Available at (c) Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Der
Erschien 1724 bei Michael Hubert in Breslau und Leipzig.
München: Bayerische Staatsbibliothek. Film R 2001.281,BUWrC-0347#ab Bildnr. 630. Vorlage: Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sign. Geneal. 87.
Genealogische Kompendien oder Geschlecht-Register
(Vorbericht, unpag.) waren zu Beginn des 18. Jahrhunderts keine Seltenheit. Der Autor des
anonymen bißhero eine grosse Menge Bücher hervor gethan, die von
beyden so viel, als zu dem gegenwärtigen Zustande der Europäischen Reiche gehört,
zusammen fassen, und damit dem Verlangen der neubegierigen Welt ein Genügen leisten
wollen
(Vorbericht, unpag.). Dazu zählt der Autor vor allem das ebenfalls in Breslau erschienene
mehrteilige Werk Das ietztlebende Franckreich,
welches vor kurtzer Zeit in der Schweitz ans Licht getreten, hat auch viel Liebhaber
gefunden, und wofern dessen gelehrter Autor, so wie zu hoffen, auch die andern
Europäischen Reiche, auf gleiche Art, künfftighin beschreibet, wird dieses Werk unter
denen Genealogischen Büchern unsrer Zeit mit Recht einen ansehnlichen Platz
verdienen
(Vorbericht, unpag.). Auch einer der erfolgreichsten Vertreter der genealogischen Gattung
im 18. Jahrhundert, Vollkommenheit
genealogischer Projekte schlechterdings jedoch nicht
möglich – schließlich veränderten sich die Welt und damit auch die Geschlechtes
Stamm-Tafeln
(Vorrede, unpag.) in zu hohem Tempo. Der Autor illustriert diese Einsicht mit der
gängigen Welttheater-Metaphorik: Das aber bleibt wol eine ausgemachte Sache, daß
viel Ursachen im Wege stehn, die uns verhindern in Genealogicis zu einer rechten
Vollkommenheit zu gelangen: Denn die Welt selbst ist ein Schauplatz nach dem Auspruch
der vornehmsten Weltweisen, das heist, sie verändert sich täglich durch hoher Personen
Geburten und Todes-Fälle; wie kann also ein Buch, das Geschlechts-Register in sich
hält, iemals vollkommen seyn?
(Vorrede, unpag.) – anders gewendet: Die einmal fixierte, imaginäre Bühne des Buches
hält mit der Dynamik des sich durch Geburt und Tod permanent verändernden Weltschauplatzes
nicht mehr Schritt: Und wie ist es zu ändern, wenn die Bogen schon aus der
Presse?
(Vorrede, unpag.) Daneben betont der Autor auch die Mühen, überhaupt glaubwürdige
Nachrichten von Vornehmen Familien zusammen zu klauben
(Vorrede, unpag.). Bemerkenswert auch die Funktion, die den Studii
Genealogici
zugeschrieben wird – sie seien ein edler
Zeit-Vertreib
(Vorrede, unpag.) und der eigentliche Entstehungsimpuls des Werks: Da nun sein
[des Autors] Genealogischer Vorrath und die gesammleten Nachrichten zeithero,
besonders aber dadurch, angewachsen, als Ihm vor zwey Jahren ein Genealogisches Werk
zu Handen kommen, welches die fleißige Feder desjenigen, dessen das allgemeine
Historische Lexikon in der Vorrede mit wohlverdientem Ruhm gedencket, mit vielen
sonderbaren Anmerckungen bereichert, hat er den Abriß zu gegenwärtigem Wercke gemacht,
und dabey glauben können, daß es nicht unangenehm seyn werde, die Häuser der
ietztlebenden Durchlauchtigsten hohen Häupter [...] kennen zu lernen
(Vorrede,
unpag.).
Der Haupttext des I.
Von Portugall
: Diejenigen, so die Feder angesetzt, das von uns bewohnte
Theil der Welt, Europam, zu beschreiben, machen fast alle den Anfang mit Portugall,
welches gegen Mitternacht und Morgen Spanien, gegen Abend und Mittag das Atlantische
Meer zur Seiten findet
(S. 1). Die summarisch-historische Einführung beginnt bei den ersten
portugiesischen Königen im 12. Jahrhundert und geht dann in eine narrativ gehaltene
chronologische Liste der Potentaten über, deren Sterbedaten jeweils an der
Seitenmarginalie ausgewiesen werden. Eine der typischen, anekdotenhaften Kurzwürdigungen
der Regenten lautet: Petrvs I. war ein Herr, der die Gerechtigkeit auf alle Art und
Weise befördert; und es ist bekandt, daß, wenn ein Tag vorbey gangen, in welchem er
niemanden einige Wohlthat erzeigen können, er wider seine Räthe sich folgender Worte
gebraucht: An diesem Tage bin ich kein König gewesen
(S. 3). In nur wenigen Seiten erfolgt ein Durchlauf bis ins frühe 18.
Jahrhundert, auf den die im Vorwort bereits versprochenen genealogischen Tabellen folgen – neben den Königen werden hier auch
Einige in Portugall itzo florirende Familien
samt einiger
biographischer Kurznotizen (S. 12) aufgelistet. Ab S. 14 schließt Spanien an (Kapitel II) – auch hier bedient sich der
historische Kurzabriss extremer Verknappung: Der Zeitspanne vom 5. bis zum 15. Jahrhundert
gönnt der Carovls [...] ward König aller ererbten Spanischen Reiche, und bald hernach
beförderte ihn seine Tugend auch zu dem Römischen Kayserthum
(S. 17). Im Anschluss an Vornehme Familien
in Spanien
(S. 26) etc. Frankreich folgt im nächsten Kapitel ab S. 59. Die historische Einleitung bedient sich hier erstmals eines spöttischen
Tons (möglicherweise ist das den Unterhaltungsintentionen des Autors geschuldet):
Die alten Gallier [...] unterstunden sich in dem 386. Jahre vor Christi Gebuhrt
Italien zu besuchen, und Rom, welches noch nicht vier Saecula erreicht hatte, in
seinen Mauren zu erschrecken
(S. 59). In rund 20 Seiten arbeitet sich der Autor bis zu daß er
seinem kleinen Ur-Enckel ein verarmtes und in Schulden steckendes Reich
hinterlassen
(S. 78). Der genealogische Anhang ist noch umfassender als jener über Spanien
(über 60 Seiten); zudem setzt der Autor hier zum ersten Mal ein alphabetisches
Ordnungsmuter ein: Einige andre vornehme Familien dieses Königreichs in
Alphabetischer Ordnung
(S. 115). Von Groß-Brittanien und Irrland
(Kapitel IV) handelt
der Als gegen Mitternacht mit denen Alpen, auf allen andern Seiten
aber mit dem Meer umschränckte Italien, ist in dem Zustande, wie wir es heutiges Tages
finden, ein unter viele Souverainen und Republiquen zertheiltes Land [...]
(S. 197). Hier interessieren den Autor vor allem die Ansprüche des deutschen
Reichs auf italienische Gebiete, was er auch mit autoritativen Referenztexten
unterstreicht: Und Florentz, so sehr es auch zu unsern Zeiten für seine Freyheit
oder Independenz schreiben will, bleibt doch gleichfalls ein Stück des Königreichs
Italien, mithin auch unter der Gewalt der Teutschen Kayser. Und der gelehrte Autor der
weitberühmten Schrifft: De Jure Imperii in magnum Ducatum Etruriae, hat vor weniger
Zeit deutlich gewiesen, daß es uns weder an glaubwürdigen Urkunden, noch an
vortrefflichen Zeugnissen der besten Geschichtschreiber, solches bestätigen können,
fehle
(S. 200). Es schließt sich die Genealogie römischer Päpste und italienischer
Fürsten und Herzöge an (ab S. 203). Hier werden selbst Unterschiedne kleine Italienische
Fürsten
tabellarisch aufgeführt (ab S. 208).
Ab Kapitel VI (S. 233) wendet sich der Die alten Teutschen, die ihre tapffere Thaten nicht mit der Feder, sondern
durch die über ihre Feinde erhaltene Siege, bekandt machen [...]
(S. 233). Der Umfang der historischen Einführung ist ungleich umfassender als
in den vorigen Kapiteln, dennoch ist die Darstellung auch hier nach weniger als drei
Seiten im 8. Jahrhundert angelangt, bei dem I. Periodus der Carolingischen
Kayser
(S. 235); ab S. 241 folgt der II. Periodus der Sächsischen Könige und
Kayser
(S. 241), ab S. 246 der III. Peridous der Franckischen Könige und Kayser
, ab
S. 250 der IV. Periodus der Schwäbischen Kayser
, ab S. 256 der V. Periodus. Kayser, aus unterschiednen Häusern
, ab
S. 260 der VI. Periodus der Kayser aus dem Ertz-Herzogl. Hause
Oesterreich
. Hier heißt es in einer einleitenden Einschätzung: Von
dieser Zeit fangen wir den glückseligen Periodum der Teutschen Kayser aus dem
Ertz-Hertzoglichen Hause Oesterreich an
(S. 260). Die biographische Reihe habsburgischer Kaiser schließt mit der
Regentschaft [...] der
Höchste das täglich anwachsende Glücke des Aller-Durchl. Ertz-Herzogl. Hauses
Oesterreich mit männlichen Erben vermehren, befestigen, und biß an das Ende der Welt
erhalten wolle
(S. 271). In der sich anschließenden Genealogische[n] Betrachtung des H.
Röm. Reiches
(ab S. 272) trennt der Autor zwischen I. Dem Röm. Kayser, aus dem
Aller-Durchlauchtigsten Ertz-Hertzoglichen Hause Oesterreich
sowie – auf einer
untergeordneten Ebene – II. Die Chur-Fürsten, Fürsten und Grafen des Heil. Röm.
Reichs
. Der erste Teil ist mit rund 100 Seiten der umfangreichste
genealogische Abschnitt (bis S. 376). Im zweiten Teil werden zunächst die zur Kaiserwahl befugten
Kurfürsten und Erzbischöfe aufgeführt, im Anschluss jedoch auch Reichsprälaten (S. 388) und viele weitere wie Markgrafen, Herzöge, Landgrafen; zudem jene
Häuser, so im verwichnen XVII. Saeculo in den Fürsten-Stand erhoben worden
(S. 433) und auch Reichsgrafenkollegien das Wetterauische
Collegium
(S. 557).
Erst ab S. 585 folgt das Kapitel VII Von Polen
. Der 15-seitige
Kurzabriss polnischer Regentschaften endet bei Die Geschichte dieses Reiches, welches nach allgemeinem Beyfall aller
Scribenten eines der ältesten ist, haben unter ihren Haupt-Veränderungen schon vor
[...] unsers Heylandes Gnaden-reicher Gebuhrt Könige aufzuweisen, deren Thaten aber
bey den Mangel glaubwürdiger Urkunden entweder gar unbekandt, oder aber wegen
unrichtiger Zeit-Rechnung und Vermischung mit allerhand Fabeln dunckel und
zweiffelhaft sind; daher wird auch die erstern Periodus nur mit wenigem berühren
[...]
(S. 611). S. 621-627 folgen wiederum die obligatorischen, teils ausklappbaren
Genealogietabellen. Schweden folgt mit Kapitel X ab S. 628 – hier setzt die Regentenfolge in der Einführung mit dem 16. Jahrhundert
sogar noch später ein als in den Abrissen zu Dänemark (genealogischer Teil S. 639-648). Das letzte und elfte Kapitel handelt Von Moscau oder
Rußland
(ab S. 649). Den Supplementum Desjenigen Was noch
beyzufügen und anzumercken für nöthig erachtet
(ab S. 661).
Das Erscheinungsjahr des das soziale Kapital des Herkommens
(ein edler
Zeit-Vertreib
(Vorrede, unpag.). Diese Aussage verweist möglicherweise auf den engen
Zusammenhang von Genealogie und frühneuzeitlicher Zeitungslektüre (dazu
Supplementum
des
Von genealogischen Texten des späten 18. Jahrhunderts unterscheidet sich das vorliegende Werk zudem dadurch, dass ein historisch-kritischer Anspruch noch vollkommen fehlt.