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96 Sz 88 Dü 97 1628

Freundt der Musen

Einzeldruck X: Auff Carol Si- | gißmundts | H. David Müllers |
Söhnleins Begräbniß/ | Martin Opitzen | Trostgesang | An den
Herrn Großvatern. | Gedruckt im Jahr 1628.

4°: A Exemplare: Breslau (zwei); Göttingen UB, Poet. Ger. II,
5172/1

Gliederung: Bl. A1a Titel; A1b die lateinische Mitteilung, kursiv
gesetzt, mit Initiale, 4 Zeilen im Geviert; A2a bis A3b, die 10 Stro-
phen des Gedichtes, aus einer größeren Schrift gesetzt, Dreiecksor-
nament am Ende; A4 unbedruckt.

Carol Sigismund, am 23. Januar 1627 geboren, starb schon am
8. Oktober 1628 und wurde am 28. Oktober begraben. Der Vater
befand sich gerade auf der Leipziger Buchmesse und konnte der
Trauerfeier nicht beiwohnen. Aus diesem Grunde richtete Opitz sein
Trostgedicht auch wohl an den Großvater, David Rhenisch. Auf den
Tod des jüngeren David Rhenisch und den der Tochter, Marie, der
Mutter des Verstorbenen, wird Bezug genommen; siehe auch die
Nummern 61, 62, 90, 130 und 143.

Der Titel in C II, 413 lautet Auff H. Davidt Müllers Söhnleins
Begräbniß/ an H. Davidt Rhenischen/ Großvatern. Die lat. Mit-
teilung ist weggelassen, der größere Schriftgrad dagegen beibehalten
worden. Initiale F mißt 1,7 × 1,7 cm; großes Dreiecksornament am
Ende, 4,5 × 5,7 cm. Das Gedicht wurde 1632 in FUNEBRIA unter
folgender Überschrift wiederholt: Auff Carol Sigißmundts H. Da-
vid Müllers Söhnleins Begräbnüß/ Martin Opitzen Trostgesang An
den Herrn Großvatern. Die lat. Anrede ist wiederholt, darauf
folgt das Gedicht. In F II, 160 steht das Gedicht ohne lat. Anrede
unter dem Titel Auff seines Encklins Herrn David Müllers Söhn-
leins/ Begräbnüß/ an H. David Rhenischen/ Großvattern. dar-
über eine Zierleiste, 0,5 × 7,4 cm, aus 18 nach oben weisenden Ei-
cheln und zwei Doppelpunkten; die Schrift paßt sich jetzt dem
Schriftgrad der Sammlung an.

Geiger 25 meint, das Epizedium gehöre »zu den schrecklichsten
Gedichten dieser Gattung«. Siehe auch Gel 257–59.

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a

QVamvis eo animo tot mortes tuorum et discidia ferre soleas, V. CL.,
ut quantum in nostra pariter ac paganorum sapientia profeceris sa-
tis ostendas, observantia tarnen erga te mea, eaque qua generum
tuum prosequi soleo benevolentia, hoc quod vides a me extorserunt.
Plura scribere non sinit maturandi funeris ratio et carmen malum
etiam brevissimum satis prolixum est. VII. Eid. Octobr.

b c
d FReundt der Musen vnd der meine/
Dem Athen vnd Rom sich giebt/
Den nicht eine Kunst alleine
Vnd nicht eine Weißheit liebt/
Wie viel mal doch sollt jhr klagen/
Vnd euch selbst zu Grabe tragen?

Straßburg satzt’ in seinem Sande
Ewres Sohnes Hoffnung ein
An des starcken Reines Strande
Der gelernt hat Spanisch sein:
Er vnd seiner Jugendt gaben
Sind in einen Sarch vergraben.

Sieben mal/ als wie ich meine/
Hat Diane Hörner kriegt
Nach dem nun fast vollen scheine/
Seyd auch ewre Tochter liegt/
Die diß Kindt ließ vngetrencket
Das man jetzt wie sie versencket.

e f g
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h Vrsach ist genung zu klagen;
Doch den Trost bedürfft jhr nicht
Den wir andern Leuten sagen
Denen wissenschaft gebricht/
Die euch der von dem jhr lehret
Hat mit reicher Handt verehret.

Vnd was wunder ist es sterben/
Da die schöngezierte Welt/
Auch diß alles soll verterben
Was jhr Vmbkreiß in sich helt?
Fewer/ Lüfften/ Wässer/ Erden
Müssen nichts vnd nichtig werden.

Köndt’ ein Hauß sein auß zu schliessen?
Seht wie manche werthe Stadt
Mars durch wilden brandt vnd schiessen
In den Staub geleget hat:
Nach so vielen grossen Helden
Dürffen wir ein Kind nicht melden.

i GOtt der hat es nur geliehen:
Wer ein guter Wirth sein wil
Vnd die Ehre nach sich ziehen/
Setzet stündtlich jhm ein Ziel
Da er seine schuld vnd sachen
Vnverklaget gut kan machen.

Laßt GOtt Hertz’ vnd Willen schencken
Ewre Fraw vnd Tochtermann/
Der zwar jetzt sein Kindt bedencken
Doch nicht selbst begleiten kan:
Nun er wird sein Hertz’ erhöhen/
Vnd durch seufftzen mit vns gehen.

Kleiner Sohn/ was mag es schaden
Das dein Vater nicht ist hier/
j
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Vnd dich auff die Bahr hilfft laden?
Seine Lieb’ ist doch bey dir
Die kein absein kan verterben/
Vnd nicht stirbet wann wir sterben.

k GOtt der wolle dich begleiten:
Wir verbleiben als wir sind
Zwischen Troste/ Furcht’ vnd streiten/
Traum vnd schatten/ Rauch vnd wind/
Blind an Augen/ taub an Ohren/
Kinder wie wir sind gebohren.

l

Fußnotenapparat

a am Rand: [A1b] [Nur in X Fu]
b Rhenischio, Fu
c VII. Eid. = 9. Okt.
d am Rand: [A2a]
e C II 413 Fu Bl. E1a F II 160
Überschriften: Siehe die Einleitung.
f einsatzen = einsetzen, ins Grab
senken faßt’ Fu
g Spa. sein: Hinweis auf Spinolas
Besetzung der Pfalz, Sommer
1620
h am Rand: [A2b]
i am Rand: [A3a]
j dü. = nicht nötig haben
k am Rand: [A3b]
l Absein = absentia, Abwesenheit
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