ES trug sich ohngefehr zu/ daß vnter denen Soldaten/
welche die
Ankunfft deß Archombrotus zu schawen nebenst dem andern Volck
am
Vfer stunden/ einer mit fleissiger Betrachtung die seltzamen
Kleyder anschawete/ mit welchen die Priester/ so von dem Sardini-
schen Tempel in Africa gebracht worden/ angethan waren. Derhal-
ben gieng er näher hinzu/ vnd spottete nebenst seinen Purßgesellen
in der Gallier Sprache dieser Frembden Kleydung. Die Priester/
welche Gallier waren/ wurffen zu solchen Worten das Gesichte
auff/
vnd wunderten sich/ daß in so weit abgelegenem Theil der
Erden
Leute der Gallier Sprache kündig weren. Sonderlich einer von
jhnen/
ein Alter Mann/ als er das Gesicht auß dem Kleyde/ welches
jhm
den gantzen Kopff bedeckte/ herauß gethan/ vnd den Soldaten der
seiner lachte/ etlich mal als ob er es verstünde/ angesehen hatte/
kundten die beystehenden Gallier leichtlich abnehmen/ daß er ent-
weder ein Gallier/ oder nicht weit davon her seyn müßte: wie dann
seine [958] Farbe/ vnd die anmutige
Lebhafftigkeit der Augen
gleichfals vberein stimmete. So hatte auch
die Einfalt der heiligen
Tracht die Zierligkeit der Nation vnd jhre
höffliche Geberden nicht
gantz hinweg genommen. Darauff dann dieser
Soldate/ der zum
ersten Schertzweise ohngefehr dahin
getretten/ sonderlich Ach-
tung gab; dann es kam jhm die Gestalt
dessen Mannes baldt also in
das Gesichte/ als ob er jhn vormals
auch gesehen hette. Derhalben/
damit er seiner Muhtmassung
versichert würde/ folgte er jhm nach
biß in die Stadt/ vnd
begrüssete jhn/ als er in sein Losament gieng/
Also giengen sie zwar dieses mal von sammen. Der Soldate
kundte
aber die gantze Nacht nicht ruhen/ vnd war zuweilen selber
auff
sich zornig/ wunderte sich auch/ was dann jhm so viel
daran gele-
gen were daß er diesen Priester kennete. Als kaum der
Tag angebro-
chen/ gieng er widerumb in der heilige Leute Losier/
vnd begehrte
mit jhnen zureden. Sie hatten aber allbereit vnter dem
Schein der
Andacht erlanget auß der Statt sich zu dem benachbarten
Tempel/
der in einem heimlichen Walde ausser der Strasse
lag/ zu begeben;
in Warheit damit sie von den Galliern/ welche jhnen in Africa vn-
versehens auffgestossen/ weiter nicht
gesehen würden. Eben dieses
Abwesen machte den Soldaten noch
[959] begieriger/ vnd eilete so
sehr/ daß er sie
noch antraff ehe sie den Tempel erreichten. Nach-
dem er sie
gegrüsset hatte; gleich ob er diesen Weg anderer Ge-
schäffte wegen
gienge; Ich habe/ fieng er an/ dem Glück viel zu
dancken/ jhr
Priester deß Jupiters/ daß ich euch auff der Reise durch
diesen
Pusch angetroffen: ich werde jhm auch mehr verbunden seyn/
wann
jhr/ wie ich muthmasse vnd hoffe/ meine Landsleute seydt.
Es
gerewete den Alten/ daß er 〈sich〉 vorigen Tag durch
plötzliche
vnd vnversehene Irrung mit der Gallier Sprache verrathen hatte.
Damit er aber
durch laugnen nicht grösseren Argwohn verur-
sachte/ vnd den
fürwitzigen Soldaten/ der vielleicht mit einem
kurtzen Gespräche
zufrieden seyn würde/ reitzete/ gab er zur Ant-
wort/ er
were zwar ein Gallier/ hette aber von Kindheit an in der
Frembde
gelebt.
Wie sie also die Rede angefangen/ vnd allerley Fragen
zwischen
jhnen fürgelauffen/ sahe jhm der Soldat mehr vnd mehr
vnter
Augen/ vnd erschrack vber dem Gesicht das jhm vorlängst
bekandt
gewesen/ vnd er offtmals mit tieffer Demut geehrt
hatte. Ohn die
mutmassung wegen deß Antlitzes/ bezwang jhn auch die
Stimme
sich dessen zuversichern/ was er ohne das zu glauben willig
war. Als
er aber letztlich die Narbe einer Wunden in der lincken
Handt sahe
(dann damit er sie schawen möchte/ ergrieff er jhn wider
seinen
Willen darbey/ als ob er sie jhm küssen wolte) kundte
er sich länger
nicht zwingen/ vnd [960] fieng mit einem tieffen Seufftzer an zu
schreyen: O jhr frommer
König/ wo habt jhr so lange verborgen
gelegen? Wir ewere
Vnderthanen haben nicht alle gesündiget/ daß
a
b
Poliarchus war bey Hyanisben vnd gedachte nach erholung der
Kräfften auff einen Tag zu seinem Abreisen in Sicilien. Wie er in
solcher Berahtschlagung war/ redte jhn Gelanor mit einem Gesichte
das in Zweifel stundt ob
es glauben oder nicht glauben solte an: Ich
weiß nicht/ sagte er/
was ich von dem König Aneroest höre. Man
hatte jhn mit der andern Beuth
auß Sardinien hergebracht/ vnd/
wiewol er nicht
königlich hergegangen/ so sey er doch von einem
Soldaten auß seinem
Land erkandt worden. Poliarchus wardt vber
diesen Reden durch eine
plötzliche Regung deß Gemütes/ das für
grosser Hoffnung nichts
sahe/ gantz verwirret/ vnd gab zur Ant-
wort: wann sich die Sach
also verhielte/ so wolte er dieselbigen für
Hyanisben behagte diese Hoffnung/ welche sie wündschte gewiß
Indessen befandt sich auch Poliarchus daselbst/ weil er dem Cre-
stor
mit grossem Verlangen nachgefolget war; vnd gieng sampt der
Königin
in den Tempel; als Crestor/ der nicht mehr an sich ge-
dachte/ die
Priester stracks stehen ließ/ vnd auff jhn zu lieff. Er
zeigete mit
seiner verwirreten vnd gehlingen Frewde genugsam
an was er brächte/
vnd: Wir haben/ sagte er/ den Aneroest/ wir ha-
ben meinen Alten König der
euch erzogen hat. Er ists/ er ists war-
lich: [965] jhr dörfft nicht zweiffeln. Wöllet jhr zu jhm gehen/
Aller-
gnädigster König; oder soll ich jhn euch hieher bringen?
Poliar-
chus ließ sich nichts jrren/ sondern gieng stracks wo
Crestor hin
zeigte. Aneroest aber vermeinte sich indessen auff einen engen
Weg/
wo der Pusch am dickesten war/ zu machen; damit er
hernach/
wann er nur denselbigen Tag verborgen bliebe/ durch wüste
vnd
c
d
Vnd Poliarchus zwar wolte schon dem Wesen mit
weitschweiffiger
Rede den Anfang machen/ als Micipsa von dem Archombrotus zur
Hyanisben kam. Dann er/ der durch den Tumult der Leute
beweget/
vnd nunmehr nicht weit vom Waldt war/ begehrte bey dieser
Nach-
fragung zuseyn/ wann es Poliarchus nicht vbel vermerckte. Poliar-
chus war
wol zufrieden/ angesehen daß diese seine gantze Frewde
auß deß
andern Sieg herrührete. Derhalben hielten sie jnne/ vnd er-
warteten deß Archombrotus Ankunfft; welcher als er hinein
kom-
e
f
Wie er also mit glimpfflichem Ernst redte/ hörete jhm
niemandt
ohne Bewegung zu/ sonderlich als Crestor seine Handt auffhub/
vnd die Narbe
zeigte/ welche die Leut auß selbigem Lande an dem
König Aneroest gesehen hatten. Poliarchus selber stellete jhm das
Gesichte für
Augen/ welches er in seiner Kindheit so offt gesehen
hatte. Die
Ohren/ wiewol sie entwehnet worden/ erinnerten sich der
bekandten
Stimme; vnd das Hertz entfiel jhm/ in dem es durch die
trewe
Liebe gerühret wardt. Dennoch mochte er sich noch nicht
entdecken/
vnd fragte nur vom Aneroest/ warumb er ausser seinem
Landt lebte/
warumb er verborgen liegen/ vnd in solcher Mühselig-
keit bleiben
wolte. Die Meinigen/ fieng er drauff an/ von denen ich
etliche hier
zur Stelle sehe/ wissen gar zu wol/ mit was für einem
Wie er seine Fälle so erbärmlich erzehlte/ kundte jhn
Poliar-
chus nicht länger vngetröstet lassen; sondern fiel
jhm mit weinen-
den Augen/ wiewol er sich lange davon zurück
gehalten/ vmb den
Hals/ vnd als er ein wenig verzogen/ damit jhn
die Seufftzer nicht
an der Rede hinderten: O mein Vatter/ sagte er/
oder lieber mein
Herr/ wann euch ja so viel an den Scordanes
gelegen ist/ so schawet
ich gebe jhn euch hier wider.
Geniesset seiner vnd fanget an auff
das newe zu leben. Ich bin
Scordanes. Vber diesem Wort sahen sie
einander starck an/ vnd
wußten für anmuhtiger Irrung nicht was sie
gedencken solten. In
dergleichen Verwunderung waren auch die
andern/ vnd stunden gleich
als verstummet. Aller Gemüter hielten
jnne/ vnd waren
bereitet/ jhre Zuneigungen dahin zuwenden/ wo-
hin sie deß
Poliarchus [971] vnd Aneroests Gespräche leiten würde.
Endlich sprach
Aneroest: Vnd soltet jhr Scordanes seyn/ Herr? Mein
Scordanes/ sage ich? soltet jhr noch leben/ ein König seyn/ vnd den
Aneroest haben? O jhr Götter? Kan ich jemals die Gnade
verschul-
den welche jhr mir thut? Ihr sehet vber dieses/
gab Poliarchus zur
Antwort/ den jenigen der euch vnd
die Götter/ welche durch ewere
Verstossung von den Vntrewen
Vnderthanen sindt beleydiget wor-
den/ gerochen hat. Die Ehrlosen
Leute sindt theils in der Schlacht/
theils durch die Hände der
Hencker vmbkommen. Ich habe jhnen
den Raub hinweg gerissen/
vnd das Königreich erobert/ welches
ich euch nun wider gebe/ mein
Vatter/ nachdem jhr frisch vnd ge-
sundt seydt. Fraget jhr/ durch
was für Kräfften ich dieser Feinde
mächtig worden bin? Ich als deß
Britomandes Sohn hab den Krieg
geführt. Anjetzo
vbergebe ich euch auch meines Vattern Königreich;
dann die
Götter haben mir jhn vnlängst zu sich genommen. Ich/
Vatter/ wil
nur der nechste nach euch seyn. Es wirdt mir ein grös-
serer Ruhm
seyn euch zu gehorchen/ als den andern zu gebieten.
Er wardt mit newer Frewde ergetzt/ seuffzete vnd sahe offt
zu
den Göttern/ vnd vmbfieng den Poliarchus. Hyanisbe war gleich-
fals hinzu
getretten/ vnd Archombrotus frewete sich/ weil die
Göt-
h
i