DErhalben/ als auff den andern Morgen von Vnterhaltung deß
Krieges gehandelt wardt/ rhiete er allen Mauritaniern allgemeine
Stewer anzulegen/ damit die Königin mit mehrerem Volcke in Be-
reitschafft seyn/ vnd bey den benachbarten Numidiern werben las-
sen köndte. Ewer Rahtschlag/ sagte Hyanisbe/ ist sehr gut/ vnd ist
mir gleichfals eingefallen. Wie kan man aber an jetzo eine Zusam-
menkunfft deß gantzen Landes haben/ dessen Bewilligung zu dieser
Aufflage wil vonnöhten seyn? Poliarchus verwunderte sich/ weil er
solcher Königreiche gewohnet war in denen ein Regent schaffet
was er wil. Solte dann das königliche Ansehen vnd die Gefahr deß
Landes nicht starck genug seyn das Volck zum Tribut zu zwingen/
wann es nicht zuvor durch abgeordnete darein willigte? Solten die
Kräfften vnd gleichsam Spannadern deß Reiches das Geldt in deß
Volckes Handen seyn? Solte man dasselbe die Geschäffte vrtheilen/
seiner Könige König/ vnd durch solche Macht vber alles Fürha-

[783]ben/ Rahtschläge vnd Vermögen seyn lassen? Es köndte ja a

[Seite 470]


solches das Gesetze eines freyen Regiments nicht ertragen/ es
schickte sich auch zu dem Namen der obristen Beherrschung gantz
vnd gar nit. Nachmals fieng er an Heyanisben zuvermahnen/ sich
mit aller Bemühung deß Joches solcher bösen Gewonheit/ mit der
die Mauritanier deß Scepters Freyheit anhielten/ zu entbrechen.
Durch gegenwärtige Zeit würde jhr gute Gelegenheit an die Hand
gegeben/ weil das Volck/ auß Furcht für dem außländischen Kriege/
vermeinete/ daß es durch diese Stewer so die Königin aufferlegete/
seine Wolfahrt erkauffe. Es wirdt das Ansehen haben/ sagte er/ daß
diese Gebrauchung ewer königlichen Macht auff keine Newerung
angesehen sey; sondern wegen augenscheinlicher Gefahr zwar vn-
gewöhnlicher/ aber nohtwendiger weise solch Geldt von den Vnter-
thanen gefordert werde. Wirdt dieses erfolgen/ so wirdt es schon
ins künfftig anzuziehen seyn/ daß man auch in anderer Gefahr ohn
Begrüssung deß Volckes Schatzungen anlegen könne. Vnd wie
Sachen die vns zuwieder/ oder abschewlich sind/ sich durch Ge-
wonheit angenehmer machen; also werden sie durch den Gebrauch
ertragen lernen/ daß die Anordnung aller Sachen dem Könige allein
heimgestellet verbleibe; vnd zwar zu grossem Nutze deß Volckes
selber/ welches der Schatten der Freyheit offtmals betrogen hat.

[784] Ich weiß/ sagte Hyanisbe/ daß es mir vnd meinen Nachkom-
menen zum besten gereichen würde/ wann ich vns solche Gewaldt
zueignete. Aber dergleichen Newerung kan weder jemals ohn Ge-
fahr bey dem Volcke angebracht werden; noch jetzundt sonderlich/
da man die Gemüter gegen den Feindt erregen sol/ vnd es an dem
Frembden Vbel ohn den Inheimischen Zwispalt genug ist. Ich
würde gewiß mehr hiemit für den Radirobanes/ als er mit seiner
gantzen Heerskrafft streiten. Ich erregete der Mohren Gemüter wie-
der mich/ vnd machte sie geneigt zu seinem Gehorsam. So stehen
mir vber dieses die Götter im Wege/ daß ich diese Gewohnheit/ wel-
che ich für billig vnd recht erkenne/ nicht breche. Was für eine?
fieng Poliarchus drauff an. Daß der König/ sagte Hyanisbe/ ohn
Wust vnd Willen deß Volckes keinen Tribut fodere. Geliebet es
euch/ daß ich die Person der Königin ein wenig beseit lege/ vnnd
b c d

[Seite 471]


euch erzehle/ was ich disfals offt gehöret/ oder selbst gedacht habe:
daß jhr entweder eben dieser Meinung werdet/ oder mich von mei-
nem Irrthumb entlediget? Gar wol/ sagte Poliarchus. Führet den
jenigen die Sache/ welche durch die Gewalt jhrer eigenen Macht
verderbet/ vnd nur durch jhren vollkommlichen Gehorsamb erhal-
ten werden können. War er also fertig sie an zuhören/ vnnd emp-
fieng es auß Hitze der Jugendt etwas vbel/ daß sie das jenige was er
vermeinete so jnstendig wiederlegete. Er hielt auch nicht dafür/
daß Hyanisbe so
[785] sehr von grunde jhres Hertzens redete/ als
daß sie die Schande jhrer entzogenen Gewalt mit dem Scheine der
Billigkeit decken wolte; gleichsam ob sie einen Trost hierauß
schöpffete/ wann sie andere Könige zu der Bedrängung darinnen
sie sich befandt/ gleichsfals verdammen köndte.

Sie aber; wir wissen/ sagte sie/ daß Könige darumb eingesetzt
sindt worden/ damit nach Abthuung der Gewalt/ welche den Mäch-
tigern alles zueignete/ die Menschlichen Sachen nach dem Befehl
der Natur vnd Vernunfft möchten fortgestellet werden. Was meinet
jhr aber wol der Natur näher zu kommen/ als daß ein jedweder sei-
ner erworbenen Güter geniesse? oder was ist der Vernunfft ähn-
licher/ als zuwissen was wir bey vns haben das vns/ vnd das einem
andern gehöret? Nun werffen wir dieses beydes vber hauffen/ wann
wir das/ was Vnderthanen mit jhrem Fleisse zuwegen bringen/ nach
belieben in vnsere Kammer einziehen/ vnd machen/ daß sie nicht
wissen/ was das Recht von jhren Gütern dem Könige/ vnnd was es
jhnen selber zueigene. Dann wie können sie es wissen/ weil es weder
bey jhnen/ noch auch bey den Satzungen/ sondern dem Regenten
allein stehet? weil sie auch/ nach einmal abgelegter Schatzung/ sich
deß jhrigen vollkömmlich nicht zufrewen haben/ sondern es durch
newen Befehl noch ferner kan gemindert werden? Wann jhr nicht
wisset/ was für Vbel auß einer gemengeten vnd verworrenen Erb-
schafft entspringe/ so schawet
[786] nur die Gerichtsstüle an/ welche
aller Händel voll sindt. Solche Gemeinschafft/ solches vnrichtiges
Wesen/ können Freunde vnnd Brüder lange Zeit nicht vertragen.
Die Ehefrawen wöllen selber wissen/ was von jhrem Vermögen dem
Manne zufalle/ vnd was jhnen Eigenthümblich verbleibe. Wer wolle
sich dann eines langwirigen vnd allgemeinen Friedens versichert
e

[Seite 472]


wissen/ wann der König das was er den Vnterthanen nimpt zu dem
seinigen macht/ vnd das was er jhnen lest dennoch mit jhnen gemein
hat?

Wann aber ein gewisses Ziehl ist zunehmen vnd zugeben/ so hat
die von der Natur fürgeschriebene Billigkeit einem jeglichen Ge-
schlechte seine Gräntzen/ Rechte vnnd Gebühr abgetheilet. Hernach
macht die Hoffnung zugefallen/ vnd beyderseits etwas zuerlangen/
eine Freundtschafft vnnd Vernehmen zwischen dem Könige/ vnnd
dem Volcke. Dann das Volck wirdt sein Geldt in die königliche
Schatzkammer gutwillig einbringen/ damit nicht der König sich
deß vbergebenen Schwerdtes mit gar zu grossem Ernste gebrauche/
damit er nicht vnbedachtsam Frieden oder Krieg anfange/ damit er
nicht vnerfahrenen oder liederlichen Leuten Regimentsämpter
vberlasse. Auß diesem werden sie jhres Königes Tugenden erken-
nen/ vnd also kan er für die vergangene Wolthaten danckbar seyn/
vnnd zugleich newe verdienen. Der König hergegen wirdt seines
Theils die Vnderthanen mit Grawsamkeit
[787] vnd frembden
Sitten nicht beschweren/ weil sie sonsten/ im Fall man harte mit jh-
nen verführe/ auffhören möchten von dem jhrigen etwas her zu
schiessen. Dieses sindt der rechtmässige Zaum/ welche mit Verbin-
dung deß Königes/ vnnd der Vnterthanen die sonst vbermässige Ge-
waldt von Vnrecht vnnd Hoffart beyderseits zurück halten.

Aber/ möget jhr sprechen/ man muß Einkommen zu täglicher
Außgabe bey Hofe haben/ vnd die Außländer pflegen auß der Köni-
ge stattlichem Leben von der Krafft vnd Vermögen eines Landes zu
vrtheilen. Was sindt dann die Besatzungen? Was sindt die Kriegs-
schiffe? Es ist keine tieffere See/ welche das Gelt so Hauffenweise
verschlinge. Zwar daß diesem also sey/ haben wir auß eigener Er-
fahrung. Ich bin aber nicht der Meinung/ daß jrgendt einem Könige
die Hände von seinen Vnderthanen dermassen gebunden sindt/ daß
es jhme zu Bestellung der Empter vnd seiner Hoheit an Geldt man-
gele. Sie haben grosses Vätterliches Erbtheil/ mit dem sie/ wann
rechte Anordnung ist/ jhr Ansehen wol schützen können. So sindt
auch nicht wenig Zölle/ die sehr viel eintragen. Sie haben noch
vber dieses viel vnd mancherley Rechte nach dem Vnterschiedt der
Nationen. Dieser Schatz/ diese Güter sindt gar genug/ daß sich ein
f

[Seite 473]


König stattlich halten kan/ wann er allein regieren/ vnd keine Ver-
schwender/ die er vnbeson-
[788]nener vnd knechtischer weise lie-
bet/ zur Gemeinschafft der Krone ziehen wil. So baldt jhn aber eine
Lust zu sich zu reissen vnd es wieder hinzubringen ankommen ist/
alsdann kan eine solche Tieffe weder durch gewönliche vnd recht-
mässige Güter/ noch durch die härtesten Aufflägen erfüllet wer-
den. Das Volck mag gehorsam seyn wie es wil/ es mag alle Hülffe
vnd Mühe der Schatzkammer zum besten anlegen; jedennoch
wird ein solcher Fürst (wie wir den Kindern von dem hungerigen
Erisichthon zuerzehlen pflegen) allezeit leer seyn/ vnd täglich was
newes ansuchen: vnd solches mit destogrösserer Verschwendung
weil er weiß/ daß er nach Erschöpffung der Kammer newes Blut vnd
Kräfften bekommen werde. Wundert jhr euch dann nun/ daß die
Vnterthanen sich deß vnersprößlichen Gehorsambs enthalten/ vnd
etzlichen wenigen so vmb den König sind dasjenige was sie für sich
vnd jhre Kinder erworben haben versagen/ welches sie dennoch
dem Könige werden hergeben/ wann er es/ nicht zu vnnützlicher
Verprassung/ sondern zur Zeit allgemeiner Landesnoht heischen
wirdt?


Ich verstehe auch/ daß bey denen Völckern/ welche zu den Schat-
zungen am willigsten sind/ jhre Könige weniger Nutz darvon
empfinden als man glauben kan. Dann durch diese Gewonheit das
Geldt vom Volcke zufodern/ vnd durch die Zuversicht auff das-
selbige werden die Eigenthümblichen Güter vnd was Könige erb-
lich zu empfangen pfle-
[789]gen gemach vnd gemach durchge-
bracht: weil solch königliches Erbtheil/ als ob es wenig anlangendt/
oder mühesam/ oder letztlich kaum Privatpersonen gemässe sey/
erstlich nicht geachtet/ hernach vnter Leute die in Gnaden sindt
außgetheilet/ verpfändet/ vnd mit warhafftiger oder ertichteter Ver-
kauffung verlohren wirdt. Also verlassen Könige die billichste Art
g h i j k

[Seite 474]


von jhren Gefällen zu leben/ vnd legen sich auff eine andere/ so
dem Rauben sehr ähnlich ist: nichts desto weniger/ ob sie schon
jhr Reichthumb nicht so sehr vermehren als ändern/ fangen sie an
zu prangen/ als ob sie einen grossen Sieg erlanget hetten.


Kürtzlich was für ein Vnterscheidt wöllet jhr vnter einer recht-
mässigen Regierung vnd vnter der Tyranney machen/ wann Vnter-
thanen beyderseits das jhrige nur Bittesweise besitzen/ vnd zu wei-
len armer Leute Vorrhat/ den man nebenst allem Vermögen jhnen
auß den Häusern geriessen hat/ durch gemeinen Diener offentlich
außgeruffen wirdt? Ich rede es euch nicht zu Angehör: die jenigen
so in denen Ländern gewesen sindt/ wo Könige solcher massen zu
regieren pflegen/ tragen hierumb gute Wissenschafft. Dann was
man von Mann zu Mann auffzulegen pfleget/ damit es den Reichen
desto erträglicher sey/ das drucket die Bawers Leute vnd Landvolck
offtmals dermassen/ daß es jhnen weder Speise/ noch ein Küssen/
darauff sie sich in jhrem Kummer legen mögen/ vbrig lest. Was het-
ten sie ärgers zugewarten/ wann der Feindt oberhandt behielte?

[790] Diese verdrüßliche Erzehlung von den Bawren bewegte den
Poliarchus: Derhalben mochte er die Königin ferner nicht reden
lassen/ vnd fieng also an: Ich wolte/ daß diejenigen/ so ewere Liebe
von den grausamen Schatzungen berichtet haben/ euch das grösse-
ste Theil boßhafftiger weise nicht hinterhalten/ sondern nach der
Länge erzehlet hetten wie die Sache an sich beschaffen/ damit jhr
die Gerechtigkeit der Könige vnd Billigkeit der Schatzungen sehen
köndtet. Dann Könige sindt niemals gesonnen/ solche Exempel der
Grausamkeit/ wie jhr saget/ zuverüben. Im Fall aber zuweilen
Rentmeister vnd Richter dasjenige was jhnen befohlen wirdt etwas
schärffer erzwingen/ oder die so einen jedern nach seinem Vermögen
schätzen/ vnd angeben was ein jeglicher erlegen soll/ einem vnd
dem andern vnrecht thun/ muß man sich dessentwegen vber die
l m

[Seite 475]


Könige vnd Renten entrüsten? muß man hierumb die Kräfften deß
gemeinen Wesens/ so in Zöllen vnd Gefällen bestehen/ gantz von-
einander lösen? Dann gesetzt daß jhm also sey/ vnd daß diejenigen/
so einen jeden nach seinem Vermögen zu Vbertragung der Be-
schwerden eintheilen sollen/ fehlen: Item/ daß die Diener mit Pfän-
dung auß der weise harte verfahren; wöllet jhr darumb die Schuldt
den Königen/ vnter denen sich dieses begiebet/ zumessen? Wirdt
darumb die Gewalt der Könige weniger billich seyn? Ich meine

[791] das recht/ von welchem wir sagen/ die Schatzung anzulegen.
Es sey dann daß die Sachen/ oder das Gesetze/ oder das Recht vn-
recht sindt/ wann wir jhrer nicht recht gebrauchen/ vnd jhre Na-
tur nach derer denen sie anvertrawet sindt Tugendt oder Laster von
sich legen. Wie wann das Volck bewilliget hette/ euch eine Schat-
zung zuenrichten? Es sey nichts billichers; werdet jhr sagen. Wann
aber in derselben Einsamlung/ wie offtmals geschiehet/ mit einem
vnd dem andern Vnterthanen vnrecht oder scharff vmbgegangen
wurde/ solte nach solcher Vnbilligkeit das jenige auffhören billich
zu seyn/ was vom Volck einmal genehm gehabt worden ist? Es ist
kein rechter König/ der nicht Macht habe ohn deß Volckes Fürwis-
sen Krieg anzusagen oder Frieden zumachen. Wann er aber sich
dessen Rechtes vnbedächtig anmassete/ vnd jhm Feinde machte/
oder sie vermessentlich reitzete/ wie viel schädtlicher würde dieses
dem Volcke seyn/ als jrgendt ein Geitz der Tributen? Nichts desto-
weniger werdet jhr nicht sagen/ daß diese Gewalt der Waffen nicht
gantz recht vnd billich sey/ weil wir derselben/ wie kundt ist/ höch-
lich mißbrauchen können: daß jhr also hierauß verstehet/ man
müsse von der Gesetze Billigkeit selber auß der Menschen bösen
Art/ vnd Laster nicht vrtheilen.

Ihr sagtet Könige solten es mit jhrem Glimpffe vnd guter Regie-
rung machen/ daß jhnen zu Be-
[792]lohnung jhrer Tugendt von
den Vnderthanen die Schatzungen freywillig erleget würden. Ihr
wisset nicht/ welche Könige von dem Volcke fürnemlich geehret
werden; wie es offtmals billiches Fürhaben außschlage/ wie es sich
durch falsche Tugenden oder scheinbare Laster betriegen lasse/ vnd
endtlich wie seine Zuneigungen der gemeinen Wolfahrt zuwieder
lauffen. Man würde dem Völcklein schmeicheln müssen/ vnd nach
seinem belieben die Geschäffte treiben/ damit es Fürsten wegen
n

[Seite 476]


jhrer Nachsehung belohne. Es wirdt für sein Geldt den Zaum ab-
werffen: für sein Geldt mutwillig seyn/ vnd für sein Geldt verderben.
Es wird vmb das Menschliche Wesen vbel stehen/ wann sich Kö-
nige nicht guten/ sondern vielen Leuten zu Gefallen befleissen wer-
den.

Man helt dafür/ je mehr man das Wasser außschöpffet/ je gesün-
der es wirdt; hergegen wann man es nicht rühret/ so verstopffet es
sich vnd vergehet. Eben also ist es mit deß gemeinen Mannes Kräff-
ten vnd Gemütern: sie verderben durch Müssiggang. Wöllet jhr der-
halben sagen/ daß die Stachel nicht sehr nützlich sindt/ welche sie
zu ersprößlichem Fleisse aller Tugenden auffmuntern/ vnd in keine
Nachlässigkeit gerahten lassen? Nun sind keine spitziger/ als das
Geldt so sie Königen zinsen müssen. Dann ob sie schon auß Faul-
heit lieber von wenigem leben/ vnd den Leib lieber nicht kostbar-
lich halten/ als durch Arbeit zu Reichthumb gelangen wol-
[793]ten/
so dorffen sie doch dessentwegen nicht nachlässig seyn: sondern ob
sie jhrer selbst schon nicht Sorge tragen/ so werden sie doch we-
gen deß Königes vnd Vatterlandes zu arbeiten haben/ damit sie die
Schatzungen erlegen können/ welche ohn alle Mittel auch von trä-
gen vnd vnwilligen Leuten erfodert werden. Also/ in dem sie einem
andern zum besten müssen fleissig seyn/ lernen sie für sich gleich-
fals arbeiten. Kurtz hernach wirdt sie die Gewonheit der Mühe vnd
Fleisses mehr als jhrer eigener oder deß Königes Nutz anhalten.
Dannher kömpt die Zier der Künste/ die Lebhafftigkeit der Leiber
vnd Gemüter/ vnd in aller gleicher Embsigkeit der Lande nichts
zartes oder vppiges sondern mannliches vnd ansehliches Reich-
thumb. Eben durch dieses Mittel wird der vnerfahrene vnd grobe
Pöfel/ vnd die Leute so auff dem Lande deß Viehweydens oder Pflu-
ges abwarten/ durch die Arbeit gezähmet/ vnd durch Empfindung
seines Standes erinnert/ daß sie zu gehorsamen nicht zubefehlen
geboren sind; die sonsten/ wann die Tribute/ welche sie zum Fleisse
auffwecken/ in der Könige Macht nicht stehen/ offtmals wilde vnd
vnbändig in närrische oder auch gefährliche Hoffart gerahten.
Dann die Gemüter/ so in der Tugend nicht außgeübet sindt/ geben
den Lasteren raum/ wie ein vngebawter Acker den man nicht be-
säen wollen von vnnützen Kräutern außgesogen vnd verderbet wird.

o
[Seite 477]

Ich lasse es auch zu/ daß Gesetze sindt/ welche [794] die Nach-
lässigkeit vnd Müssiggang straffen/ vnd daß der gemeine Pöfel von
sich selber zu der Arbeit genugsam geartet sey. Wir wöllen vber
diß gestehen/ es mangele dem Volcke am Vrtheil nicht/ vnd werde
von dem seinigen auff Begehr deß Fürstens dem gemeinen Wesen
gern beyspringen. Wie aber wann Sachen fürlauffen so eine Eyl er-
fordern/ vnd ohn allgemeine Vnkosten nicht können geführet wer-
den? In dem man das Volck ermahnet/ in dem man gewisse Abge-
sandten erheischet/ vergehen etzliche Monat; die Geschäffte aber
erwarten solcher Ceremonien nicht/ vnd verleuret sich vnter dieser
Verweilung die Gelegenheit etwas fortzustellen/ oder stösset eine
solche Noht für/ die man alsbaldt hette ablehnen können/ wann
bahre Bezahlung bey Handen gewesen were. Erkennet jhr nicht auß
gegenwärtigem ewerem Zustandt/ wie billich ich vber solche Ge-
bräuche klage? Es ist ein außländischer Feindt für Augen; Krieg
aber muß nicht weniger mit Golde als mit Eysen geführet werden.
Weil nun der Feindt eher zur Stelle seyn wirdt/ als das Volck zu-
sammen kommen kan/ so wirdt es euch an Geldtstewer mangeln/
dadurch jhr das Volck erhaltet/ vnd auß benachbarten Landen Hül-
ffe werben könnet.

So kommen auch Königen nicht allein plötzliche/ sondern auch
offtmals geheime Sachen für/
[795] die in alle wege müssen ver-
schwiegen bleiben/ vnd doch auff diese Art Gelt einzubringen kaum
können verdeckt bleiben. Wann jhr gesonnen weret den Feindt ehe
er sich verfasset anzufallen/ oder vnversehens das jenige was er
euch für diesem abgenommen hat wider zuholen; als ist daran ge-
legen/ daß weder er noch auch die Nachbarschafft den Rahtschlag
erfahre. Wann jhr nun zu solchem Fürhaben notwendig von den
Vnderthanen Gelt begehret/ vnd eine Zusammenkunfft ansetzet/
wöllet jhr die Heimligkeit ewers Gemüths offenbaren? so wirdt zu-
gleich der beste Theil ewers Anschlags zu nichte werden. Im Fall
jhr aber (wie geschehen muß) mit ewerem Fürsatze hinder dem
Berge haltet; was wöllet jhr bey dem gemeinen Mann für Vrsach
bringen/ warumb jhr den Tribut fordert? wie wöllet jhr jhn treiben
wann er säumig ist? Vermeinet jhr vber dieses daß in dessen die
Feinde/ so vmb euch her sind/ oder diejenigen/ denen daran
gele- p

[Seite 478]

genist daß jhr still sitzet/ nicht Nachfrage halten vnd schlaffen
werden? Wann jhr sie nun gleich betrogen hettet durch die ordent-
liche Macht Schatzung abzunemen/ so würden sie doch durch die
Menge der Zusammenkunfft von allen Provintzen/ welche ver-
borgen nicht bleiben kan/ zu Argwohn vnd jhrer Auffacht angereit-
zet werden.

Da aber (wie offtmals geschihet) die Vnderthanen mit dem Kö-
nige nicht wol stünden/ wann sie
[796] auß Verachtung oder Haß
jhm mit Fleisse zuwider lebten/ vnd seine wiewol gute Rahtschläge
in den Windt schlügen/ was würde endlich darauß erfolgen? Wie
vnerfahrene Leute/ wann sie den Feindt beschädigen wöllen/ sich
selber treffen; also würde das Volck seine vnd deß Vatterlands Gur-
gel verwunden/ da es den König zubeschädigen meinete/ in dem es
jhm die beyschiessung deß Gelds/ so das gemeine Wesen erhiesche/
versagen wolte.

Letztlich/ was wöllen wir die königliche Macht/ welche auch die
jenigen/ so sie nicht versuchen wöllen/ für die beste halten/ noch
schwächer machen/ als die deren sich anderswo die fürnembsten
deß Landes zugebrauchen haben? Dann gewiß in denen Provintzen/
da die höchste Gewalt bey dem Raht stehet/ pflegt das Volck weder
zu Raht gezogen noch ersuchet werden/ ob es dem gemeinen We-
sen mit seiner Beystewer zu helffen gesonnen sey. Der Raht sinnet
selber nach/ schaffet/ befihlet/ vnd wil dem Volck solche Macht nicht
einräumen/ die/ wann wir es bedencken/ in Warheit bey Landsre-
gierung das fürnembste ist. Warumb sollen nun sie das Recht haben/
vnd nicht auch die Könige? Wann Könige/ sag ich/ nicht weniger
Gesetze auffrichten können/ als die Herren einer andern Policey/
wann sie nicht geringere Macht haben vber Leben vnd Todt der
Vnterthanen/ wann sie ebenmässiger Würden sind Kriege anzu-
kündigen vnd Bündnüsse zuschliessen/ welches dann die Leute für
das grösseste halten/ warumb sol-
[797]len sie dann allein hier in
Aufflage der Tribute nicht gleiche gehen? Welch Gesetz/ welch
Volck hat es so geordnet? wannher kömpt dieser Vnterscheidt? oder
warumb sollen die Könige sich dem Volcke vnterwerffen/ welches
geringe Herren zuthun vnterlassen?

Aber es können geitzige vnnd freygebige Fürsten in diesem dem
Volcke vnrecht thun. Das kan auch in andern Sachen geschehen/
die wir darumb jhnen nicht entziehen. Welch schwerdt ist so reine
vnd gerecht/ das nicht mit vnschüldigem Blute könne besudelt
wer

[Seite 479]

denauß Vnbedachtsamkeit dessen der es träget? Sie werden aber
das Landt mit zusammenhäuffung deß Geldes erschöpffen. Es ist
ein Vbel das selten kömpt/ vnnd wann es sich begiebet nicht lange
wehret. Dann es geschiehet vnter wenigen Königen/ welche jhre
Schatzkammer vnnötiger weise bereichern/ vnnd ist Fürstlicher Na-
tur dieses Laster dermassen zu entgegen/ daß man schwerlich
zwene die baldt auff einander regieret haben darmit wirdt befleckt
finden. Vnter diesen aber/ die im einfodern vnd außgeben vnmässig
sindt/ wiewol sie mit vnbillicher Begiehr viel beleidigen/ so hat
dennoch das allgemeine Vbel solchen Trost/ daß wie der Oceanus
die Wässer der Flüsse/ die er an sich genommen hat/ der Erden
durch Nebel vnnd Regen wieder gibet/ also auch sie durch jhre für-
neme Herren/ denen sie alles schencken/ dem Volcke wiederumb
liefern was sie jhm hatten außgesauget. Ferner wiewol dem gemei-

[798]nen Frieden daran gelegen ist/ daß ein Fürst seiner Vndertha-
nen Trew mit vnmässigen Aufflagen nicht reitze; dennoch/ wann
jhr nachdencket/ werdet jhr befinden/ daß die Völcker/ welche
nach beliebung der Könige jhre Schatzung herschiessen müssen/ so
offt nicht rebellirt haben/ als die so an solche Gedult nicht gewehnet
sindt. Also ist die Mastung deß Volckes/ vnd der Schein einer gar
zu grossen Freyheit dem gemeinen Wesen offtmals mehr schädlich/
als die vnbilliche Schärffe strenger Fürsten.

Hyanisbe schämet sich zu bekennen/ daß sie so baldt were ge-
ändert worden. Dann Poliarchus hatte sie leichtlich beredet/ daß den
Königen solch Recht gebührete. Darumb billichte sie mit linderem
reden/ vnd nur beschönter Widerlegung seine Meinung/ war auch
auff Gutachten deß Poliarchus einen heimlichen Weg zu solcher
Gewalt zu machen gesonnen. Sie forderte die fürnembsten Beamp-
teten der Statt Lixa/ erzehlte kürtzlich die für Augen schwebende
Kriegesgefahr/ vnd begehrte/ sie wolten jhr schleunig hundert
schwere Talent von jhrer Vnderthanen Geldt zu wege richten. Sie
gehorchten alsbaldt/ weil sie die Fürstellung der Noth genugsamb
antrieb. Es wardt auch dieses Gelt mit glückhaffter Geschwindigkeit
jnnerhalb zweyen Tagen entrichtet; daß also die andern Stätte
durch dieses Exempel zu ebenmässigem Fleisse gezwungen worden.
Es wardt gleichsfals die Vrsache der Freygebigkeit vnd Geschencke
wegen deß GeburtsTags
[799] der Hyanisben/ so damals gleich zu q r

[Seite 480]


recht einfiel/ geduppelt. Derselbe Tag wardt vngeachtet der Vn-
ruhe mit solcher Fröligkeit gefeyret/ als ob man von nichts dann
gutem Friede Wissenschafft trüge. Sie bancketirten in der Stadt
vnd im Läger/ hatten sich vnd die Becher mit Kräntzen geziehret/
daß auch zu Nacht Gelanor/ der obrister Wachmeister war/ den
Poliarchus berichtete/ er köndte sie von jhrem vnordentlichen Le-
ben nicht zurückhalten. Er eylete auff die Schantzen zu/ wol wis-
sendt/ daß man in Kriegeslaüfften dem Glück/ das zu plötzlichen
Fällen Lust hat/ keine Zeit einräumen solle/ darinnen es vnvor-
sichtige Leute/ wie sie auch verdienen/ vberraschen könne. Aber
der meiste Theil/ so der Wein bezwungen/ schlieffen allbereit. Sie
lagen vnter den Trinckgeschirren/ etliche sungen vnd wusten nicht
zu gehorsamen; nicht allein die Mohren/ sondern auch die schlech-
ten Soldaten der Gallier. Poliarchus befahl dem Gelanor vnd ande-
ren so nüchtern waren das Läger vnd die Wacht an/ vnd machte
sich widerumb auff die Statt zu.

[800: Kupfer Nr. 16]


Fußnotenapparat

a dem Radirobanes abgewinnen
= R. besiegen (debellare Radi-
robanem; qu’ ... il ne vainquit)
b erfolgen = Erfolg haben (si
successerit; si cela vous reüssit)
c Begrüssung = das Ansprechen
vor der (erwarteten) Bewilli-
gung einer Bitte
d Wust = Wissen (inconsulto po-
pulo aut invito; sans l’aduis du
peuple)
e die Sache führen = verteidigen
(patrocinari; soustenir la que-
relle)
f herschiessen = zahlen; wie
noch heute
vorschießen (conces-
suros; offrir)
g hinzubringen (aus hinzu brin-
gen geändert) = durchzubrin-
gen (perdendi; dissiper)
h Tieffe = Abgrund (voraginem;
gouffre)
i Hülffe vnd Mühe... anlegen]
suam operam suosque labores
in aerarium conferat; also: Ver-
dienst und Löhnung aufs Steu-
eramt tragen...
j Erysichthon wurde dafür, daß
er in einem der Ceres heiligen
Hain Bäume gefällt hatte, mit
einem solchen Heißhunger ge-
straft, daß er sich selber ver-
zehrte.
k Erbtheil] Aus Dkf Erhtheil
l armer Leute Vorrhat ... außge-
ruffen wirdt?] Opitz folgt dem lat.
Original:
miserorumque homi-
num tota interdum cum suis la-
ribus supellex, de exhaustis do-
mibus rapta, sub hasta et prae-
conibus prostat? Die frz. Über-
setzung verdeutlicht:
et si quel-
quefois le meuble et tout le
vaillant des miserables, tiré de
leur pauure maison se va pro-
clamé par vn Huissier au plus
offrant?
m zu Angehör reden = reden nur
um gehört zu werden (?); die
Vorlagen abweichend:
Nec invi-
diam facio vani spectaculi men-
tione; Ie n’inuente point cecy
pour vous esmouuoir.
n Geitz der Tributen] tributorum
aviditas; aucune charge de tri-
buts. Also gieriges Verlangen
nach öffentlichen Abgaben.
o ohn alle Mittel = unmittelbar
(die Vorlagen etwas anders: haut
dubie; mal-gré qu’ils en ayent)
p ehe er sich verfasset = unvor-
bereitet (imparatum)
q zu entgegen] = zuwider; das
zu ist verstärkend
r Mastung = Mästung (sagina;
la graisse)
XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/Band_III/Band_III_2/Buch_4/III_2_76_4_XX.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000257/skripte/tei-transcript.xsl