Eine selige Veränderung Worauf die Christen harren und die darinn zu suchende
Beste Veränderung vorgestellet in einer
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Leich- und Gedächtniß-Predigt Welche einem auch im Tode ungetrenneten Ehe-Paar
Nemlich Dem weyland Hoch Edlen, Hoch Wol Ehrwürdigen und Hochgelahrten Herrn
HERRN
Matthäo Hillken Des hiesigen Fürstl. Stifts S. Blasii Canonico und
wohlverdienten Vice-Domino und Thesaurario Und Der Hoch Edlen, Hoch Ehr- und
Tugendbegabten Frauen FRAUEN
Margarethen Hillcken gebohrnen von Kalm Derer Beyder irrdische Hütten
Dieser den 1 Jenes den 12Septembr. des 1719ten
Jahrs durch einen seligen Tod zerbrochen / Den folgenden 24 Sept. als am XVIten
Sonntage nach Trinit. In der Hof- und Stifts-Kirchen S. Blasii Bey vornehmer und
Volckreicher Versamlung gehalten worden von Eberhard Finen Hochfürstl.
Braunschweig-Lüneburgischen Consistorial-Raht, Hof- und Stifts-Predigern auch
Abt des Closters Michaelstein und der Inspection Campen Superintendenten.
Braunschweig / Gedruckt bey Friedrich Wilhelm Meyer / Hertzogl. privileg.
Buchdrucker. Anno 1720.
Dem Hoch Edlen Vest und Hochgelahrten Herrn HERRN PAULO Schradern
Hochberühmten JCto Und dieser Stadt Braunschweig Hochverdienten
Burgemeister
Meinem Hochgeehrten Herrn und Gönner.
Und Der Hoch Edlen Hoch Ehr- und Tugendbegabten Frauen FRAUEN Lathar.
Margarethen Schradern gebohrnen von Kalm
Meiner Hochwerthesten Gönnerin.
Ubergebe diese Dero Wolseligen Herrn Vettern und Frau Basen zu Ehren und
Gedächtniß gehaltene Leichen-Predigt / mit hertzlichem Anwunsche einer seligen
Verlängerung Ihrer Lebens-Jahre und eines beständigen Ihnen selbst und Dero
wehrtesten Hause nach eigenen Wunsch ersprießlichen so Geistlichen als
Leiblichen Wohlseyns und Vergnügens
Dero Vorbitter bey GOtt und ergebenster Diener
Eberhard Einen.
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GOTT / der du zubrichst / und wieder bauest; Der du zureisst / und wieder
verbindest; Der du allein Unsterblichkeit hast / und das Sterbliche / das
Verweßliche / unsterblich und unverweßlich machest!
JEsu! du Sohn des lebendigen GOttes / der du gestorben bist / daß wir leben / ob
wir gleich sterben; Der du unsern nichtigen Leib dermahleins verklähren wirst /
daß er ähnlich werde deinem verklärten Leibe!
GOtt heiliger Geist; Der du bist das Siegel aller Verheissungen / und das Pfand
unserer Erlösung und zukünftigen Erbes im Himmel!
Du heilige Dreyfaltigkeit; Erleichtere uns das Beschwerliche dieser irrdischen
Hütten mit der Hoffnung des Baues / der da ewig ist im Himmel. Hilff daß wir
alle hier so wallen
/ daß wir dermahleins bey dir daheim seyn in der vollkommlich vergnügenden
Ewigkeit. Sey du auch bey uns / dieweil wir noch hier sind mit deiner Gnade /
mit deinem Trost / mit deinem Beystand in Noht und Todt. Amen.
Vorrede.
Auch im Tode nicht geschieden. Diese Worte / A. Z. lesen wir II. Sam. I. 23. Sie
reden von einer bewunderns-würdigen Todten-Gesellschafft. Dieselbe machten ein
König und Königlicher Printz, Vater und Sohn / nahmentlich: Saul und Jonathan.
Diesen beyden parentirte nach ihrem Tode ein grosser König / der von GOtt
gelobte und geliebte David. Er sagte viel zu beyder Ruhm / aber von allen dem
was er von ihnen gesaget / nehmen wir zu unserm gegenwärtigen Zweck nur diese
Worte: Auch im Tode nicht geschieden.
Gewiß / wenn ich meinen affect und Betrübniß bey dem uns treffenden traurigen
Verhängniß / wolte Raum geben / würde ich kaum diese Worte reden können: Auch im
Tode nicht geschieden.
E. L. ist ja leider mehr als zu wol bekandt / was massen es dem heiligen GOTT
nach seinem unerforschlichen Raht gefallen / den Weyland Hochwol Ehrwürdigen und
Hochgelahrten Herrn / Herrn Matthäus Hillken, des hiesigen Fürstl. Stifts St.
Blasii Canonicum auch wolverdienten Vice-Dominum und Thesaurarium ohnlängst mit
einer dem ersten Ansehen nach nicht sehr gefährlichen
Kranckheit heimzusuchen / welche aber dadurch höchst-gefährlich worden / daß er
seine zwey Tage vor ihm erkranckende hertzlich geliebte Ehe-Frau / die Weyland
Hoch Edle und Tugendbegabte Frau / Frau Margaretha Hillken, gebohrne von Kalm,
in seiner Kranckheit sterben / und nicht nur sterben / sondern einige Tage
nachher mit einer angenommenen aber Hertz und Sinne benehmenden Hertzhafftigkeit
auf der Todten-Bahre / und aus dem Hause zu Grabe müssen tragen sehen. Vor zwey
Persohnen war dis Grab bereitet / doch nur eine hinein gesencket / auch nur vor
eine die Leichen-Predigt abgeredet / aber ehe der zu deren Haltung bestimmte Tag
gekommen / wurde man gemüßiget diesfals eine Aenderung zu machen / das Grab auch
vor die andere wieder zu eröffnen / und die Leich-Predigt zu beyderseits
Ehren-Gedächtniß abzufassen. Denn es kam dahin daß vorgedachter Herr Canonicus
und Vice-Dominus Hillken den zwölfften dieses Monats Septembris in seinen
Heyland seelig entschlaffen und seinen vorangegangenen Ehegatten folgen
muste.
Morgen sind es dreyßig Jahr da diese beyde im Tode nicht geschiedene durch
priesterliche Copulation eingesegnet wurden / und einander vor dem Angesicht des
HErrn angelobten / sich von einander nicht zu scheiden, der Todt scheide sie
denn. Ach sie halten mehr als sie angelobet! Der seelige Mann hat seiner nahe
bey ihm sterbenden Ehegattin mit der That nachgeruffen / was dorten die Ruth zu
der Naemi sagte: Wo du stirbest da sterbe ich auch,Ruth. I. 16. da wil ich auch begraben
werden. Und so ist es auch erfolget; Ich sage denn mit Recht von ihnen: Auch im
Tode nicht geschieden. Denn eine Gruft vereinet und vermählet wieder / welche
der Todt getrennet hatte. Doch die erblasseten und begrabenen Leichnamme sind das wenigste / darauf
wir Absicht zu nehmen haben / Es ist von mehrer Wichtigkeit / daß wir sicher
hoffen dürffen / Es sey auch beyder Geist im Tode nicht geschieden; Sondern wie
beyde in dem Bekändtniß eines bis ans Ende an JEsu fest haltenden Glaubens ihren
Geist in seine Hände Ap. XIII.
14.befohlen / so sind dieselbe nun auch beyde in JESU Hand,
sie ruhen von aller ihrer Arbeit, und erwarten II. Cor. V. 1. seqq.die fröliche Stunde / da
die irrdische Hütte, worinne sie bisher gewohnet, aber nun zerbrochen ist, in
einem Bau verwandelt werde von GOtt erbauet, in ein Hauß nicht mit Händen
gemacht, das ewig ist im Himmel.
Der wolseelige Mann muste wissen / was seine seelig verstorbene Ehe-Liebste
diesfals geglaubet / denn als ich mit demselben des zu ihrem Gedächtniß zu
erklärenden Leichen-Textes halber mich beredete / und bey Einsehung dero
gewöhnlichen Gebet-Bücher die itzt angezogene Worte Pauli: Wir wissen, daß wenn
unser irrdisch Hauß dieser Hütten zerbrochen wird, u. s. w. ihm in die Augen
fielen / erwählete er dieselbe sofort zu ihrem Leichen-Texte. Als aber auch
seine Kranckheit ferner anhielte / erinnerte er sich solcher Worte mehr als
einmahl / und werde ich wol in meinen Gedancken nicht fehlen / wenn ich davor
halte / es sey auch bey ihm der Schluß gefasset gewesen / in gleicher Hoffnung
zu sterben / und besagten Worte auch zu seinen Leichen-Spruch auszulesen.
M. L. Dieß wäre nun alles all gut / wenn wir nur nicht darbey verlöhren / was wir
noch alle gerne länger behielten / und wodurch noch viel Gutes geschaffet / viel
heilsames hätte können befordert werden. Was aber zu thun? Da GOtt haben wollen
was wir gehabt / werden wir wol mit GOTT darüber nicht rechten können / sondern mit Hertz und Mund
sagen müssen: Er ist der HErr, erI. Sam. III. 15. thue was ihm wolgefällt. Indessen soll es
doch von diesen Seelig-Verstorbenen und unser erkäntlichen Liebe und
Freundschafft gegen dieselbe auch heissen: Auch im Tode nicht geschieden. Zu
dessen Beweiß sind wir vor diesmahl in dieses unser GOttes-Hauß / als in ein
Trauer-Hauß eingegangen / zu ihren Gedächtniß / und zugleich / GOtt gebe / zur
Befestigung unsers Hoffens auf eine künfftige seelige Veränderung den vorhin
berührten Leichen-Spruch in heilige Betrachtung zu nehmen. Hierzu den Beystand
von oben her zu erhalten / demühtigen wir uns vor dem Throne unsers GOttes / und
beten ein andächtiges und gläubiges Vater Unser.
Textus.
II. Corinth. V. vers. 1. 2. 3.
Wir wissen aber / so unser irrdisch Hauß dieser Hütten zerbrochen wird / daß wir
einen Bau haben von GOTT erbauet / ein Hauß nicht mit Händen gemacht das ewig
ist im Himmel. Und über demselbigen sehnen wir uns auch nach unserer Behausung /
die von Himmel ist / und uns verlanget / daß wir damit überkleidet werden. So
doch wo wir bekleidet und nicht bloß erfunden werden.
Eingang.
Ich harre täglich dieweil ich streite, bis daß meine Veränderung komme. So redet
Hiob von dem Grund der Hoffnung die in ihm ist Cap. XIV. v. 14. Wir haben auf
zweyerley zu sehen / (1.) Dieses Grundes Benennung, und (2.) Der Hoffnung Dauer
und Wehrung. Hiob sagt: Ich harre oder ich hoffe, bis daß meine Veränderung
kommt. Da man harret und hoffet auf eine Veränderung / muß der gegenwärtige
Zustand so beschaffen seyn / daß man es gerne besser oder anders sehe. So fand
sichs freylich bey dem Hiob / und kan man nicht ohne Bewegung lesen / wie hart
GOTT mit ihm verfahren / da er ihn auf einmahl aller zeitlichen
Glückseeligkeiten entblösset / und eine schlimme Bottschafft nach der andern
hören lassen / da er auch dem Satan zugelassen diesen frommen Mann die
Gesundheit des Leibes zu nehmen / und ihn mit den allerschmertzlichsten Zufällen
und Kranckheiten zu belegen; So kan man auch ohn erbarmendes Mittleiden nicht
anhören / wie jämmerlich Hiob klaget / über das harte Begegnen / über das
spöttische Aufziehen seiner sich gar zu klug dünckenden Freunde / ja seines
eignen Weibes; und / was das empfindlichste / über die sich gegen ihm
verbergende Güte und Liebe GOttes, da es ihn fast unerträglich fiel / wenn sich
Hiob. XXX. 21.GOtt
gegen ihm in einen Feind in einen Grausamen verwandelte. Kein Wunder wäre es
denn gewesen / wenn Hiob disfals eine Veränderung gewünschet; Es hätte ihn auch
nicht wenig aufrichten können; wenn er dieselbe / so wie sie nachgehends
erfolget / hätte hoffen können. Ob aber Hiob auf eine solche Veränderung hier in
der Zeit in dem itzt
angeführten Worten gedacht / solt ich fast zweiffelnCap. XLII. 12. / und vielmehr urtheilen
/ daß er wol mehr Gedancken auf das unsichtbare und ewige, als auf das sichtbare
und nichtige gehabt. Es muß mas rechtes und beständiges gewesen seyn / das den
Hiob in seinen Vertrauen und Zuversicht / und in einer ungeschwächten Hoffnung
erhalten hat. Dieses war denn die mit Glauben gefassete Gewißheit / daß dieses
sein zeitliches Leben nicht ewig währen / sondern demselben eine gewisse Zeit
bestimmet / und ein Ziel gesetzet worden / nemlich der Todt / da so wenig er als
ein ander vorbey kommen würde; Und was noch wichtiger und hoffens würdiger / so
wuste und glaubte Hiob / daß noch eine Ruhe vorhanden vor das Volck GOttes, da
nicht nur sein Geist dem Tode entrissen / und in die Hände GOTTes kommen solte /
sondern auch dermahleins sein Leib aus der Erden auferwecket, und das von
Kranckheit und Verwesung abgezehrte Fleisch und die verschrumpffte Haut
dergestalt verändert werden / daß er dermalen vor seinen GOtt, vor seinen
Erlöser kommen, und demselben mit seinen Augen schauen könte. Diesen Glauben
bekennet er Cap. XIX. 25. und auf solche von ihm geglaubte Veränderung gründet
sich die Hoffnung die in ihm ist. Ich harre, sagt er / bis meine Veränderung
kömmt. Dieses Harren / Warten und Hoffen Hiobs stehet entgegen nicht nur der
Ungedult / dazu ihn die langwierigen unzehligen Schmertzen und Beschwerungen so
ihn drückten gar leicht bereden und verleiten können / so daß er vor Unruhe
seines Hertzens murren und sich über GOtt beschweren mögen / sondern er setzet
es auch entgegen dem gäntzlichen Verzagen und einer unseeligen
Verzweiffelung.
Die Anfechtungen welche dem Hiob begegnet / waren hefftig / die
Bangigkeiten groß / und wider das alles sahe Hiob. XIX. 7. 10. 11.er keine Hülffe! Höret
seine Klage. Siehe, ob ich schon schreye über Frevel, so werde ich doch nicht
erhöret, ich ruffe, und ist kein Recht da. Er hat mich zerbrochen üm und üm, und
lässet mich gehen, und hat ausgerissen meine Hoffnung wie einen Baum. Sein Zorn
ist über mich ergrimmet, und er achtet mich für seinen Feind; und noch
jämmerlicher lautet es: Wenn man meinen Hiob. VI. 2.Jammer wöge, und mein Leyden
zusammen in eine Waage legte, so würde es schwehrer seyn denn Sand am Meer,
darum ist es umsonst was ich rede, denn die Pfeile des Allmächtigen stecken in
mir, derselben Grimm säufft aus meinen Geist, und die Schrecknisse GOTTes sind
auf mich gerichtet. Bey solchen Zustande war wol zu besorgen / Hiob hätte den
Raht seines bösen Weibes Hiob. II,
9./ da sie sagte: Hältest du noch fest an deiner
Frömmigkeit, ja segne GOtt und stirb, folgen / und an GOtt verzagen mögen; Aber
das thut er nicht / sondern weil er in Glauben versichert ist / es werde anders
werden / so harret, so hoffet er / so ist er immer getrost.
Wie lange aber währet solche Hoffnung? Er saget: Ich harre täglich, dieweil ich
streite. Eigentlich heisset es: Alle Tage meines Streites. Er hat selbst Hiob. VII. 2.gesagt: Muß
nicht der Mensch immer in Streit leben, kunte auch diese Frage aus eigener
Erfahrung mit Ja beantworten: Denn er hatte nicht nur mit seinen eigenen Fleisch
und Blut / dem allezeit wider den Geist gelüstet / nicht nur mit dem Fürsten
dieser Welt / nicht nur mit der Welt und ihren Reitzungen / Sauer sehen / Spott
und Behöhnung / sondern auch mit GOtt selbst zu kämpffen; Bey dem allen aber / sagt
er / lasse er den Muht nicht sincken. Währe gleich der Streit alle Tage / so
harre und hoffe er doch auch alle Tage / und dieweil er streite / dieweil er
sich wehre und nicht gewonnen gebe seinen Widerwärtigen / so beharre er auch in
seiner Hoffnung. Denn alles was an ihm setze / könne den Grund seiner Hoffnung
nicht umstossen / könne ihm die seelige Veränderung seiner Seele im Tode /
seines Leibes in der Auferstehung von Tode nicht streitig machen. Und solässt
ers denn dabey: Ich harre täglich, dieweil ich streite, bis daß meine
Veränderung komme.
M. A. Ihr sehet hieraus / auf was vor einen Grund Hiob in seinen verzweiffelt
bösen und elenden Zustande sein Harren und Hoffen gebauet / ich meine: Auf dem
Glauben an eine noch zukünfftige Veränderung.
Ob nun gleich unser Jammer nicht so groß als Hiobs Jammer gewesen; Ob unsers
Leydens nicht so viel als des seinen gewesen / so wird doch ein jeder von dem
jämmerlichen dieses Lebens das Seine empfinden / und gewiß zu thun haben / daß
er sich alles dessen erwehre / was ihm seine Hoffnung und Vertrauen wil wanckend
machen. Um des willen haben wir auch wol Ursache unsern Glauben an eine auch uns
verheissene Veränderung, insonderheit an die grosse Veränderung, welche GOtt an
jenem Tage mit unsern Leibern machen wird / aus GOttes Wort zu befestigen. Und
üm desto williger nehmen wir die hierzu uns gegebene zwar traurige / doch nicht
ohne gefehr kommende Gelegenheit an / und wenden uns zu dem beliebten Ew. L.
vorgelesenen Text-Worten / stellen daraus zur Betrachtung vor:
Eine seelige Veränderung worauf die Christen harren.
Erklärung.
Anlangend die seelige Veränderung worauf die Christen harren, so sehen wir nach
Anleitung des Textes dieselbe an
(1.) Als eine geglaubte
(2.) Als eine gewünschte Veränderung.
Das erste legt uns Paulus vor in diesen Worten: Wir wissen aber, so unser
irrdisch Hauß dieser Hütten zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben von GOtt
erbauet, ein Hauß nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Das
Verbindungs-Wort Aber beziehet sich auf etwas vorhergehendes; Da wir denn finden
/ daß der Apostel / nachdem er in dem vierdten Capitel von siebenden Verse bis
zum Ende denen Trübsalen / Bangigkeiten / Aengsten und Verfolgungen / mithin dem
Marter-Tode selbst / wozu die Gläubigen seiner Zeit stets reiff gewesen /
entgegen gesetzet die Auferweckung von den Todten so durch JEsum geschehen solte
/ fürnemlich aber die ewige Herrlichkeit, sagende: Unsere Trübsal die zeitlich
und leicht ist, schaffet eine ewige und über alle masse wichtige II. Cor. IV. 17.
18.Herrlichkeit, uns die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern
auf das Unsichtbare; denn was sichtbar ist das ist zeitlich, was aber unsichtbar
ist ewig, so wil er nun ins besondere zeigen was denn diese über allemassen
wichtige Herrlichkeit, das unsichtbare und ewige dem Leibe vor eine Veränderung
mit sich bringen werde; Er fängt an mit den Glaubens-Worten: Wir wissen. Dieses
Wissen wird nicht einer Eph. IV.
18.blossen Unwissenheit dergleichen sich bey denen Heyden
fand / entgegen gesetzet / welche daher auch keine Hoffnung hatten,
sondern auch der Ungewißheit, da manI. Thess. IV. 13. zwar von einer Sachen etwas
weiß / aber dennoch dieselbe in Zweiffel ziehet; wie dort von Jacob stehet / als
ihm seine Söhne verkündigten: Joseph lebe, und sey ein Herr im gantzen Egypten
Lande, das hörete er zwar / aber sein Hertz dachte gar viel anders, denn erGen. XLV. 26. glaubete
ihnen nicht. So daß dieß Wissen in sich fasset alle drey zum Glauben gehörige
Stücke; Nemlich die Erkäntniß, den Beyfall und die Zuversicht.
GOtt hatte schon in A. T. durch deutliche Sprüche / durch Vorbilder / durch
Bekäntniß der H. Väter / insonderheit des Hiobs / die zukünfftige grosse
Veränderung, daß die Todten wieder leben und zwar die Gläubigen in der
vollkommnesten Herrlichkeit und Lust leben solten / verheissen. Doch war im N.
T. dieses von Christo deutlicher bekräftiget / und Paulus selbst hatte in dem
ersten Briefe an die Corinther am funffzehenden gar weitläufftig und umständlich
diese Veränderung beschrieben. Nun wuste er / daß ihm solches Fleisch und Blut
nicht offenbahret / sondern daß er geschrieben und geredet Spiritus in der Krafft des Geistes. Daher wuste nun Paulus /
daher wusten andere Gläubigen seiner Zeit / und nach ihm haben alle Gläubigen
gewust und wissens noch / nehmens auch an als ein untriegliches Wort / als eine
unzweiffelhaffte Sache / welche von GOtt offenbaret worden daß eine Veränderunge
kommen werde / und masset sich derselben ein jeder in fester Zuversicht und
Gewißheit an; Was ist denn nun dieses gesagt: Wir wissen? Es ist so viel gesagt:
Ich Paulus / und ein jeglicher der durch den Geist Christi vermittelst des
göttlichen Wortes erleuchtet ist / wir haben es aus GOttes Wort / wir nehmen es
an als eine göttliche untriegliche Wahrheit; Wir alle / und ein jeder vor sich verlassen uns
darauf / daß dermahleins eine grosse und fröhliche Veränderung unsrer Leiber
kommen werde.
Nun müssen wir weiter sehen worin diese Veränderung bestehe? Sie bestehet darin /
daß wenn dieses irrdische Hauß unser Hütten zerbrochen wird, wir einen Bau haben
von GOtt erbauet, ein Hauß nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.
Hier zeiget uns der Apostel was unser Leib, als die Wohnung unser Seelen (denn
von dem Leibe redet er) sey vor der Veränderung, und was daraus werden solle
durch die Veränderung. Er nennet ihn ein irrdisch Hauß und eine Hütte. Irrdisch
ist unser Leib / denn da GOtt den Leib des ersten Menschen / von dem doch alle
menschliche Leiber herkommen / bilden wolte / nahm er Gen. II. 7.dazu einen Erdenkloß. GOtt
machte den Menschen aus einen Erdenkloß. Daher denn alle Menschen welche
nachgehends gezeuget und gebohren worden / mit Abraham Gen. XVIII. 27.sagen müssen: Ich bin
Erde und Asche. Und nach Salomons Ausspruch ist das / was von dem Geist Eccles. XII.im Tode
getrennet wird / ein Staub. Irrdisch ist unser Leib / weil ihm die Erde so lange
er lebet zur Wohnung Ps. CXV.
16.gegeben. Weil ihn die Erde ernehret / und ihm gibt Korn,
Hos. II. 8.Mehl und
Oel. Weil er endlich als Erde zur Erden Gen. III. 10.werden muß. Ein Hauß wird der
Leib genannt / weil er / wie ein Hauß aus Holtz / Steinen / Kalck / Leimen und
andere Materialien / so aus Beinen und Adern Hiob. X. 11.zusammen gefüget und mit Haut und
Fleisch überzogen ist. Denn auch / weil er eine Behausung und Auffenthalt ist
des unsterblichen Geistes unserer Seelen. Das durch die Sünden verderbte
hinfällige unbeständige Wesen aber macht es / daß er nicht etwan mit einen dauerhafften
wol gegründeten und nicht anders als durch Gewalt abzureissenden Hause
verglichen wird / sondern er heist eine Hütte, ein Gezelt, eine Laube,
dergleichen die Väter Altes Testaments gebraucht / und bald aufgeschlagen / bald
wieder abgenommen werden können. Darum denn auch Hiskias sein Leben vergleicht
mit einer Hirten-Hütte die bald aufgeräumet wird.Es. XXXVIII. 12. Solche Hütten können zwar /
nach dem die Leute sind / welche ihren Auffenthalt darinnen nehmen / zuweilen
eine äusserliche Zierde haben / und sich anlassen / als wäre es was rechtes /
wenn man aber recht zusiehet / so stehen sie auf wenigen nicht gar tieff
befestigten Pfählen; sie werden durch den Gebrauch leicht abgenützet / und
kostet nicht viel Mühe sie über einen Hauffen zu werffen; So ist es mit unsern
Cörper / der kan eine anscheinende gesunde constitution haben; kan zur
Nohtdurfft / auch wol zur Eitelkeit verpfleget / ausgeputzet und gezieret werden
/ hat aber doch keine Dauer; Mit den Jahren verliehret er seine Stärcke / und
kan an dieser aus so vielen Gliedern / Beinen / Adern und Sehnen zugerichteten
Machine gar leicht etwas verletzet werden; Ja von der Wiegen an ist sie der
Bewegung unterworffen. Die Boten des Todes / Kranckheiten und andere Zufälle
können sie wanckend und hinfällig machen / und endlich wirfft sie der Tod gar
darnieder.
Und das ist denn die erste gewisse Veränderung welche uns allen bevorstehet;
davon heist es: So unser irrdisches Hauß dieser Hütten zerbrochen wird. Dieß ist
die Veränderung, welche aus Lebendigen, Todte, aus dem was vorhin sich beweget,
was unbewegliches und erstarrtes, aus Hörenden, Taube, aus Redenden, Stumme, aus
dem was vorhin starck, und manchesmahl so schön und ansehnlich gewesen /
etwas gantz unvermögendes, ja gar stinckendes und faules / endlich Staub und
Aschen macht. Eine traurige Veränderung, denn es ist eine Wirckung der Sünden;
Eine der Natur entsetzliche Veränderung, denn sie geschicht selten ohne
Schmertzen / ohne Ungemach / und nimt hinweg das liebste / das Leben, bringt in
ein finsters Grab / und trennet die allerliebsten Freunde. Doch Christen / denen
die Unsterblichkeit ihres edlen Theils der Seelen bekandt / überwinden dieses
natürliche Grausen nicht nur dadurch daß sie wissen und glauben / ihre Seele
komme zu GOtt und zu ihrem Heyland Christo JEsu, sondern fürnemlich durch die
Hoffnung einer noch zukünfftigen Veränderung, ich meine die / davon nun der
Apostel weiter redet: Wir haben einen Bau von GOtt erbauet, ein Hauß nicht mit
Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Mercket M. A. abermahl die Gewißheit des
Glaubens. Es heist: Wir haben. Nun ist schon so lange Zeit vorbey / seit dem
Paulus das geschrieben / und er hat es doch noch nicht. Aber er glaubet so fest
daß ers haben werde / als hätte ers schon.
Seine Meinung aber gehet nicht dahin / ob werde GOTT eine gantz andere Wohnung
vor die Seele im Himmel erbauen / oder einen gantz andern Leib erschaffen / der
mit der Seelen dermahleins solle vereiniget werden; Nein wir sind dessen anders
versichert; versichert daß der Leib / wlcher gestorben und zur Ruhe gebracht
worden / und kein ander dermahleins zu der Seelen solle wieder kommen / und wird
also diese Veränderung nicht das Wesen sondern nur die Eigenschafften betreffen;
Diese werden denn gantz anders seyn als sie vorhin gewesen / so daß dasjenige /
was gesäet verweßlich, wird auferstehen unverweßlich, was
gesäet in Unehre, wird auferstehen in Herrlichkeit, was gesäet in Schwachheit,
wird1. Cor. XV.
42. auferstehen in Krafft, was gesäet worden natürlich, wird
geistlich auferstehen. Darum setzet denn nun auch in unsern Text der Apostel das
Bessere den Schlimern entgegen. Den Leib den wir hier tragen
nennet er unser Hauß, den wir dort haben sollen
welches bedeutet / einen Bau, ein wolgegründetes
festes von starcken Steinen aufgeführtes Gebäude; Den Leib den hier unser
GeistMatth. XXIV.
1. bewohnet / nennet er irrdisch, den wir dort bewohnenMarc. XIII. 1. 2. sollen
/ vom Himmel oder himmlisch; anzudeuten die recht himmlischen Eigenschafften /
welche an die Stelle der Vergänglichkeit des irrdischen und als Erde in der
Erden vermoderten Leibes treten sollen. Jenen Leib nennet er eine Hütten,
dergleichen Menschen Hände pflegen aufzurichten und vielen Zufällen unterworffen
ist / diesen aber einen Bau, der , von GOtt erbauet und
nicht mit Händen gemacht. Zwar ist unser irrdischer Leib / auch GOttes Hände
Werck / was er aber an dem ersten Leibe that / da er einen Erdenkloß nahm und
ihn daraus bereitete / das wird er nicht wieder thun / sondern ihm auf einmahl
anthun mit himmlischer Klarheit und Herrlichkeit. Endlich da jene Hütte
zerbrochen wird / wird diese ewig seyn / ewig stehen / in Ewigkeit nicht
zerbrochen werden. In dieser Welt ist zwar viel festes und starckes; Fest und
starck ist der Himmel, alle und jede dessen Cörper bleiben in ihren gewissen
Creissen und Stellen / Sonn / Mond und Sternen sind noch die / welche / sie an
dem ersten Tage der Schöpffung gewesen; Unter den Himmel findet sich auch vieles
was Menschen Hände gemacht / und doch lange gestanden / Aber nichts ist ewig,
die Zeit wird kommen / da Himmel und Erden vergehen werden; aber das was GOtt
den Auserwählten
schencken wird / wird ewig seyn. Ewig ohne alle Veränderung / ewig ohne Aufhören
werden die Leiber der Auserwählten ihre himmlische Eigenschafften behalten /
ewig werden sie leuchten wie die Sonne und wie die Sterne am Himmel / ewig
werden sie in der Gemeinschafft der Engel und Ertz-Engel GOtt schauen von
Angesicht zu Angesicht / ewig wird ihre Wonne und Freude seyn.
So haben wir denn angesehen die seelige Veränderung sterbender Christen als eine
Geglaubte Veränderung; Paulus beschreibet sie nun vors ander als eine Erwünschte
Veränderung. Uber denselben sehnen wir uns nach unser Behausung die vom Himmel
sti, und uns verlanget daß wir damit überkleidet werden, so doch, wo wir
bekleidet und nicht bloß erfunden werden.
Dieß über denselben beziehet sich auf alles
vorhergehende. Auf das was Paulus und alle Gläubigen wissen von der zu hoffenden
Veränderung. Da wir nun solches wissen / und weil wirs wissen / so sehnen wir
uns nach solcher Behausung / nach den Bau den uns GOtt bauen und geben wird. Den
Wunsch sothaner Veränderung stellet er mit einen gar nachdencklichen Worte vor:
wir sehnen uns mit Stöhnen, mit Seuffzen darnach /
dadurch anzudeuten / daß solcher Wunsch recht aus dem innern des Hertzens komme
/ und nicht etwan ein fliegender Einfall und Gedancke / sondern ein beständiger
anhaltender Wunsch / und wie er hinzu setzet / ein rechtes Verlangen mit sich
führe / je eher je lieber dessen theilhafftig zu werden / wie denn das
allerbrünstigste Verlangen in heiliger Schrifft mit diesen Worten pfleget
ausgedrucket zu werden / wie dergleichen Schrifftstellen bey denen Auslegern
angemercket zu sinden.
Es führet dieser Wunsch auch mit sich einen Eckel / Widerwillen und Mißfallen an
den gegenwärtigen / und einen besondern Gefallen an den zukünfftigen und
liebsten / wie es in der Apostel Geschicht von dem Verlangen der IsraelitenAp. Gesch. VIII. 34.
nach der Erlösung aus Aegypten gebrauchet wird. Zu solchen Eckel haben die
Gläubigen Ursache wegen der Erb-Sünde die noch in ihnen steckt; wegen der bösen
Welt / darinnen sie nicht ohne vielerley Gefahr und Noht. Das Zukünfftige aber
ist von diesem allen befreyet; Wer wil sie verdencken / daß sie ein sehnliches
Verlangen darnach tragen / und zwar ein solch Verlangen / wie das Verlangen
guter Freunde / die einander lange nicht gesehen / dergleichen das Verlangen
Jacobs nach Joseph war.
Hierbey zeiget er aber auch wie solches Sehnen müsse einen guten Grund haben. Er
spricht: Doch so, daß wir nicht bloß erfunden werden. Bloß hat uns die Sünde
gemacht. Und die Feigen-Blätter und Schürtzen aus Fellen / womit die ersten
Eltern bekleidet wurden / deckte zwar ihren Leib / aber die Seele blieb bloß und
nackend / weil das anerschaffene Kleid der Gerechtigkeit verlohren worden; davon
sind alle ihre Nachkommen noch entblösset / und verdienen den harten Vorwurff
jenes Bischoffs: Du bistOffenbahr. Joh. III. 17. jämmerlich, arm, blind und bloß. In
solcher Sünden-Blösse darff man keine Hoffnung machen mit dem himmlischen Bau
überkleidet zu werden; sondern die das wünschen müssen bekleidet seyn. Womit?
Mit den Kleidern des Heils, mit den Rock der Gerechtigkeit.Jes. LXI. 10. Sie müssen
anziehen den HErrn JEsumRom. XIII.
14. Christum; Sie müssen anziehen hertzliches Erbarmen,
Freundlichkeit, Demuht, Sanfftmuht undCol. III. 12. Gedult, so sind sie schön und
herrlich geschmücket,Ps. XLV. 10.
14. so wird ihr JEsus Lust zu ihrer Schöne haben.
Usus.
Nachdem wir also mit einander angesehen / Die seelige Veränderung welche die
Christen hoffen, wollen wir hieraus zu unser Erbauung erkennen: Die beste
Veränderung eines Christen. Solche hat er in dem Andencken an die gewiß zu
hoffende Veränderung. Man pflegt insgemein dieses eine Veränderung zu nennen /
wenn man sein Gemüht von mühsamen und verdrießlichen Geschäfften abziehet / und
was ergetzliches vornimmt; Solche Veränderungen so mühsam sie offtmals gesuchet
werden / so angenehm man sich dieselbe vorstellet / so leicht verändern sie sich
in Betrübniß und Kummer / wenn man dabey bedencket / wie es mit uns ein so
elendes und jämmerliches Ding / wie die elende Hütte unsers Leibes so vielen
Anfällen unterworffen / so gebrechlich / so hinfällig; wie alles dasjenige / was
wir in dieser Hütten treiben und vorhaben / nichts als Eitelkeit und Richts; wie
endlich der Ruin und Verstöhrung / die Faulniß / Verwesung / und Vermoderung
dazu kommen / und kaum ein kleines Andencken von uns überbleibet. So wirds denn
gut seyn / daß wir uns eine solidere Veränderung suchen / und jenen betrübten
Gedancken entgegen setzen / das Andencken an die Veränderung, die unser Glaube
uns hoffen heist. Hierunter geht uns Paulus vor. Es erinnere sich E. L. aus der
Erklärung des Textes / wie Paulus in dem vorhergehenden Capitel von gar
betrübten rechtschaffenen Christen aber unvermeidlichen Begegnissen Erwehnung
gethan; II. Cor. IV. 1. 9.
10.was er von Trübsahlen, Bangigkeit, Aengsten, von den
Mahlzeichen des leydenden JEsu, von Verfolgung und Unterdrückung geschrieben /
dabey aber doch auch
seinen und anderer Gläubigen guten Muht zu erkennen gegeben? Da heist es: Wir
haben allenthalben Trübsahl, aber wir ängsten uns nicht; UnsII. Cor. IV. v. 7. seq.
ist bange, aber wir verzagen nicht, Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht
verlassen, Wir werden unterdrücket, aber wir kommen nicht um; Woher diese
Freudigkeit? daher / daß sie eine Veränderung hoffeten / hoffeten eine
Auferstehung / hoffeten eine zukünfftige Herrlichkeit / und welches fürnehmlich
denen betrübten Gedancken an die Zerbrechlichkeit unsers Leibes / wehren kan /
hoffeten diese Veränderung / daß sie an statt der irrdischen Hütten, eine
himmlische von GOtt gemachte ewige Behausung, das ist / einen verklährten,
herrlichen, unsterblichen, unverweßlichen, himmlischen, englischen Leib in der
Auferstehung wieder bekommen / und ihre Seele damit in den Himmel vor GOtt
erscheinen werde. Sagt mir M. A. Ist es denn wol nicht die beste Veränderung
eines Christen / wenn er an solche gewiß zu hoffende Veränderung gedencket? Ja /
wir finden in H. Schrifft daß schon die Väter Altes Testaments ihnen mit diesen
Gedancken ihre mühseelige Wolfahrt versüsset; So schreibet Paulus von Abraham /
Isaac und Jacob: Durch den Glauben istHebr. XI. 9. Abraham ein Frembdling gewesen
in den verheissenen Lande, und wohnete in Hütten mit Isaac und Jacob, den
Mit-Erben derselbigen Verheissunge. Denn er wartete auf eine Stadt die einen
Grund hat, welcher Bau-Meister und Schöpffer GOtt ist. Was Hiob in seinen
grössesten Leyden vor eine Veränderung darin gefunden / daß es mit ihm
dermahleins gar auders werden solte / hat uns sein Bekäntniß angezeiget / da er
saget: Ich weiß daßHiob. XIX.
25.
mein Erlöser lebet, und
er wird mich hernach aus der Erden auferwecken, und werde darnach mit dieser
meiner Haut umgeben werden, und werde in meinem Fleisch GOtt sehen, denselben
werde ich mir sehen, und meine Augen werden ihn schauen, und kein Frembder.
Unser Heyland selbst freuet sich auf diese Veränderung die er auch an seinen
damahls noch sterblichen Leibe zu hoffen hatte / wenn Joh. XII. 24.er sagt: Es sey denn, daß
das Weitzen-Korn in die Erde falle und ersterbe, so bleibets allein, wo es aber
erstirbet, so bringet es viel Früchte. Ein jeder kan dieses im Glauben auf sich
deuten / und daher ein Bild seiner künfftigen Hoffnung nehmen / weßwegen wir
denn auch singen:
Kein Frucht das Weitzen-Körnlein bringt es fall denn in die Erden, So muß auch
unser irrdisch Leib zu Staub und Aschen werden, Eh er kommt in die Herrlichkeit,
Die du HErr Christ uns hast bereit, Durch deinen Gang zum Vater.
Die Verklährung des Leibes Christi auf dem Berge Thabor war ja den Jüngern so
verguüglich / daß Matth. XVII.
4.sie sagten: Hier ist gut seyn, lasset uns hier Hütten
bauen, Wie solte es uns denn nicht eine rechte freudige Veränderung seyn / wenn
wir bedencken daß unsere Leiber auch dermahleins in eine solche Verklährung
kommen sollen.
Paulus erkennet daher wol daß die Hoffnung einer so seeligen Veränderung, welche
unsre Leiber in der Auferstehung überkommen werden / das eintzige und vornehmste
sey / wodurch wir
unser Elende erträglich machen können / Er schreibet: Hoffen wir allein in
diesem LebenI. Cor. XV.
19. auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen
Menschen, das sind wir aber nicht / weil wir / wie ers hernach ausführet / an
statt des sterblichen, werden anziehen die Unsterblichkeit. Er wil auch denen /
welchen der Bauch ihr Gott ist / ihren irrdischen Sinn / und alle irrdische
Veränderung gerne lassen / und hält sich an eine bessere Veränderung. Unser
WandelPhil. III. 20.
21. sagt er: ist im Himmel, von dannen wir auch warten des
Heylandes JESU Christi, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, daß er
ähnlich werde seinem verklärten Leibe, nach der Wirckung, damit er kan auch alle
Dinge ihm unterthänig machen.
Einem Christen machet der natürliche Leib viel Beschwerniß und Hinderniß an
seiner Seelen; Wie offt wird er / um denselben zu erhalten und zu verpflegen /
von geistlichen und himmlischen Gedancken abgehalten? So können wir ja denn
nicht anders als mit Freudigkeit daran gedencken / daß unser Leib im Himmel
geistlich, und solcher Pflege nicht bedürfftig / nicht mehr hungerig und durstig
seyn / und mit Engel-gleicher Herrlichkeit zusammt der Seelen sich zu GOTT und
JESU in die Höhe schwingen / ja mit recht himmlischen Sonnen-gleichen Glantz
leuchten und scheinen werde.
Mit freudigen Vergnügen läst sich auch daran gedencken / daß alles Leiden so hier
unsern Leib betrifft / in dieser Veränderung wird gäntzlich aufhören. Unter dem
Himmel ist kein Clima welches völlig angenehm / Im Himmel aber wird weder Frost
noch Hitze / immer gut Wetter seyn; Hier drücket unsern Leib der Fluch des
Gen. III. 17.
19.Paradieses Im Schweiß deines Angesichtes solt du dein Brod essen;
Mit Kummer wirst du dich nehren dein Lebenlang. In jener Veränderung aber wird
kein Pflug noch Spaden mehr nöhtig / sondern immer Freuden-Erndte seyn. Der
Schweiß Offenbahr. Joh. VIII.
17.wird uns sowol als die Thränen abgewischet werden / und
die mit Thränen hier gesäet, werden mit Ps. CXXVI. 5.Freuden erndten.
Wir haben noch weiter zudencken wie vielen Kranckheiten und Zufällen unsere
irrdische Hütte unterworffen / wie viel Unglück uns betreffen könne; Unsere
Lauff-Bahn gehet nicht in die Länge hinaus / sondern so zu reden in die Ründe /
in einem Creiß von einer Last zur andern. Unser Elend verändert sich wol aus
einen in das andere / aber gäntzlich ändert oder endet sichs nicht so lange wir
leben. In jener Veränderung hingegen wird die Geistlichen / die in voller Krafft
Sap. III.
4.auferstehende Leiber keine Quaal anrühren. Hier knackt I. Cor. XV. 31.die Hütte
immer / hier sterben wir täglich, und endlich liegt sie gar über einen Hauffen.
Aber in jener Veränderung I. Cor.
XV. 53.wird das sterbliche Anziehen Unsterblichkeit, das
erneuerte Ap. XXI.
4.Hauß unser Seelen wird ewig seyn / der Todt wird nicht mehr seyn.
Die Sünde ist ja die Haupt-Ursache des Todes / wo denn die Sünde aufhöret / da
wird auch Rom. VI.
23.aufhören der Sünden Sold. Ja an statt alles Ungemachs / Elendes /
Leidens und Gebrechlichkeit / an statt der Kranckheit und des Todes / wird auch
unser Leib mit Theil haben an dem / was kein Auge gesehen, kein Ohr gehöret, und
in keines Menschen Hertze kommen, I. Cor. II. 9.an dem / was GOTT bereitet hat denen die
Ps. XVI. 11.ihn
lieben; an der Fülle der Freuden, an den lieblichen Wesen, an der Wollust womit
die Ewigkeit Ps. XXVI.
9.uns träncken wird wie mit einen Strohm; An dem seeligen
Anschauen GOttes und der daraus zu schöpffenden unaussprechlichen Freude; Kron
und Thron, Scepter und Palmen werden uns im Himmel verheissen;Offenbahr. Joh. III. 11. 21. VII.
9. daran muß unser Leib auch Theil haben. Und die
Herrlichkeit, die JEsus hat / werden wir sehen / nicht nur sehen / sonden als
Mit-Erben mit dazu erhabenJoh.
VII. 24. Rom VIII. 17. werden.
Doch ehe diese Veränderung nicht kommt / werden wir ihre Hoheit und
Vortrefflichkeit nicht ersinnen / nicht begreiffen / nicht aussprechen können.
Indessen M. A. sollen doch die Gedancken an dieselbe unsere beste Veränderung
seyn. Wir die wir noch in der irrdischen zerbrechlichen Hütten wohnen / werden /
ob nicht alle gleich / doch keinen ausgenommen / die Gebrechlichkeit derselben
fühlen und empfinden; und so lange solche noch stehet / wird der Geist als
Einwohner derselben mit darunter leiden / leiden / so manche Versuchung / so
manche Reitzung zur Sünde / hernächst so manche Angst von der Sünde / wenn das
Gewissen aufwacht / leiden / so viel Verdruß von innen / von aussen / so manche
Zunöhtigung / so manchen Schaden. Wir werden uns so manche vergebliche Hoffnung
machen / so manche Abwechselung einer kurtzen Freude in schmertzliches Leid
empfinden / so manche Trauer-Post hören / und so manchen betrübten Anblick
krancker und sterbender guter Freunde haben / überall wird seyn Sorge / Furcht /
Hoffnung und zuletzt der Todt. Bey dem allen ist denn nun wol kein sicherer
Trost / als wenn wir mit Paulo sagen können: Wir wissen, so unser irrdisches
Hauß dieser Hütten zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben von GOtt erbauet,
ein Hauß, das nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Kein sicherer
Trost / als wenn wir sagen können: Wir wissen daß dieß
Sterbliche wird dermahleins anziehen das Unsterbliche. So bald denn die
irrdische Hütte abgebrochen wird / weiß der Einwohner / der Geist / wo er
bleiben soll; Die Engel warten ihm auf den Dienst / Luc. XVI. 22.ihn hinzutragen in Abrahams
Schooß, in die Hände Act. VII.
18. Offenbahr. Joh. XIV. 13.JEsu, da
er ruhen wird von aller Arbeit, da er bey JEsu Christo seyn wird, und zwar so /
daß er wisse / daß er empfinde wo er sey. Denn bey JEsu Philipp. I. 23.Christo
seyn / kan nicht anders seyn als an JESU sein völliges Vergnügen haben. Der Bau
woraus die irrdische Hütte war zusammen gesetzet / wird indessen auch von GOtt
bewahret / daß davon nichts verlohren werde. Wenn aber nun kommen wird der Tag
der grossen Veränderung, so wird GOtt daraus den neuen Bau nach seiner Allmacht
schaffen / alles Nichtige / alles Gebrechliche davon nehmen / und die Hütte in
ein neues beständiges Hauß verwandeln.
Bey diesen Gedancken M. A. last uns nicht traurig I. Thess. IV. 13.seyn / wie die, so keine
Hoffnung haben; Bey diesen Gedancken haben wir so wenig Ursach uns zu fürchten /
als ein armer Mann / wenn ihm versichert wird seine Küffe und elendes Häußlein
soll abgebrochen / und ihm davor ein schönes herrliches Gebäude eingeräumet
werden; Ein solcher würde ja Tag und Stunde zählen ehe er dieses neue Hauß
beziehen könne; Ach daß doch GOtt unser aller Hertz erleuchten möchte recht zu
erkennen / recht zu bedencken / was wir vor einen solchen voraus haben werden?
Wir sind aber / wie ein jeder wol bey sich befinden wird / nicht so fleißig
dieses zu behertzigen als es wol seyn solte. Das Irrdische afficiret uns noch
gar zu sehr / weil wir noch irrdisch sind. Und was das meiste ist / wir behalten
uns nicht sorgfältig genug in dem Zustande / da wir uns auf solche Veränderung
freuen / und uns darnach
sehnen können. Hier stehet / wir sollen nicht bloß sondern bekleidet erfunden
werden. Aber ach! wie viel nackte / schlecht bekleidete Christen kennet wol der
allsehende JESUS unter uns / welche das ihnen zugeworffene Kleid seiner
Gerechtigkeit nicht an ihren Seelen tragen / sondern sich davor mit den
Sünden-Lumpen behenget haben; Alle wissentliche / alle herrschende Sünden machen
uns bloß in den Augen GOttes. Sterben wir in solcher Blösse, so wirds bey unsern
Auferstehen eine unseelige Veränderung werden. Drum lasset uns doch beyzeiten in
wahrer Busse unserer Blösse uns schämen / und in heiligen Verlangen und umfangen
der Gnade / die uns GOtt in Christo JEsu angeboten / uns einkleiden in den
Purpur-Schmuck der durchs Blut uns erworbenen Gerechtigkeit. Last uns auch den
Tugend-Schmuck unsers JEsu anlegen / daß er / wenn er uns nun in denselben
siehet / Lust an unsrer Schöne habe. Alsdenn können wir uns auch sehnen nach der
Behausung die im Himmel ist, alsdenn wird uns nicht schwehr seyn die irrdische
Hütte abzulegen / und wenn einmahl die Zeit der Veränderung kömmt / so werden
wir erkennen und gestehen / Es sey uns nichtdie Helffte gesaget von aller
Herrlichkeit, die uns der neue Himmel geben wird.
Nun M. A. Wir wissen daß die beyden seelig-verstorbene Ehe-Leute das auch gewust
/ was Paulus gewust / nemlich daß die zerbrechliche Hütte ihres Leibes
dermahleins solte abgebrochen werden / und sie davor einen Bau bekommen der ewig
währe. So lange sie hier gewesen / haben sie das baufällige Wesen solcher Hütte
wol empfunden / es hat derselbe so mancher Sturm / so mancher Anstoß betroffen /
daß kein Wunder wenn sie es besser gewünschet. Wir
zweiffeln also nicht / sie werden mit Hiob geharret bis ihre Veränderung komme /
und damit alles Ungemach versüsset haben. Ihre Blösse hat JEsus in der heiligen
Tauffe schon bedecket; War diese Decke durch die Sünden wieder abgerissen /
bekleideten sie sich wieder aufs neue durch wahre Busse; so daß JEsus / da er
kam / die irrdische Hütte abzubrechen / sie nicht bloß erfunden hat. Beyder
Bekäntniß / so ich aus ihrem Munde mit Freuden gehöret / gab dessen ein
zuverläßiges Zeugniß. So weit der Glaube in der grossen Schwachheit ausbrechen
konte / sehnten sie sich nach der Behausung die ewig ist. Und da der Wohlseelige
Herr Vice-Dominus bey seiner anhaltenden hefftigen Kranckheit von keiner Sache
so verständlich / so freudig gesprochen / als da ich ihn frug / ob er noch den
Leich-Text wol wüste / den er vor seiner seeligen Ehe-Liebsten erwählet / mir
antwortete: Wir wissen, so unser irrdisches Hauß dieser Hütten zerbrochen wird,
daß wir einen Bau haben von GOtt erbauet, ein Hauß, das nicht mit Händen
gemacht, das ewig ist im Himmel; Ferner / da er erwehnte / wie viel Gutes er
noch wol gedächte in der Welt zu schaffen / und ich ihn fragte: Wo er aber doch
lieber seyn wolte, auf Erden oder im Himmel? ohne alle Säumniß heraus brach und
sagte: In Himmel, so zweiffle ich nicht / er habe diesen Spruch wol zu Hertzen
genommen / und dessen Krafft empfunden.
Und so haben denn nun beyde in solchen Harren und Hoffen ihre Hütte abgeleget /
Ihre Seelen hat GOtt in seinen Händen / und erquicket sie mit seinem reichen
Troste / bis dieselbe dermahleins die abgelegte Hütte nicht mehr zerbrechlich /
sondern herrlich / ewig / und unvergänglich wieder beziehen / und in derselben
vor dem Stuhl des Lammes ewig wohnen, und sich freuen werden mit ewiger, mit
unaussprechlicher Freude.
Wir die wir dieses auch im Tode ungeschiedenes Paar theils als Anverwandte /
theils als Collegen / theils als gute Freunde gekandt / ihres Umgangs / ihres
Rahts / ihrer rechtschaffenen Willfährtigkeit und Treue genossen / beklagen
hertzlich ihren so unvermuhteten Verlust / mithin den Verlust so treuer Dienste
/ welcher der Wohlseelige Mann hiesigen Fürstlichen Stiffte geleistet / noch
leisten können / und / wenn GOTT gewolt / noch gerne länger leisten wollen; Da
GOtt aber solches nicht gewolt / müssen wir urtheilen / denen Verstorbenen sey
seeliger gewesen ausser dem Leibe als in dem Leibe zu wallen, seeliger daheim
als auf der Wallfahrt zu seyn. Wenn aber GOtt von dem Corpore dieses Stifts ein
nöhtiges Glied nach dem andern abreisset / ach! so müsse solches ja kein Zeichen
seines wolverdienten Zorns wieder uns seyn / sondern er schone unser nach seiner
unaussprechlichen Gnade / und regiere alle und jede noch lebende Glieder mit
seinem Geist / daß sie / so lange sie in der irrdischen Hütten wohnen / GOtt zu
gefallen / und ihm in dieser seiner Stiffts-Hütten heilige und wolgefällige
Opffer zubringen sich befleissigen mögen.
Er der HErr segne uns mit allerley Seegen. Er segne unsere Freunde / Er segne und
bekehre unsere Feinde / Er lasse uns alle nicht bloß / sondern bekleidet
gefunden werden / damit wir zu rechter Zeit diese Hütte in wolgefaster
Freudigkeit und Glauben brechen sehen, und dermahleins auch den Bau bekommen von
GOtt erbauet, der ewig im Himmel ist. Das thue GOtt um unsers Theuresten
Heylandes JEsu Christi willen, Amen.
PERSONALIA und Lebens-Lauff.
Die Gebuhrt / wolgeführten Christlichen Lebens-Wandel / letztere Kranckheit und
darauf erfolgeten seeligen Abschied / so wol des seel. Herrn Canonici und
Vicedomini Matthaei Hilcken, als dessen / wenige Tage vor ihm seelig
verstorbener Ehelibsten / weyland Frau Margarehten von Kalm, Christüblicher
Gewohnheit nach / mit wenigen annoch zu berühren; So hat der wolseelige Hr.
Canonicus und Vicedominus Matthaeus Hilcke sein ersteres Tages-Licht auf dieser
Welt in der weit berühmten Freyen Reichs-Stadt Bremen erblicket / allwo er am 12
Januarii des 1664 Jahres auf diese Welt gebohren worden.
Sein Vater ist gewesen der weyland Wol-Edle und Großachtbahre Herr Hans Hilcken
Junior, vornehmer Bürger und Kauffmann der Stadt Bremen / Herrn Hans Hilcken
Senioris vornehmen Bürgers und Kauffmanns daselbst eheleiblicher Sohn.
Die Mutter ist gewesen die weylaud Wol-Edle / viel Ehr- und Tugend begabte Frau
Anna Margaretha Helbergs Herrn Ludolph Helbergs, weyland vornehmen
Rahts-verwandtens auch Tuch- und Seiden-Händlers der Stadt Zelle eheleibliche
Tochter.
Von deren weiter aufsteigenden Eltern und Vor-Eltern man alhie nur dies wenige
melden wollen / daß / wie die Ascendenten und Vor-Eltern Väterlicher Seite /
mehrentheils ansehnliche und wol renommirte Kaufleute der Stadt Bremen / davon
noch anjetzo eine Linie so wol von Gelahrten als Kaufleuten
in Holland floriret / also auch die Vor-Eltern Mütterlicher Seite gleichfals
Kaufleute von guter Renomme in Zelle und Hildesheim gewesen / von deren
Descendenten gleichfals verschiedene durch die Studia zu gar ansehnlichen
Functionibus und Officiis gelanget.
Vorerwehnte unsers seeligen Herrn Canonici und Vice-Domini Hilcken liebe Eltern
nun / wie sie ihre erstere Sorgfalt dahin gerichtet seyn lassen / ihn nach der
leiblichen Gebuhrt zu der Christlichen Wiedergebuhrt durch das Bad der Heil.
Tauffe zubefordern / und ihm zu deren Denckmahl den Nahmen Matthaeus beylegen
lassen / also haben sie auch an ihrer anderen und auf dessen gute Education
gerichteten Sorgfalt nichtes ermangeln lassen; Massen sie ihn nicht nur von der
ersteren Kindheit an / zu der reinen allein seeligmachenden Evangelischen Lehre
/ wahren GOttesfurcht und allen Christlichen Tugenden mit allen Fleiß erziehen /
sondern auch bey zunehmenden Jahren und da sie ein fähiges Ingenium und nicht
geringe Zuneigung zum studiren an ihn bemercket / ihn zu den nöhtigen Sprachen
und Disciplinen, so wol durch privat als öffentliche Schul-Information anführen
und es an nichtes fehlen lassen / seine zu den Studiis bezeugete sonderbahre
Inclination auf alle Weise zu beforderen / welche dann auch so wol bey ihm
eingeschlagen / daß er in literis & humanioribus gar bald gute profectus
erreichet und in dem 16 Jahre seines Alters so weit darin gekommen daß er von
seinen Praeceptoren vor tüchtig erkandt worden sich mit Nutzen aus der niederen
Schule auf das Gymnasium academicum der Stadt Bremen zu begeben; Auf welchem er
dann bis ins dritte Jahr den studiis mit allen Fleiß obgelegen / und unter der
guten Anführung
des weyland wolberühmten Tit. Herrn Gerhardi Mejeri S. S. Theol. Doct. &
Matth. Professoris die ersteren Fundamenta in historicis & philosophicis, in
jure aber unter der Anweisung des weyland eben so berühmten Tit. Herrn Johann
von Reden I. U. D. & Professor und nachmahlen wol meritirten Senatoris der
Stadt Bremen / geleget; dann wie seine wol aufgehobene Collegia bezeugen / so
hat er unter jenem Logicam Ethicam & Politicam unter diesen aber die
Institutiones Juris gehöret; Von dannen er sich in Anno 1683. nach der
weitberühmten Julius Universitaet zu Helmstedt verfüget / woselbst er seine
Studia mit eben dem Fleiß continuiret / und vor andern an des weitberuffenen
Icti des weyland Hoch-Edlen und Hochgelahrten Herrn Georgii Engelbrechti
Hochfürstl. Braunschweigis. Lüneburgischen Hof-Rahts J. U. D. & Prof. Pand.
Publ. überall berühmten und von vielen seiner ehemahligen Auditoren der
venerablen Andencken annoch versirenden / so fidelen als soliden Information ein
besonderes Vergnügen gefunden / welchem er sich auch dergestalt ergeben daß er
nicht nur unter denselben den gantzen cursum Juris Civilis, wie solches aus
denen unter ihm gehaltenen und mit vielen Fleiß aufgeschriebenen Collegiis über
die Institutiones, Pandectas, Jus Feudale & Constitutionem Carolinam
Criminalem zu ersehen / absolviret / sondern auch unter dessen Praesidio in Anno
1685 zwölfmahl über des Schüzii Compendium Lauterbachianum publice disputiret /
wie davon annoch das von dem seeligen Herrn Hof-Raht Engelbrecht der Zeit
edirtes Programma invitatorium de Multitudine Legum in mehrern zeuget / und wie
er sich dadurch in theoria juris fest gesetzet also hat er auch um
selbige dermahlen ad praxin zubringen / sich zu den berühmten Ictum Herrn
Johannem Echelium weyland Hochfürstlichen Braunschweigischen Lüneburgischen wie
auch Nieder-Sächsischen Cantzlar und Ordinarium auf der Julius Universität
gewendet und unter denselben ein Collegium Practicum gehalten / debeneben er
dann auch in währenden seinen Aufenthalt zu Helmstedt so wol in politicis als
Jure publico von dem weyland Hochwürdigen und Hochgelahrten Herrn Gerhardo
Theodoro Mejero Phil. & S. S. Theol. Doctore & Professore einen
fleissigen Zuhöhrer abgegeben / nachdem er nun mit diesen Studiis ein volles
triennium auf der Julius Universität zugebracht / ist er in Anno 1686. um
Michaelis von dannen auf die Universität Leyden in Holland gezogen / allwo er
den gantzen Winter durch bis in den Monat April Anno 1687. subsistiret / von
darab aber eine Tour nach Engelland gethan / und wie er sich daselbst einige
Monat aufgehalten und nebst der Haupt-Stadt Londen auch die Universität Oxfort
besuchet / ist er von dorten nach Franckreich übergangen / da er dann über
Calais seinen Weg auf Paris genommen / und als er daselbst und denen
benachbarten Orten das Remarquableste besehen / ist er in Monat November 1687
über Rheims, Sedan, Bouillon, Lüttich, Mastrich &c. wieder auf Leyden
gegangen / woselbst er den Winter durch verblieben und nach einer Excursion in
die vornehmsten Städte in Holland und Braband sich endlich in Anno 1688 in
patriam zurück begeben / allwo er aber kaum angekommen / da er nicht auch eine
Reise anhero nacher Braunschweig gethan / und ob wol solche Reise der Zeit bloß
und allein zu Besuchung seiner eintzigen ihm sehr geliebten und allhie wol verheyrahteten schon
längst aber seelig verstorbenen Schwester angesehen gewesen / so hat doch die
darunt er verborgene Göttliche Providence ihn auf dieser Reise den Weg weisen
und an den Ort bringen wollen / wo er sein beständiges Domicilium, ja auch
nunmehro seine Ruhestatt finden sollen / allermassen dann durch GOttes
sonderbahre Direction es sich also fügen müssen / daß er nicht nur im Monat
September Anno 1688. zur Praebende und Canonicat in dem hiesigen Hochfürstlichen
Stiffte St. Blasii gelanget / nnd im Monat December zum Canonicum würcklich
introduciret worden / sondern auch in dem darauf folgenden 1689 Jahre eine
glückliche und vergnügte Veränderung mit der Hoch-Edlen Hoch-Ehr- und Tugend
begabten Jungfer Margarehten von Kalm seeligen Herrn Werner von Kalm vornehmen
Patricii hieselbst eheleiblichen Jüngsten Tochter getroffen / mit welcher er
sich in ein Christlich Ehegelöbniß eingelassen / und solches durch Priesterliche
Copulation am 14 September ejusdem Anni vollenzogen; Mit welcher seiner
hertzlich geliebten Ehegattin er zwar eine mit Kindern ungesegnete jedennoch in
allen andern Stücken höchst vergnügte Ehe / bis in das dreyssigste Jahr
gepflogen; Je vergnügter aber dis von so vielen Jahren her in Glück und Unglück
bewehrtes und dennoch niemahlen anders als in beständiger Liebe und Affection
continuirtes Ehe-Band ihm gewesen / desto empfindlicher und schmertzlicher
hingegen ist es auch dem seeligen Herrn Canonico und Vice-Domino Hilcken
angetreten / daß er sich einer so treuen Ehe-Genossin durch einen so gar
schleunigen und unvermuhteten jedoch sanfften und seeligen Todt am 1 Septembris
des jetzt lauffenden 1719 Jahres beraubet sehen müssen. Was sonsten E.
Hochwürdig Capitulum vor
besondere Estim und Consideration vor den seeligen Herrn Canonicum und Vice
Dominum Hilcken gehabt / solches ist vornemlich aus denen ihm conferiten
Officiis abzunehmen. Dann da man bey versamleten General Capitul ihm in Anno
1700 das Officium Thasaurarii conferiret und dabey seinen sonderbahren auf die
gute Disposition und Einrichtung des Stiffts-Archivs gerichteten Fleiß
wahrgenommen / so ist man dadurch bewogen worden ihm in Anno 1715 das so
wichtige als mühsame Officium Vice-Dominatus beyzulegen. Mit was vor sorgsamer
Bemühung der wolseelige diese ihm aufgetragene Officia zu E. Hochlöblichen
Stiffts besten und selbiges nach Müglichkeit zu befordern / ihm jederzeit
angelegen seyn lassen und wie er sowol in Choro als Capitulo seine Obliegenheit
jederzeit genau observiret solches leydet des wolseeligen Mannes Modestie nicht
viel davon zu rühmen / & cum efficacius vitae quam linguae Testimonium, also
übergehet man auch seine ihm sonst im Leben beygewohnte gute Qualiteten / seinen
bey allen Actionen bezeugten Candorem und Aufrichtigkeit / seine
Dienstfertigkeit gegen jederman / absonderlich aber gegen die Armen / die
niemahlen ohne Noht verabsäumeten Horas Canonicas und fleissige Besuchung des
GOttes-Dienstes; Wobey man aber jedennoch dieses nicht wol verschweigen kan /
daß dem seeligen Herrn Canonico und Vice-Domino auf seinen Krancken-Bette zu
nicht geringer Consolation gereichet / daß seine E. Hochwürdigen Capitulo
geleistete Dienste nicht unerkandt geblieben und wann es dem Höchsten also
gefallen hätte / man einem so treuen und aufrichtigen Collegen und
Collaboratorem das Leben gerne noch länger gegönnet / ja wann wünschen darunter
zu reichlich gewesen /
ihn solches noch auf viele Jahre damit erhalten hätte. Und wann nach Augustini
Ausspruch wahr ist quod male morinon potest, qui bene vixit, so hat auch dem
seeligen Herrn Canonico und Vice-Domino Hilcken bey seinen wolgeführten
Christlichen Lebens-Lauf nicht beschwerlich weniger erschrecklich anscheinen
können / daß die letztere ihm zugestossene Kranckheit und dabey auf einmahl
hinfällig gewordene Kräffte / ihm gleichsam Vorbohten seines bald herannahenden
Endes seyn müssen. Dann wie er sich durch fleissige Lesung der Heil. Schrift und
anderer Geist- und Trostreicher Bücher schon längst und bey gesunden Tagen zu
einen seeligen Abschiede praepariret und gefast gehalten / also hat er auch bey
seiner Tages vor seinen seeligen erfolgeten Abschied vor des Herrn Abt Finen
Hochwürden als seinen ordentlichen Beicht-Vater abgelegten letzteren Confession
und darauf nach erlangeter Absolution empfangenen Heil. Nachtmahle / sich um
nichts weniger als die Furcht des Todes / sondern nur bloß und allein um seine
zu Geniessung des Heil. Nachtmahls an sich befundene Unwürdigkeit bekümmert / in
übrigen aber sich in allen dem Willen GOttes / es gehe zum Leben oder zum
Sterben / willigst und in stiller Gelassenheit ergeben / und die nochmahlen
erlangete Absolution und zu deren Versicherung empfanges Heil. Nachtmahl seine
eintzige Freude und Seelen Vergnügung seyn lassen. Worauf er dann auch den
Todes-Kampff getrost angetreten / und in beständigem Vertrauen und Glauben auf
das theure und vollgültige Verdienst seines Erlösers und Seeligmachers JEsu
Christi bis an sein selig erfolgetes Ende beharret / und da Mund und Zunge kein
bekäntliches Zeugnisse mehr davon ablegen können / so hat er dennoch auf
andächtiges Vorbehten und Zuruffen seines Herrn Beicht-Vaters
seinen annoch beständig in Hertzen habenden JEsum jedes mahl mit gläubiger und
andächtiger Mine zu erkennen gegeben. Der letzteren Kranckheit unsers seeligen
Herrn Canonici und Vice-Domini Hilcken aber mit wenigen annoch zugedencken / so
ist derselbe mit einem der Zeit grassirenden und um den andern Tag abwechselnden
Fieber befallen / und ob wol beyde zu ihm vocirte vornehme und berühmte Herrn
Medici als der Hochfürstliche Braunschweigische Lüneburgische hochverordnete
Leib-Medicus Herr Doctor Brandanus Dietericus Behrens und Herr Doctor Augustus
Werner ihnen diesen Patienten und dessen Restitution gar ernstlich angelegen
seyn lassen und wie ihm jener als seinen wehrtesten Stiffts-Collegen, dieser
aber als einen alten von langen Jahren probirten guten Freund von den Tode /
wann Kunst und Wissenschafft zureichen wollen / gerne gerettet hätten / so hat
doch ein unvermuhteter Zufall alle gute Intention und Hoffnung auf einmahl
unterbrochen / dann da es dem Höchsten also gefallen dem seeligen Herrn Cononico
und Vice-Domino Hilcken da er eben in einen schweren paraxysmo febrili befangen
gewesen / ihm seine Ehe-Gemahlin durch einen plötzlichen und unvermuhteten Todt
vor seinen Augen wegzunehmen / so ist durch die in ipso paraxysmo ihm begegenete
grosse Consternation nicht nur der Paroxysmus, sondern auch die Kranckheit
selbst um so viel hefftiger geworden / daß bey dem beständigst continuirenden
Moerore animi, so wenig die innerliche Hitze als die Trockniß auf der Zunge /
denen dagegen gebraucheten Medicamenten nachgeben wollen / bis endlich der
seelige Mann darunter succumbiret und die seelige Auflösung jedoch in
beständigen Glauben und
Vertrauen zu GOtt und seinem Erlöser JEsu Christo am 12 Septembr. des
abgewichenen 1719 Jahres Abends gegen 10 Uhr erfolget / nachdem er sein
Lebens-Ziel gebracht auf 55 Jahr 7 Monat und 19 Tage.
Diesem nächst nun auch die Ankunfft Christlich geführten Lebens-Wandel und
seeligen Abschied der ihren Ehe-Herrn in Tode vorangegangenen Frau Margarehten
Hilcken gebohrnen von Kalm mit wenigen beyzufügen / so ist die wol seelige Frau
in Anno 1655 den 1 Decembr. alhie in Braunschweig von vornehmen wolbekandten
Eltern auf diese mühsame Welt gebohren worden / und ist ihr seeliger Herr Vater
gewesen der weyland Hoch-Wol-Edle Herr Werner von Kalm vornehmer Patricius
alhie.
Die Frau Mutter ist gewesen die weyland Hoch-Edle Hoch-Ehr und Tugend begabte
Frau Dorothea von Velstedt, die letztere des alhie nicht unbekandten vornehmen
alten Patricien Geschlechtes derer von Velstedt.
Der Groß-Vater Väterlicher Seiten Herr Werner von Kalm der Jüngere / wol
verdienter Bürgermeister des Weichbildes Hagen und Patricius alhie.
Die Groß-Mutter Väterlicher Seiten Frau Emerentia Schraders seeligen Herrn Doctor
Autor Schraders vornehmen Icti und Decani des allhiesigen Fürstlichen Stiffts
St. Cyriaci eheleibliche Tochter.
Der Groß-Vater Mütterlicher Seiten Herr Bodo von Velstedt Patricius
alhie.
Die Groß-Mutter Mütterlicher Seiten Frau Lucia von Laffert Patricia
hieselbst.
Der Aelter-Vater Väterlicher Seiten Herr Werner von Kalm, der Aeltere / wol
verdienter Bürgermeister des Weichbildes Hagen und Patricius allhie.
Die Aelter-Mutter Väterlicher Seiten Frau Adelheit Bredemeyers Herr Johann
Bredemeyers weyland Bürgerme isters der Stadt Minden eheleibliche Tochter.
Der Aelter-Vater Mütterlicher Seiten Bodo von Velstedt Rahts-Herr und Patricius
hieselbst.
Die Aelter-Mutter an dieser Seiten Frau Dorothea Schraders Patricia
hieselbst.
Mehrere von ihren Vor-Eltern anjetzo nicht zu berühren / so haben vorerwehnte
ihre liebe Eltern nicht unterlassen sie alsobald nach der leiblichen Gebuhrt
durch die heilige Tauffe ihren Erlöser und Seeligmacher Christo JEsu
einzuverleiben und dieselbe den 2. Decembr. Anno 1655 allhie in der Kirchen zu
St. Catharinen tauffen und zum Denckmahl ihres mit GOtt errichteten
Gnaden-Bundes ihr den Nahmen Margaretha beylegen lassen; und weiln ihre liebe
Eltern wol gewust / daß wolgerahtene Kinder nicht sowol gebohren / als durch
eine gute Education und Erziehung gezeuget werden müssen / so haben dieselbe
auch an ihrer sorgsamen Erziehung und daß sie von Kindheit an zur
rechtschaffener GOttseeligkeit / und allen Christlichen / absonderlich aber
einem Frauen-Zimmer wol anständigen Tugenden / angewehnet werden mögen / nichtes
ermangeln lassen; Sie haben selbige nicht nur durch ihr eigen Exempel zu allen
guten angeführet / sondern auch mittelst fleissiger Unterrichtung so viel in ihr
gewürcket / daß sie in ihren Leben die wahre GOttesfurcht ihre meiste Bemühung
seyn lassen; Und ob sie wol ihres seeligen Herrn Vaters in 19 Jahre
ihres Alters durch den zeitlichen Todt beraubet worden / so hat dennoch die
Göttliche Providence nicht aufgehöhret in andere Wege vor sie zu sorgen und es
dahin zu dirigiren / daß der Verlust des Vaters durch eine glückliche
Ehe-Verbindung ersetzet werden müssen / gestalten sie dann in Anno 1689 den 14
September mit den weyland Hoch-Wol Ehrwürdigen Hoch-Edlen und Hochgelahrten Herr
Matthaeum Hilcken weyland Canonicum und Vice-Dominum des Stiffts St. Blasii
vermählet worden / wie sie nun gegen ihre Eltern sich jederzeit als eine
gehorsame und wolgerahtene Tochter aufgeführet und denenselben allen kindlichen
Respect und Gehorsam erwiesen auch die Verpflegung ihrer wolseeligen das 82 Jahr
ihres alters erreichenden Mutter / eine ihre grössesten Vergnügung seyn lassen /
also hat sie auch an der ihren Ehe-Herrn schuldigen Liebe und Affection nichtes
ausgesetzet / sondern denselben jedesmahl mit aller Tendresse begegenet / an
Freude und Leid ihr Antheil genommen / ihm selbiges in Christlicher Gedult
helffen ertragen / auch mehr mahlen darin aufgerichtet / welches ihm dann deren
so schleunigen und unvermuhteten Verlust desto empfindlicher gemacht / daß er
auch in Tode nicht von ihr getrennet seyn wollen / gestalten dann / die sie ihm
in Sterben den 1 September des abgewichenen 1719 Jahres voran gegangen / er ihr
den 12 selbigen Monates freudig und willigst darin gefolget. Ob nun wol die
wolseelige Frau von den Höchsten mit einer ziemlichen gesunden
Leibes-Constitution begabet / und wenigen Kranckheiten in ihren Leben
unterworffen gewesen / so machete sie doch solches gar nicht sicher / daß sie an
ihr Ende nicht öffters gedencken solte. Dann wie ihr alle Vanitäten und
Welt-Eitelkeiten im
Hertzen zuwieder waren und nichtes mehr dann ein ehrbahres und ernsthafftes
Wesen liebete / also lies sie sich auch ihr Christenthum mit desto mehreren
Ernst angelegen seyn / die Bibel und andere GOttseelige Bücher lagen ihr fast
stets zur Hand / den GOttes-Dienst besuchete sie fleissig und des Heil.
Nachtmahles bedienete sie sich öffters zu ihrer Seelen Erquickung und wie sie
sich solcher Gestalt in steter Bereitschaft zu ihren Abschied gehalten / so
erfolgete derselbe zwar plötzlich jedoch seelig / massen sie gleich ihrem
Ehe-Herrn mit einen der Zeit grassirenden Fieber und in dessen paroxysmo gantz
ohnvermuhtet mit einer grossen Hertzens-Angst überfallen / und darin aller
äusserlichen und innerlichen Sinnen auf einmahl beraubet wurde / daraus sie auch
aller dagegen von beyden bey ihren seeligen Ehe-Herrn adhibirten so berühmten
als gelahrten Herrn Doctoren angewandten Fleiß und Bemühung nicht völlig
gerettet werden mögen / jedoch dahin annoch gebracht worden / daß sie zu zweyen
mahlen mit vernemlichen ja, die ihr zugeruffene Glaubens-Bekandtniß bestättigen
und daß sie die ihr vorgebehtene Seuftzer in Hertzen nach behten können / zu
verstehen gegeben / worauf sie wieder in vorige Unempfindlichkeit verfallen auch
darin geblieben / bis sie ohne Todes Empfindung durch einen wie wol jähen und
schleunigen doch aber auch sanfften und seeligen Todt am 1 September des vorigen
1719 Jahrs Nachmittages nach 6 Uhr aus dieser Mühseeligkeit abgefordert und in
die Freuden volle Ewigkeit versetzet worden / nachdem sie ihre Lebens-Zeit /
gebracht auf 64 Jahr 8 Monat und 1 Tag
Nach-Munsch.
Ungern vermisstes Paar! Das selbst der Todt nicht scheiden
Und sein erneutes Band auch must im Grabe leiden /
Du legst die durch den Todt zerbrochne Hütten ab /
Du legst / was Irrdisch war / zur Ruh ins kühle Grab.
Ruh ungestöhrt! Dein Geist der GOTTes Hand befohlen /
Wird einsten seine Hütt’ viel schöner wieder hohlen.
OGOtt! wenn auch die Hütt’ / die uns beschwehrt und drückt /
Zerbricht / werd unser Geist zu dir hinauf gerückt.
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Die Unzertrennete Vereinigung im Leben, Tod und Grabe, An dem wenige Tage
hinter einander erblassten Ehe-Paar / Nemlich / Dem weyland Hoch-Wol-Ehrwürdigen
/ Hoch-Edlen und Hochgelahrten HErrn
MATTHAEO Hilcken / Vornehmen ICto, wie auch des Hoch-Fürstl. Stiffts St.
Blasii zu Braunschweig Wolgewürdigtem CANONICO, VICE-DOMINO und THESAVRARIO, Und
Seiner bis in den Tod hertzlich-geliebten Ehegattin / Der weyland Hoch-Edlen /
Hoch-Ehr- und Tugend-Belobten Frauen
Margarethen Hilckinn / Gebohrnen von Kalm / Bey der Ihnen Beyderseits zu
lezten Ehren am 16. Sonntage nach Trinitatis, war der 24. Sept. 1719. öffentlich
angestellten Leich-Begängnis / In einer Abdanckungs-Rede gezeiget von SAMUEL
ALBERTO Müllern.
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Braunschweig / gedruckt bey Friedrich Wilhelm Meyer / Hertzogl. privileg.
Buchdrucker.
Hochwürdiger und Hoch-Edelgebohrner, Hoch-Edle, Veste, Hocherfahrne,
Hoch-Wol-Ehrwürdige, Wol-Edle, Wol-Ehren-Veste, Hoch- und Groß-Achtbare, Hoch-
und Wol-Weise, Hoch- und Wol-Gelahrte, allerseits nach Stand und Gebühr
Höchst-Hoch- und vielgeehrte Herren, respect. Hohe PATRONI, Groß-Geneigte Gönner
und wehrtgeschätzte Freunde,
Als vormals dem Metello Macedonico der Tod seines Feindes / des P. Scipionis
AEmiliani, kund gethan worden / soll er seine Söhne folgender massen angeredet
haben: Ite filii, celebrate exequias, nunquam majoris civis funus videbitis!
Meine Söhne, gehet mit zum Leichen-Begängnis, ihr werdet nimmermehr eine
vornehmere Leiche zu sehen kriegen. Ist mir vergönnet / sowol die Umständ- als
Worte in etwas zu ändern / so deucht mir / die viele Trauer-Glocken / welche
anjetzo gezogen worden und derer Schall annoch in unsern Ohren klinget / haben
nicht nur Meinen allerseits höchstgeschäzten Anwesenden einen gedoppelten und
gewiß gar nachdencklichen Todes-Fall angekündiget / sondern Ihnen auch
gleichsam folgendes zugeruffen: Ite Domini, celebrate exequias, tale funus non
semper videbitis.
Die Herrn belieben jezt zur Leiche mit zu gehen, Sie werden Mann und Frau
zugleich begraben sehen: Ein Casus, welcher traun nicht oft pflegt zu
geschehen.
Und wer ist unter Ihnen / der nicht wissen sollte / was in diesen Tagen und in
diesem Hause sich begeben? Wem ist unbekant / welcher gestalt nicht nur die
weyland Hoch-Edle, Hoch-Ehr- und Tugend-Belobte Frau Margaretha Hilcken,
gebohrne von Kalm, sondern (ach! ach! daß ichs sagen muß) auch ihr in die 30.
Jahre hochgeschäzt- und hertzlich-geliebter Eh-Herr / der weyland
Hoch-Wol-Ehrwürdige, Hoch-Edle und Hochgelahrte Herr Matthaeus Hilcke, vornehmer
ICtus, wie auch des Hoch-Fürstlichen Stiftes St. Blasii hieselbst wolgewürdigter
Canonicus, Vice-Dominus und Thesaurarius, dem unersättlichen Menschen-Fraße
herhalten müssen? Ein Casus, sag ich /
Ein Casus, welcher traun nicht oft pflegt zu geschehen.
Zwar sind nicht beyde zugleich / sondern 11. Tage nach einander gestorben / so
sind auch nicht beyde zugleich / sondern einer nach dem andern / beerdiget;
Heute aber soll beyden zugleich eine öffentliche Gedächtnis-Predigt / und
jetzund soll von meiner Wenigkeit beyden zugleich eine Parentation gehalten
werden.
Ubermorgen sinds 3. Wochen / da mir der wolselige Herr Vice-Dominus, in diesem
Zimmer auf seinem Lehn-Stuhl sitzend / anbefohl / daß ich seiner
selig-verstorbenen Frauen die Abdanckung thun solte. Ich faste auch sofort den Schluß
/ dieselbe / wegen ihres in der Heiligen Tauffe empfangenen schönen Namens
Margarethae, als eine wolverwahrte Perle aufzuführen. Was ist aber geschehen?
Gleich 8. Tage darauf holete der fast grausame Tod den liebwehrten Herrn Hilcken
auch nach / und hat dadurch sowol mir / als ihm selbst / ja vielen andern das
Concept verrückt. Bey sothanem Betrübnis-vollen Casu fiel mir ein / was der
selige Mann schon vor 14. Jahren zu mir gesagt: Weil ich nemlich hier im Hause
und in ihrer Familie vieren parentiret, so wären noch zwey übrig / denen ich
solches zu thun hätte / hiermit auf sich und dessen Frau Liebste zielende.
Solches wird nun zwar anjetzo erfüllet; Aber ach! daß es so bald / ach! daß es
beyden zugleich geschehen muß. Sie glauben mirs / Höchst- und Hochgeehrte Herren
Leichen-Begleiter, wenn ich erwege den vertraulichen Umgang / welchen ich mit
den beyden selig-verstorbenen Personen gehabt / und dabey in Betrachtung ziehe /
wie viele Liebe / wie viele Gunst und Wolthaten sie mir und meinem geringen
Hause einige Jahre her erwiesen / auch noch ferner zu erweisen unterschiedliche
mal versichert haben / so werde ich von Wehmuht und Bekümmernis dergestalt
eingenommen / ja meine Sinnen sind mir bisher so confus und verwirret durch
einander gegangen / daß ich kaum gewust / womit ich die mir aufgetragene Rede
anfangen oder endigen sollte.
Ich mag auch ungescheuet bekennen / daß mirs recht sauer worden / ehe ich zu
einem gewissen Themate mich zu entschliessen vermocht. Bald fiel ich hier-bald
fiel ich darauf. Anfänglich nahm ich mir vor / auf Veranlassung des heutigen
Sonntags-Evangelii dieses sowol wegen seines Gartens und des vorbeyfliessenden
Wassers recht lustig
belegene / als auch seines bisherigen Zustandes halben sehr beglückt-gewesene
Hillekische Haus / unter dem Bilde des anmuhtigen Rains vorzustellen / doch so /
daß es der herausgetragenen zweyer Todten wegen in ein betrübtes Bethanien oder
Klag-Haus verwandelt worden. Hierauf gedachte ich an einen verfinsterten
Haus-Himmel, an welchem Sonn und Mond zugleich untergangen. Und was hätte mich
hindern sollen / aus obangeführter Ursach das verrückte Concept zu entwerffen?
Oder auch wol die beyde verstorbenen Ehe-Leute als zwey umgerissene Haus-Seulen
abzuschildern? Allein / weil auf vorgestrig-geschehene Erinnerung / daß der
heutige Tag zur Leichen-Begängnis festgestellet bliebe / die Zeit immer näher
heran kam / und also ein Durchgriff geschehen muste / so wurde ich endlich bey
mir schlüssig / dieser hochgeneigten Versamlung nichts anders vorzutragen / als
was mit dem selig-verstorbenen Paar sich zugetragen. Es ist nemlich das
sonderbare / es ist das merckwürdige / daß dieselbe nicht nur in ihrem Leben,
(denn das ist nichts ungewöhnliches) sondern auch in ihrem Tode, ja man bedencke
/ gar im Grabe, unzertrennet vereinigt geblieben. Dieses / sag ich / soll der
Zweck meiner Rede seyn / und ich werde mich glücklich schätzen / wenn Sie
insgesamt / Hoch- und Wehrtgeehrteste Herrn, mit der vorzutragenden
unzertrennten Vereinigung auch dero gütigstes Gehör und Urtheil unzertrennet zu
vereinigen hochgeneigt geruhen wollen.
So ists und bleibet es dann ein sonderbarer / es ist und bleibet ein recht
merckwürdiger Casus, daß unser selig-verstorbenes Paar Ehe-Leute zugleich
begraben werden. Ein Casus, sag ich noch einmal /
Ein Casus, welcher traun nicht oft pflegt zu geschehen.
Und woher ist dann diese genaue Vereinigung im Tod und im Grabe entstanden? Sind
sie etwa in ihrem Leben so genau vereiniget gewesen / daß sie auch im Tod und im
Grabe unzertrennet haben bleiben wollen? Ach freylich / freylich sind sie in
ihrem Leben aufs allergenaueste vereiniget gewesen. Sie lassen sich nur gefallen
/ Höchst- und Hochgeschäzte Anwesende, mit ihren Gedancken ein wenig zurück in
der Selig-verstorbenen vollbrachtes Leben zu gehen / so werden sie dieselben
überall in einer höchst angenehmen Vereinigung antreffen. Ich stelle auch in
dero gütigstes Belieben / ob sie das vereinigte Paar wollen ansehen als zwey
vest zusammen geknüpfte Hertzen, oder ob sie sich solche wollen vorstellen unter
dem Bilde zweyer aufs lieblichste sich küssender Turteltauben; Zum wenigsten
werden sie allemal diese Uberschrift finden:
CONJVNCTIO FIDA.
Sie Beyde sind in ihrem lieben Bis an das End vereinigt blieben.
Ehe die beyde selig-verstorbene ihre eheliche Vereinigung antraten / suchten sie
sich vorhero mit GOtt zu vereinigen. Und hierzu geschahe der Anfang in der
heiligen Tauffe. Da trat ein Jedweder unter ihnen mit dem Dreyeinigen GOtt in
einen Bund / welchen sie auch beyde hernach durch einen Christlichen und
gottseligen Wandel oftmals zu erneuren und zu bestätigen bemühet gewesen. Weil
ihnen aber der göttliche Ausspruch bekant / es sey nicht gut / daß der Mensch
alleine sey / so resolvirten sie sich / nach vorher vereinigtem Gebet / zusammen
in eine eheliche Vereinigung zu treten. Vor dem Altar und GOttes Angesichte
lobten sie an / einander getreu zu bleiben / beständig zu lieben / und sich
nichts als den Tod scheiden zu lassen. SIC IN
PERPETVVM! hieß die Devise, welche Königin Anna, Käysers Ferdinandi I. Gemahlin
/ über zwey in einander geschlagene Hände setzen ließ:
SIC IN PERPETVVM.
Auf unsre Lebens-Zeit Währt diese Einigkeit.
Gleicher Resolution waren unsere selig-verstorbene Ehe-Leute. Auf die gantze Zeit
ihres Lebens sagten sie einander die eheliche Vereinigung zu: Und was sie
einander zugesaget / das haben sie auch redlich gehalten. Ja sie haben mehr
gehalten / als sie einander zugesaget: Massen sie sich / wie wir hernach hören
werden / durch den Tod selbst nicht haben scheiden lassen. Die Hand / so einer
dem andern eingeschlagen / wurde nicht wieder zurück gezogen; Nein!
CONJVNCTIO FIDA.
Sie beyde sind in ihrem lieben Bis an das End vereinigt blieben.
Nicht ohne sonderbare Vergnügung des Gemühts gedencken wir noch jetzo an sothane
Vereinigung. Ihre Verwandschaft hatte sonder Zweifel den ersten doch festen
Grund darzu geleget. In dieser Asche hatte das Liebes-Feuer zu glimmen
angefangen. Die hernach gepflogene Freund-Schwägerliche Conversation und genaue
Erforschung beyderseits Gemühter hat es verstärcket / bis endlich die würckliche
Vereinigung erfolget. Und das waren am 14. Sept. dreyssig Jahr / da dieselbe
erfolget. Dreyssig Jahr ist eine lange Zeit / und gleichwol sind dem
selig-verstorbenen Paar Ehe-Leuten die dreyssig Jahr als eintzele Tage vorkommen
/ so lieb hatten sie einander / so einig waren sie zusammen. Hier waren
zwar zwey Leiber / aber nur ein Hertz und eine Seele. Wenn zwey wächserne Bilder
zerschmoltzen und untereinander vermischet werden / weiß man nicht mehr /
welches zu diesem oder jenem gehöret habe. Die zwo Seelen der beyden
verstorbenen waren in ihrem Leben so vest und genaue mit einander vereiniget /
daß es Mühe hätte kosten sollen zu entscheiden / welche von beyden in diesem
oder jenem Leibe gewohnet. Pythagoras und andere Heydnische Philosophi werden
mit Recht widerleget / wenn sie ohne Grund von einer ,
von einer transmigratione animarum, oder Seelen-Wanderung gelehret haben. Wir
hoffen von aller Widerlegung frey zu seyn / wenn wir behaupten / daß nicht nur
die wahre Eheliche Vereinigung eine wolgegründete sey /
sondern daß sich auch bey den zwey Selig-verstorbenen eine gar glückliche
gefunden habe. Einer belebete / so zu reden / den
andern / einer war des andern Seel und Leben / und würden sie meines Erachtens
kein Bedencken getragen haben / wie mit ihrer Ehelichen Liebe / also mit ihrem
Leben / einander zu dienen. Sein Wille war ihr und ihr Wille war sein Wille. Ein
Tisch muste sie beyde sättigen / eine Wohnung beyde bedecken / ein Bett beyder
abgemattete Glieder erquicken. Gutes und Böses / Freud und Leid / theilten sie
mit einander. Was dem einen wiederfuhr / das wiederfuhr auch dem andern. O der
getreuen Vereinigung! O des Demant-festen Ehebandes / welches zwischen diesen
beyden dergestalt verknüpfet gewesen / daß sie auch in dreyssig Jahren weder von
einem Asmodi durch Zanck und Unwillen / noch von einem Creutz durch Kranckheit /
Verfolgung und dergleichen / haben können getrennet und aufgelöset werden.
CONJVNCTIO FIDA.
Sie beyde sind in ihrem lieben Bis an das End vereinigt blieben.
Ich thue hinzu:
Auch in dem Tod vereinigt blieben.
Ja / ich sage noch mehr:
Im Grabe selbst vereinigt blieben.
Wie sie unzertrennet waren im Leben / so blieben sie auch unzertrennet im Tode /
ja sie bleiben jetzo noch unzertrennet im Grabe. Hatten sie bey einander gelebet
über der Erden / so verlangten sie auch bey einander zu liegen unter der Erden.
Ubi ego ibi tu, ubi tu ibi ego! riefen einander an ihren Hochzeit-Tagen die
Römischen Ehe-Gesellschafter zu. Ubi ego, hieß es / ibi tu, ubi tu ibi ego.
Welches im Teutschen etwa könte gegeben werden:
Wir beyde wollen uns einander so verschreiben / Daß weder ich von dir noch du von
mir solst bleiben.
Kömt überein mit der unvergleichlichen Resolution, welche dort die Ruth gegen die
Naemi vernehmen ließ: Wo du hingehest, da wil ich auch hingehen, wo du bleibest,
da bleibe ich auch, wo du stirbest, da sterbe ich auch, da wil ich auch begraben
werden. Wer wil in Zweifel ziehen / daß eben dieses des wolseligen Herrn
Vice-Domini Meinung gewesen / als er sahe / daß dessen getreue Ehegattin durch
einen unvermuhteten Tod von ihm getrennet wurde? Ex mortemors, schrieb jener
über ein Paar hinter einander sterbende Ehe-Leute:
EX MOR TE MORS.
Des einen Tod Giebt Sterbens-Noht.
Wie es nicht müglich ist / daß ein Feuer weiter brennen kan / wenn ihm alles /
was die Flamme erhält / entzogen wird: Also hat das Hertz eines Ehegatten / nach
hinweggenommener Liebes-Flamme / welche ihm das rechte Leben giebet / seine
Erhaltung nicht zu hoffen. Wer hat jemals Feuer ohne Entzündung / wer Liebe ohne
Gegen-Liebe / brennen sehen? Was Wunder demnach / daß der wolselige Herr Hilcke
seiner durch den Tod vorangegangenen Frau Liebsten bald nachgefolget? Weil sie
beyde im Leben einander unzertrennete Gesellschaft geleistet / haben sie solches
auch im Tode thun wollen. Sie / die Selige Frau Hilckin, kunte sich gratuliren /
daß sie die irrdische Unvollkommenheit mit dem Himmel zuerst verwechseln solte /
und mochte also von ihrem Tode wol sagen:
PR AEIVISSE JVVAT.
GOtt Lob! daß ich zuerst werd aus der Welt genommen.
Doch wolte sie gleichsam die nun angehende Glückseligkeit auch mit ihrem Eh-Herrn
theilen / gleichwie sie im Leben ihr Hertz und alles mit ihm getheilet hatte.
Derowegen kunte er gar füglich seine scheidende Ehe-Liebste mit diesen
Valet-Worten von sich lassen:
SECVTVM ESSE JVVABIT.
Und ich gedencke bald mit Freuden nachzukommen.
Dictum factum! Wie geredet / so geschehen! Kaum waren 11. Tage vorbey / so folgte
er ihr nach / und hat sich also im Tode / durch welchen er auf eine kleine Zeit
von ihr getrennet war / wiederum mit derselben vereiniget / ja sie liegen nun
beyde zusammen in einem Grabe. Der Monat Sept. wars / der sie vor 30. Jahren
durch das Ehe-Band vereinigte; Der Monat Sept. ists / der sie durch den Tod
zertrennet; Der Monat Sept. ist es auch / der sie im Grabe wiederum
verbunden. Ist das nicht was sonderliches? Ist es nicht was merckwürdiges?
Billig sollte dieser ungewöhnliche Casus mit ungewöhnlichen und Sinnreichen
Grabschriften von mir bemercket werden; Wann aber solches von meinen unberedten
Lippen nicht zu hoffen / als wil ich nur der jetzigen Todes-Vereinigung unserer
Seligverstorbenen Ehe-Leute folgendes Lemma beyfügen:
CONJVNCTIO RARA.
Bedenckliches Zusammenfügen! Da zwey in einem Grabe liegen.
Jene Edle Neapolitanische Ehe-Leute / Antonius ab Alexandro und sein Weib
Magdalena Ricia, sturben auch mit einander / und hat man derowegen auf ihr Grab
diese Worte gesetzet: Quos Deus conjunxit, mors non separet, das ist / was GOtt
zusammen gefüget, das soll der Tod nicht scheiden. Der löbliche Chur-Fürst
Johann Friedrich glorwürdigsten Andenckens meinte seine Gemahlin im Leben recht
treulich und redlich. Daher wolte er auch im Tode nicht von ihr gesondert seyn.
In Erwegung dessen / als er seiner jezt verstorbenen Frau Gemahlin den Ort / da
sie ruhen sollte / in der Kirche zu Weimar auslase / sagte er in Gegenwart derer
/ die das Grab verfertigen musten: Lasset mir nebst ihr einen Raum, ich wil bald
nachfolgen. Hat auch / wie unser selige Herr Vice-Dominus, just 11. Tage nach
seiner Gemahlin Tod / dieses Zeitliche gesegnet.
Was sonst vom seligen Herrn D. Mayern aus dem Engelgraven angeführet wird /
lassen wir andere beurtheilen. Da soll nemlich zuerst eine Frau und bald hernach
ihr Mann gestorben seyn. Ob sie nun gleich auf dem Kirchhofe weit von einander
begraben worden / so wären sie doch die erste Nacht flugs zusammen gerücket /
zum Zeichen / daß auch ihre Seelen in der Seligkeit müsten vereiniget seyn. Jedoch / was
braucht es dieser oder dergleichen Erzehlung? Da wir gegenwärtig ein neues
Exempel haben / und in der That erfahren / daß auch Mann und Frau gar bald
zusammen gerückt / und nun im Tode / so zu reden / einander in Armen liegen /
dergestalt / daß man ihrem Grabe mit Wahrheit keinen bessern Namen geben könte /
als wenn man solches hiesse:
.
SEPVLCHR VM AMANTIVM.
Mit beygefügter Erklärung:
Hier liegen zwey begraben, Die sich geliebet haben.
So lieblich aber dieses alles sich hören und sehen lässet / so hart scheint es
doch zu klingen in den Ohren derer / welche diese schleunige und unverhoffte
Todes-Vereinigung nicht gerne sehen / vielmehr dadurch zum höchsten betrübet
worden. Denn diese treten meinem Bedüncken nach zusammen / vereinigen ihre
Klagen / und bedauret der eine / daß er seine Liebwehrte Anverwandten / der
andere / daß er einen aufrichtigen Collegen, in welchem kein Falsch war / der
dritte / daß er seine gütige Herrschaft / der vierdte / daß er so liebreiche
Wolthäter / der fünfte / daß er seine Special-gute Freunde / getreue Nachbarn /
gute Bekandten / und was dergleichen mehr / so bald und auf einmal verlohren
habe. Ich selbst schliesse mich hievon nicht aus / sondern beklage derselben
erfolgte Todes-Vereinigung von Hertzen / und wünsche / wenn wünschen was helffen
wollte / sie lieber im Leben / als im Tode / vereiniget zu sehen. Und gewiß / wo
es zu bejammern / wenn der Tod nur bey einem Menschen die genaue Vereinigung der
Seelen und des Leibes zertrennet / so verdienet es eine weit grössere
Trauer-Klage / wenn er zweyer Eh-Leute zugleich sich bemächtiget / welche noch
vielen ein lobwürdiges Beyspiel getreuer Liebes-Vereinigung hätten seyn können.
Allein / wie steht der Sachen abzuhelffen? Wir alle müssen erkennen / daß der
Himmel selbst diese unzertrennete Vereinigung im Leben und Tod zwischen den
beyden Seligen beliebet / und haben wir daher Uhrsache / mehr mit Freuden als
Betrübnis / dieselbige anzuschauen. Zweifels ohne sind die Seelen dieser beyden
Eh-Leute von der Gemeine der heiligen Engel und Auserwehlten in ihre
Gesellschaft aufgenommen worden / und mögen wir billig das Andencken solcher
erlangten seligen Vereinigung also beschreiben:
CONJVNCTIO LAETA.
So bald sie dort zusammen kommen, Sind sie mit Freuden aufgenommen.
O ja! da ist kein Zweifel dran. Es ist wahr / was ich gesaget:
CONJVNCTIO LAETA.
So bald sie dort zusammen kommen, Sind sie mit Freuden aufgenommen.
Wie sie anjetzo den Leibern nach im Grabe / so sind sie den Seelen nach im Himmel
vereiniget: Vereiniget unter sich / vereiniget mit den Auserwehlten / vereiniget
mit den heiligen Engeln / vereiniget mit dem Dreyeinigen GOtt selbst. Sie / die
wolselige Frau Hilckin, ist nun / als eine köstliche Perle, an dem Ort / da die
Pforten von 12. Perlen sind / wol verwahret, und Er / der Selige Herr
Vice-Dominus, hat sein Ramens-Fest, welches in der Welt 54. mal von ihm gefeyret
worden / am jüngst-verwichenen Donnerstage das erste mal im Himmel / in
Gesellschaft der Auserwehlten und heiligen Engeln / mit vielem Jauchzen und
Frolocken celebriret. O
der seligen Veränderung! Ja o der freudigen Vereinigung!
Wann dann beyderley aus ihrer geschehenen Todes-Vereinigung herfliesset / wer
wolte sich hierüber noch weiter betrüben? Oder wer wolte ihnen ihren
selig-vereinigten Zustand mißgönnen? Sie / Hochwehrteste Leidtragende, werden es
verhoffendlich nicht thun. Und daß es diese theure / daß es diese Hochgeschäzte
Leichen-Versamlung zu thun nicht gesonnen / überredet mich der Endzweck ihrer
hohen und geneigten Gegenwart / als welcher vornemlich dahin gerichtet ist / daß
sie / dem Selig-verstorbenen Paar mit ihrer hochansehnlichen Frequenz die lezte
Ehre zu erweisen / der disfals angestellten Gedächtnis-Predigt gütigst
beyzuwohnen / und übrigens Beyderseits in geneigtem Andencken zu behalten, sich
einmühtig vereiniget haben. Wie nun dieses zur sonberbaren Aufrichtung der
sämtlichen Leidtragenden gereichet: Also vereinigen sich dieselbe hinwiederum /
Ihnen insgesamt vor sothane hohe Gunst und Gewogenheit durch mich respectivè
gehorsamen und ergebensten Danck abzustatten / mit angehängtem hertzlichen
Wunsche / daß sie sowol vor sich / als auch mit ihren Hochwehrtesten Familien,
noch lange Jahre in einer unzertrennlich-beglückten Vereinigung leben und
bleiben mögen.
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EPICEDIVM, VRNAE VIRI
PLVRIMVM REVERENDI, NOBILISSIMI atque
CONSVLTISSIMI, DOMINI MATTHAEI HILLEKENII, JCti, PER QVAM REV. COLLEGII
CANONICORVM AD AEDEM BLASIAN AM BRVNSVIGAE, VICE-DOMINISPECTATISSIMI, ET
CANONICI RELIGIOSISSIMI,
XII. SEPTEMB. ANNO MDCC XIX. BEATE
DEFV NCTI, ET XVII. MENSIS EIVSD. TVMBAE SVAE ILLATI, ADCOHONEST AND AM
OPTIMI VIRI MEMORIAM IPSO EXSEQVIAR VM DIE, QVI ER AT XXIV. SEPTEMBR. INSCRIPTVM
A JO ANNE DANIELE COORDES. CON-R. CATH.
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BRVNSVIGAE, Typis FRIEDERICI GUILIELMI MEYERI,
MDCCXIX.
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Effertur Canonicus, Exstinctus secundum naturae canonem, Exceptionem non
admittentem, Nisi in hoc, Quod, contra, quam omnes regulae, Omnem plane
exceptionem respuit. Virum dico. Plurimum Reuerendum, Nobilissimum atque
Consultissimum, DOMINVM MATTHAEVM HILLEKENIVM, Canonicum ecclesiae S. Blasii
vere canonicum, Et Vice-Dominum sine vitio. Ortus erat honeste honestis
parentibus Bremae: Doctrinam formarant binae academiae, Vicina Helmstadii, Et
Lugdunensis in Batavis, Longe vltra triennium, Cum successu ter felici.
Pontificis Canones, non vsque quaque canonicos, si respicis, Canonicus erat
irregularis, & non canonicus;
Secularis, Sine tamen seculo, Nec seculi labe infectus. Ad verum autem
doctrinae morumue canonem Vitam moresque si exigis, Canonicum fuisse regularem
nemo negauerit: Quia nihil
defectum canonicum in eo
arguat: NON VITA: Haud quidem erat
asceta &
religiosus, Asceticam tamen vitam religiose coluit,
Praxin & pietatis exercitia nunquam intermittens.
Nec aetatem egit procul a negotiis ciuilibus, In claustro vel secessu, Sed in
celebritate & hominum consortio: Quo subleuaret, quotquot ejus opis
indigebant, Consilio, re, Prout e cujusque re erat: Illum vere viuere persuasus,
Qui non sibi viuit, sed aliis; Et possidere diuitias, qui aliis diuidit, Non ab
iis possessus.
NON MORES: Erant enim sine macula, quia candidi: Sinceri, quia non fucati:
Integri, quia non corrupti. Honoratus erat, non tamen elatus, Quoniam sublimem
nouerat esse virtutem, Humiliter de se sentire. Abundabat diuitiis sine vitiis:
Verbo; Mores erant Canonico digni, Quia canonici.
NON IPSVM denique, in quo vixit, CONJVGIVM Conjux erat e nobilissima CALMIORVM
gente, Quam ideo sibi adsciuerat, Quo magis viueret canonice. Et quidni? Jus
enim Canonicum, qua vetat clericorum connubia, Sciebat esse minus canonicum, Et
in extrauagantes desinere.
Conjugem ipsam amauit amore prorsus eximio, Ut vere in vnum dixisses coaluisse
duorum corpora, Quae ne morte quidem ipsa potuerunt diuelli. Illa enim
exstincta, interjectis diebus pauculis Et ipse exstinctus, Morte sejuncti &
conjuncti. Vixit tamen improlis: Nimirum, Quo plures susciperet liberos, Opera
consilioque tuendos: Quorum alii curae ejus erant, alii minus traditi: Neutros
tamen a cura sua deseruit, Arbitratus,
Non tam facere bonum, cui faciendum, Quam qui facit, cum non faciendum, Haud
facere jussus.
Ploratur ergo mortuus, Qui viuus tantae tot hominibus fuit voluptati: Et quo
voluptas illa fuit solidior, Eo jam fletus est acerbior.
Deflent Collegae, Non, quod amiserunt collegam, sed Virum optimum: Deflent
amici, Quia nemo fuit amicis amicior: Deflent omnes boni, Quod bonus fuit inter
paucissimos, Quique proximi bonum ideo tam cordi carum habuit, Quia proximi, Hoc
est, non suum erat.
Jam sanctorum choro insertus & angelorum, Hoc est,
canonizatus, sine tamen
canonizatione, Laudes
Dei recinit, Non
horis canonicis sed omnibus, Vera
beatae immortalitatis
praebenda auctus, Non amplius
in herbis, Sed
in floribus
Canonicus.
Tantum te volui, viator: Jam abi, Et quo discas bene mori, Disce, Canonici
nostri exemplo, canonice vivere.
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Klage Uber den unvermuhteten Tod Zweyer In die 30. Jahr einander
hertzlich-geliebten Ehe-Leute / Nemlich Des Weyland Hoch-Wol Ehrwürdigen, Hoch
Edlen, Jesten und Hochgelahrten Herrn
Matthäi Hilken / JCti, des Hochfürstl. Stifts St. BLASII zu Braunschweig
wolgewürdigten CANONICI, VICE-DOMINI und THESAVRARII, Wie auch Der Weyland Hoch
Edlen, Hoch Ehr- und Tugend-Belobten Frauen
Margarethä Hilkin / Gebohrnen von Kalm / Von welchen Diese am 1 sten / und
Jener am 12ten Sept. des jezt-lauffenden 1719ten Jahrs dieses Zeitliche
gesegnet, Deren verblichene Cörper Bald nach einander in St. Blasii Kirchen des
Abends beygesetzet, Beyde zugleich aber Am XVI. Sonntage nach Trinit. war der
24. ejusd. mit einer öffentlichen Leich- und Bedächtniß-Predigt /
Christ-üblichen Ceremonien nach, beehret worden, Zu Bezeugung schuldigster
Condolence, in Helmstädt wehmühtig angestimmet von Johann Samuel Müllern, Phil.
& SS. Theol. Stud.
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Braunschweig / gedruckt bey Friedrich Wilhelm Meyer / Hertzogl. privileg.
Buchdrucker.
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OUnglücks-voller Schlag! Der Mann und Frau zugleich In Staub und Asche legt!
Oharter Donnerstreich, Verknüpft mitlauter Blitz! O Zufall voll Entsetzen, Den
wir mit schwartzer Schrift mit Recht in Marmel ätzen! Die Liebste ging voran,
und starb, wiewol vergnügt, Theils, weil Sie nun den Tod nebst aller Qvaal
besiegt; Theils, weil die Glieder noch die lezte Freude hatten, Zu sterben in
dem Arm des wehrten Ehegatten. Wie freudig Sie nun starb, um so viel mehr
betrübt Warst Du, Wolseliger. Ihr hattet Euch geliebt Nicht nach gemeiner Art.
Es waren Euch wie Stunden Der Ehe dreyßig Jahr in froher Lust verschwunden. Je
angenehmer nun ein so vergnügtes Band, Je grössern Schmertzen machts, wenn
Mortens kalte Hand Es unverhofft zertrennt, die vorge Lust verrücket, Und das
geliebte Theil zufrüh zur Bahre schicket. Wir sahen dis an Dir nur
leyder! allzu viel. Du wurdest bald hernach der Kranckheit selbst zum Ziel, Die
Glieder waren matt, die Kräfte gantz verschwunden, An deren statt sich Angst und
Ohnmacht eingefunden. In dieser Deiner Angst, in dieser Deiner Noht Begehrtest
Du von mir auf Deiner Liebsten Tod Ein Klag- und Trost-Gedicht, wie schlecht es
sonst auch klinget, Was meine Poesie bey solchen Fällen singet. Doch nahm ich
solches an, und überschickte Dir Ein Lied, in welchem ich von Ihrer Tugend Zier,
So viel die Zeit vergönnt, ein Bild entworfen hatte, Wiewol es sonst nichts war
als nur ein blosser Schatte. Mein Vers, der nichts von Farb und grossem Zieraht
weis, War viel zu schlecht vor Sie und Ihrer Tugend Preis: Und wenn Ihr Ruhm aus
Zelt der Sternen solte dringen, So hätt’ ein beßrer Schwan von solchem müssen
singen. Doch ach! daß leider schon mein überschicktes Blat Im lezten Todes-Kampf
Dich angetroffen hat! So bald es überkam, so woltest Du Dein Leben Dem, der es
Dir ertheilt, auch wieder übergeben. Gewiß! hier siehet man, was wahre Liebe
thut, Und wie dieselbe blos in dem Geliebten ruht, Sie scheut auch nicht den
Tod, nur jenes zu erwerben. So wil Petrarcha gern bey seiner Laura sterben, Und
Abelardens Leib Helissens Nachbar seyn. So stürzt sich Plautius selbst in die
Flamm’ hinein, Durch welche kurtz vorher sein Ehgemahl verzehret. Also wird
Paetus auch durch gleiches Schwerdt versehret, Das noch von Arriens vergoßnem
Blut geraucht, Und Priami Gewehr in eignes Blut getaucht, Rachdem er Thisben Tod
und sich verlohren schätzet, Weswegen ihn nichts mehr als gleicher Tod ergetzet.
Darum erbleichst Du auch / Wolsel’ger / höchst vergnügt / Indem anjetzo Dir nichts
mehr im Wege liegt, In unbefleckter Gluht Dieselbe zu umfassen, So Deinen
Schoos, wiewol auf kurtze Zeit, verlassen. Allein was sagt das Stift? was sagt
der Freunde Schaar? Was sagt das arme Volck bey Deiner Todten-Bahr? Ist Ihnen
jezt durch Dich nicht eine Seul entrissen, Die Sie nur allzu viel hinfüro werden
missen? Sie geben zwar dem Schmertz anjetzo billig statt; Doch wissen Sie
zugleich, wo solcher Schrancken hat: Sie wissen, da Sie GOtt und dessen Willen
lieben, Die Tugend der Gedult nicht minder auszuüben. Indeß / Erblaßtes Paar /
vergönne / daß zulezt Mein Kiel auf Deine Gruft noch diese Zeilen sezt: Die / wo
ein Geist nur ward in zweyen Leibern funden / Hat zwar der Tod getrennt / doch
wiederum verbunden.
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Das Unzertrennliche Band Des weiland Hoch-Wol Ehrwürdigen, Hoch Edlen und
Hochgelahrten Hn. HERRN
Matthäi Hilcken / Hochwohlgelahrten JCti und des hiesigen Fürstl. Stifts S.
Blasii Hochwohlgewürdigten Canonici, Vice-Domini und Thesaurarii, und Der
weiland Hoch Edlen und Hoch Tugendbelobten Frauen, FRAUEN
Margarethen von Kalm / Als welche nach ihrer im Leben vergnügt geführten
treuen Ehe durch Kranckheit und Tod in kurtzer Zeit einander in die seelige
Ewigkeit gefolget / Führet sich am Tage Ihrer Hochansehnlichen Leich-Begängniß
zu Gemühte Deroselben verbundenster Vetter Heinrich Vernhard Schrader.
Braunschweig, Gedruckt bey Friedrich Wilhelm Meyer / Hertzogl. privileg.
Buchdr. 1719.
Wenn GOtt durch Menschen-Hand zwo Seelen so verbindet / Daß sie / der Neigung
nach / nur eine Seele seyn; So hört man / daß dabey sich dieser Ausspruch
findet: Sonst nichtes, als der Tod, soll dieses Band entzweyn. Doch hier wil uns
der Tod ein neues Beyspiel gönnen / Da er das Ehe-Band so fest zu seyn erkenn’t
/ Daß seine Sichel es so leichte nicht kan trennen / Als Alexanders Schwerdt des
Gordji Knoten trennt. Das Beyspiel sehen wir an Euch verstorbnen Beyden, Die
lebend gleiche Lieb und Tugend fest verband. Gewißlich Eure Eh’ kan Noht und Tod
nicht scheiden; Dies wird bey Eurem Bett und Baare gnug erkannt. Legt ein
betrübter Schmertz die Liebst’ aufs Krancken-Bette; So legte bald darauf sich
auch der Liebste hin: Zum Zeichen / daß man hie ein klares Zeugniß hätte / Daß
Beyde, wie gesund / so kranck / von einem Sinn. Ja wie der seelge Tod die
Liebste gar entführ’te; Da sahe man / wie fest das Band der Liebe war. Indem ein
solcher Zug des Liebsten Hertze rührte / Als zög’ es Lieb und Treu mit auf die
Todten-Baar. Nun ist der Liebste gar der Liebsten nachgegangen / Wohin des
Himmels Schluß Sie aus der Welt entführt. Schickt’ es für Christen sich / mit
Heiden-Fabeln prangen; Gebürt’ Ihm größrer Ruhm / als Orpheus je gebürt. Wiewol
je fester jezt das Band im Himmel bleibet / Das Euch, wohlseelge Zwey, auf Erden
fest bestrickt; Je himlischer ist auch die Freude die Ihr treibet / Weil Euren
Umgang nun kein irdsches Leyd mehr drückt. GOtt aber / der Euch nun aufs neue
copuliret / Seegn’ in dem Himmel Euch, als Engel / himlisch ein. Bis er uns auch
dereinst zur Himmels-Hochzeit führet / Das Freundschaffts-Band mit Euch auf ewig
zu erneu’n.
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