Meleander entschloß sich weißlich dem Archombrotus einen ge-
trewen vnd erfahrnen
Mann/ gleichsamb als einen Abgesandten an
die Hyanisbe zuzugeben.
Dann also kündte er Bericht einziehen/ was
nicht allein der Feindt/
sondern auch Hyanisbe mit jhrem Sohn zu-
thun gesonnen were. Die
vnbeständigkeit der Dinge/ vnd erfahrung
im regieren hatte sein ohn
diß wachend Gemüth sehr fürsichtig ge-
macht. Doch war er in
keinen Geschäfften behutsamer als in er-
wehlung deren Personen/
welchen er eine Absendung an außlän-
dische Könige oder Völcker
anvertrawete: in Meinung/ sie weren
wie die Adern/ so nach jhrer
Beschaffenheit eine verborgene Krafft
der Gesundheit oder
Kranckheit auß vnterschiedlichen örtern jhrem
Lande
zueigneten. Er hatte erfahren/ wann diese Leute mehr für
[863] Damals gedachte er sonderlich fleissig nach/ welchen
er wol
erkiesen solte/ der jm mehr als dem künfftigen
Fürsten Archom-
brotus möchte getrew seyn. Es vergiengen zwen Tag
mit diesem ge-
heimen Bedencken. Letztlich entschloß er sich die
Sach dem Timo-
nides anzubefehlen/ vnd als er jhn zu sich beruffen/
fieng er an:
Wann man euch erst vnterrichten muste/ was für Sorge
vnd Trew
einem Abgesandten obliege/ so wolte ich euch mit
dergleichen
schweren Last nicht beladen. Ich wil daß jhr mit dem
Archombrotus
in Africa verreiset/ vnd Hyanisben in meinem Namen begrüsset;
a
Timonides war nicht mehr frölich vber den angetragenen
Wür-
den/ als er bekümmert war wegen der Gefahr die er bey vollfüh-
rung dieses Ampts für zugehen sahe. Er wuste (dann er war deß
Arsi-[864]das vnd Nicopompus bester Freundt) daß Archombrotus
der Argenis nicht gefiele. Köndte er nun dieses Ampt mit
jhrer bey-
der Gunst verwalten? Geriehte er dann in deß einen
Vngnade/ so be-
sorgte er/ das Gedächtniß der Beleidigung würde bey
der Beleydig-
ten Person länger wehren/ als die Gunst bey der
andern welcher er
gedienet hette. Darumb sagte er also zum Könige:
Ich zweiffele an
Ewerer Majestät Verschwiegenheit nicht/
Großmächtigster König;
ich trage auch keine Beysorge/ daß Hyanisbe
oder die Mohren et-
was begehen werden/ daß sie verdeckt vnd von
mir wolten vnge-
schrieben haben. Das Glück aber/ wie auch die
Zeiten vnd Men-
schen/ ist vnbeständig; vnd mit einem Worte/ jhr
seyd Könige.
Solte sich was dergleichen begeben/ so wirdt
mein Leben nicht allein
in eweren/ sondern auch in deß Cleobulus Händen stehen/ bey wel-
chem/ als dem
Obristen Secretar/ die Abgesandten jhre Schreiben
auff eweren
Befehl müssen abgeben lassen. Ich zweifele zwar an
eines solchen
Mannes Trew gantz vnd gar nicht; wie aber wann jhr
einem
andern solches Ampt/ oder er es selbst seinen Beygesetzten
anvertrawete? Wann auch dieses schon nicht möchte geschehen: so
wirdt es doch mehr als genug Straffe seyn/ daß es geschehen köndte.
Diese Furcht/ fieng der König drauff an/ ist nicht ohn Vhrsach.
Doch wann sich was solches zutrüge/ so könnet jhr die
Schreiben
b
c
d
e
Meleander wardt verwirret vber diesen Worten/ fieng an
allein zu
spatzieren/ vnd gedachte/ daß eben diß was Timonides für sich sagte/
zu der Könige Sicherheit
selbst dienete. Als er jhm nun die Gewalt
deß obristen Secretarien
zu Gemüth führte/ erwoge er nicht ohne
Schrecken/ wie viel
er zuthun vermöchte/ wann jhm der Gesandten
Schreiben zukämen. Daß
die Geschäffte in seinen Händen stünden/
vnd er dem Könige nichts
erzehlete als was jhm gefiele. In solcher
Freyheit aber was für
Freundschafft mit den Außländern köndte er
nicht vber einen Hauffen
werffen/ wann er wolte? oder welchen
Betrug vnd Vnrecht
köndte er nicht zum besten drehen/ wann er
were bestochen worden?
Würde er gleich mit fürsichtiger vbelthat
die Vntrew/ deren man jhn
außdrücklich zu bezüchtigen vermöchte/
meyden: so köndte er doch
die Sach selber wie er wolte/ wenden/
vnd klein oder groß machen/
als ob der Gesandte eben dieses von
jhm begehrt hette. So
daß die Sachen/ welche der Abgesandte den
Secretar/ vnd dieser den
König berichten wirdt/ beydes einerley vnd
vngleich seyn werden.
Alle Ding können mit einem gringen leicht
oder schwer gemacht
werden; vnd auß dem ernsten oder vnbesorg-
ten Gesicht deß jenigen
der vns ein ding [866] erzehlet/ drücken wir
vns geschwinde das Bildnüß deren Sachen die wir erstlich
hören
ein. Die benachbarten Fürsten pflegen auch Leute von solchem
An-
sehen entweder mit Geschencken zuversehen/ oder/ welchs am mei-
sten zuthun vermag/ mit heimlichem Vernehmen gleichsam als
jhres gleichen dermassen zu ehren/ daß sie schwerlich mercken/ daß
man jhrer zu einer vnbillichen Dienstbarkeit begehret.
Wann sie
derwegen sich also entweder gäntzlich einnehmen lassen/
oder zum
wenigsten jhre geschwächte Trew dessen Fürsten Anschlägen/
den
sie mit vngebürlichem Bündnisse lieben/ nicht entgegen setzen/
vnd
dieses der Gesandte bey den Außländern mercket/ wie kan er den
König warnen? wirdt er demselbigen seine Schreiben
zuschicken/
welchen er verklaget? wirdt er jhn seine eigene Laster
dem König
anzeigen/ vnd wider sich mit scharffen Worten reden
heissen? Es
geschiehet selten/ möget jhr sagen; vnd es mangelt an
andern Her-
ren nicht/ durch welche ein Gesandter solche
Verrätherey dem
Kö
Meleander/ als jhm Timonides da er zum wenigsten darauff ge-
dachte/
dieses zu Gemüth führete/ fieng er an Mittel wider solche
Gefahr gäntzlich zu suchen. Cleobulus zwar war von solcher Tu-
gendt/ daß man
sich von jhm nichts arges zubesorgen hatte. Könige
aber sollen
nicht allein das gemeine Wesen für sich/ sondern auch
für jhre
Nachkommenen versichern. Vnd es ist thörlich gehandelt/
wann man
eines einigen Menschens Auffrichtigkeit so sehr ehret/
daß
man einem offentlichen Ampt/ welches er [868] verwaltet/
grosse vnd freye Gewalt einräumet: als ob es vnfehlbar
allezeit auff
trewe Leute kommen müßte: da es vielmehr deren
Verwegenheit/ so
entweder durch Einbietung oder Irrthumb darzu
gelangen mit seinen
Kräfften stärcken wirdt. Derowegen nam er jhm
für/ den Gesandten
erstlich mitzugeben/ so offt sie dem
Secretar schrieben/ auch an jhn
den König selbst etwas
außzufertigen; nicht weitläufftig/ noch von
f
g
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[869] Dieses aber muste gemach vnnd gemach angestellet
wer-
den/ daß es Cleobolus fast nicht jnnen würde. Wie dann jetzo
durch
den Abschiedt deß Archombrotus sich zu diesem Anfange gute Ge-
legenheit eräugete: weil man es dafür halten würde/ es geschehe auß
Liebe gegen dem jungen Herren/ vnd wölle er seiner Gesundtheit
wegen von dem Timonides allzeit Bericht einziehen. Darumb be-
fahl er jhm in Geheim/ wo etwas vorfiele/ daß der König allein wis-
sen dörffte/ als solte er es nur bloß jhm vertrawen. Auff daß aber
die Brieffe nicht verdächtig weren/ wann er sie selten
vnd gleich-
sam auß der Ordnung schickte/ so köndte er jhm so offt
als dem
Cleobolus selber schreiben. Bey solcher Anordnung ließ er
es ver-
bleiben; vnd als kurtz hernach Cleobolus darzu kam/ befahl
er dem
Timonides offtmals Brieffe zuwechseln/ nicht allein mit
dem Cleo-
bolus/ sondern auch mit jhm selber/ vnd von der
Gesundtheit vnd
Zustande deß Archombrotus zuberichten. Wolte also eben der-
gleichen fürgeben/ so offte er einen Gesandten in frembde Lande
abfertigte:biß der Gebrauch durch die Gesandten selber mehr vnd
mehr einwurtzelte/ in dem sie es jhnen für eine Ehre halten wür-
den/ wann sie Schreiben mit dem Könige wechseln
dörfften.
[870: Kupfer Nr. 19]
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