80 Sz 76 Dü 86 1627

Auff/ Auff/ O Musa

Einzeldruck X: An den Edelen/ Gestren- | gen Herren | Johann:
Hoffmann
/ | Röm. Käys: May: Rath | vnd Schlesischen Cammer
|
Secretar: | Vber | Der weyland Edlen/ Vielehrentu- | gentreichen
Frawen | Magdalenen Hogelinn | seiner geliebten Haußfrawen |
seligen Abschiedt.
| [kleine rechteckige Arabeske] | [Linie 10,5 cm] |
Gedruckt zu Breßlaw durch Georgium Baumann/ im Jahr 1627.

4°: A Exemplar: Breslau 4 V 64/29

Gliederung: A1a Titel mit vier musizierten Lettern; A1b unbe-
druckt; A2a massive Kopfleiste, Initial-A von 5½ Zeilen im Geviert;
das Gedicht bis A3b unten. Am Ende der Name des Dichters, nach
rechts gerückt; dreieckiges Ornament. Bl. A4 ist unbedruckt.

[Seite 42]

Johannes Hoffmann, 1612 von Kaiser Matthias in den erblichen
Adelstand erhoben, wurde am 22. Juni 1575 als Sohn des aus Neisse
stammenden Pastors Georg H. in Wünschelburg und der Anna Roe-
mer
aus Löwenberg geboren. Er war dreimal verheiratet: (1) mit
Anna Nagel, der 1591 geborenen Tochter des Breslauer Patriziers
Wolf Nagel, die am 22. November 1621 starb; (2) mit Magdalene
Hogel (Hugel)
, Jakob Holtzbechers Witwe, die im Januar 1627 im
Kindbett starb (Z. 65ff.) und (3) seit März 1628 mit Maria Artzat
(siehe Nr. 92). Aus erster Ehe stammte als einziges überlebendes
Kind der drei Ehen der am 25. Dez. 1616 geborene Sohn, der Dich-
ter Hans Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Johannes H.
v. H. starb am 29. März 1652. (Frühere Mitteilungen sind überholt
durch Franz Heiduks kritische Überprüfung der Unterlagen in
»Das Geschlecht der Hoffmann von Hoffmannswaldau«, Schlesien
13 [1968], 31–41; dort weitere Einzelheiten.)

In C II steht das Gedicht auf S. 366: Kopfleiste 0,5 × 7,9 cm, darun-
ter Linie von 7,8 cm; am Schluß ein Dreiecksornament, 5,1 × 6,4 cm.
In F II findet es sich auf S. 136 unter einer Kopfleiste 0,5 × 7,5 cm, die
aus 20 nach oben gerichteten Eicheln besteht; am Schluß drei
Eicheln, nach r., 1. und nach unten gerichtet und um (o) gruppiert.
Einzug jedes zweiten Alexandrinerpaars erscheint erstmals in vor-
liegender Ausgabe. Besprechung bei Gel 244–46. Auf »Non alipes
calcaribus«, Verse unbekannten Datums, Sz 231, sei hingewiesen.

a AVff/ Auff/ O Musa/ auff; du kanst mir rechte klagen/
Vom Vbel vnsrer Zeit/ kanst vngeschewet sagen/
Wie jetzundt eben vns das Wetter dieser Welt
Die gantz gewülcket ist/ mit Donner vberfelt/
Vnd schläget häuffig ein: weint auch mit vns vnd leidet/
Ihr Alpen Schlesiens/ daß vns vnd Böhmen scheidet/
Von welches Gräntzen her der Sturm zu erste kam/
Vnd dieses Landt mit sich in seine Flammen nam.
b c d e
[Seite 43]

Schwell’ auff/ du Oder/ dich mit vnsern heissen Threnen/
Vnd dencke/ wie dein Strom sich jetzt muß angewehnen/
Zu führen frembde Last/ die vormals nur allein/
Deß Friedens Werckzeug trug/ muß lernen dienstbar sein/
Vnd vnterm Joche gehn: die Zeit hat abgenommen/
Da noch was gutes war; wir sind zur neige kommen/
Die trüb’ vnd bitter ist: es ist euch wol bekandt/
Herr Hoffmann/ was für Rhue vnd Lust diß edle Landt
Geraume Zeit gehabt/ das jetzund gantz erschüttert/
Im fall es sich besicht/ vnd für den Waffen zittert/
Die freylich allzu scharff vnd spitzig außgewetzt/
Vnd an die Gurgel jhm sind allbereit gesetzt;
Wiewol nicht vnverdient/ du seyst auch wer du wilt/
Der du inkünfftig wirst hier dieser Zeiten Bildt
fDurch zuthun deiner faust vorzeichnet vbergeben
Dem Volcke das nach vns auff Erden möchte leben/
Vermeld’ jhm vnser Leid/ zeig’ vnser Elendt an/
Auff daß es damahls auch vns noch beweinen kan/
Vnd eigentlich besehn den Spiegel seiner alten/
Der als mit Fingern zeigt wie der sich muß verhalten/
So ohne hinderniß/ vnd noth durchsegeln sol
Das trübe LebensMeer. Was wird jhr Hertze wohl
Gedencken/ wann es wird von vnserm wilden wesen/
Von der Cyclopenart/ die jetzt noch hier ist/ lesen?
Wir dencken nicht an vns: dem welcher zeigen wil
Das etwas an jhm sey/ dem ist kein ding zu viel.
Die Erbarkeit ist todt; nur der ist ohne Sünden
Der sündigen nicht kan; die guten Künste schwinden/
Vnd nemen täglich ab/ die Göttin die ein Schwerdt
Vnd eine Wage tregt hat jhren Weg gekehrt
g h i j k l m n o
[Seite 44]

Von vns dem Himmel zu; jetzt herrscht an jhrer stelle
Mord/ Rachgier/ Rauberey/ vnd Brandt/ das bild der Helle/
Wir äschern gantze Städt’ vnd jhre Kirchen ein/
Das gleichsam GOtt auch selbst nicht mehr kan sicher sein
In seinem eignen Hauß’: O daß wir doch nicht sollen
In alter Freyheit sein/ zu schreiben was wir wollen/
Zu sagen wie anjetzt das Volck in dieser Welt
Sich einem Pferde gleicht das hin in freyes Feldt
Aus seinem Stande reißt/ zerbricht Gebiß vnd Stangen
Leufft vber Stein vnd Stock/ vnd lest sich gantz nicht fangen/
Biß eine Klippe kömpt die jhm sein Leben kürtzt/
Vnd durch den frechen lauff den wilden Halß abstürtzt!
pWen wil man denn von vns nicht gar für glückhafft halten/
Den aller dinge Herr aus Liebe nicht lest alten/
Vnd raffet jhn dahin/ wo für der Erden wust/
Für Hoffnung/ furcht’/ vnd streit nichts ist als freud’ vnd lust.
Die ewig bleibt vnd wehrt: ist er mit dem gleich kommen
Was todt heist vnd nicht ist/ vnd hat euch hingenommen/
O hochgeehrter Freundt/ den Trost der Lebenszeit/
So wist das jhr in jhr schon halb in Himmel seydt/
Der fromme Seelen liebt. Hier sitzet ewre Wonne
Hoch vber dem Gestirn’/ vnd schawet an die Sonne
Für der die Sonn’ erbleicht; Sie hat nun für gefahr
Vnd Trübsal dieser Welt der Engel schöne Schar/
Stimmt frölich mit jhr ein die süssen hohen Lieder
Dem dreymal heilgen Gott/ hat jhre Mutter wieder
Die kurtz voran gereist/ vnd auch jhr liebes Kindt
Das in derselben Welt zu Leben erst beginnt/
Vnd hier begraben war/ eh als es ist gestorben/
Sah’ vngesehn die Welt/ ist dennoch vnvertorben
Weil er des Lebens Herr die Kinder hertzlich liebt/
Vnd jhnen jhren todt zu vberleben gibt.
Hier ist sie ewre Zier/ weiß das der Heylandt eben
Auch euch jhr andres sie zu jhr hienauff wird heben/
q r s t
[Seite 45]

Wann ewrer Jahre Ziel (die nur auff Tugend gehn/
Vnd wüntschen recht vnd wohl dem Ampte fürzustehn
In dem euch gnädig wil von wegen ewrer Gaben/
Die auch vom Himmel sind/ der grosse Käyser haben)
Wird für den Augen stehn; das ja euch lange Zeit
Noch nicht für handen sey/ damit jhr dieses leydt
uDeß Landes schlichten helfft/ vnd fleißig möget sinnen
Durch was für Mittel wir zum Frieden kommen können.
Nun denckt an ewer Hertz/ an ewer’ andre Zier/
Vnd an die vorig’ auch so gleichfals lebt mit jhr.
Denckt daß jhr meistes theil die Seele bey den Erben
Deß höchsten Vaters lebt/ wil/ sol/ vnd kan nicht sterben;
Was sterblich war ist hin den Lauff den alle Welt/
Vnd das was jrrdisch ist/ in seinem wesen helt
Was war das ist nicht mehr/ was ist wird sein gewesen:
Der Meden starckes Reich wird einig noch gelesen;
Asyyrien ist weg/ der edlen Griechen macht
Liegt lange Zeiten schon verdecket mit der Nacht/
Vnd rührt sich auch nicht mehr; die Königin der Erden
Rom muste nur durch sich noch selbst geschwächet werden;
Deß Türcken Regiment/ der vnter seiner Handt
So manche Stadt/ Gefild’/ vnd Meer vnd grosses Landt
Begreiffet weit vnd breit wird nach dem langen siegen
Doch endlich vntergehn/ vnd als ein Rauch verfliegen.
Hier lebt die Tugendt nur so steten Ruhm erwirbt/
Die Seel’ in jener Welt die nimmermehr nicht stirbt.

Martin Opitz

v w x

Fußnotenapparat

a am Rand: [A2a]
b C II 366 F II 136
c Überschrift: Vber Frawen Magdale-
nen Ho- | gelinn/ | HErrn Johann
Hoffmanns/ | Röm. Kays. Maj.
Rhates vnd Schlesischen |Cammer
Secretars/ geliebten Hauß- | Fra-
wen Abschied. C Fast so F
d Welt] Aus Welt. Dkf X nach CF
e vnd] Aus das Dkf X nach CF
f am Rand: [A2b]
g Schwell’] Aus Schnell’ Dkf X
nach CF
h Rhue] Aus Ruhe Dkf X nach
Rhu CF
i Fehlt CF; Zählung: minus 2
von hier an
j vnverdient. F
k vorzeichnet = ver-, aufgezeich-
net
l Erdes Dkf F
m damals = tunc, zu jener Zeit
n besehen] Aus besehe Dkf X nach
CF
o als] Aus alls Dkf X nach CF
p am Rand: [A3a]
q jhrer] Aus jhre Dkf X →
r Stand = Stall reißt] Aus reist
X nach CF
s freud’] Aus freud Dkf X nach
CF
t Gestirn’/] Aus Gestirn/ Dkf X
nach CF
u am Rand: [A3b]
v edle Kayser CF
w stehn;] Aus sehn; Dkf X nach
CF
x Gefeld’/ F
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