicht allerley Reden außge-
[766]sprenget würden/ vnd er vber
diß sein vnruhiges Gemüthe mit empfindung newer Erregung küh-
lete/ als beliebete jhm newe Kriegsverfassung anzuheben; so baldt
a

[Seite 460]


aber widerumb in Sicilien zu kommen/ hielte er nicht für raht-
sam. Dann/ weil er nicht zweiffelte/ daß man daselbst seiner ge-
wärtig were/ so kundte er wol gedencken/ man würde jhm zu be-
gegnen in voller Bereitschafft stehen. Er mußte vielmehr jemandt
anders suchen wider den man die Kräfften wendete/ daß die noch
vnaußgeübten Soldaten zu den Waffen angewehnet würden/ vnd er
nachmals/ wann die Sicilier wegen Säumnisses sich nichts besorg-
ten/ den Meleander vnversehens vberfallen köndte. Es mangelte
jhm auch nicht an Gelegenheit sein Verlangen zu begnügen. Er
hatte schon längst einen Anschlag auff Mauritanien gehabt. Vnd
dessentwegen hatte er auch die Flotte außgerüstet/ welche hernach/
als er die Argenis vnd Sicilien zu erlangen verhoffte/ wider den Ly-
cogenes mit besserer Vrsach geführet wardt. Dieses mal aber kamen
jhm widerumb die Gedancken ein/ Mauritanien anzugreiffen/ wie
er dann auch newen Anlaß zubekommen schiene. Etliche Mohri-
sche Seerauber/ welche den jhrigen nicht weniger Schaden thun als
Außländern/ hatten ohngefehr Sardinische Kauffleute geplündert;
vnnd solche Klage der beraubeten hörete er bey seiner Zurück-
kunfft auß Sicilien sehr gerne. Baldt darauff/ als ob
[767] dieses
Vnrecht mit Wissen vnnd Willen deß gantzen Mauritanien ge-
schehen were/ schickte er zur Hyanisbe/ die Sachen nicht allein
wieder abzufodern/ sondern auch die Verbrecher zur Straffe zu
ziehen. Sie gab zur Antwortt; daß weder etwas mit jhrem Bewust
abgenommen worden/ noch sie die Schüldigen in jhrer Gewaldt het-
te/ oder für jhre Vnterthanen hielte. Wo die Sardinier der Verbrecher
mächtig werden köndten/ solten sie sich an jhnen rechen: sie wolte
so viel jhr möglich in gleichen es nicht so lassen hingehen. Radiro-
banes legete der Königin Antwort bey dem Volcke zum ärgsten
auß/ stellete sich sehr zornig/ mit fürgeben/ Sardinien würde von
den Mauritaniern verächtlich gehalten/ vnd darumb hetten sie der
Anklage gespottet/ weil man jhnen mit Bedräwungen nicht begeg-
net were.

Derhalben/ als ob der Friede genugsam were gebrochen worden/
satzte er jhm für/ nicht allein sich wegen der Kauffleute zuerholen/
sondern auch seiner Vorfahren Streitt mit der Mauritanischen
Köni- b c d

[Seite 461]

ginzu ernewern. Dann die alten Sardinischen Könige haben offt-
mahls mit Kriege verfochten/ daß die Mauritanische Krone jhnen
gehörig were. Nachmals/ wann durch Stillstandt deß Krieges oder
den Nahmen deß Friedens die Strittigkeit ein wenig beygeleget ge-
wesen/ hat man sie (im
[768] Fall es dem folgenden Könige gefal-
len) widerumb von newem herfür gesucht/ vnd ist die Begier zu
den Waffen mit dem Schein einer Billigkeit bedeckt worden. Also
befandt es damals Radirobanes/ sich der Heerskrafft/ welche er
gantz ergrimmet auß Sicilien widergebracht/ zugebrauchen. Der
Sieg schiene jhm auch destoleichter zuseyn/ weil Mauritanien von
einem Weib beherschet würde. Nichts destoweniger/ damit diese
Begier der Gewalt vnd Waffen eine Beschönung deß Rechtens hette/
schickten sie einen Heroldt auß/ der zum Krieg Anfang machte/ in
dessen daß man in Sardinien die Regimenter mit newen Soldaten er-
gäntzte. Dieser/ als er zu Lixa angelangt/ vnd bey der Königin
Hyanisbe fürgelassen worden/ trug er jhr auß Zuversicht seines
allenthalben freyen Ampts vnerschrocken für/ daß/ wann sie die
Kron nicht abtrette/ vnd dem Radirobanes Mauritanien vbergebe/
die Sardinier sich jhres Rechtens mit vielem Volck habhafft ma-
chen würden. Die Königin/ so vber diesem vnversehenen Vbel er-
schrack/ gab doch nichtsdestoweniger diese vnverzagte Antwort:
Radirobanes würde dessen wenig Ehr haben/ daß er ein Weib stürt-
zen wolte/ der vielleicht seine Kräfften gegen Männern nicht ver-
suchen dürffte. So vieler Jahre Frieden zu brechen/ da niemandt
beleydiget/ noch jrgendt ein Zwispalt vnter den Völckern erregt
worden/ sey nicht weit vom Meineyde. Die Götter liessen sich nicht
betriegen; so mangele es an Menschlichen Mitteln keines wegs; es
sey
[769] auch Thomyris nicht allein/ welche Blutdürstigen jhren
Durst mit Blute stillen können. Als der Heroldt von jhr/ vnd an das
Vfer kommen/ hielt er einen Spieß in der rechten Handt/ vnd/ weil/
sagte er/ die Mauritanier der Sardinier gemeines Wesen beleydigen/
vnd nach gethaner Warnung auff jhrer Verstockung beharren; weil
auch der König vnnd das Sardinische Volck der Mauritanischen
Königin vnnd Volcke durch mich Krieg zu entbieten lassen; als sey
hiermit von mir von dem Sardinischen Könige vnnd dessen Volcke
der Königin vnnd Volcke in Mauritanien Krieg angesaget. Auff
e f
[Seite 462]


diese Worte/ stieß er mit dem Spiesse gegen dem Lande der Feinde/
gieng wider zu Schiffe/ vnd nam seinen Weg zum Radirobanes.

Die fürnembsten Freunde verwiesen es der Hyanisbe/ daß sie
jhren Sohn/ der sich dessen Krieges annehmen sollen/ ausserhalb
Landes verreisen lassen. Auß dieser Vrsachen hette Radirobanes
Anlaß genommen sie zu verachten. Der Feind käme als in ein ver-
wäisetes Landt/ vnnd fragte nach einem solchen Heere nicht/ in
dem man den männlichen Königspurpur nicht gläntzen sehe. Ihre
Entschuldigung war/ das Glück were mehr als sie zuschelten/
welches den ruhigen Zustandt mit vnvermeintem Vngewitter ver-
worren hette. Es sey jhr Sohn auch nicht ferrne/ vnd würde eylendts
zurücke gelangen/ nach empfangung der Schreiben die sie jhm
vbersenden wolte. Indessen solle man Volck zusammen
[770] le-
sen/ vnd an dem Fleisse/ welchen gegenwärtige Zeiten erfoderten/
nichts erwinden lassen. Kaum zwey Tage hernach/ als sie mit
jhren Rähten wegen jnstehender Geschäfften Vnterredung hielt/
ward angemeldet/ daß der eine von jhres Sohnes Dienern (Dann er
nicht mehr als zwene mit sich genommen) nach Hofe kommen we-
re. Sie wurden sämptlich bestürtzt/ vnd schiene diese Glückseligkeit
der Eytelkeit der Fabeln nicht vnähnlich zuseyn; daß gleich auff die
Zeit/ da man von dem Printzen redete/ seiner guten Gesundtheit
wegen/ vnd wo er anzutreffen were/ Bericht einkäme. Die Vrsache
aber warumb der Diener zur Königin geschicket worden/ war diese.
Archombrotus/ nach dem er gespüret/ daß zu Fortstellung seiner
Heyraht weiter nichts mangele als das einwilligen seiner Mutter/
damit er jhme an solchem Glück nicht selber im Wege stünde/ sandte
er den Diener zu jhr mit solchen Schreiben/ wie ein Jüngling/ vnd
ein verliebter/ so doch neben solcher Reitzung der mütterlichen Ge-
walt nicht vergessen/ außfertigen können. Diese Mutter nun war
Hyanisbe/ vnd jhn nennete man in seinem Lande Hyempsal. Als er
aber auff Befehl der Mutter mit Verbergung seines Standes in Grie-
chenland geschiffet ist/ hat er einen Namen der diesem Lande ge-
mässe gewesen angenommen. In selbigem Schreiben erzehlte er/
daß er wegen Ehrerbietung gegen seiner Mutter jhrem Befehl nach

[771] seinen Standt vnd Wesen trewlich verborgen gehalten: Es
stosse aber nunmehr ein solches Glück auff/ als niemandt ver-
hoffen noch gedencken können; Die Verwandschafft nämlich eines
g h

[Seite 463]


sehr mächtigen Königs/ die besitzung Siciliens/ und eine Princes-
sin derer Gaben höher weren als solche grosse Erbschafft. Bitte er
demnach/ sie wölle jhm erlauben/ daß er dem Könige/ dem er/ vn-
geachtet er jhn nicht gekandt/ so wol gefallen hette/ seine stattliche
Ankunfft eröffnen möchte. Vber diß geruhe sie die fürnembsten deß
Königreichs/ nebenst Gelde vnd so viel Zugehör als zur Hoheit
Mauritaniens bey den Siciliern/ die seine Vnderthanen werden sol-
ten/ von nöthen were/ zum Beylager zu vbersenden.


Fußnotenapparat

a kümmerlich = schwerlich,
kaum (vix; à peine)
b der Bewußt = Vorwissen (suo
auspicio; à son adueu)
c Mauritaniern] Aus Dkf Maure-
tanien
d sich erholen = sich schadlos hal-
ten (ulcisci mercatores; de van-
ger les marchands)
e Stillstandt] Aus Dkf Sillstandt
f Thomyris] Cyrus bekriegte To-
myris, die Königin der wilden
Massageten; cf. Herodot I, 203
bis 216 u. IV, 22, 172.
g annehmen] Aus annehmmen
h erwinden = ermangeln
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