Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel ( copyright information )
In einer von den Inseln, welche der Stadt Hieres in der
vence
altes
Schloß, am Rande des Meeres, wovon die Beschreibung in einer
spanischen
Roman wenigstens zwanzig Seiten einzunehmen verdiente.
Auch ich würde
dieses Blat damit auszuschmücken nicht vergessen, und
der gothischen
Baukunst alle Kunstwörter, wann sie anders welche hat,
abborgen, wenn ich
nicht die Ungeduld meiner Leser befürchten müßte.
Der
Allee von Pommeranzenbäumen
gedenken, welche in diesen Inseln sehr
häuffig sind. In dieser Allee war
es, wo, im Monate September
gangenen
einsiedlerische Schloß besitzt.
Die älteste von diesen zwey Schwestern ist schön; die jüngste ist
sehr
artig; die eine erweckt
welche
ich Lucile nennen will, liebt das Abentheuerliche; Marianne
ihre jüngere Schwester begnügt sich
natürlich und aufgeweckt zu seyn,
womit sie ein gutes Herz und viel
Lucile hat
auch Verstand; zu
viel spröde Gesinnung und Eigenliebe aber, andre
ausser sich zu lieben. Marianne liebte ihre Schwester
sich
gleichwohl, aus Stolz, eine Art von Herrschaft über sie anmaßte,
welche
ernsthafte
Lucilenäherte sich mit langsamen Schritten dem Ufer des
Meeres.
Sie war seit einigen Tagen traurig. Marianne
zog sie damit auf,
daß sie der Vater, aus eigennützigen Absichten, an einen
benachbarten
Edelmann, welcher weder jung noch liebenswürdig war,
verheyrathen
wollte. Diese Heyrath ist gar nicht für
dich, sagt Marianne
scherzend zu ihr. Du bist gebohren, am Ende eines Romans, einen Cyrus oder
einen Orondates zu heyrathen.
In der That war die Denkungsart der Lucile ziemlich
mäßig
in der Stadt nichts mehr weiß, und die man in
wüste Schlösser
banntLucile bewohnte, wo die
manen
die sehr wohl zu den Ideen paßten, womit sie
sich beschäftigte. Nachdem
sie ihre Augen ziemlich lange auf dem Meere
hatte herumschweiffen lassen,
fiel sie in ein tieffes Nachdenken. Marianne fragte sie um die
sacheMarianne drang so
lange
in sie, bis sie sich entschloß, das Stillschweigen zu brechen.
Anfangs ließ
sie sich, ungeachtet ihres natürlichen Stolzes, soweit herab,
daß sie ihre
Schwester umarmte, und recht aufrichtig umarmte; denn sie
liebte alle
diejenigen sehr zärtlich, die sie nöthig hatte. Hierauf reichte
sie ihr, mit
einer kostbaren Gebehrde, das da hier! lies,
lies einmal die Unruhen und Verwirrungen der zärtlichen Hero,
worinne sie ihren geliebten Leander, welcher durchs Meer zu ihr
schwimmen soll, auf dem Thurme erwartet. Ich brauche das Buch
nicht, versetzte Marianne,
Als Lucile sahe, daß sie schon um die Sache wußte, so
machte
sie ihr länger aus ihrer Liebe kein Geheimniß, aus der Liebe
nemlich,
die sie zu haben glaubte; denn der Stand und das Vermögen ihres
Leanders hatte sie weit mehr
liebte grosse Gesinnungen; sie strebte darnach, und brachte es
endlich
dahin, daß sie sich etwas wirklich zu fühlen überredte, was sie
sich nur
und predigte Mariannen alles vor, was man nur
möglicher Weise
von der schönsten
Zur Sache, antwortete Marianne: Leander
ist sehr reich; der Gemahl, dem dich mein Vater bestimmt, ist es
eben nicht. Ich will ihn heyrathen, dir die Freyheit
zu lassen, den andren heyrathen zu können. Ich will unsern Vater
schon dahin bringen.
Der Vater war ein guter Dorfjuncker, dem die Geartheit der
Marianne gefiel; daher er sie weit mehr als die ältere
Tochter liebte.
Bey Tische besonders pflegte der gute Alte, welcher eben so
für den Wein als für das muntre Wesen seiner jüngern Tochter
war,
die häuslichen Angelegenheiten mit ihr abzuthun. Gleichwohl hatte
sie
Mühe von ihrem Vater, welcher sich ein Bedencken machte, das Recht
der
Erstgeburt nicht zu beobachten, die Einwilligung zur Heyrath, vor
ihrer
älteren Schwester, zu erhalten. Es mußte Lucile dieses Recht schriftlich
an Mariannen
abtreten, und da Lucile die wahrhafte Ursache ihrem
Vater nicht entdecken wollte, so sagte sie nur: sie empfände,
ich weiß nicht was für eine Antipathie gegen den Gemahl, welchen
sie ihrer Schwester abgetreten. Man machte sich nicht wenig
Beyde Schwestern waren gleich vergnügt. Denn Marianne,
die
gegen ihr eigen Vortheil ganz gleichgültig war, theilte die Hoffnung
eines
schimmernden Glücks recht aufrichtig mit ihrer Schwester.
Unterdessen
verflossen einige Tage, und die Zeit die Leander zu seiner Zurückkunft
festgesetzt hatte war bereits
verstrichen. Lucile fing an, tödliche Unruhen
zu
empfinden, und Marianne schob ihre kleine Ausstattung von
einem
Tage zum andern auf, fest entschlossen sie ihrer Schwester wieder
zutreten
Eines Tages befanden sich beyde am Ende eben derselben Allee,
aus welcher
man auf das offne Meer sehen konnte. Lucile hatte
ihre
Augen gegen die Reede von Toulon geheftet, von wannen derjenige
kommen
sollte, der sich nur deßwegen von ihr beurlaubt hatte, die
Einwilligung
seiner Aeltern in diese Heyrath zu hohlen. Sie war in
Traurigkeit
senkt
ausser sich, als ob kein ander Schiff auf dem Meere
seyn könnte, als
dasjenige, welches ihren Geliebten zurückbringen sollte.
Ihre Freude
wurde verdoppelt, als ein Wind, welcher sich erhob, das Schiff
gegen
ihre Insel zu treiben schien. Doch dieser Wind war
ihren Wünschen nicht
lange günstig. Zwar nahte sich das Schiff mit vieler
Geschwindigkeit,
lich
für ihren Leander
offen sahe. Die romanhafte Lucile würde ohne
Zweifel, wenn sie diesen Ort ihrer Geschichte erzählen sollte, sagen, daß die Marter in ihrer Seele nicht weniger stürmisch als
auf dem Meere, wo das Schiff untergehen sollte, gewesen sey.
Nach einigen gefährlichen Stunden, warf ein Windstoß das Schiff
an das
Ufer, zwischen die Felsen, nicht weit vom Schlosse. Man stelle
sich das
Vergnügen vor, welches Lucile empfand, als sie ihren
liebten
Leander sollte sich, bey seiner Zurückkunft, bey einer
Nachbarin
einfinden, wo die ersten Unterhaltungen vorgefallen waren. Sie
war
gleich auf dem Schlosse, wohin sich beyde Schwestern in aller Eil
begaben,
ihr von dem, was sie gesehen hatten, Nachricht zu geben. Dem
Vater
etwas davon zu sagen, hielten sie noch nicht für gut. Lucile sagte ihm
nur, daß sie diese Nacht bey ihrer
Nachbarin zubringen wollte, wie sie
es schon ofte gethan hatte. Marianne aber blieb zu Hause, ihrem
Vater
Gesellschaft zu leisten, welcher sich ihrer nicht entschlagen konnte.
Kaum war Lucile mit der Nachbarin in den Wagen
gestiegen,
als ein Mensch vom Schiffe kam, und mit dem Herrn des Schlosses
zu
sprechen verlangte. Dieser Mensch war eine Art eines groben
Bedienten,
welcher mit einer traurigschrecklichen Erzehlung anfing, wie
viel sein
junger Herr, während des Sturms, erlitten habe.
ließ er sich ziemlich weitläuftig über alle Eigenschaften aus,
die er an
ihm wahrgenommen zu haben glaubte, und schloß endlich mit der
Bitte
um ein Nachtlager für ihn.
Der Vater, der beste Mann von der Welt, ließ sogleich die Fackeln
anzünden,
weil es bey nahe Nacht war. Er wollte sich selbst an das
Ufer begeben wohin
ihm Marianne, aus Neugierde den Liebsten ihrer
Schwester zu sehen, folgte. Sie zweifelte nicht, daß er den Sturm nur zum
Vorwande brauche, unbekannter weise in das Schloß zu kommen, wo er
Lucilen schleuniger zu sehen hoffen konnte als bey seiner
Anverwandtin.
Indem sie auf das Ufer zugingen, wurden sie bey dem Schimmer
andrer Fackeln
auf einem Wege zwischen den Felsen verschiedne Bediente
gewahr, die sich um
ihren Herrn, welcher eben das Schiff verlassen hatte,
beschäftigten. Er war, weil er allzuviel Ungemach in dem Sturme
gestandenMarianne
trachtete
wunderte
Liebhaber zu mißgönnen. Unterdessen kam er wieder zu sich.
Kaum
warf er die Augen auf Mariannen, als sein Übel
auf einmal
schwand
Man bewundre hier die verschiednen Wirkungen der
einmal ist die
natürliche Lebhaftigkeit der Marianne von einer
vorbrechenden
durch ein Feuer, dessen Heftigkeit er bey dem ersten Anblicke
fühlte, neu
belebt wird. Nie ist eine Leidenschaft in ihrer Geburth so
lebhaft
wesenLeander,
welchen eine ganz andre Neigung über
das Meer zu Lucilen führte,
den Augenblick so
Mariannen seyn sollte? Noch
ist es
nicht Zeit auf diese Frage zu antworten. Man bilde sich bloß
einen Menschen
ein, den nichts als die Liebe beseelt. Seine Augen waren
auf Mariannen geheftet, welche die ihren zur Erde
niedergeschlagen
hatte. Beyde waren stum und der Vater allein führte die
Unterredung,
doch ohne die Ursache ihres Stillschweigens zu vermuthen.
Endlich kommen
sie auf dem Schlosse an, wo Marianne
sogleich alle ihre Sorgfalt
sehen läßt. Sie läuft, sie ordnet an, und ist
mit einem Eifer um ihren
liebenswürdigen Gast besorgt, den sie bis jezo nur
einer zärtlichen
freyheitLucile auf das schleunigste
nach Hause kommen zu
lassen, seinem neuen Gaste die Gesellschaft noch
angenehmer zu machen,
welchen man unterdessen mit seinen Bedienten
in einem Zimmer alleine
gelassen hatte.
Man gab der Lucile bey ihrer Nachbarin davon Nachricht.
Sie kam
auf das schleunigste. Sie war ausser sich vor Freuden. Marianne aber
fing an, verdrüßlich zu werden. Dieses
gute Mädchen hatte ihre Liebe
schon gemerckt; sie schämte sich die
Mitbuhlerin ihrer Schwester zu seyn,
und faßte in dem Augenblicke den
festen Entschluß, eine
unterdrücken, welche ihren
Sie lief der Lucile entgegen, sie wünschte ihr aufrichtig Glück, sie
lobte
den neu angekommnen, sie übertrieb alles, was sie angenehmes in
seiner
Gesichtsbildung und in seinem Bezeigen bemerkt hatte, und indem
sie
sich unmerklich dem Vergnügen ihn zu loben überließ,
so macht sie ihr
eine so lebhafte Beschreibung von ihm, daß sie sich ihn
selbst noch tieffer
in das Herz drückte, als er schon darinne war. Sie
schloß ihre
erhebungach Schwester, wie glücklich bist du! Auf einmal kam
ihre Überlegung wieder. Sie blieb
Lucile machte unterdessen, bis Leander erschien, eine Menge
romanenhafte Betrachtungen, über die
Besonderheit dieses Abentheuers.
Das geheimnißvolle Verfahren dieses
Liebhabers von dem feinsten
schmacke
als ob er auf dem Wege in Ohnmacht fiel,
damit er einen Vorwand,
unbekannter Weise herzukommen, und mich angenehm zu
überraschen,
haben möge. Ich will ihm, aus gleicher Feinheit des
Vergnügen lassen, zu glauben, daß er mich überrascht habe.
Ich will
so bald er sich sehen läßt, ein außerordentliches Erstaunen
annehmen,
den angenehmsten Gegenstand - - - Hier ward Lucile von einem
dienten
Die beyden Schwestern traten zu der
einen Thüre in den Saal, indem
der Vater mit dem angenehmesten Gegenstande zu der andern
hinein kam. Dieser ging
auf sie loß, Lucilen seine Ergebenheit zu
bezeigen.
Sobald sie ihn sah, that sie einen Schrey, und blieb unbewegt,
ob sie
gleich versprochen hatte zu thun als ob sie erstaunt wäre.
Marianne fand die Verstellung ein wenig zu übertrieben;
der Vater
aber gab nicht darauf Acht, weil er auf gar nichts Acht gab, so
ein
guter Vater war er.
Lucile war in der That sehr erstaunt. Und wie sollte sie
es
nicht seyn? Der Unbekannte, war ihr erwarteter Leander nicht. Es
war ein junger Kaufmann, den aber seine Bildung und
Gestalt eben so
liebenswürdig als den artigsten jungen Herrn machten. Er
war sehr
reich und brachte auf seinem Schiffe aus Indien sehr viel Waren
mit.
Ein widriger Wind hatte ihn überfallen, als er in die Reede zu
Toulon
einzulauffen glaubte, und hatte ihn, wie wir gesehen haben, auf
diese
Insel verschlagen.
Der junge Liebhaber setzte sich mit dem Vater und den zwey
Töchtern zu
Tische. Die Abendmahlzeit war nicht allzu munter. Nur
der
Vater war völlig zufrieden, und also der einzige, welcher redte. Der
Kaufmann, welcher von dem Schiffbruche, noch mehr aber von seiner
neuen
Liebe betäubt war, antwortete blos mit Höflichkeitsbezeigungen.
Das
bey Tische
zubrachte, weder der Vater noch die Töchter seine Liebe merkten.
Lucile, welche diesen falschen Leander nicht ohne Betrübniß ansehen
konnte, schlug beständig die
Augen nieder; und Marianne, die es sich
selbst
abgemerkt hatte, daß sie ihn nur allzugerne ansähe, wolte sich damit
bestraffen, daß sie ihn nur verstohlner Weise ansahe. Was den Vater
aber
anbelangte, so wäre er eher, ich weiß nicht auf was, als auf eine
so
schleunige und heftige Liebe gefallen.
Man muß hier nicht vergessen, daß der Vater, welcher ein
kommener
seine Töchter, ihn aufgeräumt zu machen, ermunterte.
? sagte er zu
Die zwey Schwestern begaben sich jede in ihr Zimmer, wo sie
wenig
schlieffen. Marianne überließ sich ohne Bedenken allen
Gedanken,
welche ihrer Liebe schmeicheln konnten. Lucile aber machte nichts
als traurige Überlegungen, weil sie
verzweifelte, ob sie den Leander,
von dem sie ihr
Glück hofte, jemals wieder sehen würde. Sie war aber
dazu bestimmt durch
alle Marianne
schmerzlich fallen konnten. Der junge Kaufmann war in seinen
schaften
seufzen, weil er wieder nach Indien zurückkehren mußte. Er
faßte also
seinen Entschluß eben so schleunig, als seine Liebe entstanden
war. Der
Vater kam des Morgens in sein Zimmer und fragte ihn, wie er
geruhet
habe: Sehr schlecht, sagte er, aber ich habe hundert tausend Thaler baar Geld. Der
Vater verstand diese kaufmännische
Während der Zeit, als dieses auf dem Schlosse vorging, langte
Leander, der wahrhafte Leander bey
der Anverwandtin an, welche
in aller Eil Lucilen
davon Nachricht zu geben kam. Sie fand sie aber
gegen diese Nachricht sehr
verschwunden. Leander hätte sollen eher kommen. Sie urtheilte mit
vieler
Feinheit, daß ein Liebhaber, welcher sich zu späte einfindet, und
nicht
mehr als funfzig tausend Thaler besitzt, wohl verdiene daß man
ihn einem
Manne von hundert tausend Thaler aufopfre. Die
wandtinLeanders erzürnte sich Anfangs über eine so
offenbare
Untreue; Lucile aber bewieß ihr nach den
Regeln der allerfeinsten Liebe,
daß Leander zuerst Unrecht gehabt habe, daß die Fehler des Herzens
unvergeblich wären, daß jemehr ein
verbunden sich zu rächen, und daß die zärtlichste Rache die man gegen
einen
Liebhaber, welcher uns vergißt, ausüben könne, darinne bestehe,
daß man ihn
wieder vergesse.
Nachdem sich Lucile sehr sinnreich gerechtfertigt hatte,
so floh sie
zu ihrem Nachttische, ihrem Liebsten bey seinem Erwachen
wenigstens so
schön als die aufgehende Sonne zu scheinen. Die Anverwandtin des
Leanders, welche ihm mit einer wahren
begab sich voller Verdruß fort, und überzeugte den Leander von der
Untreue der Lucile so wohl, daß er von Stund an, die Insul zu
lassen
Marianne that ihr möglichstes einem Vater ihre Liebe und
trübniß
zu thun, was seinem neuen Schwiegersohne gefallen könnte. Komm, meine Tochter, sagte er zu Mariannen,
Marianne folgte ihm, ohne zu antworten, voller
Betrübniß,
nichts als die Schwägerin dieses liebenswürdigen Schwagers zu
seyn. So
bald sie die Thüre des Zimmers erblickte, so kehrte sie ihre Augen
weg, weil
sie sich nicht getrauete der Gefahr in das Gesichte zu sehen. Der
Vater
gieng zu erst hinein, und sagte unserm Liebhaber, daß seine älteste
Tochter
gleich hier seyn würde; daß sie alle mögliche Erkenntlichkeit, und
so gar
schon Hochachtung gegen ihn empfände. Diese kleine Schmeicheley
wüschte
ändern
Unterdessen kam Marianne
ganz langsam herbey. So bald sie ihr
haber
Schmeicheleyen, wovon die
eine immer verliebter, als die andre war.
Marianne war so bestürtzt und verwirrt, daß sie kein
Wort
hervor bringen konnte. Der Vater war nicht weniger erstaunt.
Endlich
blieben alle dreye stumm und unbeweglich. Während dieses stummen
trittsLucile mit gemeßnen
Schritten an. Ihr Betragen war
majestätisch und
schmückt
Alten der gestrige Scherz
bey, welcher zu der Zweydeutigkeit Gelegenheit
gegeben hatte. Lucile geht ihren Weg fort, sie macht dem Kaufmann
eine Verbiegung, und dieser schlägt voller Verwirrung die Augen nieder.
Sie
sieht diese Verwirrung, für die Schaam eines furchtsamen
habers
war für
den ehrlichen jungen Menschen nicht länger erträglich; ohne ein
Wort zu
sagen begab er sich also ganz sachte aus dem Zimmer. Was
sollte man von
einem solchen Verfahren denken? Die Liebe kan einen
Liebhaber wol stumm
machen, aber wird Lucile
sieht ganz
bestürzt ihre Schwester an, die es nicht wagen will, ihr ihr
Unglück zu
entdecken. Auch der Vater hat das Herz nicht ihr den
thumMarianne folgt ihm, und Lucile
bleibt alleine in dem Zimmer. Man urtheile
von ihrer Verwirrung.
Nimmermehr würde sie sich von selbst heraus gefunden
haben. Denn
war es ihr wohl möglich zu glauben, daß man ihre Schwester
mehr
lieben könne als sie? Ich weiß nicht, wer sie aus ihrem falschen
Wahne
gebracht hat; so viel weiß ich, daß sie ihres Erstaunens ohngeachtet,
so
viel Gegenwärtigkeit des Geistes behielt, daß sie sogleich zu ihrer
barinLeander
wieder zurück zu hohlen. Es kommt
drauf an, ob es ihr gelingen wird.
Als der Vater Lucilen aus dem Schlosse gehen sahe, so
glaubte
er, daß sie aus keiner andern Ursache zu der Nachbarin gehe, als
weil
sie keine Zeugin von dem Glücke ihrer Schwester abgeben wolte.
Man
war auf nichts als auf die Anstalten zur Hochzeit bedacht. Vorher
wolte
der Kaufmann noch verschiedene Waaren sehen lassen, welche er auf
dem
Schiffe hatte, wo dem Capitaine die Zeit ziemlich lang ward; denn
das
Schiff war wieder ausgebessert, und im Stande seinen Lauf
fortzusetzen.
Dieser Capitain war ein unverstellter Mann, der beste Freund
von der
Welt, und dem Kaufmanne sehr zugethan. Er war sein
Reisegefährte,
sein Rathgeber, und so zu sagen sein Vormund. Er erwartete
mit
größter Ungeduld Nachricht von seinem Freunde. Wie man aber
gesehen
hat, so beschäftigte ihn die Liebe allzusehr, als daß er eher an
den
Capitain hätte gedenken sollen, als bis er ihn in das Schloß
herein
treten sah. Er lief ihm entgegen, er umarmte ihn, und dieses war
genug, daß ihn alle in dem Schlosse wohl empfingen. Er nahm
die
Höflichkeitsbezeigungen sehr frostig auf, weil er nicht anders als
frostig
seyn konnte. Man setzte sich zu Tische; man ließ Wein bringen,
das
kalte Blut des Capitains anzufeuren, und jeder brachte ihm die
heitAuf die Gesundheit meines Schwiegersohns! sagte der
Vater.
Endlich ließ er sich ganz ernstlich erklären, wie weit man in der
Sache
gekommen sey. Er verdoppelte sein kaltes Blut, und versprach
das
Hochzeitfest auf dem Schiffe auszurichten. Komm, lieber
Freund,
sagte er zum Kaufmanne, du must helffen auf
dem Schiffe An, antwortete der
Freund,
Nachdem man verschiedene Tage hinter einander unzähliche
trachtungen
angestellt hatte, so vergaß man ihn endlich, wie einen Traum.
genehme
einer jungen Person. Marianne konnte diesen
nicht vergessen, und sie verdient, daß wir sie einen
Augenblick betauern.
Jedermann betauert sie, nur Lucile nicht, welche eine boshafte Freude
empfand, durch die sie sich
ein wenig wegen ihres muthwilligen Verlusts
schadlos hielt. Ihr Liebhaber
hatte die Gelegenheit ergriffen, und sich
mit dem Capitain eingeschifft,
fest entschlossen, niemals wieder zu kommen;
und der Edelmann, weil er
sahe, daß man Mariannen dem
manneLucilen
von neuen anzuhalten. Der Vater hielt also für nöthig,
die Verbindung
mit Mariannen wieder vorzusuchen. Sie
wolte sich ihm auch
opffern
die besten nicht waren, ziemlich
vortheilhaft schien. Die Ehestiftung war
schon aufgesetzt, und man machte
Anstalt zur Hochzeit.
Wie ging es aber dem Kaufmanne, seit dem wir ihn aus dem
Gesichte verlohren
haben? Er war dem Capitaine nach seinem Schiffe
gefolgt, wo er einige
Edelsteine hohlen wollte. Er hatte ihn auf dem
Wege von dem Vergnügen
unterhalten, das Glück eines so würdigen
er alle seine Koffer auspackte, die
Edelsteine und nöthigen Handschriften
herauszunehmen. Er brachte hiermit
geraume Zeit zu; endlich wollte er
wieder auf das Schloß zurückkehren. Wie
erstaunte er aber, als er sahe,
daß sich das Schiff vom Ufer entfernte. Er
schrie, und lief zu dem
Capitaine welcher auf dem Obertheile des Schiffs
war, wo er in aller
Ruhe eine Pfeiffe Taback rauchte. Liebster Freund, schrie der
ruhigewir stoßen ja vom Lande. Ich weiß wohl,
antwortete
der Capitain ganz frostig und rauchte fort. Es geschiht
also auf Ihren Befehl, versetzte der andre?
Endlich endigte sich diese Spatzierfarth bey Toulon, wo der Capitain
anlandete, weil er sahe daß sein Freund verzweifeln wollte. Dieser suchte
sogleich ein ander Schiff und kehrte in die Insel zurück. Beynahe wäre er
zu späte gekommen. Zu Mariannens Glück aber war ihre
Heyrath noch
nicht weiter als bis zur Unterschreibung der Ehestiftung
gekommen. Einige
tausend Pistolen, die man dem Edelmann gab, machten den
ganzen
tract