98 Sz 92
Dü 50. II
1628
Über das Leiden unseres Heilandes
Einzeldruck X: Martin Opitz | Vber das Leiden | vnd Sterben |
Vnseres Heilandes. | Hiebevor durch Ihn Lateinisch | herauß gege-
ben.
| [Linie, 6,8 cm] | Gedruckt zum Brieg/ | In
Verlegung David
Müllers/ Buch-| händlers in Breßlaw/1628.
12°: A–B Exemplare: Breslau: 8 V 1123a und 4 E 515/30 (= 355
092)
Gliederung: [A1] Titelblatt, Rückseite
unbedruckt. [A2a] Wid-
mungsgedicht an Diederich von dem Werder. [A2b] Anfang des Tex-
tes; größeres Initial-W; B8b Ende der Oratio, Spitzkolumne bis zur
Hälfte des Blattes,
darunter kleines Ornament aus 3 Eicheln um (o)
gruppiert. B9a bis B11b die drei Empfehlungsgedichte; B11b enthält
nur die letzten drei Zeilen von Bundschuhs Sonett; unter dem Na-
men ein rechteckiges Ornament von 1
× 2,7 cm. Bl. B12 ist unbe-
druckt. Weder Seitenzählung noch
Kolumnentitel.
Ungewöhnlich ist die Plazierung der Empfehlungsgedichte am
Ende. Vielleicht wollte
der Dichter auf diese Weise die Aufmerksam-
keit des Lesers stärker auf das eigene
Widmungsgedicht lenken:
Opitz hoffte auf von dem Werders Unterstützung bei der
Aufnahme
in die Fruchtbringende Gesellschaft. Zincgrefs Gedicht wurde mit
einer ganz geringen Änderung in Z. 1 aus
Nr. 41 übernommen, aber
Venators wurde um 10 Zeilen gekürzta. Bundschuhs Sonett kam neu
hinzu
b. Die
carmina commendaticia wurden in E nicht aufgenom-
men. Druck Z enthält nur
Bundschuhs Sonett. Das Widmungsge-
dicht dagegen nahm Opitz in C und
F auf und ließ es nochmals in E
abdrucken.
Die Übersetzung paßte Opitz den veränderten Verhältnissen an,
besonders am Ende.
Der Hinweis auf Friedrich V. wurde getilgt.
Auch sonst wurden Änderungen vorgenommen:
das Ganze – 1620
noch ohne Paragrapheneinteilung – wurde nun auf 8 Absätze ver-
teilt.
Ein zweiter Druck, Y (Sz 90,3; Dü 50. II a), findet sich als
S. 87–118 von Die Episteln der Sontage ..., Leipzig 1628, Werk
Nr. 100. Gliederung wie folgt: Bl. H4a (= S. [87])
ganzseitiger Son-
dertitel Martin Opitz | Vber das Leyden | vnd
Sterben | Vnsers
Heylandes.; H4b (= S. [88]) unter einer Kopfleiste,
0,9
× 5,0 cm, mit Überschrift wie in X, das Widmungsgedicht an
Werder; S. 89, unter einer Kopfleiste, 0,3 × 5,1 cm, und einer
Linie
von 5 cm darunter, Kopftitel und Textbeginn. Der Text endet unten
auf
Bl. L1a (= S. [118]) in Spitzkolumne. Bl. [L2] ist
unbedruckt.
Keine Empfehlungsgedichte. Von S. 90/91 an lauten die aus einem
kleineren Schriftgrad gesetzten Kolumnentitel Vber das Leyden
vnd Sterben ||
vnseres HErrn JEsu Christi. Von S. 92 an wird
Leiden buchstabiert. Unter dem
Kolumnentitel jeweils eine Linie,
5 cm; Kolumnentitel und Linie fehlen auf der
letzten Seite, 118. Die
Seitenzahlen stehen von S. 90 bis 117 l. und r. am oberen
Außen-
rand; in der Mitte oben auf 89; sonst fehlen die Zahlen, doch sind
die
Seiten in der Zählung berücksichtigt. Die Blattsignaturen stim-
men; Kustoden
halten sich im Rahmen des handwerklich Üblichen;
sie fehlen S. 87 und 88. Die
Schrift ist Garmond Fraktur, als Zitier-
type dient der Schwabacher Schnitt
derselben. Vom unteren Drittel
der S. 114 bis Ende ist für den Text ein kleinerer
Schriftgrad (Petit
Fraktur) verwendet worden, dennoch lief der Text über den Bogen
K hinaus. Es fehlen in Y alle marginalen Angaben zu den Bibelstel-
len. Zu Anfang hat der Setzer den Kleinbuchstaben ü vermieden
und v gesetzt;
später folgt er der Vorlage. Setzervarianten sind nicht
im Apparat berücksichtigt
worden, z. B. Groß- gegenüber Klein-
schreibung; Endungen wie geh(e)t;
gleichwertige Formen wie ge-
nug: genung etc. Der so gut wie unveränderte Text ist
jetzt auf
11 Absätze verteilt worden.
In der Sammlung E, Geistliche Poëmata, 1638, nimmt das Werk
S. 313 (verdruckt als 314) bis 333 ein. Ganzseitiger Sondertitel: In
der Mitte
über der ersten Zeile die falsche Seitenziffer 314,
dann Martin
Opitz | Vber das Leyden vnd Ster- | ben vnsers Heylan-
des: | In vngebundener
Rede.c S. 314 bringt das Widmungsgedicht
unter einer Kopfleiste von 0,7
× 7,3 cm. Auf S. 315, unter einer
Kopfleiste, 0,3 × 7,4 cm, und dem
Kopftitel Vber das Leyden vnd
Ster- | ben vnsers Heylands.
fängt der Text an; er endet im oberen
Drittel der S. 333 in Spitzkolumne; darunter
ein Ornament: Engel-
kopf mit Flügeln und Girlande, 3,0 × 3,6 cm.
Kolumnentitel von
S. 316 bis 333 Vber das Leyden vnd Sterben || vnsers HErrn Jesu
Christi. Die Buchstabierung HErrn nur S. 317, 331 und 333,
sonst Herrn.
An diesem Druck fällt die leicht veränderte Druckersprache auf:
vermehrte
Interpunktion, andere Großschreibung, häufigere Be-
nutzung von Großbuchstaben für
Bezeichnungen der Gottheit usw.
Unterteilung des Textes ist auf 18 Absätze
angestiegen. Zincgrefs
und Venators Empfehlungsgedichte fehlen. Enttäuschend ist, daß
die
biblischen Zitate nicht durch Zitiertype hervorgehoben noch am
Rande identifiziert
wurden. Der Satz wurde nach Y hergestellt.
Beim dritten Einzeldruck, Z, handelt es sich um Sz 220/21; Dü
50.II b: Martin Opitz | Vber das Leiden | vnd Sterben | Vnseres
Heylandes.
| Hiebevor durch Ihn Lateinisch | herauß gegeben/ vnd
| anfänglich | Gedruckt zum
Brieg/ | [Linie] | M. DC. XXXIX.
12°: A–B Exemplar: Breslau
Das Titelblatt nennt weder Drucker noch Verleger noch Verlags-
ort, sucht aber den
Eindruck zu erwecken, Z sei eine vollwertige
Neuauflage von X. Allerdings ist der Druck nach X hergestellt – der
Leitfehler
(X Bl. A5
b)
gesegnet XZ:
begegnet YE beweist es –,
nichtsdestoweniger ist Z ein
Raubdruck ohne jegliche Autorität.
Eine kurze Beschreibung sollte genügen:
Widmungsgedicht auf der
Rückseite des Titelblatts;
Zincgrefs und
Venators Empfehlungsge-
dichte fehlen;
Bundschuhs steht auf Bl. 12
b; alle Angaben am
Rande
wie X; durchgehend derselbe Schriftgrad; keine Auszeichnung der
Bibelzitate; alte Druckfehler beibehalten, neue kommen hinzu;
Spitzkolumne mit
kleiner Verzierung am Ende des Textes, wie X;
hinter Bundschuhs Sonett ein
horizontal betontes Kreuz statt des
rechteckigen Ornaments in X. Wie bei X fehlen
Seitenzählung und
Kolumnentitel.
In der Sammlung Opera Poetica, Breslau 1690, steht
Über das Leiden Jesu Christi (mit dem
Widmungsgedicht an
Werder) im 3. Teile (Geistliche Gedichte) S. 249–62.
Das Werk ist bei Bodmer und Breitinger auf S. 113–32 abge-
druckt. In der Einleitung weisen die
Schweizer darauf hin, daß
Opitz möglicherweise durch eine von Daniel
Heinsius gehaltene
Rede zu seiner Oratio angeregt worden war. Es
handelt sich um die
Homilia In cruentem Christi sacrificium sive
Domini Passsionem,
gedruckt zu Leiden i. J. 1613, 36 S. in 4°, im selben
Jahr noch ins
Französische, fünf Jahre später ins Englische übersetzt, und selbst-
verständlich in die gesammelten Orationes aufgenommen. In
der Tat
lassen sich Parallelen zu Heinsius’ Rede feststellen, sowohl in der
Form wie in den Gedankengängen, doch loben Bodmer und Breitin-
ger vor allem
Opitz’ originelle Behandlung des Stoffes.
Hugo Max hat sich S. 194–202 eingehender mit dieser Rede be-
faßt,
ohne doch zu einem tieferen Verständnis durchzudringen. Er
nennt sie »ein
Schulstück geistlicher Prosarede« (199) und vermißt
darin »wahre Tiefe« und »echte
Innerlichkeit« (120). Der Proble-
matik von Opitz’ Verhältnis zum christlichen
Offenbarungsglauben
und deren sprachlicher Bewältigung mit humanistischen Mitteln
geht Paul
Böckmann nach in seinem wichtigen Aufsatz »Der Lobge-
sang auf die
Geburt Jesu Christi ...«, Archiv für Religionsge-
schichte
57 (1966), 182–207. Böckmann sieht in der Oratio Über
das Leiden
und Sterben ... ein Gegenstück zum Lobgesang (1621)
und schließt (da er die lat. Urform nicht kannte, mit chronologi-
scher
Verzerrung) Leiden und Sterben in seine Betrachtungen ein
(188f.).
n
WEnn die pein vnd schmertzen/ welche JEsus Christus Gottes
Sohn
vnd GOtt selber/ Gott von sich/ Sohn vom Vater/ Gott für der
zeit/ Mensch in der
zeit/ vmb vns vnd vmb vnserer seligkeit willen
hat leiden wollen/ nicht mehr eine
andacht vnd danckbarkeit/ als
beredtsamkeit vnnd ziehrliche worte erforderten; so würde ich
durch meine wenigkeit vnd geringe übung im reden von meinem
vorsatze nicht
vnbillich zurück gehalten. Bevorauß weil so viel
hohe gemüter/ so viel göttliche
Helden/ so viel Lehrer vnd Liech-
ter der Kirchen jhre gelehrte frömigkeit
allhier dermassen haben
sehen lassen/ das allen denen so jhnen solches nach zu
thun ge-
[A3a] dencken/ an stat ebenmässiger
geschickligkeit nichts als ein
Christlicher eyfer übrig verblieben ist. Angesehen
aber das durch
das geheimniß dieser vnerschöpfften liebe die Menschliche klug-
heit allenthalben/ die Demut aber niemals verworffen wird: so
wollen wir/
weil wir dieser sache hoheit mit gedancken zue errei-
chen nicht vermögen/
dennoch jhre ordnung mit Danckbarem
hertzen betrachten/ vnd die Ehrerbietung an
stat der geschicklig-
keit/ die Gottesfürchtige betrachtung an stat künstlicher
worte zu
dem Leiden vnseres Heilandes bringen. Solches Leiden aber ist
weiter her zu suchen als von dem Kreutze/ welches viel mehr des-
selben
ende/ als sein innhalt sol genennet werden: weil das gantze
Leben Christi nichts
als Trübsal/ Elend/ armut vnd ein stetes leiden
ist. Er verleßt erstlich den
Königlichen [A3b] Thron des Himmels/
vnd gehet in das
Elend ehe er gebohren wird.
Er wird gebohren in einer Hüten/ gelegt in eine Krippen/ wel-
chem doch die gantze Welt zugehörig ist. Das Vieh kömpt eher zu
dem Kinde/
als die jenigen vmb derer willen es kömpt.
Vnd nach dem er im stalle threnen vergossen/ so vergeußt er
bald hernach blut im Tempel. Er ist noch ein Kind/ vnnd hat schon
Könige zu
feinden. Als er aber anfengt zu Lehren/ was für wüten/
was für schmach vnd neid
erweckt er nicht wieder sich? Er zeiget
den weg zum Himmel/ vnd wird ein
verführer geheissen; er/ GOtt
selber/ pflantzet die erkendtniß Gottes/ vnnd ist
jhnen ein veräch-
ter des Heiligthumbs. Er lehret die Gottesfurcht/ vnnd ist ein
Got-
teslästerer; er verkündigt den Frieden/ vnnd muß ein [A4a] auff-
wiegeler des Krieges sein: er nimpt weg die Sünden der Welt/ vnd
wird ein Sünder gescholten: er hilfft den wütenden/ vnd wird für
vnsinnig
gehalten; treibet Teuffel auß/ vnd wird ein Teuffel genen-
net: endlich worvon er
andere erlöset/ dessen wird er bezüchtiget.
Er überhäuffet ein Wunderwerck mit
dem andern: verwandelt
o
p
q
r
Wasser in Wein/ zähmet die Winde/ zwinget seinen eigenen hun-
ger/ vnd damit er anderer Leute hunger erwehre so leßt er das
Brodt vnter
den Zähnen wachsen vnnd die überbleibung grösser
sein als das gantze gewesen war.
Er härtet die Wellen/ vnd geht mit
truckenen Füssen überhin; er fodert die Fische
auß der See das sie
für jhn Zolen müssen; er benimpt den grünen Bäwmen jhren
safft/
vnd giebt jhn den dürren händen wieder; er hilfft denen die ge-
fährlich siech liegen [A4b] mit einem worte; er öffnet
den Blinden
jhre Augen/ den stummen jhre Zungen/ den Tauben jhre Ohren;
vnnd
nach dem er Himmel/ Erde vnd See zu Zeugen seiner Göttlig-
keit gebraucht hat/ so
geht er auch vnter die Erde/ vnd erweckt die
Todten/ damit nicht den Lebendigen
allein von jhm geholffen
würde. Er erweiset allenthalben das er GOttes Sohn/ das
er GOtt/
das er Messias sey/ auff welchen sein erwehltes Volck von so langer
zeit gewartet habe. Eben dieses bezeuget die Natur auß allen din-
gen.
Was thun sie aber? Das vnbefleckte Lamb dessen gedechtniß sie
so lange gefeyret/ den stern auß Jacob darvon Balaam verkündi-
get/ die rute
Jesse/ welche mit der wurtzel an den abgrund der
Erden/ mit dem wipffel an den
Himmel reichet/ den Vater seines
Volckes kennen jhrer ein [A5a] grosses theil nicht; viel kennen
jhn/ wollen jhn aber nicht bekennen;
die meisten aber sind williger
jhm schmach/ spot vnd alles übel an zu thun/ jhn
endlich auch zu
Creutzigen als zue erkennen. Nach so vielem Elende endlich/ nach
kummer/ nach durste/ hunger/ hitze vnd kälte war noch etwas üb-
rig; der
Todt. Zu welchem letzten Leidens vermehrung des gant-
zen Menschlichen
geschlechtes Sünden/ das schrecken des todes/
das wüten vnd die macht der Hellen/
der hefftige Zorn des Vaters/
vnd solche angst zusammen kommen ist/ dergleichen
kein Mensch
allein/ ja die Menschen sämptlich nicht hetten ertragen können.
Wie vielfältig/ wie hefftig nun diese straffen der Göttlichen gerech-
tigkeit sind/ das auch jhrer grösse keine qual im minsten zu ver-
gleichen
ist/ so viel grösser ist vnseres Erlösers liebe vnd gü-
s
t
u
v
w
x
y
z
[A5b] tigkeit gegen vns. Mit was
bestendigkeit/ langmut/ gedult
vnd was sonsten für tugend der wiederwertigkeit
entgegen gesetzt
ist/ gesegnet er bey seinen Jüngern/ die er seine Söhne nennet/
zuvor ehe er den gang gehet den er allein vnd sonst niemand gehen
kan? Er
wäscht jhnen auch die füsse/ mit welchen sie nachmals
lauffen. Seinen vormals
gefährten/ hernach verrhäter/ beklagt er.
Damit er jhm auch die müh jhn zu suchen
erspare/ so macht er
sich bey finsterer Nacht auff/ gehet über den Bach/ eilet in
den
Garten darinnen er vor zu beten pflegte vnd nunmehr auch über-
geben
werden soll/ bleibet daselbsten/ wachet als die Jünger
schlaffen/ stehet für dem
Richterstule Gottes/ vnd als er für heff-
tigkeit seiner angst blut schwitzet/
dennoch fleucht er den Todt
nicht den er fürchtet.
[A6a] Als Judas kömpt mit solcher
falscheit die er von jhm sei-
nem Lehrmeister nicht gelernet hatte/ vnd mit
Fackeln vnd
Schwerdtern vmbgeben ist/ so geht er jhm entgegen/ heilet dem
Knechte den Petrus gehawen sein Ohr mit eben der hand welche
der vndanckbare
alßbald bindet/ ergiebet sich den Soldaten die
hefftiger erschrocken als der
gefangene/ vnd ertregt mit vnver-
gleichlicher gedult seine bande. Die Jünger so
bey jhm waren wer-
den zerstrewet wie die Schafe derer Hirte hinweg ist;
Johannes/
der auß der heiligen brust an welcher er beim Abendmal gelegen
vnerschöpffte geheimnisse Göttlicher gnaden empfangen/ er der
allerliebste/
der Adler in den Wolcken/ fengt kaum nicht an dar-
von zu fliegen. Der
allerstärckste Apostel/ so zugleich sterben
wolte/ kan jetzund nur nicht zugleich
für den Richter [A6b] gehen;
bleibet in dem Vorhofe/
verleugnet das heil der Welt mit dem
munde darmit er das pfandt seines heiles
kurtz zuvor empfangen/
vnd kan auch für einer armen Thürhüterin nicht stehen.
Also/
Petre; wilt du Christum/ mit dem du vorhin nicht wachen kund-
test/
dessen Namen du auch jetzt nicht bekennen darffst/ biß zum
Tode begleiten? Jetzt
siehest du/ das der so mit dem HErren leiden
wil/ den willen habe/ vnd nicht das
vermögen. Vnd ob du es schon
aa
ab
ac
ad
ae
af
köndtest thun; so were doch dein sterben kein sterben/ gegen des
jenigen sterben der für alle stirbet. Lerne nun/ vnd die hoffertigen
von
dir/ wie nichtig das jenige sey was wir an vns rhümen/ wie
Menschliche gewalt
weniger als nichts vermöge/ wie vorgeblich
der sterblichen jhre kräfften sind ohn
dessen hülffe/ der ohn deine
hülffe alles kan. So [A7a]
stehet nun der hohe Priester des
Menschlichen geschlechtes für dem hohen Priester
Caiphas/ von
dessen Schweher Anna er erst kommen war/ vnd bald zum Pilatus/
von jhm zum Herodes/ von diesem wieder zum Pilatus gehen sol:
damit die
menge der Richter seiner vnschuld das zeugniß/ welches
jhm nachmals Himmel/ Sonne
vnd Erde geben wird/ ablegen
müsse. Dem Judas/ den sein böses gewissen rasendt
macht/ wird
die gantze Welt zu enge. Er erkennet das er mehr als seinen Lehr-
meister verrhaten habe/ giebet den Käuffern die bezahlung seines
meineides
wieder/ kömpt dem außgange seines lasters mit dem
stricke zuvor/ vnd wirfft den
verdammten Geist mit dem einge-
weide herauß. Des Pilatus Weib mahnet jhn auß
eingebung eines
Trawmes von dem vngerechten vrtheil ab. Er Pontius [A7b] höret
die klage an/ befindet daß das gesetze den
vnschuldigen frey
spricht welchen der neidt verklaget/ vnd wüntschet/ damit er
das
Volck nicht beleidige/ ein laster auff jhn zu bringen; kan aber kei-
nes
finden. Was ist aber ärger/ was ist vnbillicher als der Gottlose
hauffen? können
auch dergleichen worte vnd schmach erdacht
werden? Es ist über alle reden/ über
alle gedancken/ was das
vnsinnige Volck/ als ob es sich fürchtete etwas übels
vnterwegen zu
lassen/ für grawsamkeit ertichtet vnd vollbringet. Den
warhaffti-
aggen HErren/ die Warheit selber/
der nichts übels gethan/ in des-
sen Munde kein betrug gefunden worden/ drücken
sie mit fal-
schen Zeugnüssen vnd Lügen. Der verachteste Knecht giebt dem
HErren Himmels vnd Erden einen Backenstreich. Die elende-
[A8a]sten Menschen gebrauchen zu seiner verspottung jhre
vnglückselige Zungen/ verhüllen die Augen der Sonne der gerech-
ah
ai
aj
ak
al
am
an
tigkeit/ speien in das Angesichte für dem die Wellen der See
geflo-
hen sind/ werffen jhm ein Weisses Kleid vmb als ob sie die vnschuld
gezwungen bekennen müsten; verachten/ vnd verlachen jhn als er
schweiget/
machen den Barrabas/ der ein Mörder vnnd jhnen am
besten ähnlich war/ auß hasse
des vnschuldigen vnschuldig/ vnd
tragen über dieser vngerechtigkeit ein
sämptliches gefallen. Pila-
tus auch/ nach dem er sich vergeblich darwieder
gelegt/ muß mit
den wütenden vnsinnig sein/ vnd gehet mit jhm zum ärgsten vmb/
in meinung es köndte noch ärger werden. Er verwundet das Haupt
den grund der
vnerforschlichen Weißheit mit Dörnern/ peitzschet
mit geisseln die Himm-[A8b] lische seite/ giebet seinen blutigen
gliedmassen von
dergleichen farbe ein kleid vmb; ob er den zorn
der tobenden mit diesem
erbärmlichen spectackel begütigen
möchte. Er aber ist als ein gedultiges Lamb das
zur schlacht-ao
banck geführet wird/ redet wieder seine beleidiger nicht ein
wort/ stützet seinen abgematteten fallenden Leib mit einem vnbe-
wegten
Königlichen hertzen/ vnd ertregt gedultig alles das was er
vns hat nachgelassen.
Nach dem nun Pontius alle andere straffen
herfür gesucht/ führet er jhn/ der vol
striemen/ speichel vnd blut
ist/ männiglich vnter augen/ vnnd; Schawet/ spricht
er/ welch
ein mensch. Was begehrt jhr mehr/ jhr Juden/ oder was wolt jhr?
Was wird ewrem zorne genung sein/ wann dieses nicht genung ist?
Schawet
welch ein[A9a] Mensch/ der von der scheitel biß auff
die Fußsolen gemartert ist. Die ziehr der gestalt/ das haar/ ist mit
blute
zusammen gebacken/ die stirne ist vol wunden von den Dör-
nern/ das gesichte mit
speichel beflecket/ der rücken gestriemet
vom geisseln/ die Lippen auffgelauffen
von Backenschlägen/ die
hände blaw vnd gelbe von banden/ die füsse vermögen kaum
zu
stehen/ vnd sein gantzer Leib ist nichts als eine wunde. Wann er
eines
gantzen Volckes verbrechen allein begangen hette/ so
köndte euch die straffe
welche jhr sehet genung sein. Schawet wie-
derumb/ schawet ewer König/ jhr
Hebreer; schawet welch ein
ap
aq
ar
as
at
au
av
Mensch; spricht er. Aber er kan auch mit diesen worten bey den
verblendeten gemütern nichts erhalten. Das wüten gehet weiter;
es toben die
Obristen mit dem pöfel/ vnd begehren das er/ der
[A9b]
kaum noch athem holet/ vollends gecreutziget werde.
Nach so innstendiger vngestümigkeit heischet der Römer Was-
ser; wäscht die hände weil er das hertze nicht waschen kan/ vnd
übergiebet
den König zu einem Knechtischen tode. Es wird weiter
nicht gesäumet. Der
gedultigste Isaac nimpt sein Marterholtz/ wel-
ches sie nur nicht anrhüren
wolten/ auff sich/ leget sein Siegeszei-
chen als ein Sieges Herr auff die
schultern/ vnd tregt das Creutze
von dem er bald sol getragen werden. Damit er
aber vnterweges
nicht vergehe/ zwinget das Volck den Simon die last auff sich zu
nemen/ vnnd den zerrissenen leib auff anwartung einer grösseren
marter zu
erleichtern. Endlich überwindet der Erlöser des
Menschlichen geschlechtes diesen
harten weg/ vnd steiget vnter
der bürde deß gan- [A 10a] tzen Zornes des ewigen Vaters vnnd sei-
nem Creutze an dem verfluchten
hügel Golgatha hinauf. Das Erdt-
reich vmbher ist mit gebeinen/ Hirnschalen vnnd
knochen der
hingerichteten erfüllet/ vnnd bleibet für der stinckichten Cörper
menge kümmerlich platz fort zu gehen. Damit also in dem orte der
verurtheilten das Siegeszeichen der loßgesprochenen auffgerich-
tet würde;
vnnd das man sehen könne/ er sterbe nicht allein für
Adams/ sondern für der
gantzen Welt Sünde. Sie reichen jhm auch
essig mit ysop vermischt zu trincken/
damit des Propheten wort
awerfüllet werde: Sie haben mich
mit Galle gespeiset/ vnd mit
essig getränckt alß mich gedürstet hat. Welches er
aber des
Mundes kaum würdiget: sondern seinen kampff mit vnüberwünd-
licher
stärcke antritt. Die füsse werden durchboh-[A 10b] ret/ die
Adern zerrissen/ die Armen von einander gestreckt/ die hände an-
axgenagelt/ vnd der/ der für vns
ein fluch worden ist/ an das ver-
fluchte holtz gehefftet. Schawe nun/ meine
Seele/ schawe an das
grawsamste trawerspiel der gantzen Welt/ richte deine augen
auff/
verlaß die jrrdische eitelkeit/ vnnd komm hieher zu dem handel
ay
az
ba
bb
bc
darunter du nicht wenig begrieffen bist: betrachte das Creutze/
zu
dem ein jeglicher von vns auch seine Nägel geworffen hat. Schawe
der auff
den Himmeln reitet/ dein helffer/ vnd in seinerbd
herrligkeit auff den Wolcken: der mit seiner hand die Wäs-
ser gemessen/ vnd die Himmel überspannet hat: der den
staub der Erden mit
dreyen fingern begreiffet/ vnd diebe
Berge wieget/ vnd [A 11a] die Hügel in
die schalen leget: der
den Himmelshöhen gleich gehet/ der tieffer ist als der
ab-bf
grund: der auff den HimmelsHimmel steiget/ gegen auff-bg
gang. Schawe die Paradeißleiter so dem Jacob im trawme erschie-
nen. Durch welchen die Lamen giengen/ dessen füsse sind durch-
graben: durch
welchen die Tauben höreten/ dessen Ohren ist aller
hohn angethan: durch welchen
die blinden sahen/ dessen Augen
sind von Blutstropffen verfinstert: der mit so
viel Brodten so viel
tausend Menschen speisete/ der dem Weibe die Wasser begehrte
das Wasser deß lebens gab/ wird mit Galle vnd essig getrencket:
der die
Todten lebendig machte/ muß jetzund sterben. Was soltebh
ich meinem Weinberge weiter thun/ schreyet er an dem
Creutze/ verlassen von den [A 11b] Menschen/ vnd wegen
der Men-
schen von Gott/ das ich nicht all bereit gethan hette? Ich bin
allem Volcke ein spot worden/ vnd jhr gesang den gantzen
tag. Es hat mich
mit bitterkeit gefüllet/ mit Wermuth volbi
gemacht/ vnd meine Zeene zerbrochen/ mich mit asche ge-
speiset. Welch theil meines Leibes ist der marter geübrigt verblie-
ben? Das
Haupt ist mit Dörnern/ hände vnnd füsse mit Nägeln/ das
gesichte mit
Backenstreichen/ vnd mein gantzer Leib mit geisseln
vnd striemen verletzet
worden. Welch eusserlicher sinn meines
leibes hat den schmertzen nicht empfunden?
Das fühlen? es pla-
gen mich ja die streiche der geisseln vnnd die Nägel. Das
schmek-
ken? man hat mich mit galle vnd essig getrencket. Das riechen?
Ich
hange in dem stinckich-[A 12a] ten orte der Aaße vnd faulen
Cörper. Das hören? meine Ohren sind vol von dem schmähen
vnnd höhnen der
Lästerer. Das sehen? Ich sehe meine Mutter vnd
allerliebsten Jünger weinen vnd
kläglich thun. Was ist es woran ein
bj
bk
bl
bm
Mensch leiden kan das nicht auch ich außgestanden habe? die
freunde? Sie haben mich verlassen. Das gute gerüchte? Ich bin
geschendet vnd
gescholten. Die Ehre? Ein jeglicher hat mich auß-
gelacht. Die güter? Ich bin
auch der Kleider beraubet. Der Leib?
Ich regne blut von mir. Das gemüte?
Trawrigkeit vnd kummer hat
mich vmbgeben. Mit solchen worten redet Christus alles
sein
Volck an/ nicht allein die Hierosolymitaner; bey derer Stadt er
nicht
ohn vrsach leidet. Dann es war durch David verkündiget
worden: GOtt vnser König
hat das heil vor der zeit gewir-
[A 12b] cket im Mittel
der Erden. Es geschiehet hier nicht ver-
geblich. Er wird an einen Bawm
geschlagen: Damit er wieder
finde/ was Adam daran verlohren hat. Er hanget vnter
dem Him-
bnmel; Des Menschen Sohn muß
erhöhet werden; das er auch
die Lufft heilige/ der die Erde heiligte auff welcher
er lebte. Hie-
her ist seine rechte hand/ vnnd dorthin seine lincke außgestreckt:
Diese gestalt ist ein bildniß deß Jüngsten Gerichtes. Es ist ein
Creutze
daran er hanget: es ist auch sein Predigtstul/ sein Richt-
stul. Er hanget vnter
den Gottlosen: Damit er den einen erhalte;
welcher auß einem Sünder ein Märtyrer
wird/ vnd die schmertzen/
als ob er in eines andern leibe litte/ bestendig
ertreget. Er leidet
noch Jung: seine liebe vns desto mehr hierdurch zu erweisen;
wie
er dann jhrer in seinem Tode genugsame [B 1a]
zeichen von sich
giebt. Der vnschuldige spricht die schuldigen frey/ vnd bittet
noch
für sie. Marien welche vnter dem Creutze stehet wird jhre brust so
Christum getragen mit threnen befeuchtet/ vnnd die seufftzer las-
sen sie
kaum athem holen. Sie ist vngewiß wohin sie die Augen
wenden sol. Siehet sie auff
die Erden? Diese ist mit jhrem Blute
besprenget. Vber sich? da siehet sie den
zerrissenen Leib jhres
Sohnes welchen sie gebohren hat. Sie scheinet trawriger
zue sein
als der so leidet selber. Er richtet sie auff/ vnd befiehlet jhr/
zue
bo
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troste jhrer einsamkeit/ den Johannes an stat seiner. Dem Sche-
cher verheißt er das Paradeiß/ vnnd kan auch in seinem tode nicht
müssig
sein. Biß er endlich seine allerheiligste Seele dem Vater
übergiebt/ vnd
verscheidet. Bey welchem spectackel auch die
Sonne nicht sein [B1b] kan/ sondern sich den Juden verbirget;
damit sie der
Sonne entberen müssen/ die den geber der Sonne
vnd des gestirnes vnrechter weise
hinrichten; damit sie an den
Augen blind werden/ die blind von hertzen sind.
Derowegen nimpt
ein dickes Finsterniß den Tag hinweg/ der Himmel weichet; die
Erde wolle ingleichen folgen wann sie köndte. Darumb reisset sie
auß jhren
gründen vnnd erschüttert sich: die Felsen zerspringen/
die Hügel beben/ die
Klippen zerbersten/ der Fürhang des Tem-
pels reisset/ die Gräber machen sich
auff/ vnd die Todten gehen
herauß: es bekennet endlich alles seinen Schöpfer.
Also indessen
das der Mensch stirbet/ ist die Gottheit stärcker als alle le-
bendigen. Christus hanget im Creutze/ vnd beweget alles: er bebet
an dem
holtze/ vnd erschüttert den gantzen Erdbo-[B2a] den: er
stirbet/ vnd weckt die todten auff. In dem er den Tempel beweget/
so
erweiset er sich einen hohen Prister; in dem er den fürhang
zerreisset/ einen
abschaffer der Ceremonien; in dem er donnert/
einen König der gantzen Welt; in
dem er Gräber auffmacht/ einen
HErren der lebendigen vnd Todten. Er ist von Gott
verlassen/
nicht getrennet. Verlassen; weil die straffe so er treget groß ist/
nicht die schuld: dann er ist ohn alle schuld. Derhalben ruhet die
Gottheit.
Nicht getrennet: dann er kan von Gott nicht getrennet
werden/ weil er Gott selbst
ist vnnd eines mit dem Vater. Er stirbet
als ein Mensch/ vnd wircket als ein
Gott. Er stirbet im fleische/
nicht mit dem fleische. Die Seele verleßt den Leib
warhafftig/
Christus stirbet warhafftig gantz/ aber nicht sein gantzes. Dann
das Wort das im [B2b] anfange war/ das bey Gott war/
das Gott
war/ bleibet der Seelen vnnd dem Leibe vereiniget. Also bleibet er
auch gestorben ein Mensch: durch das band der Person/ nicht
durch die
vermengung des wesens. Es stirbet die Menschheit: die-
ses leßt zue die Gottheit.
Niemand/ sagt er/ nimpt meine Seelebv
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von mir/ sondern ich gebe sie von mir selber. Ich habe
macht sie zue geben/ vnd macht sie wieder zue nemen. Er
stirbet/ darumb ist
er Mensch; er stirbet von sich selbst/ darumb
ist er Gott. Als Gott thut er was
er wil: dann es kan kein Gott sein
welcher thut was er nicht wil/ oder leidet was
ein anderer wil. Als
Mensch thut er was Gott wil. Ich darff mehr sagen: Es stirbt
auch
Gott/ nicht aber die Gottheit: dann es stirbt er der Gott vnd
Mensch
ist. [B3a] GOtt vom Vater ohne Mutter; Mensch von der
Mutter ohne Vater. Vom Vater der anfang des Lebens/ von der
Mutter das ende
des Todes. Vom Vater ein anderer/ von der Mutter
ein anderer: durch vnterscheid
des wesens/ nicht durch einigkeit
der Person. Vom Vater GOtt/ von der Mutter
Mensch: vom Vater
vnnd Mutter ein Christus/ eine Person. Dann wie in der
Dreyfaltig-
keit Drey Personen sind in einer Natur: also sind in Christo zwey
Naturen in einer Person. Die Gottheit bey der Menscheit/ damit
sie leiden
könne: die Menscheit bey der Gottheit/ damit sie auffer-
stehen könne. Beyde
einer/ beyde in einem/ beyde eines. Dieser
ist es/ O jhr Juden/ den jhr
geschmähet/ geschlagen/ vnd gecreut-
zigt habet. Das Wort des ewigen Vaters: der
von anfange mit euch
geredet hat/ der mit sei-[B3b]ner
süssen stimme allzeit bey euch
gewesen ist. Der den Ersten Eltern/ so dem Teuffel
zue verheissen
waren/ auß vnendlicher barmhertzigkeit sich selbst verheissen
hat. Der die gantze Kirche so in einem Kasten beschlossen war
mitten vnter
den Wellen der Zornigen See erhalten hat. Der den
heiligen bund mit Noa gemacht/
mit Abraham dem Vater der gleu-
bigen bestetiget/ an Isaac dem Vater des segens
erwiesen/ vnd in
caJacob ewerem Vater vnd dem Vater
der Heiden Esau/ dessen
Reiß an ewere stat ist eingepfropffet worden/
außdrücklich
bezeuget hat. Dieser ist es/ O jhr Juden/ dessen zuekunfft zeichen
ein jetweder von euch in seinen Leib geschnitten herumb getragen
hat/ der
die Wässer auffgehangen das jhr durchgehen können/
ewerer Erlöser auß der
härtesten Dienstbarkeit/ ewerer [B4a] ste-
ter
begleitsmann durch wüsten vnnd einöden/ der Felß dessen
Wasser jhr getruncken/
das Brod vom Himmel so euch genehret
hat. Dieser ist es der euch Richter vnd
Könige gegeben/ der den
Sohn Isai gekrönet/ der euch nach langer Babylonischen
gefän-
cb
gniß loßgesaget/ der durch zuethun Esdra vnd Nehemia ewer Hei-
ligthumb vnnd Stadt wider auffgerichtet/ der mit der schönen Es-
ther
grossen gaben ewer bawfälliges Regiment gestützet hat; des-
sen gegenwart jhr mit
seufftzen vnd beten Tag vnnd Nacht ohn
vnterlaß gewündschet habt. Er ist endlich
kommen; er hat das
fleisch im leibe der Muter angenommen/ der von ewigkeit
regieret
in der schoß des Vaters. Er ist worden was jhr seid der ist was Gott
ist. Er ist kommen in das seinige/ vnd jhr habet jhn nichtcc
angenommen. Ihr habt [B4b] von jhm
alles empfangen/ vnnd
habt jhm alles versaget. Er hat das joch des gesetzes
abgeschafft/
vnd jhr habt jhn abgeschafft wieder das gesetze. Er ist der weg/
vnd jhr seid nicht gefolget. Er ist die Warheit/ vnd jhr habt jhn
belogen.
Er ist das Leben/ vnd jhr habt jhn des Lebens beraubet.
Er ist euch zum steine
des anstossens/ vnnd zum Felsen descd
ärgernisses worden. Betrachtet aber nach seinem Tode die ver-
kehrung der gemüter vnd aller dinge. Es stehen bey dem Creutze
die
Kriegsknechte mit jhrem Hauptmann/ Leute bey den Waffen
erzogen/ vnbendig/ vnd/
was mehr ist/ in der Jüdischen Religion
vieleicht gantz vnerfahren. Sie sehen den
Himmel trawrig sein/ die
Erde zittern/ die Felsen zerbersten/ vnd die gantze
Natur/ als ob
sie zue [B5a] jhrem ersten klumpffen
werden wolte/ gewalt leiden.
Sie hören das der sterbende lauter ruffet als ein
anderer der lebet.
Sie erkennen/ derselbige sey vnschuldig vntergegangen mit dem
auch die Sonne vntergienge. Derhalben schonen sie des Todten/
weil sie des
Lebendigen nicht geschonet haben. Ohn das der eine
mit dem Sper die heilige seite
eröffnet. Welches dennoch zue vnse-
rem heile dienet. Dann auß dieser Wunden
fleust der Brunn des
Lebens. Die Juden sind theils trawrig theils erschrocken/
vnnd wo-
hin sie sich wenden da finden sie ankläger jhres verbrechens. Etz-
liche gehen in die Stad das Lamb abzuschlachten: (ein geringes
Opffer nach
dem sie den Heiland der Welt geschlachtet haben)
daselbst wandeln sie vnter den
Todten. Andere lauffen in den Tem-
pel: hier [B5b]
finden sie das der vorhang zerriesen vnnd jhr ge-
heimes Heilightumb entdecket
ist; nicht ein geringes zeichen
jhrer künfftigen verwüstung. Der Edele
Rahtsverwandte Joseph/
ce
cf
cg
ch
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so vormals furchtsam vnnd vnbehertzt war/ wird kühn/ vnnd bittet
vmb den Cörper des verstorbenen. Nicodemus/ der kaum bey
Nachte sich zue
Christo gewaget/ bestatet jhn nun offentlich zur
Erden. Das Weibesvolck/ damit
alles verendert würde/ ist hertz-
hafftiger als die Männer selbst. Sie hatten den
gantzen verlauff
gegenwertig geschawet/ des sterbenden geschrey vernommen;
jetzt folgen sie zum Grabe/ vnd geben ein schönes exempel von
sich der
andacht vnd bestendigkeit; kauffen auch specerey vnd
salben auß heiliger
freygebigkeit. Mit geringem verluste der vnko-
sten/ aber mit grossem gewinst der
Got-[B6a] tesfurcht: viel seli-
ger als die jenigen/
die an stat der Myrren vnd Aloe/ das ist/ der
rew vnnd bekehrung/ jhr gantzes
vermögen an den werckzeug der
üppigkeit wenden; die für das guete gerüchte/ der
Keuscheit beste
salbe/ jhre gifftige haut mit künsten anstreichen; für das weisse
Kleid/ das ist/ für das reine gemüte darein sie jhren JEsum hüllen
solten/
die ziehr der Kleider/ so wie sie gemeiniglich von Würmern
herkommen also auch
darvon verterbet werden/ schawen vnnd
gläntzen lassen. Wird also Christus
begraben: zue erweisen seines
Todes gewißheit. Im Garten: das der ort des falles
ein ort des heiles
werde. In eines andern begrebnisse; weil er für eines andern
Todt
gestorben ist. In einem Newen begrebnisse: damit wir lernen/ das
auch
wir durch seinen Tod ernewert wer-[B6b]den. Es wird ein
stein für die Thür des Grabes gewaltzet; wir ingleichen sollen in
vnser
hertze nichts als Christum hinein lassen. Der Leib verweset
nicht: also wird die
krafft der Göttlichen tugend erkläret. Das
fleisch ist in der Erden/ die Seele im
Himmel/ die Gottheit auff
Erden vnd im Himmel.
Wie wir aber endlich die gedult vnd bestendigkeit Christi bey
seinem Leiden mit schrecken vnnd verwunderung angesehen/ also
vermögen wir
nun bey der Aufferstehung seine macht vnd stercke
mit keinen worten
außzuesprechen. Der den mund nicht auffge-
than/ vnd wie ein Schaff zur
schlachtbanck geführt worden ist/ der
zerbricht mit seiner allgewaltigen hand die
bande des Grabes/ vnd
sieget herrlich. Er ist dem Teuffel entgangen: dann er ist
des Wei-
cj
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cl
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cn
co
bes Samen so der [B7
a]
Schlangen den
Kopff zertreten solte. Er ist
dem Tode entgangen: dann er ist das Leben durch
welches wir
leben. Er ist den Wächtern entgangen: also müssen eben die jeni-
gen seine Aufferstehung bekennen/ die kommen waren dieselbige
zue
verhindern. Sey gegrüßt du Löw/ vom stamme Juda/ Sey ge-
grüßt du
vnüberwindlicher Vberwinder/ sey gegrüßt du erstling
von den schlaffenden/ Sey
gegrüßt du vnser heyl/ der du die Hand-
schrifft so wieder vns war zerriessen/
die gewalt der Hellen/ Teuf-
fel vnd Tod zertreten/ vnnd deinen Füssen alles
vnterworffen hast/
vnsere hoffnung vnd das Haupt der glaubigen. Dessen gliedmasse
da du auch vns auß sonderbarer barmhertzigkeit hast sein wollen
lassen/
darfür sagen wir dir/ O JEsu/ alle denselbigen Danck der
von Menschlichen [B7b] gedancken kan erreicht werden/ vnd bit-
ten dich/ du
wollest durch deinen heiligen Geist/ ohn welchen wir
nichts können/ vnsere
gemüter erleuchten/ das wir dein bitteres
Leiden vnnd herrliche Aufferstehung mit
brennender andacht be-
trachten/ das wir mit dir leiden/ vnnd von dem Tode der
Sünden
auffstehen lernen. Zeuch vns dir nach. Entzünde in vnseren hert-
zen
das fewer deiner Liebe/ vnd gieb vns die Augen des glaubens/
das wir/ beygelegt
der einbildung vnnützer Menschlicher wissen-
schafft/ dich suchen wo du zue
finden bist/ vnd der blinden Ver-
nunfft nicht zue viel vertrawen. Gieb das wir
die eitelkeit des Le-
bens hinweg setzen/ vns in deine Wunden dringen/ vnnd mit
dei-
nem thewren Blute laben. Erhalte die gläubigen/ bestetige die
schwachen/ führe herzue die jrrenden/ [B8a] vnd schicke
vns nach
so langem trübsal friede. dieweil auch anjtzt der gewündschte Frü-
ling die gantze Welt gleichsam verjünget/ so verleihe das auch wir
vnsere
alte gebrechen abthun/ vnd vnser leben mit ernster Busse
vernewern. Damit wir
ingleichen die gaben so du vns verliehen
entweder durch müssiggang nicht
vergraben/ oder zue vnbilli-
chem vnnd vnnützem gebrauche nicht anwenden/ so
regiere vnser
cp
cq
cr
cs
ct
cu
cv
cw
cx
cy
cz
thun vnd lassen/ das alles was wir anfangen zue deinem lobe/ zue
dienste des gemeinen wesens/ zue ehre des Vaterlandes vnd vnse-
rer
seligkeit einig gerichtet werde.
Gieb letzlich/ das vnsere Seelen vnd Leiber/ die gefässe deiner
güte vnnd Barmhertzigkeit/ rein vnnd vnverfälscht erhalten wer-
den; biß du
mit eben diesem fleische/ welches zue der rechten
[B8b]
des Vaters über aller Himmel Himmel erhaben ist/ wieder
kommen/ vnnd vns sampt
allen außerwehlten auß diesem schaw-
platze der sorgen vnd sterbligkeit in die
Himmlische wohnung ne-
men wirst; der du mit dem Vater vnnd Heiligen Geiste
bist vnd warest/ vnd sein wirst in
ewigkeit.
da