Ein Contract ist. „Die Einwilligung zwoer
eines Con
tracts.
oder mehrerer Personen in einerley End
zweck, die jede in der Absicht ein gewisses
Recht zu gründen oder aufzuheben ausdrücklich
bekant macht.“ Wir haben schon gesehen, wie
oft es nöthig ist, das Eigenthum von gewissen Sa
chen mit Bewilligung des Eigenthümers auf andre
zu bringen; und wie wenig die Menschen einen un
aufhörlichen
ligkeiten und gegenseitiger Hülfe entbehren können.
Das Recht der
ständigen Bereitwilligkeit, alle gute Dienste, die in
unserm Vermögen stehn, zu leisten; und jeder recht
schaffne Mann hegt solche Gesinnungen. Den
noch sind ausdrückliche Contracte darüber unter
den Redlichsten nothwendig.
Denn ob es gleich eine Pflicht der Menschen
digkeit der
selben.
ist, sich unter einander zu dienen: so sind sie doch
nicht verbunden, andern ihre Güter und ihre Mühe
umsonst aufzuopfern, ausser daß die
gegen die Dürftigen es erfordert. Die Reichen
sind oft der Arbeit der Dürftigen benöthigt, und
die Dürftigen werden durch die Belohnungen, die
sie dafür bekommen, erhalten. Ueber diese Dinge
müssen sich beyde Theile vergleichen.
Man setze voraus, daß meine Nachbaren gegen
mich und gegen einander die besten Gesinnungen he
gen: so kann ich doch in den Maasregeln, die ich neh
me, kein festes Vertrauen auf ihren Beystand zum
Grunde setzen, wenn nicht ein Contract vorherge
gangen ist. Jch muß wissen, wenn sie müssige
Stunden haben, und welche Dienste sie mir leisten
können, ohne ihre andern Pflichten zu versäumen;
sie aber müssen wissen, wie fern ich ihrem Mangel ab
helfen, und ihnen in ihren Bedürfnissen beystehen
kan, sonst müssen sie sich an andre wenden, die das, was
ihnen fehlt, zu ersetzen im Stande sind. Eben die Ur
sachen also, die uns von der Nothwendigkeit eines
gesellschaftlichen Lebens überzeugen, überzeugen
uns auch von der Nothwendigkeit der Contracte,
und von der Verbindlichkeit, sie unverbrüchlich
zu halten.
Einige angebohrne und unsrer Natur we
sentlichere Grundsätze zeigen uns diese Verbindlich
keit. Sie hat uns die Fähigkeit verliehen, daß
wir durch die
den, andern unsre Meinungen, Absichten und Nei
gungen mitzutheilen; sie hat uns sogar durch eine
natürliche Offenherzigkeit dazu geneigt gemacht,
wenn wir nicht durch eine gar zu grosse Offenher
zigkeit in Schaden gerathen, und also durch diese
ben sogleich von Natur eine unveränderliche Wahr
haftigkeit und Aufrichtigkeit im Reden, sowohl
Abschnitt.
wenn wir geschehne Dinge erzählen, als wenn wir
andre von unsern Absichten und Gesinnungen
überzeugen wollen. Durch eine eben so geschwin
de natürliche
les eigennützige mürrische finstre Schweigen, und
noch mehr hassen wir die Falschheit und Verstel
lung in Erklärungen oder Betheurungen von unsren
Absichten oder Verbindungen, und allen Vorsatz,
andre zu betriegen, oder ihnen das nicht zu halten,
was wir ihnen durch unsre Reden Gelegenheit ge
geben haben, von uns zu erwarten. Eine solche
Aufführung wird für schimpflich und beleidigend
von unsern Nebenmenschen gehalten, die ein na
türliches Verlangen besitzen, die
sen, und die nach der Einrichtung unsrer Gesell
schaft ein Recht haben, von uns zu fordern, daß
wir sie nicht in der Hofnung betriegen, die wir ih
nen gemacht haben, ihnen Dienste zu leisten. Die
se Eigenschaften
cher unsre Verbindlichkeit zu Haltung der Contrac
te, und wie sehr es
zu brechen.
Die Uebertretung der Contracte ist von die
lich
zu übertre
ten.
ser Seite betrachtet, wenn die übrigen Umstände
gleich sind, augenscheinlich ein grösser Verbrechen,
als die Versagung eines unversprochenen Liebes
dienstes, der in unserm Vermögen steht. Die
leztere zeigt zwar an, daß wir die gesellschaftlichen
Gesinnungen nicht im gehörigen Grade besitzen, doch
verursacht es der
Buch.
den. Aber die Treulosigkeit bey einem Contracte
beleidigt ein starkes
eignen Herzen, und macht die Einrichtungen anderer
fruchtlos, die sich auf den Contract verlassen, und
also vielleicht nicht für den Beystand gesorgt haben,
den sie sonst von andern hätten erhalten können.
Solche Treulosigkeiten würden, wenn sie oft
vorkämen, alle gesellschaftliche Gemeinschaft auf
heben.
II. Obgleich die Menschen bey allen Gelegen
heiten verbunden sind, auf eine menschliche Art in
ihren Angelegenheiten mit andern klug zu seyn,
und nicht die unbilligen Vortheile zu ergreiffen,
wozu sie ihnen vielleicht durch Uebereilung oder
Schwachheit bey ihren Verbindungen Gelegenheit
geben: so ist doch die Nothwendigkeit die Unver
brüchlichkeit der Contracte zu erhalten so gros, und
der Schaden, den die Gesellschaft leiden würde,
wenn man ihre Kraft durch Zugebung von aller
hand Ausflüchten, und nicht zu entscheidenden
Streitigkeiten, die daraus entstehn müsten, min
derte, so ausserordentlich, daß wir alle Contracte,
die wir in Angelegenheiten machen, in denen wir
dem Recht nach Herren sind, und zu deren bekan
ten und ausdrücklichen Bedingungen man uns nicht
durch Hinterlist, Betrug, oder unrechtmässige Ge
walt gebracht hat, zu halten und zu erfüllen ver
bunden sind, wenn sie auch uns zum Nachtheile ge
reichten, und einigen unvollkommenen Verbindungen
mit andern zuwider wären. Unsre
die äusserliche Form eines Rechts, dem wir weichen
Abschnitt.
müssen, wenn darauf gedrungen wird, obgleich je
ner wider die
tigkeit handelt, wenn er darauf dringt. Auf sol
che Fälle schickt sich der bekante Spruch
*
: „Viele
Dinge, die man nicht hätte thun sollen, verbinden,
wenn sie geschehen sind.“
Diese Regel gilt durchgängig bey allen
menschlichen Angelegenheiten,
**
die unsrer Klug
heit überlassen sind, bey allen Rechten, die
man veräussern kan; bey solchen
oder Verrichtungen, die nicht sündlich gegen
dem vollkomnen Rechte eines andern nicht zuwider,
oder durch ein besonderes Gesetz oder ausdrückliche Un
terhandlungen darüber nicht verboten sind. Contrac
te, die wider das oder jenes allgemeine Gesetz laufen,
können dennoch die Kraft haben, zu verbinden, wie
auch solche, die unsern
wenn diese nur ein unvollkomnes Recht haben,
nachtheilig sind. Solche Contracte gereichen zwar
auch dem gemeinen Wesen zu einigen Schaden; es
würde aber ungleich schädlicher seyn, und allen Han
del verhindern, oder nicht zu entscheidende Zänke
reyen verursachen, wenn man den Menschen erlauben
wollte, von allen unbesonnenen Contracten abzu
gehn. So bald den andern ein Handel gereute, *
Plurima fieri non de- bent qune, facta valent.
** Hier sehn die morali
schen Schriftsteller haupt
sächlich auf die moralische
Gewalt, oder das Recht,
und zu führen, mehr auf das
principium
oder die
III. Das Recht der Natur und das bürgerli
che Recht unterscheiden drey Arten, uns über unsre
künftige Handlungen, und andern zu erweisende
Dienste auszudrücken.
1. Eine blosse Erklärung unsers gegenwärti
gen Vorsatzes. Diese zeugt keine Verbindlichkeit.
Derjenige, der ihn oft ohne Ursache verändert, wird
nur mit Recht für unbeständig gehalten.
2. Die zweyte Art ist, wenn wir einen an
dern etwas, das für ihn vortheilhaft ist, verspre
chen, und von ihm erwarten, daß er sich auf unser
Versprechen verlassen soll, dennoch aber ihm kein
Recht, uns zur Ausübung zu zwingen, in die Hän
de geben wollen. Von solchen Versprechen weiß
man wohl, daß sie bedingungsweise anzunehmen
sind, wenn sich nämlich die Person, der es gethan
wird, gut aufführt, gesezt auch, daß diese Bedin
gung nicht ausgedruckt seyn sollte; und es versteht
sich, daß wir uns das Recht von ihrer Aufführung
zu urtheilen vorbehalten. Ein solches Verspre
chen ohne rechtmässige Ursache nicht zu erfüllen, ist
Abschnitt.
die grösste Beleidigung der Liebe zur
und eine solche Niederträchtigkeit wird von jedem
redlichen Herzen sowohl deswegen verabscheut, als
auch wegen der Grausamkeit und Unmenschlichkeit,
die man verräth, wenn man die billigen Hofnungen,
die bey andern durch ihr Vertrauen auf unsre Red
lichkeit entstanden sind, betriegt. Diese Betrach
tung sollte jeden vorsichtig machen, daß er nichts
ohne Ueberlegung verspräche, und jedem die gewis
senhafteste Sorgfalt einflössen, sein Wort nicht
ohne hinreichende Ursachen, die ihn vor jedem recht
schafnen Manne rechtfertigen können, zu brechen.
Wenn aber jemand von einem solchen Versprechen
abgeht: so hat der andre Theil kein ander voll
komnes Recht, als die Ersetzung des Schadens zu
fordern, worein ihn die Maasregeln gesezt haben,
die er genommen hat, weil er das Versprechen für
zuverlässig gehalten: und dem rechtlichen Spruche
mus er es überlassen, ob seine Aufführung eine
billige Ursache zu Brechung des Versprechens gege
ben, und ob die Maasregeln, die er aus Vertrauen
auf dasselbe genommen, zu rechtfertigen sind.
Wenn er durch geschickte Richter frey gesprochen
wird, so hat er ein vollkomnes Recht, sich schadlos
halten zu lassen; er kan aber dennoch nicht auf die
Erfüllung des Versprechens dringen.
3. Die dritte Art ist ein förmlicher Contract
Contracte.
oder ein förmlichs Versprechen, das nicht nur un
sre Redlichkeit und unser Gewissen verbindet, son
dern auch einem andern ein vollkomnes Recht
verschaft.
IV. Bey einem Contracte sezt man fest, daß
jeder durch seine Einwilligung verbunden wird;
und von dem glaubt man, daß er eingewilligt habe,
der sich der gewöhnlichen
Es wird keine Ausflucht wegen irgend einer vorge
gebnen verborgen gebliebnen Verschiedenheit der Mei
nungen, oder solcher Absichten, die man andern nicht
mitgetheilet habe,
*
zugestanden. Noch weniger
kan man sich auf eine Unachtsamkeit oder Zerstreu
ung berufen, worinn man bey der Anwendung der
Zeichen, die die Einwilligung andeuten, gewesen
wäre. Sonst könten alle Contracte durch einen
oder den andern Vorwand, den niemand zu wider
legen im Stande wäre, kraftlos gemacht werden.
Worte oder Schriften zeigen unsre Einwilli
gung am deutlichsten an, aber sie kan auch hinläng
lich durch andre Zeichen bekant gemacht wer
den, über welche die Partheyen vorher einig gewor
den sind, daß sie ein Beweis derselben seyn sollen.
So bald ein solches Zeichen ausgemacht ist, und
man sich desselben zu der verabredeten Absicht be
dient, so bald ist es ein ausdrücklicher Contract.
Es giebt aber auch gewisse Handlungen, die
ihrer Natur nach, eine Einwilligung in die vorge
schlagenen Bedingungen enthalten, Wenn also
gewisse Vortheile nur denen angeboten werden, die
sich gewissen Verbindungen oder Pflichten unter
werfen: so sezt man von demjenigen, der sich dieser
Vortheile, ohne ein andres Recht, als das gescheh*
de non apperentibus et non exiſtentibus idem eſt iu dicium.
Beyde Fälle werden sich am besten durch
davon.
denen angeboten werden, die sich gewissen Bedin
gungen unterwerfen, und unter einem bürgerlichen
Regimente eine Colonie ausmachen wollen, so sezt
man
Besitz nimmt, in die Bedingungen willigt. Ein
Ausländer, der sich bey uns niederlässt, und an
dem Schutze unsrer Gesetze und Policey Antheil
nimmt, unterwirft sich zugleich stillschweigend de
nen von unsern Gesetzen, die die Fremden betref
fen, und unsern Gerichten. Ein Erbe, der Güter
in Besitz nimmt, die ein Vorfahre mit der Be
dingung beschweret hat, daß diejenigen, die sie ge
niessen, gewissen Gesetzen und einer gewissen Poli
cey unterworfen seyn sollen, willigt stillschweigend
in diese Unterwerfung. Wenn er sich vorher da
wider erklärt, so ist er nicht dadurch gebunden;
aber der
verwehren, diese Güter zu besitzen, wie er einem
Ausländer nicht erlauben würde, sich bey uns auf
zuhalten, wenn er sich vorher erklärte, daß er un
sern Gesetzen nicht unterworfen seyn wollte.
Wenn wir mit einem andern ein Gespräch anfan
gen, so sezt das einen Vertrag voraus, daß wir
nach unsrer
te in ihrem gewöhnlichen Verstande bedienen wol
len; sonst würde die Handlung närrisch seyn. Aber
die zur gehörigen Zeit geschehene Erinnerung, daß der
Redner mit Fleis absurde Sätze vorbringt, wie in der
Logik, oft bey Exempeln geschieht, hebt die Verbin
dung auf. Dieß sind stillschweigende Verträge. Ein
Abschnitt.
Erbe, der ein Erbgut, oder ein Executor der ein
Vermögen in Besitz nimmt, sind verbunden
*
die
Schulden und Legate die auf der Erbschaft haf
ten, zu bezahlen, und keine Vorerinnerung des Er
ben oder des
keit zuvorkommen, die wie man sagt quaſi ex contractu
entsteht.
V. Wegen der Natur des Eigenthums, und
Einwendun
gen wider die
Contracte.
Der Mangel
der Ver
nunft.
der Mittel, es andern mitzutheilen, kan es sich oft
zutragen, daß viele Eigenthümer werden, ehe sie ei
ne Erkäntnis von dem Werthe ihrer Güter, oder
den völligen Gebrauch ihrer
um sie zu verwalten. Nun gereicht es offenbar so
wohl zu ihrem als dem gemeinen Besten, wenn
man solche Personen ihre Güter nicht verwalten
lässt, und ihnen nicht erlaubt, sich in irgend einen
wichtigen Contract
nicht wenigstens einige Käntnis in den Angelegen
heiten des menschlichen Lebens erlangt haben. Leu
te, deren
Unordnung gekommen ist, sind in eben dem Falle.
Hingegen ist es auch offenbar ungerecht, Leute, die
hinlänglichen Verstand besitzen, von der Ausübung
der Lebenspflichten, und dem Genusse ihres Eigen* Jn dem bürgerlichen
Rechte wird die Verbind
lichkeit des Erben, Schul
den zu bezahlen, nicht ein quaſi contractus genent, son
dern durch eine fictionem juris hält man ihn mit dem
Das römische Recht in Ansehung der Un
mündigen, das nunmehr fast in ganz Europa einge
führet ist, hatte grosse Bequemlichkeiten. Vor
dem völlig zurückgelegten vierzehnten Jahre, konten
Abschnitt.
die Manns- und vor dem zwölften die
nen
delten Vormünder in ihrem Namen. Nach die
sen Jahren handelte der Unmündige selbst, aber
nichts war ohne die Einwilligung des Vormunds
bindend, bis er sein ein und zwanzigstes Jahr vol
lendet hatte. Jn noch entferntern Zeiten dauerte
eine solche Unmündigkeit bis zum fünf und zwan
zigsten Jahre. Während dieser Zeit ward ein Un
mündiger mit seinen Umständen, bekant gemacht,
weil der Vormund nichts ohne ihn vornehmen
konte. Er konte, wenn er einigen Verstand er
langt hatte, alle betrügerische Absichten desselben
hintertreiben, und der erfahrnere Verstand des
Vormundes verhinderte ihn sich selbst zu schaden.
Um denen Betrügereyen denen Unmündige allemal
ausgesezt sind, zuvorzukommen, erlaubte ihnen das
Recht von allen Contracten, die sie vor ihren reif
fen Jahren, ohne Bewilligung des Vormunds ge
schlossen hatten, abzugehen, obgleich diese vielleicht
für ihre Gewissen verbindend waren, und es alle
mal sind, so oft sie nichts ungerechtes enthalten,
und der Unmündige gewusst hat, was er zur Zeit
der Schliessung vorgenommen. Nach dem fünf
und zwanzigsten Jahre waren sie allein zu allen
rechtlichen Handlungen fähig, ausser, daß sie ihre
Vormünder noch nicht gänzlich ihrer Pflicht entlassen
konten. Um dies mit Bestande des Rechts thun
zu können, erlaubte man ihnen aufs neue eine
rung
Wie aber einem Unmündigen unvernünftige
er zu dem gehörigen Alter gelangt, verbunden,
niemanden durch einen Contract, den man mit ihm,
während seiner Unmündigkeit, aus wirklicher
oder Vertrauen auf seine Redlichkeit, ohne die ge
ringste betrügerische Absicht geschlossen, leiden zu las
sen; obgleich die
che Contracte nicht bestätigen. Gerichte von Bil
ligkeit erkennen allemal, das, was zum Unter
halte oder zur
Abwesenheit seiner Eltern oder seiner Vormün
der, mit Verstande vorgeschossen werden, für eine
gerechte Forderung.
Man wundert sich, wenn man anmerkt, wie
sehr sich diejenigen Schriftsteller, die
als eine Vermischung von
und List abmalen, bey ihren Beschreibungen der
Jugend vergessen, wo doch das natürliche Tempe
rament sich weit unverstellter, als in den folgenden
Zeitpuncten des Lebens zeigt. Sie ist voll unbe
ständiger
gen ihre Lieblinge bis zur Verschwendung gütig
und
entfernet sind, bekümmert sie sich nicht. Sie hat
zu allen das beste Vertrauen. Sie bemühet sich das
Lob der Gütigkeit und Grosmuth zu erlangen, und
ist frey von allem Argwohne.
VI. Die Contracte solcher Personen, deren
Abschnitt.
ordnung gebracht ist, sind ungültig, weil diejenigen,
die sich bemühen, sie während einer solchen Unord
nung zu Contracten zu bringen, betrügerisch han
deln. Jst meine Unordnung andern unbekant ge
blieben, so ist es klar, daß ich gehalten bin, allen
Schaden, zu dem mein Contract Gelegenheit gege
ben hat, zu ersetzen, ob er mich gleich selbst nicht ver
bindet. Eine Unordnung, die ich mir durch meine
Schuld zugezogen habe, kan mich nie von dieser
Verbindlichkeit befreyen, ob sie gleich im Stande ist
einen Contract ungültig zu machen. Die Men
schen sind nicht verbunden, sich beständig in einem
solchen Zustande zu erhalten, daß sie fähig wären
mit andern Contracte zu schliessen, sonst dürften sie
niemals schlafen. Aber sie müssen allemal dafür
sorgen, daß sie andern nicht schaden, und ihre Auf
führung mit vieler Vorsicht allemal so einrichten,
daß sie niemanden zum Nachtheile gereichen kan,
Geschieht dieß nicht, so sind sie zu vollkommer Er
sezung des Schadens verbunden.
VII. Zur Gültigkeit eines Contracts gehöret
digkeit der
Einwilli
gung aller
Theile.
eine gegenseitige Einwilligung unumgänglich, so
gar auch zu Schenkungen und allen andern Mit
theilungen eines Rechts. Bey Schenkungen kan
man zwar die Einwilligung desjenigen, der empfängt,
leicht voraussezen: dennoch ist das Eigenthum
nicht verändert, so lange er es nicht angenommen
hat. Die Eigenthümer können die Zeit der An
nehmung nach allen gesetzmässigen Bedingungen
oder Vorfällen aufschieben, und eine gegenwärtige
ist nicht allemal nothwendig; als bey Vermächt
Buch.
nissen, die auf abwesende Personen, oder bey aller
hand Gütern, die auf
zwar niemand ein Eigenthum wider seinen Willen,
oder bis er es sich hat gefallen lassen, aber der
Schenker kan verordnen, daß das Eigenthum so
lange zweifelhaft bleiben soll, bis der Beschenkte
im Stande ist, es anzunehmen, oder er kan
es andern anvertrauen, bis jener seine Bewilli
gung zu erkennen giebt. Auf solche Weise können
Güter für noch ungebohrne Personen aufbehalten
werden.
Alles dieses ist leicht einzusehen, wenn wir
uns erinnern, daß das Eigenthum keine
sche
Lehre annimt, weil eine solche Verwaltung der
Güter gegen einzelne Personen billig ist, und
mit dem Besten der
gar es noch vermehrt: weil eine andere Auffüh
rung gegen die Erlanger eines neuen Eigenthums,
oder die Personen, die ihre Stellen vertreten, grau
sam, und der Gesellschaft nachtheilig seyn würde.
Wäre das Eigenthum eine physicalische Eigen
schaft, so erforderte es freylich die Gegenwart der
Person.
Wenn das Kind nach erlangtem reiffen Alter
das Eigenthum nicht annehmen will, so kan es
durch nichts gezwungen werden. Die Güter blei
ben bey dem Geber oder bey denen die ein Recht ha
ben, ihn zu beerben. Weil man aber gewis vor
her weis, daß schätzbare Gaben werden angenom
men werden; so nennet man die Begabten gemei
Abschnitt.
niglich Eigenthümer, sobald die Uebergabe voll
zogen ist.
VIII. Contracte auf Bedingungen haben
keine verbindende Kraft, wenn nicht die Bedingung
erfüllt ist. Eine Bedingung ist „ein Umstand,
der noch ungewis ist, bis auf dessen Daseyn, aber
die Gültigkeit eines Contracts verschoben bleibt.“
Und ist allemal von den verschiedenen Din
gen, die beyde Theile ausmachen, einander zu
leisten, und von der Einwilligung der Par
theyen unterschieden. Nach dem
Rechte ist eine Bedingung ein Umstand, der sich
noch nicht zugetragen hat. War dieser Umstand
zur Zeit des Contracts schon geschehen, ohne daß
die Partheyen etwas davon wussten, so hies der
traet
der Contract für nichtig gehalten. Diese unnö
thige Unterscheidung war bey den Contracten selbst
von keiner Wichtigkeit, aber bey Vermächtnissen
und Erbschaften, die auf Bedingen beruhten, verur
sachte sie einen gewaltigen Unterschied. Wenn
der Erbe vor der Erfüllung der Bedingung starb,
so fiel das Vermögen von seiner Familie auf eine
andre, wenn sich gleich nachher der ausgemachte
Fall zutrug; hatte er sich aber, ohne daß es jemand
gewusst, schon vor seinem Tode begeben, so blieb es
bey seinem Hause. Dies sind unvernünftige
Spitzfindigkeiten.
Nur die Bedingungen können der Verbind
lichkeit eines Contracts hinderlich seyn, die entwe
der in demselben als Bedingungen ausgedrückt sind,
Buch.
oder die wegen der Natur der Sache von allen
Verständigen, als solche angesehn werden, oder sol
che Fälle, die der eine Theil dem andern versprochen,
oder für deren zukünftige Wirklichkeit einer dersel
ben Bürge geworden ist. Denn von diesem kan
man voraussetzen, daß der andre Theil sie als Be
dingungen seiner Einwilligung verlangt hat.
Wenn man aber einem Theile erlauben wollte, sich
einem Contracte zu entziehen, weil gewisse Fälle oder
Umstände, die er heimlich oder stillschweigend verlangt
hätte, nicht erfolgt wären, so würde dieses alle
Contracte unzuverlässig machen, wenn es nemlich
nicht Dinge sind, die man bey solchen Verträgen,
als gewöhnlich, eingeführt hat, und die also vor
ausgesezt werden.
Bey vielen von unsern gemeinsten
Versprechen
daß gewisse Bedingungen zum Grunde gesetzt
sind, wenn sie auch nicht ausgedrückt seyn sollten.
Dies schliessen alle Leute von Verstande aus der
Natur und Wichtigkeit der Sache mit der wir zu
thun haben. Wenn also jemand
morgen bey einem gewöhnlichen Vorfalle seine Hül
fe versprochen hat, so versteht sich, daß es allemal
„mit der Bedingung geschehen ist, wenn er selbst
gesund bleibt, wenn seine Familie oder seine
Freunde kein Unglück befällt, bey welchem seine
Hülfe von unendlich grösserer Wichtigkeit seyn kan,
als bey dem versprochenen Beystande.“ Wenn sein
eignes Haus in Brand geräth, oder seine Familie
ein grosses Unglück befällt, so ist er von der
Abschnitt.
Verbindlichkeit frey. Eben so, wenn jemand auf
eines andern Verlangen verspricht, ihm seine Bitte
zu gewähren, ehe er noch weis was er bitten wird,
so versteht sich, daß er es mit der Bedingung thut,
„wenn die Bitte rechtmässig, und der
oder dem Rechte eines andern nicht zuwider ist.
Wenn mit einem Worte, die gebetne Gefälligkeit,
unter die Freundschaftsdienste gehört, die ein billi
ger Mann mit Rechte von
gen kan.“ Wenn sie diese Eigenschaft nicht hat,
so findet keine Verbindlichkeit statt.
IX. Einer, der sich in der Sache selbst, wor
oder Betrag
bey der Sa
che, worüber
ein Contract
geschlossen
wird.
über der Contract geschlossen worden ist, geirrt hat,
oder mit den Eigenschaften, nach welchen solche
Güter gemeiniglich geschätzt, oder wegen welcher sie
verlangt werden, betrogen worden ist, wird durch
den Contract nicht verbunden. Sein Handel be
traf andere Dinge als diejenigen, die man ihm auf
dringen will. Jndessen mus er alles, was er auf
den Contract, dessen er sich entsagt, erhalten hat,
wieder zurück geben, oder ersezen. Hat seine eigne
Thorheit oder Nachlässigkeit den Jrrthum veran
lasst, hat er solche Eigenschaften erwartet, die für
solche Güter nicht gehören, oder die der andre ihm
nicht versprochen hat, so verbindet ihn der Contract,
sonst könten alle Contracte unter dem Vorwande,
daß man in einigen solchen heimlichen Hofnungen
betrogen worden, umgekehrt werden. Betrift der
Jrrthum oder der Betrug nur den gegenwärtigen
gewöhnlichen Preis der Sache, oder einen Umstand,
der gar nicht zur gegenwärtigen Hauptsache des
Buch.
Handels gehört, so bin ich gebunden; habe er
aber im ersten Falle ein vollkomnes Recht, den
Preis auf den gewöhnlichen herunter setzen zu las
sen. Jm lezten habe ich, wenn ich beweisen kan,
daß ich durch einen Jrrthum zu dem Contracte ver
führt worden, der
verlangen, daß man mich davon befreye, wenn die
ses dem andern Theile keinen Schaden verursacht,
oder wenn ich mich erbiete, ihn zu ersetzen; ich
kan aber selten darauf, als ein vollkomnes Recht,
dringen.
Bey allen Contracten sollte jeder rechtschafne
Mann mit aller möglichen Aufrichtigkeit die Eigen
schaften und Umstände entdecken, die den Werth
der Güter erhöhen oder erniedrigen; und jeder ist
verbunden, alles, was er zu viel erhalten, oder zu
wenig gegeben hat, zu ersetzen. Jst gleich diese
Art zu handeln nicht sehr gewöhnlich, so ist sie doch
einem redlichen Herzen zu seiner Befriedigung un
entbehrlich. Es ist auch unsre Pflicht, andre von
beschwerlichen Verträgen zu befreyen, wenn uns
aller Schaden, den wir durch ihre Aufhebung lei
den, ersezt wird. Bey allen solchen Vorfällen ist
es von grosser Wichtigkeit, die
sers eigenen Herzens recht zu untersuchen, und zu
betrachten, wie uns selbst die Begegnung gefallen
würde, die wir gegen andre im Sinne haben.
*
* VII, 12. Die
se vortrefliche Regel wird
von einigen Schriftstellern
ralischen
nen geschwinden innerlichen
Geschmack in unsern Hand
lungen zuzugestehn, diese
Vorschrift gerne zu einen
Axiom machen möchten,
von dem man alle Lebens
zu dieser Absicht dient sie
nicht. Ein Geiziger for
dert, wenn er verkauft, un
geheuer viel: er ist aber
nicht verbunden, so viel zu
bezahlen, wenn er kauft.
Eine wollüstige Person
wünscht, daß andre ihren
Versuchungen nachgeben
möchten, soll sie deswegen
den Bemühungen andrer
unterliegen? Eine verklag
te Person wünscht, wenn sie
gleich schuldig ist, daß man
sie lossprechen möchte: ist
es deswegen, wenn sie Rich
ter wäre, ihre Pflicht, die
Schuldigen frey sprechen?
Das Axiom erfordert diese
zwey Einschränkungen: 1)
daß das Verlangen billig,
und 2)
daß die Umstände
gleich seyn müssen. Dieß
sezt schon eine vorhergehen
de Erkäntnis der Regeln
der Gerechtigkeit voraus,
und diese können also kei
ne Folgen dieses Axioms
seyn.
Abschnitt.
Es macht das Herz zu einer unpartheyischen
käntnis
mäs, oder es nicht ist, geschickt, wenn wir unsre ei
gennützigen
reden lassen. Dadurch wird unser moralischer Verstand
von dem falschen Gewichte, das sie sonst
X. Jn die nächste Classe der Einwendungen
Gewalt oder
Furcht sind
zweyerley
Art.
wider die Verbindlichkeit der Contracte gehören die
jenigen, die von einer unrechtmässigen Gewalt oder
von der Furcht hergenommen sind. Die
die den Contracten schädlich seyn kan, ist zweyerley.
Zuweilen verstehen wir dadurch einen Verdacht,
Buch.
daß der andre Theil das, wozu ihn der Contract
verbindet, nicht erfüllen wird, wenn wir das unsri
ge gethan haben. Jn diesem Falle ist es klar, daß
derjenige, der einen Contract mit einem Menschen
schliest, der offenbar Treu und Glauben verachtet,
sehr unvernünftig handelt, wenn er nicht hinrei
chende Mittel in Händen hat, ihn zu zwingen;
und dennoch ist der Contract nicht ungültig. Wer
hinreichende Gründe findet, einen solchen Verdacht
zu fassen, hat das Recht, die Erfüllung desjenigen,
was ihm obliegt, so lange aufzuschieben, bis der an
dre das seinige gethan hat, oder genugsame Sicher
heit verschaft. Thut er eins von beyden, so mus
ein rechtschafner Mann ihm seinen Contract hal
ten, wenn er auch der boshafteste Mensch wäre.
Es kan keinen Grundsatz von entsetzlichern Fol
gen geben, als diesen: „daß
gültigen Rechte besitzen, oder daß die
ten
mögen nun ihrer Handlungen, oder solcher Meinun
gen wegen, die wir
halten werden. Die göttlichen und natürlichen
Gesetze verbinden uns, die
den ruchlosesten Leute zu Rathe zu ziehn, in so fern
sie mit der Glückseligkeit solcher Glieder des grossen
Systems, die der
kan, und ihnen alle gute Dienste zu leisten, wo
durch sie nicht in ihren
Die unvorbrüchliche Haltung der Contracte, die
man aus eignem Triebe mit ihnen geschlossen hat,
ermuntert ihre Laster im geringsten nicht, sondern
Abschnitt
thut vielmehr das Gegentheil. Sie zeigt ihnen
die
sie selbst dadurch erhalten. Die Ausübung des Ge
gentheils zeigt ihnen ein neues Exempel von Unge
rechtigkeit, und reizt sie dazu. Sie schliessen dar
aus, daß es gar keine Redlichkeit giebt, daß alle an
dere sich nur aus Heucheley darnach bestreben, und
daß die Schande, in der sie leben, blosse Ungerech
tigkeit ist, weil andre nicht besser sind. Die
ralischen
änderlich; viele, die sich erst im Laster hervor ge
than hatten, sind hernach in der Tugend gros ge
worden. Kein Mensch ist unsrer Sorgfalt un
würdig.
Wie gefährlich mus ferner dieser Grundsatz
seyn, da es so schwer ist, von dem moralischen
Werthe andrer zu urtheilen, und man oft durch
rechtschaffensten Leuten die bösesten Meinungen be
kömt. Diese erklären wir, diesem Grundsatze nach
sogleich für aller menschlichen Rechte verlustig.
Niemand ist von allen Fehlern frey, und wie wol
len wir den Grad des Lasters bestimmen, wodurch
einer die Rechte, die allen Menschen gemein sind,
verwirkt, oder alle Fähigkeit verliert, welche zu er
langen. Dieser Grundsatz kan so gar nicht bey
solchen Personen statt finden, die es selbst gestehen,
daß sie alle göttliche und menschliche Gesetze nicht
achten. So gar solche Leute können nur diejeni
gen Rechte verwirken, die man ihnen nicht halten
oder erfüllen kan, ohne die Sicherheit, andrer, ihrer
Buch.
Ungerechtigkeit und Grausamkeit wegen, in Gefahr
zu setzen.
XI. Eine andere Art der Furcht, die der Kraft
eines Contracts im Wege seyn kan, besteht darinne,
wennn man jemanden durch Drohung irgend eines
Uebels im Weigerungsfalle zur Schliessung des
Contracts oder zu einem Versprechen bewogen hat.
1. Ein Contract, den ich mit einem recht
schaffnen Manne schliesse, daß er mir bey meinem
Uebel, womit mich ein Dritter unrechtmässiger
Weise bedroht hat, beystehn soll, ist bindend: die
Hülfe, die mir in solchen Gefahren erwiesen wird,
verdient so gut als irgend ein andrer Dienst, eine
Vergeltung.
2. Wenn die Furcht vor einem grossen Uebel,
das mir ohne Recht gedroht wird, mich zwingt,
mich mit einer dritten Person einzulassen, die sich
mit dem, der mich dazu nöthigt, nicht versteht, und
nichts davon weis, daß ich gezwungen werde, so
scheint der Contract ungültig, wenn ich beweisen
kan, daß blos diese Furcht mich dazu gebracht hat;
weil ich nicht mit der
nothwendig zu seyn scheint, meine Einwilligung
habe geben können, dennoch aber bin ich ohne Aus
nahme verbunden, allen Schaden zu ersetzen, den
ein unschuldiger Mann erlitten hat, um mich vor
einer Gefahr in Sicherheit zu setzen.
3. Contracte, wozu einer durch die Furcht
vor dem gerechten Ausspruche eines Richters ge
bracht wird, sind vollkommen gültig, weil das Ur
Abschnitt.
theil gerecht ist. Oft begleitet auch die Aussprü
che der Richter, die nicht gerecht
das durch die äusserlichen Umstände gezeugt wird,
und es können Leute durch den Gehorsam gegen den
unterworfen haben, genöthigt werden, sich diesel
ben gefallen zu lassen, wenn keine gütlichen Mittel
den andern Theil bewegen können, seine scheinbare
Forderung fahren zu lassen; welches ein wirklich
rechtschafner Mann zu thun verbunden ist.
4. Jn solchen Fällen, wo die Person, mit der
Rechte, die
durch öffent
liche Tracta
ten entstehn.
ich einen Contract schliesse, ihn durch unrechtmässi
ge Gewaltthätigkeiten erzwungen hat, muß man
einen Unterscheid machen, zwischen „solchen, die
zwar in der That ungerecht sind, aber solche Ursa
chen zum Grunde haben, die fähig sind, Leute zu
bewegen, deren Absicht es bey nahe durchgängig
ist, gerecht zu verfahren,“ und zwischen solchen,
„die ohne irgend einen Vorwand des Rechts, von
Leuten, die offenbar allen Gesetzen der menschli
chen
Die erste Art, von unrechtmässiger Gewaltthätig
keit findet sich bey allen öffentlichen
tionen
stens auf einer Seite. Oft aber hat bey solchen
Kriegen auch die schuldige Parthey so scheinbare
Entschuldigungen, daß viele Leute durch den ver
borgnen Einfluß der ehrgeitzigen
durch den Eifer für ihre Parthey, oder durch ein
Verlangen nach Vortheilen, hintergangen werden
können, daß sie ihre Sache für gerecht halten;
und für viele, die auf der ungerechten Seite in nie
Buch.
drigen Posten stehn, kan die Unwissenheit der Un
gerechtigkeit unüberwindlich seyn. Die Parthey,
die wirklich Unrecht hat, kan durch Gewaltthätig
keit kein vollkomnes Recht, das ein gutes Gewissen
ihr zu behaupten erlaubte, erhalten; was genom
men worden, muß wieder ersezt, und die erzwungne
Versprechungen oder Contracte müssen aufgehoben
werden. Dennoch ist nicht zu leugnen, daß sie,
wenn sie solche scheinbare
durch die Tractaten, ein zwar ungegründetes, aber
doch gültiges Recht erlangt. Die von der andern
Parthey sind, aus Ehrfurcht für das allgemeine
Beste des
Tractaten nicht zu brechen, ob sie gleich ihnen sehr
nachtheilig, und im Grunde ungerecht seyn mögen.
Sind sie ihrer
rem Rechte, die grossen Vortheile die dem mensch
lichen Geschlechte gemein sind, zu geniessen, nicht
gerade entgegen, (denn, um diese in Sicherheit zu
erhalten, hat man alle diese Gesetze der Natur fest
gesezt), so sind sie dadurch gebunden, wenn sie den
siegenden Theil nicht bewegen können, sie von den
Verträgen frey zu sprechen. Es können durch
ausserordentliche Vorfälle von Nothwendigkeit ei
nige Ausnahmen von allen allgemeinen
dieser Materie entstehn; von solchen werde ich ins
künftige reden.
Die wahre Ursache, warum solche wirklich
unrechtmässige Tractaten uns verbinden, ist diese,
weil kein Krieg durch Verträge beygelegt werden
könte, wenn diese für ungültig gehalten würden,
Abschnitt.
oder wenn man die Ausflucht, daß sie durch un
rechtmässige Gewalt erzwungen worden, statt fin
den liesse. Die
lichen Untergang oder die Sclaverey der einen Par
they können geendigt werden, weil jede Parthey
sich der Ausflucht der unrechtmässigen Gewaltthä
tigkeiten bedienen, und die Feindseligkeiten, wenn
es ihr einfiele, erneuern könte. Bey allen öffent
lichen Tractaten versteht es sich also zum voraus,
daß diese Ausflucht ihnen nicht schaden kan.
5. Wo aber die Gewaltthätigkeit offenbar
den bey See
und Stras
senräubern
nicht statt.
ungerecht und von allem Scheine des Rechts, der
einen ehrlichen Mann hätte verleiten können, ent
blösst ist, wie es sich oft bey öffentlichen Kriegen
befindet, oder wenn Leute durch das Leben, das sie
führen, offenbar zeigen, daß sie alle Gesetze und alle
Gerechtigkeit verachten, wie die See- und Strassen
räuber, so ist es eine ganz andre Sache. Solche
Leute scheinen durch den ganzen Jnhalt ihres Le
bens allen Rechten und Ansprüchen, die sich auf
das natürliche Recht der
entsagen; da sie sich vorsetzlich und offenbar der
Ursache und der Absicht dieses Rechts, der
ligkeit
Das gemeine Beste, welches der Endzweck aller
Gesetze ist, erfordert, daß solche, die sich für Feinde
der ganzen Gesellschaft erklären, verachtet werden,
und keinen Vortheil durch die Gesetze erlangen, die
sie selbst eben durch die Handlung übertreten, da
sie von andern, durch unrechtmässige Gewaltthätig
keiten gewisse Versprechen erpressen. Es kan der
Buch.
Gesellschaft nichts schaden, wenn man solche Ver
sprechen nicht hält, aber wohl kan es ihr schädlich seyn,
wenn man sie erfüllt, da rechtschafne Leute dadurch
mehr in die Gewalt solcher Ungeheuer gerathen,
und eine solche boshafte Lebensart selbst dadurch
vortheilhafter und reizender wird. Wenn niemand
solche Versprechen hielte, so würde sie niemand zu
erzwingen suchen. Kein Räuber würde mehr als
seine gegenwärtige Beute erwarten. Kan jemand
durch seine Reden mit solchen Leuten gebunden wer
den, die allen Rechten und aller Verbindlichkeit
entsagt haben? Eine solche ausdrückliche Entsa
gung kan von allen Verbindlichkeiten, die durch den
Gebrauch der
mir jemand erlaubt zu reden, ohne daß ich meine ei
gene Gesinnung ausdrücken darf, so kan ich es oh
ne ein Verbrechen thun, weil der Hörer sein Recht
hat fahren lassen. Wie man bey stillschweigenden
Verträgen und dem quaſi contractu durch eine
Handlung ein Recht erlangen kan, so kan man auch
durch eine Handlung gewissen Rechten entsagen,
oder sie verwirken, derjenige, der die Handlung thut,
mag sie in der Absicht vornehmen oder nicht.
Wir sind unstreitig den ruchlosesten Leuten
Menschenliebe schuldig, und müssen ihnen solche
Dienste, die mit dem gemeinen Besten bestehen
können, leisten; aber Seeräuber und Strassenräu
ber oder solche, die in höhern Posten oder Aemtern
ihren Geist zeigen, sind erklärte Feinde des mensch
lichen Geschlechts. Wir müssen ihre Besserung
wünschen, und unnütze Grausamkeiten gegen sie,
Abschnitt.
wenn sie in unsrer Gewalt sind, vermeiden. Aber
unsre Sorgfalt für das gemeine Beste, mus uns
aufmuntern alle Mittel anzuwenden, die eine solche
Lebensart hindern können und sie durch ihre Feind
seligkeiten gegen das menschliche Geschlecht, und
Verachtung aller Gesetze, so wenig Vortheile erlan
gen zu lassen, als nur immer möglich ist.
Wenn wir uns ohne Zwang über gewöhn
durch Con
tracte ein
Recht erlan
gen.
liche Dinge mit solchen Leuten in Contracte einge
lassen haben, so haben wir dadurch, daß wir mit ih
nen Gemeinschaft halten, einen Fehler begangen,
und die
Recht das Vermögen, wegen solcher Contracte zu
klagen. Jst es aber durch die Gesetze unsers Lan
des nicht verboten, so sind wir verbunden, unsre
Contracte zu halten, oder das, was wir erhalten
haben, zu ersezen. Es versteht sich, daß keine Ge
walt vorgegangen ist; und wenn wir aus eignen
Triebe mit solchen Leuten, deren
kant gewesen ist, Unterhandlung gepflogen haben, so
haben wir dadurch der Ausflucht, die man sonst ih
res Lebenswandels wegen machen kan,
Weise stillschweigend entsagt.
Wenn solche Personen einige Neigung zei
gen sich zu bessern, und zum gesellschaftlichen Leben
zurück zu kehren, welches die boshaftesten Leute
thun können, so muß alles, was ein Staat oder
eine Gemeinde ihnen in Ansehung ihrer Befreyung
von der Strafe oder der Behaltung ihrer gegen
wärtigen Güter, ohne ausdrücklichen Zwang
freywillig versprechen, heilig gehalten werden,
Buch.
weil durch den freywilligen Contract mit ihnen, der
Ausnahme, die sonst aus ihrer Lebensart entsteht,
stillschweigend entsagt worden ist. Es würde närrisch
seyn ihrem blossen Versprechen zu trauen; wenn sie
aber durch Uebergabe ihrer Waffen, gerüsteter Schif
fe, oder der Festungen, worinnen ihre Stärke be
standen hat, Sicherheit verschaffen, so ist zuweilen ein
Tractat mit ihnen, wodurch sie von der Strafe be
freyet werden, das weiseste Mittel, künftiges Un
glück ohne Blutvergiessen zu verhüten. Solche
Leute von aller Strafe zu befreyen, und ihnen ih
ren Raub geniessen zu lassen, gereicht zwar zu
einigem Bösen, und erwecket unsern Unwil
len, doch können sich zuweilen triftige Ursa
chen flnden, ein solches Verfahren zu rechtferti
gen. Dann aber mus denen Privatpersonen, die
des gemeinen Bestens wegen das Recht ihre Schad
loshaltung von denen zu fordern, die sie beleidigt ha
ben, verlieren, ihr Verlust aus dem gemeinen Schatze
billig ersezt werden.
XII. Zur Gültigkeit eines Contracts ist noth
wendig, daß die Sache, die er betrift, möglich sey.
Wir nennen das physicalisch möglich, dessen Er
füllung wir durch uns selbst, oder durch
wege bringen können; das aber moralisch mög
lich, was durch kein Gesetz verboten ist.
*
Was die physicalische Unmöglichkeit betrift,
so kan uns ein Contract nicht verbinden, wenn eine
Sache die zur Zeit der Schliessung desselben mög
lich schien, nachher unmöglich wird; alles aber, *
Nihil poſſumus, niſi quod iure poſſumus.
Abschnitt.
was uns vermöge eines solchen Contracts gegeben,
oder geleistet worden, müssen wir wiedergeben oder
ersetzen. Hat jemand die Unmöglichkeit seines An
theils an dem Contract vorher gewust, oder ihn
mit Vorsatze nachher unmöglich gemacht, doch
aber den andern Theil durch Betrug dahin ge
bracht, daß er seinen Antheil geleistet: so ist der
treulose Theil verbunden, nicht nur den Schaden
*
zu ersetzen, sondern auch den ganzen Werth des
Handels, oder den ganzen Vortheil, den der andre
durch getreue Vollstreckung des Contracts erhalten
haben würde, zu ersezen.
**
Wenn sich kein Betrug,
sondern nur eine Unachtsamkeit bey solchen Con
tracten findet, so ist es beynahe allemal hinlänglich,
wenn der daran schuldige Theil dem andern seinen
Schaden ersetzt.
Jn wieferne die Dinge, worüber man Con
der moarli
schen Mög
lichkeit.
tracte schliessen will, den Gesetzen gemäs sein müs
sen, erhellt schon aus dem Obigen.
***
Wir können
uns zu keinem Dinge das offenbar sündlich gegen
Pflichten sind nicht an gewisse unveränderliche Zei
ten gebunden. Ein Mensch kan durch einen Con
tract zu solchen Dingen verbunden werden, die die
Unterlassung des äusserlichen Gottesdiensts zur ge
suchten Zeit erfordern. Aber zu bösen Eigenschaf
ten oder
zeigt werden, als zur Gotteslästerung, oder Ab
schwerung der *
Penſare damnum.**
Perſone quod inter eſt.*** Zweyter Absatz die
ses Abschnitts.
Buch.
kent, kan man ihn durch nichts verpflichten. Noth
wendige Liebesdienste, die keinen Aufschub leiden,
entschuldigen uns, wenn wir, um sie ausüben zu
können, den äusserlichen Gottesdienst auf einige
Zeit versäumen, denn
nehmer denn Opfer. Wenn man die Unterlassung
des öffentlichen Gottesdienstes als ein
einen Beweis der Abgötterey, oder als ein Bekänt
nis, daß wir der wahren Religion entsagt haben,
von uns verlangt; so können weder Contracte noch
Versprechen, noch das Verbot einer weltlichen
Macht eine solche Unterlassung rechtfertigen. Jn
den meisten Fällen würde es sogar heldenmüthig
seyn, sich solchen Verboten auf das kühnste
*
zu
widersetzen.
Eben so verbinden uns zwar Contracte in al
len Handlungsangelegenheiten, die den unvollkomm
nen Gerechtsamen andrer zuwider sind, wenn wir
sie ohne eine hinterlistige Absicht, die dem andern
Theile hätte bekant werden können, geschlossen ha
ben: aber wo diese betrügerische Absicht sich zeigen
mus, wie in dem Falle, wenn einer durch einen
Contract mit einer Person oder einer Gesellschaft,
oder durch ein Versprechen, das er ihr thut, ihr den
ganzen Theil seines Vermögens überträgt, der zu sol
chen Diensten wozu ihn die Menschenliebe oder die
Dankbarkeit verbinden, hätte angewendet werden
sollen, und wenn er sich dabey erklärt, daß er es
gethan hat, um sich diesen Verbindlichkeiten zu ent
ziehen, so ist die ganze Handlung als auf beyden
Abschnitt.
Seiten betrügerisch ungültig. Die Sicherheit des
Handels erfordert von uns, die Contracte, die einem
andern vollkommne Rechte verschaffen, wenn beyde
Theile sie nicht erfüllen können, als Pflichten
der
ne eine unredliche Absicht geschlossen worden. Wo
sich aber solche Absichten auf beyden Seiten deutlich
zeigen, hat man keinen Grund für ihre Gültigkeit
zu streiten.
Wenn über solche Dinge Contracte
tracte sind
bindend, die
ohne die ge
hörige mo
ralische Ge
walt ge
schlossen wer
den.
werden, über die wir nicht die
besitzen Contracte zu schliessen, wenn beyde Theile
dies gewusst haben, oder beyde durch gleiche
Schuld unwissend geblieben sind; so sind sie un
gültig. Jede Parthey, die der Handel vor der
Vollstreckung einer Ungerechtigkeit gereut, ist von
aller Verbindung frey, aber dann darf sie auch kei
ne Belohnung oder Erkenntlichkeit, die ihr in Ab
sicht darauf zugestanden worden, behalten. Jst die
That durch einen solchen begangen worden, der
was ihre Ungerechtigkeit betrift, unüberwindlich
unwissend gewesen, so hat er ein Recht auf das,
was ihm versprochen worden, besonders, wenn die
Schuld des Verbrechens allein auf die andre Par
they fällt. Man setze denn Fall, daß ein Beam
ter der Gerechtigkeit, auf mein Begehren, einen Be
fehl wider meinen Wohlthäter, den ich unrechtmäs
siger Weise verfolge, vollstreckt. Wenn beyde die
Bosheit der Handlung gekannt, oder gleichen Theil
daran genommen haben, oder beyde durch ihre
Schuld, was die Grösse des Verbrechens betrift,
Buch.
unwissend geblieben sind, und die That wird vollzo
gen, so entsteht auf keiner Seite durch solche Ver
träge oder Handlungen ein Recht. Derjenige, der
sie ausgeführt hat, mus den Lohn seiner Bosheit
nicht erhalten; oder hat er ihn voraus bekom
men, so erhält ihn derjenige, der ihn gedungen
nicht wieder zurück. Solche Verbindungen
oder Handlungen dürfen von keinen Vortheilen,
oder von keiner Hofnung des Gewinstes begleitet
werden, sondern man mus ihnen durch alle mög
liche Mittel ihr Anlockendes zu benehmen suchen.
Hat derjenige, der die Sache unternommen, die Be
lohnung vor Ausführung derselben bekommen, und
er führt sie hernach nicht aus, so darf er sie frey
lich nicht behalten; aber er darf sie auch einem der
lasterhafter, als er selbst ist, nicht ersetzen, sondern
sie wird zu einem öffentlichen Nutzen angewendet.
Einer, der über Güter, die andern gehören,
einen Contract schliest, wird, wenn diese Eigenschaft
der Güter beyden Theilen bekant ist, zu nichts wei
ter dadurch verbunden, als alle erlaubte Mittel an
zuwenden, um sie von dem Eigenthümer zu er
halten. Sind diese ohne Wirkung, so befindet er
sich in dem Falle derjenigen, die über eine Un
möglichkeit einen Contract geschlossen haben.
Wenn man von dem Versprecher glauben kan,
daß ihm dieses Recht einer dritten Person bekant
gewesen, der andere Theil aber nichts davon ge
wusst hat, so ist das Versprechen betrügerisch, und
verbindet ihn, der unschuldigen Parthey den Werth
davon zu bezahlen.
XIII. Von zweyen Contracten, die verschiede
nen Personen ein gleiches Recht auf einerley Sa
Contracte
andren vor
gehn.
che geben, hat der erste seine Kraft.
*
Aller Han
del würde ungewis seyn, wenn ein zweyter Con
tract einen von eben der Art der vorhergegangen,
vernichten könte. Ein zweyter Contract ist einerley
mit einem unmöglichen, der aus betrügerischen Ab
sichten geschlossen worden, und wird nach eben den
**
Regeln beurtheilt. Sind die Contracte von ver
schiedener Natur, so, daß der eine ein reales, der
zweyte aber nur ein persönliches Recht auf einerley
Sache verschaft, so geht das reale dem persönli
chen vor, wenn auch dieses älter seyn sollte, und
zwar aus den oben angeführten Ursachen.
***
Der
persönliche Contract wird eben so angesehen, als der
jenige, der über eine Unmöglichkeit geschlossen wor
den, und hat eben die
Jst der vorhergegangne persönliche oder unvollen
dete Contract beyden Partheyen in dem folgen
den realen Contracte vorher bekant gewesen, so
mus dieser, als auf beyden Seyten betrügerisch auf
gehoben werden.
XIV. Wir schliessen mit andern, entweder in
Person, oder durch Agenten, Factore, Deputirte,
Gesandten, oder andre Personen, denen wir die Ge
walt gegeben haben, in unserm Namen gültige
Unterhandlungen zu *
Qui prior tempore potior , Abschn.
** Siehe den zweyten Ab
satz dieses Abschnitts.
*** Siehe den fünften
Abschnitt dieses
ersten Absatz.
I.
Wir haben im vorigen Abschnitte einiger na
türlichen Grundsätze gedacht, die blos
bestimmt sind, unsre Kraft zu reden, zu regie
ren. Da das Vermögen, uns unter einander
unsere Meinungen, Wünsche und Absichten zu ent
decken, eine von den vorzüglichsten
Abschnitt
Des menschlichen Geschlechts und so bequem nach
unsrer gesellschaftlichen Empfindungen und Nei
gungen eingerichtet ist: so hat auch die Natur ein
moralisches Gefühl in unsre Herzen gepflanzt, die
ses Vermögen zu regieren. Wir sind von Natur
geneigt, unsere Gedanken mitzutheilen; und was die
Seele, sobald sie die Fähigkeit darzu erlangt hat,
von Natur mittheilet, ist Wahrheit. Verstellung
und Falschheit sind offenbar gekünstelte Wirkungen
des Vorsatzes und der Ueberlegung. Diese Nei
gung, sich andern mitzutheilen sowohl, als der
standhafte Vorsatz, niemals anders, als wie wir
denken, zu reden, erwirbt sich allemal einen ge
schwinden und natürlichen Beyfall. Wenn wir
aber dies Vermögen uns auszudrucken, nach der
Art, die unser Herz vorher gebilliget hat, ausüben:
so müssen wir freylich auf andere wichtigere Grund
sätze, die bey unsrer Verfassung allgemeiner sind,
Acht haben, damit wir nicht geringern, die andern
wichtigern im Wege stehen, folgen. Wir wir uns
zuweilen von Ausübung des Mitleidens, der Dank
barkeit und andrer liebenswürdigen Triebe zurück
halten müssen, wenn sie mit der allgemeinen Glück
seligkeit nicht bestehen können. Wo aber Redlich-
keit, Offenherzigkeit, und eine aufrichtige Entde
ckung unsers Herzens derselben nicht schaden, da
zeigen uns die plötzlichen Empfindungen unsers
Herzens an, daß wir dazu verbunden sind.
Es giebt noch andere Arten, unsre Gedanken,
Verlangen oder Absichten bekannt zu machen, wie
z.E. durch Bilder, hiroglyphische Figuren, Ge
Buch
bedeutend, oder es durch die Gewohnheit geworden
sind. Die
treffen alle andere
Nutzbarkeit sehr weit.
II. Um unsre Pflicht bey dem Gebrauche der
Zeichen recht einzusehen, müssen wir auf diesen wich
tigen
*
Unterschied derselben Acht geben, daß viele,
entweder durch eine natürliche Gleichheit, oder einen
natürlichen Zusammenhang, dem der sie beobachtet,
eine Sache bekant machen, oder ihm Gelegenheit
geben, sie zu schliessen, ohne daß er sich einbilden
kan, daß diejenige Person, die sich der Zeichen be
dienet hat, es in der Absicht gethan, ihm ihre Mei
nungen oder Absichten zu entdecken. So schlies
sen wir, wenn wir Rauch sehen, daß ein Feuer da
ist; sehen wir denselben in einem feindlichen Lager
am Abend an vielen Orten aufsteigen, so schlies
sen wir, daß die Armee nicht in Bewegung sey.
Wenn wir die Nacht durch in einem Fenster Licht
sehen, so folgern wir daraus, daß daselbst eine Per
son wachen müsse. Dem ohngeachtet aber denken
wir nicht, daß jemand durch diese Zeichen uns seine
Absichten, oder eine Sache habe bekant machen
wollen. Aber es giebt 2) noch einen andern Ge
brauch solcher Zeichen, die weder natürlich, noch
durch die Gewohnheit Zeichen geworden sind, der eine
solche Absicht bey demjenigen, der sich der Zeichen
bedient, ganz deutlich anzeigt. Ja er kan sich kei* S.
Lib. III. c. 21. §. 8. N. 11.Puffend. de I. N. & G. Lib. IV. c. 1.
Diese Eintheilung der Zeichen ist von derje
nigen unterschieden, wo man sie in zwey Classen, der natürlichen, und der
III. Bey dem Gebrauche der Zeichen, der wirPflichten
bey solchen
Zeichen, die
bey uns kei
nen Willen,
unsere Ge
danken mit
zutheilen,
anzeigen.
uns nicht in dieser Absicht bedienen, ist ein jeder
verbunden, keine unschuldige Person, noch weniger „
ten, die ihnen zum Verderben gereichen können.“
So bald aber ein anderer ein vollkommenes oder
Buch.
unvollkommeues Recht besitzt, unsere Gedanken zu
wissen, begehn wir ein Verbrechen, wenn wir sie
durch Stillschweigen zu verbergen, oder ihn durch
Zeichen, von welcher Art sie auch seyn mögen, zu
betriegen suchen. Haben aber andere kein solches
Recht, oder ist eine gerechte Ursache zum
welche selbst Gewaltthätigkeiten entschuldiget, oder
kan etwas Gutes daraus entstehen, wenn wir einen
hintergehen; so können wir es durch solche Zeichen
thun, die auf unsrer Seite keinen Vorsatz anzeigen,
ihm unsere Absichten zu entdecken. Solche Listen
werden von allen gerechtfertiget, und man kan sich
ihrer zu allerhand unschuldigen Absichten auch ge
gen Freunde bedienen. Ein fleissiger Mensch kan
sein Zimmer finster machen, um andere zu überre
den, daß er nicht zu Hause sey.
Aber bey dem Gebrauche solcher Zeichen, die
eine Absicht unsrer Meinung zu erkennen zu geben
anzeigen, und allein dadurch erkläret werden kön
nen, ist der Fall ganz anders. Das Vergnügen
des gesellschaftlichen Lebens beruht grossentheils auf
dem gegenseitigen Vertrauen, das jeder auf des an
dern Erzählungen und Versprechen sezt. Wir
nehmen oft unsere Maasregeln nach den Erzäh
lungen anderer; wir leiten einen grossen Theil un
srer Känntnis in menschlichen Angelegenheiten da
von ab. Wenn wir also andere mit Vorsatz durch
Zeichen, die wirklich unsere Absicht, uns zu erklä
ren, deutlich anzeigen, und die sie auf die gewöhn
liche Art erklären, betriegen: so verdammen nicht
nur unsre Herzen sogleich eine solche Falschheit, son
Abschnitt.
dern nach einiger Ueberlegung sehen wir auch ein,
daß ein solches Verfahren das menschliche Leben
aller Vortheile beraubet, die aus einem gegenseiti
gen Vertrauen im Umgange entstehen.
Der Gebrauch solcher Zeichen ist ein still
schweigender Contract mit der Person, an die wir
sie richten, daß wir ihr unsere Meinung entdecken
wollen. Wären die Menschen nicht von der Wirk
lichkeit eines solchen Vertrages überzeugt: so wür
de es närrisch seyn, einen andern ernsthaft anzure
den, oder auf das zu hören, was man uns sagte.
Würde nicht in dem Falle, daß die Menschen glaub
ten, es gäbe keine Verbindlichkeit zur Aufrichtig
keit, und nach diesem Grundsatze handelten; daß sie
so oft wider ihre wahren Gedanken, als denselben
gemäs, redeten, alles Vergnügen des Umgangs,
und alles Vertrauen auf andrer Erzählungen, ver
nichtet werden? Man würde blos in Contracten
reden, und auch bald bey diesen alles Vertrauen
verlieren. Sind wir gleich nicht allemal verbun
den, unsre Meinung zu entdecken: so erhellet doch
aus diesen Gründen, daß wir allemal Treu und
Glauben halten müssen, wenn wir uns gewisser
Zeichen auf eine Art bedienen, welche anzeigen, daß
wir unsre Gedanken dadurch bekant machen wollen;
oder „daß wir uns ihrer so bedienen müssen, daß
sie unsre wahren Gesinnungen durch eine ver
nünftige Erklärung, anzeigen,“ dies ist das all
gemeine Gesetz der Aufrichtigkeit.
IV. Es giebt gewisse nothwendige Einschrän
dige Ein
schränkun
gen.
kungen dieser Regel, und gewisse
Buch.
Erklärung der Zeichen, besonders der Worte, beob
achtet
1. Jst die Bedeutung von gewissen Wörtern
oder
heit abhängen, von der alten ursprünglichen ver
ändert: so kan man uns keiner Falschheit beschul
digen, wenn wir sie in dem nunmehr gewöhn
lichen Verstande gebrauchen. So zeigen z. E.
höfliche Complimente, oder die ordentlichen
Titel gewisser Stände und Aemter keine solche
Meinungen von den Verdiensten, oder den
lischen
gerichtet werden, obgleich die Worte, die wir brau
chen, bey einer andern Gelegenheit alles dieses an
zeigen würden; und niemand wird damit betrogen.
Sie deuten nur an, daß wir die Absicht haben, der ge
wöhnlichen Höflichkeit ein Genüge zu thun, oder
gewissen Bedienungen, die ihnen gebührende
zu erweisen.
2. Wenn es von gewissen Dingen bekant ist,
daß die Menschen es für keine Beleidigung halten,
darinne betrogen zu werden, so ist es kein Verbre
chen, wenn man davon nicht wahr redet. Dieser
Fall findet sich bey einigen Lustbarkeiten. Bey
solchen geringen Angelegenheiten sehen wir, daß kein
gegenseitiges Vertrauen statt findet, und können
daraus schliessen, was die Falschheit, bey ernsthaf
ten Erklärungen, oder Erzählungen, für Wirkung
haben würde. Wenn bey einigen wichtigern Din
gen die Menschen ihr Recht auf die Verbindlich
keit anderer, die
Abschnitt.
ben; so verliert sich dieselbe. Eine stillschweigen
de Erlassung kan von einem stillschweigenden Ver
trage befreyen; oder vielmehr enthält in solchen
Fällen die Handlung, da ich den andern anrede,
keinen Vertrag. Niemand tadelt einen Arzt, der
einen zu sehr niedergeschlagenen Kranken, durch gu
te Hofnung die er ihm macht, hintergeht, oder wenn
er ihm nicht zugesteht, daß er ihm eine heilsame Me
dicin eingiebt, wider welche er aus thörichten
urtheilen
ihm ins künftige solcher Betrügereyen wegen keine
Vorwürfe machen. Es ist wahr, daß man je
manden nicht oft auch in solchen Dingen betrügen
kan, weil das Vertrauen sich gar zu bald ver
liert; aber es kan ein guter Endzweck erhalten,
und das Vorurtheil überwunden werden, ohne daß
der Patiente den Betrug misbilligt. Weise Leute
erlauben einem Arzte, auf dessen Geschicklichkeit und
Treue sie sich verlassen, allemal eine solche List.
Thun sie es nicht, so muß eine wahre Nothwendig
keit sie daran verhindern, davon wir gleich han
deln werden.
3. Ob gleich im
einander durch falsche Berichte und Erzählungen
zu betrügen suchen, und dieser Gebrauch nunmehr
so eingeführt ist, daß sich niemand darüber, als über
eine unerlaubte List beklagt: so waren doch auch so
gar diese, vor der Einführung und Bekantmachung
einer solchen Gewohnheit, ungerecht. Jst aber
diese Gewohnheit eingeführt, und allen Theilen be
kant, so kan man solche Betrügereyen schwerlich für
Buch.
ungerecht erklären, weil alsdenn die Menschen un
ter einander ihrem Rechte entsagt zu haben schei
nen. Es können aber solche Kriegeslisten nicht oft
mit Erfolge wiederholt werden, weil der andere Theil
gar zu bald vorsichtig wird.
Bey allen ernsthaften Berichten zu Friedens
zeiten befindet sich die Sache ganz anders. Auch ist
bey Kriegen die Gewohnheit nicht durchgängig
eingeführt. Was aber allen Betrug in irgend
einer Form von Tractaten oder Verträgen betrifft,
so kan man ihn, selbst bey noch anhaltenden Feind
seligkeiten nicht für rechtmässig erklären. Blos
durch Tractaten kan ein Krieg ohne den grausam
sten Untergang der einen Parthey geendiget wer
den. Blos durch Tractaten kan man menschliche
Arten Krieg zu führen bestimmen. Macht man
sie zu Werkzeugen des Betrugs und der Feindselig
keit: so müssen die entsetzlichsten Verwüstungen
daraus folgen, und es mus also ohne ein grosses
Verbrechen nicht geschehen können.
4. Noch eine Einschränkung oder Ausnah
me, welche die meisten Schriftsteller für rechtmäs
sig halten, findet alsdenn statt, wenn uns die Ver
sprechen oder Berichte durch offenbar unrechtmäs
siige Gewaltthätigkeiten von solchen Personen ab
gedrungen werden, die durch ihre Lebensart
alle Gesetze der
geführt, daß diese aller Rechte des menschlichen
Geschlechts verlustig sind, denn wenn man ihnen
dieselben hielte, würde es blos dazu dienen, sie in
ihren Verbrechen zu bestärken und aufzumuntern,
Abschnitt.
oder ihre
und vortheilhafter machen.
5. Eine andre Ausnahme fällt noch leichter
in die Augen, wenn nämlich iemand den theilneh
menden Personen zum voraus bekant gemacht hat,
daß er bey einer gewissen Gelegenheit, nicht seinen
Gedanken gemäs reden, oder sich der Worte nicht in
ihrer gewöhnlichen Bedeutung bedienen will. So
ist es kein Verbrechen, wenn ein Lehrer Beyspiele
von falschen Sätzen giebt, oder wenn sich andre er
klären, daß sie gewissen zweydeutigen Worten eine
Bedeutung beylegen, die von der gewöhnlichen un
terschieden ist; oder wenn
Briefwechsel gewisse Bedeutungen, die ihnen allein
bekant sind, verabredet haben, obgleich diese Worte
bey jedem Fremden falsche Begriffe hervorbrin
gen würden.
6. Auf eine neue Ausnahme wird bey Fällen
besonderer
Nothwen
digkeit.
von besonders dringender Noth stark gedrungen,
welche Noth, wie wir schon angeführt haben, von
der Verbindlichkeit vieler besondern Gesetze der
tur
Vorfällen heilig zu halten verbunden sind. Da
diese Entschuldigung wegen dringender Noth nicht
allein beym Gebrauch der Rede statt findet: so
wollen wir die Untersuchung derselben, bis auf ei
ne allgemeinere
*
Betrachtung verschieben, und
hier noch einige besondere nützliche Reden anfüh
ren, die alle Rechtschaffene für billig erkennen
müssen.
* Jm XVII
Abschnitt dieses
IV. Die allgemeinen Vortheile,
Aufrichtigkeit und dem gegenseitigen Vertrauen
für die
Wirkungen der Falschheit und Unredlichkeit so ge
fährlich, daß wenn einige Ausnahmen in Noth
fällen zugestanden werden sollen, die Noth so ausser
ordentlich gros und unvermeidlich seyn mus, daß alle
Uebel, die auf der andern Seite entstehn, dadurch
überwogen werden.
2. Wenn es unsere Pflicht ist, andern unsre
Gedanken zu entdecken: so sind wir verbunden,
uns solcher Worte zu bedienen, die wir für die rich
tigsten, und zu dieser Absicht am bequemsten halten.
Gebrauchen wir mit Vorsatze andre Worte, welche,
wie wir vorhersehn, die Zuhörer betriegen werden:
so begehn wir ein Verbrechen, wenn auch unser
Vortrag nach einer andern Auslegung wahr seyn
sollte. Aber in Fällen, wo es wegen der bösen Be
gegnung oder der gefährlichen Absichten einiger Zu
hörer, unsre Pflicht nicht ist, unsre Gesinnungen zu
entdecken, oder wo wir, wenn wir uns weigerten,
auf einige verfängliche Fragen zu antworten, durch
Schweigen, dasjenige, was die Nachforscher kein
Recht haben zu wissen oder was sie, wenn sie es wü
sten, zu den bösesten Absichten gebraucht würden,
eben so deutlich, als durch eine bejahende Antwort
entdecken würden: Da ist es erlaubt, uns solcher
zweydeutigen Antworten zu bedienen, die einem red
lichen von
müthe
sches beybringen können, von denen wir aber vor
Abschnitt.
hersehen, daß sie von andern werden falsch verstan
den, und diese sich durch ihre
heit und Vorurtheile betrogen werden. Von sol
chen Reden und Antworten findet man Beyspiele
in den heiligsten
3. Eine Fertigkeit der Aufrichtigkeit ist von
lich ist die
Aufrichtig
keit anzu
preisen.
einer
zertrennlich, und eine Fertigkeit zum Gegentheile
so gefährlich, daß man bey jungen Leuten alle Ar
ten der Verstellung, und des Betrugs, sowohl als of
fenbare Falschheit, aufs ernsthafteste bestrafen soll
te. Man sollte ihnen auch, ehe sie den völligen Ge
brauch ihrer
erlauben, sich solcher künstlichen Verstellungen oder
solcher listigen Mittel, eine Sache zu verbergen, zu
bedienen, als Leute in reifern Jahren, zuweilen oh
ne strafbar zu werden, anwenden können.
4. Es giebt gewisse Grundsätze der Tugend
und
bekennen und fortzupflanzen ein gutes Herz so viel
Eifer bezeigen mus, daß jeder hinlänglich gerecht
fertigt ist, der sie öffentlich, auf alle Gefahr, die für
ihn daraus entstehen könte, bekennt, wenn er auch
nicht vorhersieht, daß andre dadurch zu eben die
sen Grundsätzen werden gebracht werden. Haben
wir aber gar Grund zu hoffen, daß solche öffent
liche Erklärungen der Welt durch die Erleuchtung
andrer so viel Nutzen schaffen werden, daß alles
Leiden,
überwogen wird: so sind wir dazu verbunden, und
Buch.
wir können uns, ohne ein Verbrechen zu begehn,
ihnen nicht entziehn; als wenn z. E.
rechten Sache oder einer dem menschlichen Ge
schlechte sehr vortheilhaften Einrichtung, vermittelst
einer solcher Erklärung, einen glücklichen Erfolg
versprochen hat. Haben wir aber keine gegrün
dete Hofnung, einen glücklichen Erfolg dadurch
zuwege zu bringen, oder bey andern etwas gutes
dadurch zu zeugen, so kan man uns nicht für la
sterhaft erklären, wenn wir solche freywillige Be
käntnisse, die nichts als unser Unglück hervor
bringen können, von uns ablehnen.
5. Da die wichtigste Absicht des bürgerli
chen Regiments ist, die Entscheidung der Strei
tigkeiten und die Handhabung der Gerechtigkeit den
Händen der darin
schaften
verständigen unpartheyischen Männern, die für
keinen Theil eingenommen sind, zu überlassen, und
sich alle Unterthanen eines
derselben unterwerfen: so erfordert es die Schul
digkeit einer Person, die vor einem Gerichte als
Zeuge verlangt wird, nicht allein in dem, was sie
aussagt, die strengste
sondern alles, was sie von der ganzen Sache weis,
auf Verlangen treulich zu entdecken. Es ist in
allen Staaten nothwendig, diejenigen Zeugen auf das
strengste zu bestrafen, die irgend etwas, warum
man sie befragt hat, verbergen, wenn es auch aus
Sache sie für gerecht halten, oder die wider ein,
Abschnitt.
ihrer Meinung nach allzu strenges Gesetz straffällig
geworden ist. Wenn man Zeugen erlaubte, unbe
straft etwas zu verfälschen oder ihre Wissenschaft
von irgend einem ihnen bekanten Dinge zu ver
leugnen, so würde alles gerichtliche Verfahren ohne
Nutzen seyn. Die Entscheidung der Streitigkei
ten müsten bey solchen Personen, die der Sache
nicht kundig, oder bey solchen bleiben, die einer
oder der andern Parthey geneigter wären; wie es
sich bey den meisten Zeugen aus Gunst oder wenig
stens aus Mitleiden, befindet. Sind die Gesetze
oder die Richter zu strenge, oder ungerecht, so wür
de derjenige heldenmüthig handeln, der lieber durch
Versagung seines Zeugnisses, und Erduldung der
darauf gesezten Strafe, eine unschuldige Person
von ihren Leiden zu befreyen, und in Sicherheit zu
setzen suchte.
6. Da wir, wenn wir mit andern reden, die
des Verbre
chens einer
Zweydeu
tigkeit, oder
eines gehei
men Vorbe
halts.
ein Recht haben, unsre Meinung zu wissen, still
schweigend nicht nur das angeloben, daß unsre Wor
te, nach einer gewissen möglichen Auslegung, wahr
seyn, sondern daß sie in dem gewöhnlichen Verstan
de, in dem sie jeder vernünftiger Mensch nehmen
würde, die Wahrheit ausdrücken sollen, weil jeder
eben so gut ein neues Wörterbuch, nach welchem er
alles zu verneinen oder zu bejahen im Stande wäre,
oder eine neue Sprachkunst, deren Wortfügung
allen fremd und unerwartet wäre, machen, und durch
diese Kunstgriffe allen Gebrauch der
vereiteln könte: so ist es offenbar unerlaubt, et
was zu reden, das den ausgedruckten Worten nach
Buch.
falsch ist, aber durch einen geheimen Vorbehalt oder
einen nicht ausgedruckten Zusatz wahr werden würde.
Kein Satz ist so unsinnig und so falsch, daß er nicht
durch solche Mittel gerechtfertigt werden könte.
V. Die bis hieher angeführten
bestimmt, die Menschen von dem
heit abzuhalten; es giebt aber noch viele andre, die
uns die Pflichten, die
des Umgangs zeigen. Ein redliches Herz, das mit
gütigen Neigungen gegen seine Nebenmenschen an
gefüllt ist, wird allemal geneigt seyn, seinen Um
gang so viel möglich also einzurichten, daß er ihnen
nützlich wird. Derjenige, der es besizt, wird nach ei
ner nützlichen Käntnis von menschlichen Angelegen
heiten streben, weil diese eine Quelle von Liebes
diensten und Gefälligkeiten gegen andre ist; seine
ernsthaften Gespräche werden lehrreich seyn, oder
ein Verlangen nach etwas, das uns Ehre bringt,
einzuflössen suchen, und so gar seine Frölichkeit ist
auf solche Dinge gerichtet oder wenigstens unschul
dig. Aus diesen Ursachen ist eine einnehmende
Höflichkeit im Umgange, und ein angenehmes äus
serliches Betragen, der Bestrebung solcher Leute, die
den grösten Character besitzen, nicht unwürdig.
2. Weil alle Menschen ein zartes Gefühl von
Ehre und einem guten Namen, und den grösten
Abscheu vor der Schande, und der Verachtung ih
rer Nebenmenschen besitzen; weil die Hochachtung
und Liebe unsrer Nachbarn einen der süssesten Ge
nusse unsers Lebens ausmacht, und die Erduldung
der Vorwürffe, der Schande und der Verachtung
Abschnitt.
unter die grösten Unfälle der edeln Geister ge
hört: so gebieten uns alle unsre menschliche
pfindungen
rechtigkeit, mit dem Character anderer auf das vor
sichtigste zu verfahren. Doch kan sich ein kleiner
neidischer verachtungswerther Geist verrathen, wenn
er vorzüglichen Verdiensten das gebührende Lob
versagt, oder sich ihre Grösse durch allerhand Be
mühungen zu verringern und zu verdunkeln, be
strebt. Dergleichen Bosheiten benehmen den edel
sten
züglichen Lobe, das jemand einem andern mittheilen
will, jeder ohnstreitig sein eigner Richter, und das
Recht andrer bey solchen Angelegenheiten gehört un
ter die unvollkomnen; ob sie gleich oft durch eines
Menschen falsches Urtheil oder Beleidigung solcher
Rechte, die hassenswürdigsten Neigungen in ihm
entdecken. Was aber den blossen Character der
Redlichkeit, Ehrlichkeit, und Reinigkeit der
oder den Namen eines untadelhaften ehrlichen Man
nes betrifft: so hat jeder ein vollkomnes Recht
darauf, wenn er dieses nicht durch sehr grobe un
sittliche Verbrechen verwirkt hat. Ungerechte Ver
läumdungen und Verkleinerungen gehören also
unter die unerträglichsten Jnjurien, und sind de
sto verhaster, weil sie oft durch halbe Worte, An
spielungen, Geberden, und verborgenes Gelispel
hervorgebracht werden.
Diejenigen, die einige Achtung für die Tu
gend und die Güte ihrer eignen Herzen, oder nur
einigen moralischen Werth besitzen, sollten mehr
Buch.
auf den Anfang unsrer Neigung zu solchen Bos
heiten Acht geben, und betrachten, wie niedrig die
Wurzeln sind, aus der sie entspringen. Wenn sie
am meisten zu entschuldigen ist, entsteht sie aus ei
nem Mangel aller Untersuchung unsrer selbst, und
einem albernen Triebe, uns um anderer Leute An
gelegenheiten zu bekümmern, und davon zu schwa
tzen; oft aus dem
Freude an der eingebildeten vorzüglichern Grösse
unsrer Tugend, oft aus einem noch niederträchti
gern
sie uns übertreffen werden; und zuweilen aus ei
ner zur Fertigkeit gewordnen Art von Bosheit ge
gen diejenigen, die mit uns in Ansehung der
seligkeit
Kunst, sich die Liebe des Volks zu erwerben, zu strei
ten scheinen, oder die uns in
gegen gewesen sind. Selten werden Leute durch
irgend einige von den liebenswürdigen Beschaffen
heiten des Herzens, wenn diese
schränktesten Art seyn sollten, zu solchen Handlun
gen gebracht; und alle Grundsätze der
keit
3. Gesezt auch, daß wir von den verborgnen
Fehlern und
wären, so kan es doch selten zu einigem Nutzen ge
reichen, sie bekant zu machen. Der Zaum der
Schande, der im menschlichen Leben so mächtig ist,
verliert sich, so bald wir keinen
sitzen. Die öffentliche Schande kan eine zu harte
Strafe für Leute seyn, die sich vielleicht durch eine
Abschnitt.
geheime Erinnerung hätten bessern lassen, die viel
leicht schon ihren Fehler aufrichtig bereuen, und
alle seine üblen Folgen so viel möglich zu verbessern
suchen. Solte auch eine heimliche Erinnerung
den Uebertreter nicht bessern, und hat man keine
weitere Uebertretung, oder die Verführung andrer
zu befürchten, so lässt sich nicht leicht ein Vortheil
anführen, der durch die Bekantmachung verborge
ner Verbrechen entstehen könte. Wenn die Hof
nung noch übrig ist, daß vielleicht die öffentliche
Strafe einen, bey dem die Erinnerung nichts ge
fruchtet hat, noch bessern kan, wenn diese nothwen
dig ist, um neue Verbrechen, oder die Verführung
andrer, zu verhüten, oder die Ersetzung eines ver
ursachten Schadens dadurch zu erlangen: so ist eine
solche Bekantmachung vernünftig und billig. Was
kan aber, wo diese Bewegungsgründe nicht dazu
antreiben, wo die Geheimhaltung den Schaden
des Exempels verhüten kan, wo aller Schaden er
setzt ist, und keine neue Uebertretungen zu befürch
ten sind, die Offenbarung solcher Verbrechen für
einen Nutzen haben, als daß sie unsre Bosheit, un
sern
alberne
vergnügt. Die Lasterhaftesten werden am leichte
sten bekehrt, wenn die Furcht vor der Schande, die
durch die allgemeine Verachtung getödtet wird, noch
in ihnen lebt. Die Menge der Verbrechen macht,
daß sie andern weniger schädlich scheinen. Die
Menschen halten ihre lasterhaften Neigungen we
niger im Zaume,
Buch.
nachhängen, und die Tugendhaften gerathen nur
desto eher in den Verdacht der Heucheley.
So bald grobe Verbrechen einmal bekant
sind, ist es unstreitig die Schuldigkeit jeder
schaft
dem ohngeacht aber gegen die Uebertreter ein gutes
Herz zu behalten, und ihre Besserung eifrig zu su
chen. Wenn aber ein Laster verborgen bleiben
kan: so hat ein guter
bequemste Gelegenheit, dem Uebertreter den wich
tigsten Liebesdienst zu thun. Er kan ihn durch ei
ne Ermahnung bessern, und ihn durch Geheimhal
tung seiner Fehler auf das äusserste verbinden.
4. Hieher gehören die liebenswürdigsten und
nützlichsten Lebenspflichten, wenn man nämlich strei
tige Freunde oder Nachbarn durch freye Unterre
dungen mit beyden Theilen versöhnt. Wir kön
nen ihnen die Vergleichsmittel im vortheilhafte
sten Lichte zeigen, alle mögliche Kunstgriffe, sie zu
besänftigen, anwenden, sie an vergangne freund
schaftliche Gefälligkeiten, die sie einander erwiesen,
erinnern, und ihnen alle grosse Bewegungsgründe
anführen, die wir haben, uns unter einander zu
vergeben, weil wir selbst so oft der
dürfen.
5. Zu dieser Materie, von dem Gebrauch der
logicalische Streit der Cyniker und der alten
sophischen
Cyniker sagen; „Es gäbe keine Geschöpfe Gottes
Abschnitt.
oder keine natürliche Handlungen, die nicht der Ge
genstand einer Untersuchung oder eines Gesprächs
unter tugendhaften Männern, werden könten, und
also gäbe es keine Unflätereyen.“ Dies ist sehr
leicht zu beantworten.
Jn allen Sprachen führen gewisse Wörter,
ausser ihrer ursprünglichen Bedeutung eines Dings
oder einer Handlung, gewisse Begriffe von der
Verfassung desjenigen, der da redet, mit, die ihnen
nicht eigen sind. Andre Wörter, von einerley ur
sprünglichen Bedeutung, können entgegen gesetzte
Verfassungen anzeigen; und eine dritte Art von
Wörtern können blos die Sache oder Handlung
erzählen, ohne irgend eine Neigung desjenigen, der da
redet, anzudeuten. Wir werden diesen Unterschied
finden, wenn wir die Wörter, deren sich einer, der
wirklich aufgebracht ist, bedient, seinen Zorn und
seine Verachtung auszulassen, mit denenjenigen
vergleichen, die mit jener einerley Bedeutung ha
ben, aber von einem ruhigen Menschen gebraucht
werden, eben die Sache zu erzählen.
Wenig Dingen fehlt es an diesen drey ver
schiedenen Arten von Namen, wovon eine blos da
zu dient, sie anzuzeigen, die andre, unsre Freude
darüber, oder unsern
zu machen, und die dritte, unsern Abscheu davor
oder unsre Verachtung zu verstehen zu geben. Ehebruch, Blutschande, Hurerey, Geilheit,
zeigen diese
der davon
Handlungen auszudrücken, können unsre wollüsti
Buch.
gen Neigungen, und daß wir sie billigen verrathen.
Eine ernsthafte traurige Beschreibung einer
Schlacht, oder einer unglücklich abgelaufenen
Schwelgerey, hat ihre ehrwürdigen Worte, die
zugleich
burleskes Gedicht findet für eben diese Dinge andre
Ausdrücke die
Mittelworte, die keine von beyden
andeuten.
Ein Anatomist, oder jeder bescheidener
Mann, kann Worte finden, die alle Theile unsers
schaften ausdrücken, ohne die geringste wollüstige
Neigung oder einigen Geschmack an lasterhaften
Vergnügungen zu erkennen zu geben. Andre
Worte können eine ungemässigte Hitze nach solchen
Vergnügungen anzeigen, sie können eine durch Lie
derlichkeit in Unordnung gebrachte
Mangel an natürlicher Bescheidenheit, eine Nach
lässigkeit unsre viehischen Triebe durch einige Mäs
sigkeit zu zwingen zu suchen, und ein Verlangen,
andern eine solche ausschweifende Aufführung anzu
preisen, entdecken. Dies sind die Unflätereyen im
Umgange, die sich für ein vernünftiges Wesen
nicht schicken, und mit unsrer angebohrnen Be
scheidenheit und den Grundsätzen einer männlichen
Ungemässigte,
andrer Art sind lasterhaft, und man kan eine ver
ächtliche Seele an einer grossen Delicatesse darin
Abschnitt.
nen, oder an einer eifrigen Bestrebung darnach er
kennen. Ein Gespräch, das einen so niedrigen
Geschmack zeigt, oder ihn gar anpreist, kan bis zur
Schande lasterhaft seyn. Wie aber unser Trieb
zur
tur
ihn im Zaume zu halten. Und solche Gespräche,
wovon das Unfläthige sich auf die Liebe bezieht, sind
allemal verführerischer und verderblicher für andre,
deren Geschmack nicht fein genug ist, um ihnen die
sen eckelhaft zu machen, als niedrige Reden von al
len andern Arten von Sinnlichkeiten.
Hier kommen auch die Eyde zu betrachten vor,
weil sie natürliche Bestätigungen unsrer Ver
sprechen, Zeugnisse oder Berichte sind.
I. Wie nichts kräftiger seyn kan einen, der ei
der Eyde.
ne gerechte
und das
heit bey Aussagen, und zu treuer Haltung der Con
tracte zu bewegen, als eine ausdrückliche öffentliche
Anrufung
Falschheit: so sind solche Bestätigungen von allen
tionen
keit erfordert worden, und diese nennet man Eyde.
Wenn wir sie mit Andacht leisten, so ist es ein
und eine Vorsehung erkennen. Wir machen die
Gottheit dadurch nicht aufmerksamer, und geben ihr
Buch.
dadurch kein neues Recht zu strafen, sondern wir
stellen unserm
die triftigsten Bewegungsgründe zur
und Redlichkeit vor, und vergrössern, wenn wir
nachher eine Falschheit oder eine Untreue begehen,
unser Verbrechen unendlich.
Da alle
zens, bey allen vernünftigen Geschöpfen, die ihren
Schöpfer kennen, die tiefste Ehrfurcht,
derung
bringen: so ist es von äusserster Wichtigkeit solche
ehrfurchtsvolle Gesinnungen gegen GOtt, bey allen
in einem hohen Grade zu erhalten zu suchen, um
sie dadurch zu allem, was in der
gros und ehrenswerth seyn kan, zu ermuntern, und
von dem Gegentheile abzuschreken. Alle
gen
vor der göttlichen Majestät zu verringern, müssen
also ein grosses Verbrechen enthalten. Unter sol
che Handlungen gehört unstreitig, wenn wir bey
nichtswürdigen oder spashaften Vorfällen schwören,
wenn wir ohne besondere Noth, sogar auch bey
ernsthaften Gelegenheiten, welche oft vorkommen,
darauf dringen, wenn wir sie oft von andern ver
langen, wo wir doch ohne sie hinlängliche Sicher
heit haben könnten, und wo Leute in eine starke
Versuchung zum Meineyde gerathen können, weil
sie vorhersehn, daß dieser vermuthlich ungestraft
so sorglose Art zuerkennen, daß es bey uns we
der eine Neigung zur Gottesfurcht anzeigt, noch
Abschnitt.
im Stande ist, Gott anständige Empfindungen,
bey der Person, welche schwört, oder bey den Zu
schauern hervorzubringen. Solche Handlungen
müssen natürlicher Weise die Gottesfurcht einer
ganzen Nation in allen ihren Theilen, und beson
ders in demjenigen verringern, der die
dung
einem Eyde betrift. Wie
grosse Herren erwarten, daß sich Leute durch
Eyd der Treue, den sie ihnen leisten, für gebunden
halten werden, wenn sie so wenig dafür sorgen,
unter ihrem Volke eine allgemeine Ehrfurcht vor
den Eyden zu erhalten? Ja, wenn sie sogar alle
Tage ihren Unterthanen zu thörichten und unnöthi
gen Eyden bringen, dadurch ihre Gewissen verder
ben,
ben sind, selbst mehr und mehr vernichten.
Es ist auch ein ungeheurer Misbrauch, sich der Ey
de bey solchen Vorfällen zu bedienen, wo sie wenige
oder gar keine Sicherheit verschaffen. Solche sind
diejenigen, die man von uns verlangt, um dadurch
uns zu erklären, daß wir gewisse lange Systeme,
von streitigen und zuweilen unnützen Meinungen in
Religionssachen annehmen, und ihnen anhangen
wollen. Der grossen Gefahr nicht zu gedenken, die
wir dabey lauffen, die Gewissen der Menschen zu
verderben, so können auch solche Eyde, wenn jene
bey weitrer Untersuchung Gründe finden, ihre Mei
nung zu verändern, keine Sicherheit verschaffen;
weil sie Bestätigungen von Versprechen sind, die
Buch.
es nunmehr unmöglich geworden ist, zu erfüllen.
Sogar auch die Eyde der Treue, die grosse Herren
sich leisten lassen, können keine andre Wirkung ha
ben. Tugendhafte Leute werden ihren rechtmässigen
Herren ohnedem getreu seyn, und Leute ohne Ge
wissen, halten sich dadurch nicht für verbunden.
Wann ein tugendhafter Mann nach Ablegung des
Eydes der Treue Ursache findet, seine Meinung in
Ansehung der Rechtmässigkeit des Prinzen, der im
Besitze ist, zu ändern, so wird er schliessen, daß der
Eyd ihn nicht verbinden kan, weil er dem Rechte
eines andern entgegen gewesen ist.
II. Da es eine närrische und gottlose Hand
lung wäre, bey irgend einem Wesen zu schwören,
das nicht göttliche Gewalt besässe, so sind die ge
wöhnlichen Formeln von Schwüren, wenn sie ei
nige Bedeutung haben, nichts anders als Schwüre
bey
oder einer Person, die uns theuer ist, schwören,
heist soviel, als die göttliche Rache über diese Dinge
anrufen, wenn wir die Unwahrheit sagen. Schwö
ren wir bey der Sonne, dem Lichte, oder der Erde,
so wünschen wir dadurch, daß uns aller Gebrauch
derselben entzogen werden möge. Andere gleichbe
deutende Schwüre fallen noch deutlicher in die Au
gen. Bedienen wir uns solcher Formeln im Spasse,
so handeln wir, wenn wir ihren Verstand nicht
wissen, närrisch; wissen wir aber diesen, sehr gott
los. Wir sollten uns ihrer im gemeinen Leben
*
gar * Dies ist unstreitig die
Meinung von
che Formel ohne die Ab
sicht uns dadurch zu
verbinden, bedienen sol
len. Daß dieses bey dem
Spruche ausgelassen sey,
erhelt aus dem Zusammen
hange, und der
Casuisterey
Abschnitt.
nicht, ja überhaupt niemals, ohne die wahre Absicht
bedienen, uns der Verbindlichkeit und den Folgen
eines Eydes zu unterwerfen.
Wie bey Contracten, so glaubt man auch bey
man glaubt
daß er schwö
re.
Eyden von demjenigen, daß er eingewilligt und ge
schworen habe, der sich der
Handlungen gemeiniglich angedeutet werden, bedient
und zugleich erkläret hat, daß es in der Absicht ein
zuwilligen oder zu schwören geschehen ist; ohne sich
um das zu bekümmern, womit sich zu der Zeit sein
Ein solcher ist des Meineyds schuldig, wenn er ein
falsches Zeugnis ablegt, oder ein dadurch bestätig
tes Versprechen bricht. Die Menschen können nur
durch Zeichen von dem, was in uns vorgeht,
urtheilen.
Der Eyd ist eigentlich eine von dem Be
sind eine be
sondre Hand
lung.
käntnisse, oder dem Versprechen verschiedne
lung
bung machen könte, die sich mit Hülfe einiger Zu
sätze für beyde schickte. Er ist eine Anrufung
tes
nem vorhergegangenen Versprechen oder einer Aus
sage. Er vermehrt oder verändert also die uns
verbindende Sache nicht, sondern bekräftiget nur,
was schon vorher fest gesetzt worden. Wir rufen
die Rache über uns, im Falle, daß wir unsre Pflicht
Buch.
versäumen würden. Ein Contract also, der wegen
des Betrugs einer Parthey, wegen eines Jrthums,
über Stücke die ihm wesentlich sind, wegen des
Mangels einer nothwendigen Bedingung ungültig
ist, wird auch nicht bindend, wenn wir ihn gleich
mit einem Eyde bestätiget haben, auch kan keine
den Rechten nach billige Ausnahme dadurch ungül
tig gemacht werden. Die Anrufung Gottes uns
zu strafen, wenn wir unsre Pflichten versäumen,
hat keine Wirkung, wenn wir nichts thun, das un
srer Pflicht zuwider wäre.
III. Ein Eyd kan uns zu nichts
das offenbar gottlos, dem vollkommenen Rechte
eines andern zuwider, oder durch ein besonderes Ge
setz, daß unsre moralische Gewalt über solche Dinge,
Verträge zu schliessen, aufhebt, verboten ist. Kön
ten uns Eyde in solchen Fällen verbinden, so wä
ren sie die gefährlichsten Werkzeuge, uns allen Ver
bindlichkeiten gegen
ziehn, und die Rechte andrer zu vernichten. Die
Anrufung GOttes zum Zeugen oder Richter, kan
ihn unmöglich bewegen, uns wegen Unterlassung
einer Gottlosigkeit oder Ungerechtigkeit zu bestrafen.
Aber in Handlungs - oder andern Sachen, die der
menschlichen Klugheit überlassen sind, sind wir
schon gebunden, wenn wir uns bey Contracten zu
unserm Schaden übereilt, oder wider einige allge
meine Gesetze verstossen haben; nochmehr aber,
wenn die Unterhandlung durch einen Eyd bestätigt
worden ist. Bey solchen Vorfällen findet der
Grundsatz statt: daß ein rechtschaffener Mann
Abschnitt.
das nicht ändert, was er zu seinem eigenen Schaden geschworen hat.
Ein Eyd, der ein Versprechen enthält, hat
keine Kraft, wenn derjenige, zu dessen Vortheile
man es thut, es nicht annimmt, oder, wenn er nach
geschehner Annehmung, sein Recht freywillig auf
giebt, oder, wenn eine dritte Person, ohne deren
Einwilligung wir kein Recht haben, über die vor
habende Sache zu handeln, ihre Einwilligung nicht
geben will. Wenn wir andre betrogen haben, und
so verfahren sind, als wenn wir eine vollkomne
bunden, wenigstens allen Schaden zu ersetzen.
Wenn jemand mit Recht einen Eyd von uns
Verstand der
Worte ge
nommen
werden mus.
verlangt, so müssen wir ihn entweder in dem Ver
stande, worinnen er ihn verlangt, oder gar nicht
schwören. Bey Eyden, welche Privatpersonen
von uns verlangen, müssen wir allemal ihren
Verstand wissen. Diejenigen aber, wozu uns das
Gesetz zwingt, müssen wir in dem Verstande des
Gesetzgebers schwören; keine obrigkeitliche Person,
kein Gericht hat die Gewalt, sie zu erklären. Es
ist ausserordentlich gefährlich, Leuten Eyde, die in
zweydeutigen Worten abgefasst sind, oder solche vor
zulegen, die nicht leicht von allen, die sie schwören
sollen, verstanden werden können.
IV. Ausser der gewöhnlichen Eintheilung der
tende und
de
Eyde inbehauptende und versprechende, giebt
es noch andere Eintheilungen. Behauptende Ey
de, welche von Zeugen bey Strafe verlangt wer
Buch.
den, nennt man nothwendig. Wenn eine der
streitenden Partheyen die Sache dem Eyde der an
dern Parthey überlässt, so heist es ein gerichtlicher
Eyd. Geschicht eben dieses ohne Befehl
Es wäre zu wünschen, daß wir auch in Sa
chen, die das Eigenthum betreffen, nicht nöthig hät
ten, Leute in ihrer eignen Sache schwören zu las
sen. Beym
Obrigkeit die Eyde nicht, wegen irgend eines öf
fentlichen Rechts des Staats, sondern als die ein
zigen Mittel den Streit der Partheyen gerecht zu
entscheiden. Die Versuchung zum Meineyde ist
bey solchen nicht so gros, als bey Halssachen. Er
kan auch leichter entdecket werden.
V. Ein Gelübde ist ein Eyd, wodurch die
der Gelübde.
Menschen ihren Nebenmenschen nicht die Uebertra
gung eines Eigenthums, oder einen Contract bestä
tigen, sondern es ist „ein Versprechen, das man GOtt thut, wodurch man sich zu gewissen
Wenn Leute etwas das wirklich weise und
tzen.
vernünftig ist, das Gottesfurcht und
desselben nach einem Gelübde strafbarer, und also
können sie dadnrch tiefere Eindrücke von ihrer Ver
bindlichkeit das was rechtschaffen und edel ist
zu thun, und einen standhaftern Abscheu vor allem
Bösen, und aller Verabsäumung ihrer Pflichten in
Buch.
sich erwecken. Denn der eigentliche Nutzen der Ge
lübde ist der, daß sie gute
feyerliche Angelobung in Gegenwart GOttes in uns
befestigen.
1) Fürs erste können wir zu allem, wozu
wir uns durch Contracte nicht verbinden können,
auch nicht durch Gelübde verbunden werden: als zu
gottlosen Handlungen, zu solchen, die dem vollkom
nen Rechte eines andern zuwider, oder einem beson
dern Gesetze entgegen sind, das uns der
Gewalt über solche Dinge beraubt.
2) Hernach können Contracte uns auch stär
ker verbinden als Gelübde. Wenn wir in Hand
lungssachen, wider die allgemeinen Gesetze, die uns
eine vorsichtige Verwaltung unsrer Güter, zum
Besten unsrer Familie und Freunde anbefehlen,
unbesonnene Contracte schliessen: so verbindet uns
die Absicht auf ein entferntes Gut, und die Noth
wendigkeit, Treue und Glauben beym Handel zu er
halten, und
Betrügereyen zuvor zukommen, alles zu halten, wo
zu wir uns verstanden haben. Thut aber jemand GOtt ein unvernünftiges Gelübde, so sind wir
versichert, daß er es nicht annimt, oder auf die Aus
führung desselben dringt. Es finden sich auch hier
keine solche Ursachen, die uns dazu verbinden kon
ten, wie die Nothwendigkeit den Handel zu erhalten
eine ist. Thäte also der Vater einer zahlreichen Fa
milie in einer Gefahr das Gelübde, die Hälfte sei
nes Vermögens den Armen, oder gewissen Orden,
die wir fromm und heilig nennen, zu geben, oder
Abschnitt.
gewisse Gebäude aufzuführen und zu schmücken,
oder sich selbst gewissen unnützen Casteyungen zu
unterwerfen: so ist er, wenn alle Arme durch andre
Mittel hinlänglich versorgt sind, oder es durch ei
nen geringern Theil seines Vermögens werden kön
nen, wenn es allen nützlichen Ständen unter den
Menschen nicht an hinlänglichem Unterhalte fehlt,
wenn hinreichende Gebäude und Werkzeuge zu
allen gottesdienstlichen Verrichtungen vorhanden
sind, und wenn die angelobten Kasteyungen nichts
zu Verbesserung seiner
unter keiner Verbindlichkeit. Weil man von
nicht glauben kan, daß er solche Gelübde annimt,
und weil keinem Menschen dadurch irgend ein Recht
verschaft worden ist.
Es ist gottlos, sich GOtt so vorzustellen, als
oder gott
lose Gelüb
de können
nicht verbin
den.
wenn er gleich den ärgsten unsrer Nebenmenschen
auf alle Vortheile lauerte, die er durch
Schwachheit von den Menschen erhalten könte,
und als wenn er auf die Erfüllung jedes übereilten
Versprechens dränge; oder von ihm zu glauben,
daß er, gleich einem listigen Agenten, für eine ge
wisse Parthey, zum Schaden aller seiner übrigen
vernünftigen Creaturen, allerhand Gewinn zu er
schleichen suchte, der doch auch zum Verderben selbst
solcher Stände gereichen, und sie durch Ueppigkeit
und müssigen Ueberflus lasterhaft machen mus.
Noch weniger können wir uns
nach prächtigen Gebäuden und kostbaren Geschir
ren, die das Verderben seiner lebendigen Tempel
verursachen, sehnen werde. Alle solche thörichten
Buch.
Gelübden, die von unsern
gebildeten Heiligkeit gewisser Stände, von der Einfalt,
daß wir gute Werke zu thun glauben, wenn wir diese
durch Unterdruckung und Sclaverey der andern be
reichern, oder der Absicht die
Mittel, die dazu nicht tauglich sind, zu befördern,
herrühren, sind nichtig; und sobald wir zu vernünf
tigern Begriffen gelangen. können wir uns von ih
rer Verbindlichkeit für befreyet halten. Was
wir, so lange wir über der wahren Beschaffenheit
solcher Dinge irrig gewesen sind, aus
weggeschenkt haben, können wir mit Rechte wieder
zurückfordern, eben wie bey andern Contracten, wo
wir uns in wesentlichen Stücken geirrt haben.
Wir haben allemal eine gerechte Einwendung, we
gen des Betrugs, der von denjenigen, die solche aus
Aberglauben geschenkte Dinge in Besitz nehmen,
angewendet worden ist.
Noch natürlicher ist es, daß Gelübde, die von
waltsamen
pel solche, da wir unternehmen „niemals zu verge
ben, uns nicht versöhnen zu lassen, oder gar nicht
mit denen, die uns beleidigt haben, zu reden,“ kei
ne verbindende Kraft haben können, sondern GOtt
beleidigen, und von allen rechtschafnen Leuten ver
abscheut werden müssen. Es ist unsre Pflicht, un
sre Bosheit oder Verstockung zu bereuen, und nicht
durch Haltung des gottlosen Gelübdes darinnen zu
beharren. Die Gelübde bringen also keine neue
Abschnitt.
Verbindlichkeit hervor, und können dasjenige, was
vor Leistung des Gelübdes nicht gerecht, weise oder
uns anständig war, nicht zu unsrer Pflicht machen;
sondern gleich den Eyden, verschaffen sie uns nur ei
ne lebhaftere
keit zu dem, was schon vorher unsre Schuldigkeit ge
wesen ist. Die Uebertretung eines gerechten Ge
lübdes, oder eines Contracts, den man durch An
rufung des göttlichen Namens bestätigt hat, mus
also nothwendig die erschrecklichste
zeigen, und im höchsten Grade schändlich seyn.
I.
Jm Handel mus es sich oft zutragen, daß
Handel ist
ein Preis der
Güter noth
wendig.
einer, solcher von meinen Gütern bedarf,
die von grossem Nutzen und langer Dauer im
menschlichen Leben sind, und eine lang anhaltende
Arbeit, sie zu erlangen oder auszuarbeiten erfordert
haben; da er doch keine von den Gütern, welche ich
nöthig habe, oder nicht in gehöriger Menge, besizt.
Oder es können die von seinen Gütern, deren ich be
darf, von solcher Art seyn, daß sie nur einen gerin
gen Nutzen schaffen, oder durch wenig Arbeit zu er
langen sind. Jn solchen Fällen ist es nicht wahr
scheinlich, daß ich mit ihm tauschen werde. Jch
mus andre aufsuchen, die die Güter besitzen, deren
ich bedarf, und zwar in einer Menge, die ihren
Werth bis zu dem Werthe meiner Güter erhöht,
und eben so viele Arbeit erfordert hat; und als
Buch.
denn müssen die Güter auf beyden Seiten geschätzt
werden.
Der natürliche Grund des Werthes oder des
Preises entsteht durch jede Art von Nutzen, den
gewisse Güter im menschlichen Leben verschaf
fen, ohne diesen findet keine Schätzung statt. Aber
die Preise im Handel richten sich ganz und gar
nicht nach dem wahren Nutzen oder der Unentbehr
lichkeit der Güter, um unser Leben, und das ihm von
der
nen so grossen Ueberflus solcher unentbehrlichen
Güter verschaft, daß sie lange nicht so kostbar sind,
als viele andre Dinge, die von weisen Leuten für
ziemlich unnütze gehalten werden. Wenn wir aber
einige Fähigkeit den Menschen zu nutzen darinne
voraussetzen, so werden wir finden, daß die Höhe
des Werths der Güter auf zween Stück ankomt,
nämlich auf die häufige Nachfrage, die durch
einen Nutzen, dessen viele bedürfen, entsteht, und
auf die Schwierigkeit, sie zu erlangen, und zum
menschlichen Gebrauche zuzubereiten. Wenn ge
wisse Güter in diesen Absichten gleich sind, so sind
die Menschen bereit, sie unter einander zu vertau
schen; und es kan keine Kunst oder Policey den Werth
der Güter von etwas andern abhängen machen.
Wo keine Nachfrage ist, da ist kein Werth, die Schwierigkeit zu erlangen mag auch noch so gros
seyn. Und wo keine Schwierigkeit zur Erlan
gung oder Zubereitung statt findet, da kan die häu
figste Nachfrage keinen Preis hervorbringen; wie
wir am frischen Wasser in unsern Himmelsstrichen
Abschnitt.
sehn. Jst die Nachfrage nach zweyerley Arten von
Gütern gleich, so richtet sich der Preis nach der
Schwierigkeit, und wo die Schwierigkeit gleich ist,
nach der Nachfrage,
Durch den Nutzen, der eine Nachfrage her
vorbringt, verstehen wir nicht allein, eine Unent
behrlichkeit zu unserm Unterhalte oder natürlichem
Vergnügen, sondern eine jede Fähigkeit uns, durch
eine herrschende Gewohnheit oder Phantasie, Ver
gnügen zu verschaffen. Wie z. E. bey Dingen,
deren man sich in den höhern Ständen zum Schmucke
oder zur Unterscheidung bedient, denn dieser Nutzen
wird eben so gut als ein natürlicher eine Nach
frage verursachen. So verstehn wir auch durch
die Schwierigkeit ein Gut zu erlangen, nicht allein
eine grosse Arbeit oder Bemühung, sondern alle
andern Umstände, die einen grossen Ueberflus der
verlangten Güter oder Arbeiten verhindern. So
wird der Preis einer Sache erhöht, wenn die dazu
gehörigen Materialien selten in der Natur ange
troffen werden. Er steigt durch Zufälle, die eine
reiche Erndte von gewissen Früchten der Erde ver
hindern, und durch die grosse Fähigkeit und den fei
nen Geschmack, der bey den Künstlern erfordert
wird, gewisse Werke der
Leute von einem solchen
werden. Auch wird der Werth durch die Höhe des
Standes gesteigert, worinne, nach gewissen Ge
wohnheiten der Länder, diejenigen leben müssen, die
uns mit gewissen Gütern, oder Werken der Kunst
versorgen. Weil das Ansehn oder die Kosten, die
Buch.
ihr Stand erfordert, vermittelst eines höhern An
schlags ihrer Güter, oder ihrer Dienste bestritten
werden. Andre besondre Ursachen
*
können den
Werth gewisser Dinge für gewisse Personen ausser
ordentlich erhöhen, ohne daß er für andre schätzbarer
wird; aber die oben angeführten sind die wichtig
sten, die bey Handlungssachen vorkommen.
II. Um den Werth der Güter auf eine zum
Handel geschickte Art zu bestimmen, müssen sie auf
beyden Seiten auf ein gewisses Maas gebracht wer
den, „das nämlich dem Werthe von gewisser Tage
Arbeit, von gewissen Mengen von Getraide, von
einer gewissen Anzahl Vieh einer Art, von einem
gewissen Maasse dieser oder jener Erdfrucht, oder
von einer gewissen Schwere jedes Metalls gleich
ist,“ zu einem solchen Maasse oder zur allgemei
nen Richtschnur, würde man unfehlbar eine
rie
jeder zu haben wünschte: und aus eben dieser Ursa
che würden verschiedene Nationen nach ihrer Klug
heit oder nach ihren Umständen verschiedene Dinge
dazu für geschickt halten.
Die Eigenschaften, die das vollkommenste
Maas oder die bequemste Richtschnur haben mus,
sind diese. Sie mus in einer Sache bestehn, nach
welcher ein allgemeines Verlangen ist, so daß sich
jederman willig bezeigt, sie beym Tausche anzuneh
men. Alle Güter werden, wenn man sie zu dem
allgemeinen Maasse macht, eben dadurch von selbst *
Pretium affectionis.
Abschnitt.
diese Eigenschaft erhalten. Man mus sie bequem
bey sich führen können. Dies findet sich am leich
testen bey Dingen, die selten sind, so daß ein klei
ner Vorrath davon, von grossem Werthe ist. Sie
mus ohne Verlust theilbar, um sie dem Werthe
von aller Art Gütern gleich machen zu können, und
dauerhaft seyn; nicht leicht abgetragen zu werden kön
nen, oder ihrer
gange nicht unterworfen seyn. Verschiedene von die
sen unentbehrlichen Eigenschaften einer Sache, die zur
allgemeinen Richtschnur dienen soll, zeigen wie wenig
die meisten von unsern gewöhnlichsten Gütern da
zu geschickt sind. Ein Mensch, der nur eines klei
nen Theils von meinem Korne bedarf, wird mir
dafür seinen Stier nicht geben, und doch läßt sich
dieser nicht theilen. Jch brauche vielleicht ein Paar
the, und der andere kan ihn oft nicht gebrauchen.
Wenn ich in entfernte Länder zu reisen verbunden
bin, so kan ich mein Getraide, um davon zu leben,
ohne unerschwingliche Kosten nicht mit mir führen,
und mein Wein kan auf dem Wege verderben. Es
ist also sehr natürlich, daß die Menschen, nachdem
sie die Nutzbarkeit der seltnern Metalle, des Gol
des und des Silbers zu allerhand Auszierungen
und Geräthen entdeckt, und eine häufige Nachfra
ge darnach wahrgenommen hatten, darauf fallen
musten, daß sie in allen oben angeführten Betrach
tungen auch die bequemste Materie zu einem allge
meinen Maasse im Handel und Wandel wären.
Sie sind selten, und eine geringe Menge davon, die
man leicht bey sich führen kan, ist also dem Werthe
Buch.
grosser Mengen von andern Gütern gleich. Sie
sind aller Arten von Theilungen ohne Verlust fähig,
sie sind weder sehr vergänglich noch leicht abzunu
tzen; und sind also bey allen
zur Richtschnur angenommen worden.
Man hat sich erst der rohen ungeprägten
Metalle, der Menge oder dem Gewichte nach, zur
Richtschnur bedient. Dies sehn wir aus der ver
gangenen
zudrucken,
*
die den alten
Diese Art aber war von zu vielen Unbequemlichkei
ten begleitet; so wohl wegen der Schwierigkeit
richtige Eintheilung zu machen, als wegen der Un
gewisheit in Beurtheilung der Reinigkeit des Me
talls. Um beyden zuvor zukommen, hat man die
geprägten Münzen eingeführt, da man nach den be
quemsten Eintheilungen Stücke von bekanten ver
schiedenen Grössen schlägt. Der Gehalt jedes
Stücks an reinem Metalle ist bekant, und die beson
dere Kunst der Gepräge sezt uns in Sicherheit, daß
sie auf keine unmerkliche Art beschnitten, oder durch
Abfeilen verringert werden können. Das Geprä
ge zeigt uns die öffentliche Bürgschaft eines ganzen
wir nicht nöthig haben, sie zu probiren, zu wiegen
oder zu theilen.
Dies ist der einzige Endzweck der Münzen.
Kein Stempel kan den Werth des Metalls um ein
merkliches erhöhen, da die Arbeit, gegen die Kost*
Impendere, expendere nummos
&c.
Abschnitt.
barkeit der
bequem, zu einer zuverlässigen Anzeige des Werths
zu dienen, wenn eine weise und rechtmässige Auto
rität ihn darauf prägen lässt. Handelnde Natio
nen können den Werth ihrer Münzen, in so fern
er sich auf andre Güter bezieht, nicht über den in
nerlichen Werth an Metall erhöhen, oder ihn tiefer
heruntersetzen. Das Geld wird im Handel alle
mal eben so, als andre Güter geschätzt, und sein
Werth richtet sich nach der Seltenheit des Metals,
denn an der Nachfrage fehlt es niemals. Ein
Gesetz kan nur die eingeführte Benennung der
Stücke und Unzen verändern, und also wirklich in
nerhalb des Staats, die rechtmässigen Schulden,
die nach den vorigen Benennungen gemacht worden
sind, verringern oder vermehren, aber der Handel
überhaupt, richtet sich allemal nach dem natürlichen
Werthe. Wenn ein Staat alle Bergwerke auf der
Welt in seiner Gewalt hätte, so könte er den Werth
der Metalle oder des Geldes in Absicht auf andre
Güter wirklich erhöhen, wenn er nur einen kleinen
davon durch den Handel in der Welt ausbreitete;
oder ihn durch Allgemeinmachung einer grössern
Menge erniedrigen. Wir beklagen uns gemeinig
lich, daß der Preis der Arbeiten und der Güter,
durch den grossen Ueberflus dieser Metallen gestie
gen sey, und glauben, daß beyde bey grösserer Sel
tenheit derselben wohlfeiler zu haben gewesen, weil
wir den Werth der Metalle für unveränderlich hal
ten, da die eingeführten Benennungen der Stücke,
der Pfunde, Schillinge, und Pfennige, allemal ei
nerley bleiben, bis ein ausdrückliches Gesetz sie ver
Buch.
ändert. Aber einen Tag lang zu graben, oder zu
pflügen, war einem Menschen vor tausend Jahren
eben so beschwerlich als heut zu Tage, ob er gleich
nicht soviel Silber dafür erhielt, und ein Scheffel
Weitzen, oder ein Ochse, waren damals eben so be
quem den menschlichen Körper zu nähren als izt, da
wir sie gegen vier mal so viel Silber eintauschen.
Eigentlich bleibt der Wehrt der Arbeit, des Ge
traides, des Viehes fast beständig einerley, weil sie
immer gleich nützlich sind; wenn nicht neu erfunde
ne Arten den Acker zu bauen oder Weiden anzule
gen, einen grössern Ueberflus davon hervorbrin
gen. Es ist vielmehr das Metal das die grosse
Veränderung in Ansehung seines Wehrts erlitten
hat, denn seitdem man dasselbe in grösserer Menge
gefunden, hat sich auch der Wehrt der Münzen, ob
sie gleich beständig ihre alten Namen behalten ver
ändert.
IV. Die Regierer eines
Gold und Silber allein besizt, können die Namen ihrer
Münzen verändern, oder ihre Unterthanen betrü
gen, und in den Stand setzen sich unter einander
zu betrügen; aber im Handel wird das Geld alle
mal den natürlichen Wehrt seines innerlichen Ge
halts an Metall behalten. Die Würkungen einer be
trächtlichen Veränderung in den eingeführten Benen
nungen der Münzen zeigen sich gleich sehr deutlich.
Bey geringern sind sie nicht so merklich.
Wenn man die Namen unsrer Cronen ver
doppelte so das man eine Unze Silber zehn Schil
linge nennte: so würden die Preise aller Güter dem
Abschnitt.
Namen nach in einem eben solchen Verhältnisse stei
gen. Wir würden den Scheffel Weitzen nicht mehr
für zehn Schillinge wie itzt in wohlfeilen Jahren
erhalten: sondern würden so wie itzt zwo Unzen
Silber dafür bezahlen müssen ob man diese gleich
zwanzig Schillinge nennte. Gesetzt auch die Leute
wären so einfältig, daß sie sich mit den vorigen
Namen und der Helfte Silber betrügen liessen, so
ist doch die Kunst mit allen Stempeln zu prägen et
was so leichtes, daß jede Nation unsre Cronen
nachmachen und also für einerley Summe noch ein
mal so viel von unsern Gütern als vorher erhalten
konnte. Unser eigner Kaufmann erhielte von dem
Landmann oder Künstler das was vorher zwo Un
zen Silber gekostet hatte für eine, und auf fremden
Markten würde er dennoch eben so viel Unzen als
vorher bekommen. Er würde also seine Kosten
noch über seinen vorigen Gewinn doppelt wieder
erhalten. Dieser ausserordentliche Gewinn würde
so viele anlocken, und eine solche Nachfrage verur
sachen, daß die Preise unsre Güter, von selbst nach
und nach wieder bis zu eben der Menge Gold oder
Silber steigen würden, worauf sie vorher gewesen,
obgleich diese der Benennung nach, noch einmal so
viel als vorher gölte; und dann hätte dieser unge
heure Gewinst ein Ende. Vorher wurde unser
Land auf allen an Fremde verkauften Gütern die Häl
fte verlieren, und endlich würden auch Leute von
Vermögen und die Handwerker diesen Verlust em
pfinden.
Was fremde Güter betrift, so ist es klar das
ihre natürlichen Preise sogleich bey Veränderung der
Buch.
Benennung unsers Geldes steigen müssen. Die Aus
länder die sich an unsre Gesetze oder an die durch die
selben festgesezten
kehren, müssen für ihre Güter eben so viel Stücke
oder Unzen als vorher bekommen, und unsre Kauf
leute die sie wieder verkauffen müssen eben die Un
zen oder Stücke wider erhalten, ob gleich der Be
nennung nach ihr Wehrt verdoppelt ist.
Bey einer Erniedrigung in der Benennung
der Münzen müssen alle namentlichen Preise der
Güter fallen. Der Kaufmann kan unserm Ackers
oder Handwerksmann für keine seiner Güter mehr
Unzen oder Stücke als vorher bezahlen, weil er auf
keinem fremden Markte mehr bekomt. Und doch
haben diese eine geringere Benennung. Ausländi
sche Güter werden in der Fremde für eben so viel
Unzen als vorher eingekauft und unser Kaufmann
kan sie also bey uns für eben eine solche Anzahl Un
zen ob sie gleich einen geringern Namen haben, mit
eben solchen Gewinne als vorher wieder verkauffen.
Wenn sich ein Kaufmann weigert es zu thun, so wird
ein andrer willig dazu seyn, weil alle es ohne Schaden
thun können, oder wenn sich alle weigern so werden die
Fremden selbst ihre Güter in unser Land schicken
und sie für die vorige Anzahl Unzen, ob sie gleich izt
eine geringere Benennung führt, verkauffen.
Jn Ansehung des Geldes ist es ein Haupt
grundsatz, „das man seinen Wehrt im Handel durch
keine Namen verändern kan.“ Niemand wird
glauben das ein Pfund Sterling mehr wehrt ist,
wenn man es zwanzig Pfund benennt.
Die Veränderung der eingeführten Namen der
kungen einer
durch Gesetze
angeordne
ten Verände
rung.
Münzen mus für die Unterthanen eines Staats un
endliche Uebel verursachen, weil der wahre Wehrt
der Güter einerley bleibt. Die Erniedrigung des
Geldes thut allen denen Schaden, die schuldig sind;
sie müssen mehr Unzen Gold oder Silber bezahlen
als sie erhalten, oder zu deren Bezahlung sie sich
anheischig gemacht haben, und dennoch erhalten sie
beym Verkauf irgend welcher von ihren Gütern
nicht mehr Unzen als vorher. Alle Steuern, Scha
zungen, Renten, Besoldungen, die nach der ge
setzmässigen Benennung bezahlt werden, steigen da
durch. Die Gläubiger erhalten für ihre Forderun
gen mehr Unzen, und können doch für jede Unze
eben so viel Güter die zum Unterhalt oder Vergnü
gen des Lebens gehören, als vor der Veränderung
bekommen. So viel also, als die Schuldner ver
lieren, so viel gewinnen unrechtmässiger Weise die
Gläubiger.
Die Vermehrung in den Benennungen hat
eben die ungerechten Wirkungen auf der andern
Seite. Schulden, Steuern, Renten, Besoldun
gen die nach solchen eingeführten Benennungen ge
rechnet werden, können alsdenn mit einer gerin
gern Anzahl von Stücken oder Unzen bezahlt wer
den; und dennoch erhält der Schuldner beym Ver
kauf seiner Güter so viel Unzen als vorher, und der
Gläubiger kan für eine Unze nicht mehr zum Leben
nothwendige Güter als vorher erhalten. Dies ist
der Schaden, den er durch eine solche Veränderung
in den Benennungen des Geldes leidet.
Wenn man verschiedenen Arten von gangba
rer Münze einen Wehrt beylegt der gegen die an
dern kein Verhältnis hat; so müssen böse Wirkun
gen dadurch in einem Lande entstehen. Die Art die
zu Hause zu geringe geschäzt wird, wird ausgeführt,
und die zu hoch angeschlagene hingegen eingeführt
werden, weil die erste auf fremden Markten wo
man nur auf die Unzen des Metals sieht, die lezte
hingegen zu Hause am besten zu gebrauchen seyn
wird. Alles was die Ausländer, die solche Geldsor
ten von uns einwechseln, gewinnen, ist Verlust für
unser Land; was wir aber selbst daran ausführen,
schadet ihm nur, in so fern wir schlechtere Sorten
dafür zurückbringen. Eine solche Ungleichheit ent
steht oft, wenn auch der Wehrt zur Zeit der Prä
gung richtig bestimt gewesen ist, wenn entweder die
Minen eines Metals zu überflüßig gegen das andre
werden, oder ein gewisses Metall durch häufige Aus
führung, oder mancherley Anwendung zu Aus
schmückungen und Zierrathen selten wird.
Wenn beyde Metalle durch sehr ergiebige
Bergwerke gemein werden, so wird beyder Wehrt
dadurch ganz natürlich verringert, wenn gleich keine
Veränderung in der
Und so ist der Wehrt des Goldes und des Silbers
in dem lezten zween Jahrhunderten über die Hälfte
gefallen, ob wir gleich gemeiniglich sagen, daß die
Preise der Güter gestiegen sind. Würden die Berg
werke ganz und gar erschöpft, und die Menge dieser
Metalle durch vielerley Anwendung zu Geschirren,
Schmuck, und Ausputzung der Häuser und Zim
Abschnitt.
mer, verringert: so würde ihr Wehrt wieder stei
gen, oder wir würden vielmehr sagen, daß der
Wehrt der Güter fiele. Das allgemeine Maas ver
ändert sich immer auf eine unmerkliche Art, und wenn
wir also
die allemal eben die Bedürfnisse des Lebens zu ver
schaffen im Stande seyn, oder diejenigen denen sie
gehörte geschickt machen sollte, sich allemal nach
einerley Rang aufführen zu können: so dürfte man
sie weder nach den zu einer Zeit eingeführten gesetz
mässigen Benennungen, noch nach einer gewissen
Anzahl Unzen an Gold oder Silber bestimmen. Ein
Befehl des
nungen verändern, und der Wehrt der Unzen kan
nach der Menge der Metalle ab oder zu nehmen.
Auch könte man jemanden eine solche Besoldung
nicht in gewissen Mengen von allerhand künstlichen
Arbeiten aussetzen, weil feine Erfindungen welche die
Arbeit erleichtern, den Wehrt solcher Güter sehr er
niedrigen können. Die unveränderlichste Besol
dung wäre, gewisser Tage Menschen Arbeit, oder
eine gewisse Menge von Gütern, die durch blosse
ungekünstelte Arbeit hervorgebracht werden, oder
zum menschlichen Leben unentbehrlich sind. Ge
wisse Mengen von Getrayde kommen einem solchen
durchgehends gleichem Maasse am nächsten.
Um im Handel den Preis einer Sache fest zu
Preise der
Güter ab
hangen.
setzen, müssen wir nicht allein überschlagen, was sie
an sich selbst, an Fracht, Abgaben, und allerhand
andern Ausgaben kostet, und wie viel das Jnteresse
des Geldes das zum Handel angewendet wird be
Buch.
trägt; sondern auch die Sorge, die Arbeit die sie
verursachen, und was Rechnung und Briefwechsel
darüber betragen. Zuweilen müssen wir auch darauf
sehn in welchem Stande die Person die sich damit
beschäftigt der eingeführten Gewohnheit nach zu le
ben verbunden ist. Die Kosten die ihr nothwen
diger Aufwand erfordert, müssen mit auf den Preis
ihrer Bemühung geschlagen werden, welche so gut
als eine andre ihre Belohnung verdienet. Diese Schä
tzung der Bemühung ist der gerechte Grund des
gewöhnlichen Gewinns der Kaufleute und sie werden
dadurch vollkommen berechtigt beym Verkauffe einen
höhern Preis zu verlangen, als die Zusammenrech
nung aller Kosten die die Güter verursacht haben, aus
machen würde. Denn es ist eben so natürlich das
ihr Wehrt durch die Bemühung der Kaufleute stei
gen mus, als daß die Früchte der Erde oder die
Werke der
damit beschäftigen, kostbarer werden.
Da oft durch den Untergang einiger Güter
oder durch den Schaden den sie leiden für den Kauf
mann ein zufälliger Verlust entsteht, so ist es billig
daß dieser durch eine noch grössere Erhöhung des
Preises derjenigen die von eben der Art noch übrig
sind, ersezt wird. Weil sie auch oft verlieren,
wenn der Preis der Güter die sie schon in Händen
haben, fällt: so kan man den zufälligen Gewinn nicht
für unbillig halten der dadurch entsteht, wenn sol
che Güter, durch allerhand
machen, plötzlich steigen. Leute die in solchen Zu
fällen sehr glücklich sind können ohne einigen Be
Abschnitt.
trug sehr reich werden. Der unveränderliche Ge
winn ist die rechtmässige Belohnung ihrer Arbeit.
Wenn also beym Kauffe oder Verkauffe der Preis
desjenigen was man gibt oder empfängt auf beyden
Seiten allemal gleich erhalten wird, so ist doch dem
Handel ein unfehlbarer Gewinn allemal natürlich,
nämlich der Ueberschus womit die Arbeit oder die
Sorgfalt des Handelsmanns den Wehrt der Güter
vermehrt, und der zufällige Gewinn dadurch das
Steigen der Waaren im Preise entsteht.
Die Contracte sind entweder vortheilhafte wo
einer Seite eine freywillige Gefälligkeit er
wiesen wird, oder beschwerende wo beyde Theile
sich zu gleichen Verbindlichkeiten erklären. Von
den erstern gibt es drey Arten das Mandat, das
Commodat und das Depositum
*
.
Das Mandat ist wenn „jemand dem andern,
date.
verspricht seine Angelegenheiten ohne Belohnung
zu besorgen“ hierzu kan er so wohl ausdrückliche
Verhaltungsbefehle als auch keine bekommen. Jm
ersten Falle ist er, wenn er davon abgeht, verbunden,
allen Schaden zu ersetzen der dadurch entsteht; er
müste denn so scheinbare Ursachen dazu gehabt haben,
daß sie einen der noch so eifrig für das Beste seines * Es gibt noch andre
Contracte die unter diese
Hauptclasse gehören, als
Geldes oder einer Sache zum
Gebrauch ohne Jnteresse.
Buch.
Freundes sorgt, hätten betriegen können. Jm an
dern Falle erfordert seine Pflicht nichts mehr, als
so viel Fleis und Mühe anzuwenden, als jeder wei
se Mann für nöthig halten würde, wenn die Sache
seine eigne wäre, und allen Schaden der durch Ver
nachlässigung dieser Sorgfalt entsteht zu ersetzen.
Man kan von einem
es seine Absicht gewesen, sich zu etwas mehr zu ver
binden; er müste sich denn ausdrücklich zur äusser
sten Vorsicht und Sorgfalt anheischig gemacht ha
ben, oder die Natur der Sache müste es unum
gänglich erfordern. Jn einem solchen Falle ist er frey
lich verbunden für die geringste Nachlässigkeit, oder
den geringsten Fehler, zu stehn, wenn dieser nicht von
einer solchen Natur ist, daß der weiseste Mensch ihn
nicht hätte vermeiden können. Wir müssen dem
wohlthuenden Theile keine grössern Lasten auflegen,
als wozu er sich erboten hat; oder freundschaftliche
Dienste für die, von denen sie uns geleistet werden,
ohne die klärsten Ursachen nicht gefährlich machen.
Hingegen sollte auch auf der andern Seite niemand
die Angelegenheiten eines Freundes übernehmen,
ohne den festen Vorsatz gefast zu haben sie so sorg
fältig als möglich auszurichten, denn sonst kan er
ihn vielleicht dadurch abhalten, sie bessern Händen
anzuvertrauen. Die Person
*
welche von einer andern
gebraucht wird, ist verbunden nach Endigung der
selben, derjenigen
**
die ihr dieselbe aufgetragen hat
Rechenschaft davon zu geben, und ihr ihre Güter
mit den gehörigen Gewinne wieder zu ersetzen
***
. * Der Mandatarius.** Der Mandator.*** Hierauf wird in der actione directa mandati ge
drungen.
ter
Abschnitt.
Der ersteren Pflicht erfordert es, ihren Freund von
allem Verluste, den er in ihren Dienste erlitten, oder
von allen Unkosten die ihm derselbe verursacht haben
mag, schadlos zu halten
*
. Denn der gewöhnlichen
Kraft eines solchen Contracts nach, hat er sich
zu weiter nichts verbunden, als seine Arbeit umsonst
zu thun.
II. Das Commodat ist, „die Leihung einer
Sache zum Gebrauch ohne Jnteresse oder Mieth
zins, wo eben dieselben Güter wieder zurück gege
ben werden müssen“. Werden Zinsen oder Mieth
geld bezahlt, so ist der Contract nicht wohlthuend
sondern erhält einen andern Namen der Verpachtung oder Vermiethung
* Hierauf kan durch die actionem contrariam ge
drungen werden.
**
Mutuum verſatur in rebus fungilibus, quae red- dendae ſunt in genere non in ſpecie durch
Bey dem freywilligen Darlehne einer Sache
zum Gebrauch wiederfährt die Gefälligkeit dem Bor
ger. Er ist also verbunden 1) eben solche Sorge
für die ihm geliehenen Güter zu tragen, als jeder
vorsichtige Mann für seine eignen tragen würde,
oder die Dankbarkeit verpflichtet ihn zu noch meh
rerer. Es mus einem guten Herzen unerträglich
seyn, seinen
Schaden oder Verlust zu setzen. Der Leiher er
wartet von uns diese Fürsorge für seine Sachen,
und von uns setzt man mit Rechte voraus, daß wir
darein gewilligt haben. 2) Erfordert es die Pflicht
des Borgers, die Güter zu nichts anderm, als wozu
sie ihm geliehen worden, anzuwenden. Eine andre
Aufführung ist meineidig und undankbar. Und
3) mus er sie zur ausgemachten Zeit in eben dem
Zustande, worinne er sie empfangen, wiedergeben.
Hiervon aber ist, die natürliche Abnutzung der Gü
ter, die auch durch einen vernünftigen Gebrauch
entstehn mus, ausgenommen. Denn darinne, daß
man für die Verringerung der Güter durch den
Gebrauch nichts verlangt, besteht die Wohlthat des
Contracts. 4) Wenn der Eigenthümer seine Gü
ter selbst nöthig hat, ehe die ausgemachte Zeit ver
laufen ist, so verbinden
barkeit den Borger sie wieder zu geben, er müste sich
denn selbst in einer grössern Noth befinden, als der
Leiher. Jndessen kan er nicht anders, als in sehr
ausserordentlichen Nothfällen dazu gezwungen wer
den. Wenn die dringende Umstände des Borgers
ihn verhindern, die Güter vor der ausgemachten
Zeit wieder zu geben, so mus er sich, da er dem
ter
Abschnitt.
Leiher grosse Verbindlichkeit hat, für verpflichtet
halten, ihm allen Schaden, den ihm seine Gütigkeit
verursacht, zu
dieser Pflicht nicht entziehn, ob man gleich nieman
den zwingen kan, die Güter vor der gesezten Zeit zu
rück zu geben. Denn gienge das an, so könte man
cher in seiner Rechnung betrogen werden. Er hat
sich vielleicht auf das Darlehn verlassen, und die
Gelegenheit, sich anderweitig zu versorgen, die nun
mehr verlohren seyn kan, versäumt.
Wenn geliehene Güter durch solche
Falle, wenn
die geliehe
nen Güter
durch einen
Zufall zu
Grunde
gehn.
zu Grunde gehn, die sie befallen haben würden,
wenn sie auch im Besitze des Leihers gewesen wä
ren: so ist der Borger nicht verbunden, sie zu er
setzen. Der Leiher würde ohne die Ausleihung dersel
ben eben den Schaden daran gelitten haben. Wenn
sie im Besitze des Leihers geborgen geblieben wären,
ob man gleich ihrentwegen den Borger keiner Fahr
lässigkeit beschuldigen kan, so müssen ein oder bey
de Theile den Verlust tragen, wenn man voraussezt,
daß keiner von beyden die geringste Schuld daran
hat. Giebt es keine ausserordentlichen Gründe,
die Menschlichkeit der andern Partey zu bewegen:
so scheint der Borger am ersten verbunden zu seyn,
sie aus Dankbarkeit zu ersetzen. Man kan von
dem Leiher, der nicht die geringste Absicht auf eini
gen Gewinst gehabt hat, nicht so füglich, als von
dem Borger, voraussetzen, daß er es sich habe ge
fallen lassen, solche Verluste zu tragen; da ein jeder
gegen den Vortheil einer unentgeltlichen Nutzung
gern die Gefahr so unwahrscheinlicher Fälle über
Buch.
sich nehmen wird. Es kan seyn, daß niemand an
solche Zufälle gedacht hat, denn sonst würden beyde
Theile unfehlbar vorher ausgemacht haben, auf wen
der Verlust fallen sollte, und dann würde ihn gewis
der Borger haben über sich nehmen müssen. Es
finden sich wenig Gründe, eine allgemeine
gel
die Tragung des Schadens aufzubürden. Wäre
der Leiher reich, und der Borger arm, so würde der
erste niederträchtig handeln, wenn er auf die Er
stattung dränge. Wäre hingegen der Borger
reich, so wäre es niederträchtig von ihm, wenn er
sich weigerte. Hätten beyde Theile gleich viel Ver
mögen, oder wenigstens so viel, daß keinen der Ver
lust unglücklich machen könte: so würde es sich am
besten für den Borger schicken, den ganzen Scha
den auf sich zu nehmen, weil ihm durch den Con
tract eine Gefälligkeit erwiesen worden. Ueber
haupt sieht ein jeder leicht ein, was die Menschlich
keit und die
dert; ob es gleich nicht allemal so leicht ist, Grün
de zu solchen Regeln zu finden, die einer Seite bey
solchen Unglücksfällen den Schaden ganz allein
aufbürden.
Der Leiher ist verbunden dem Borger den
Aufwand, den ihm gewisse Ausbesserungen der Gü
ter, die nothwendig gewesen sind, um sie zum Ge
brauche des Eigenthümers tüchtig zu erhalten, ver
ursacht haben, weiter aber nichts, zu ersetzen.
„Das Depositum ist eine Art des Man
dats, worin die aufgetragne und übernomne Pflicht
ter
Abschnitt.
in der sichern Verwahrung der anvertrauten Güter
besteht.“ Derjenige, der die Güter annimt,
*
verbindet sich seiner Freundschaft gemäs zu einer
solchen Sorgfalt, als ein weiser Mann für solche
Güter, wenn sie sein eigen wären, anwenden würde;
und ist gehalten, dem Eigenthümer, so bald er es
verlangt, das seinige zurück zu geben
**
; ausge
nommen in solchen Fällen, wo man das Recht hät
te, sich einem
führte, mit offenbarer Gewalt zu widersetzen. So
kan jemand Waffen, die bey ihm niedergelegt sind,
dem Eigenthümer vorenthalten, wenn dieser sie in
der Absicht zurückfordert, eine unschuldige Person
zu ermorden, oder unser Vaterland zu bekriegen.
Der Eigenthümer ist verbunden, alle vernünftige
Kosten, die die Aufbehaltung seiner Güter verur
sacht hat, zu ersetzen.
Bey beschwerenden Contracten versprechen
rende Con
tracte.
beyde Theile einander gleiche Güter, Rechte, oder
überhaupt Dinge von gleichem Werthe zu geben.
Die nothwendigsten Regeln erhellen schon aus dem,
was oben
***
von den Contracten überhaupt ange
führt worden. Die wichtigsten derselben sind:
1.Der Tausch, oder die Umsetzung allerhand
sche.
Güter von gleichem Werthe gegen einander. Er
ist von gegenseitigen Schenkungen unterschieden,
weil bey diesen keine Gleichheit des Werths er
fordert wird.
*
Depoſitarius.
**
auf eine zu allgemeine und De Off. L. I. cap. 10.
*** Siehe den VI Ab
schnitt dieses
2. Der Kauf oder Verkauf. Hiervon ist die
einfachste Art, wenn der Kaufer gleich den Preis
bezahlt und die Güter in Empfang nimt. Jst der
Preis bezahlt, oder hinlängliche Sicherheit dafür
angenommen, und die Auslieferung der Güter er
folgt: so kan, da die vollkommenste Uebertragung
des Eigenthums vorgegangen ist, kein nachfolgen
der Verkauf, oder vorhergegangener unvollkomner
Contract, wegen des Verkaufs der Güter, dem
Rechte des Käuffers im geringsten hinderlich seyn.
Jst der Handel vollkommen richtig, aber die Aus
lieferung der Güter erst auf einen Tag, der noch
künftig ist, festgestellt: so fällt der Verlust, wenn
sie vor diesem Tage verderben, auf den Verkäufer.
Gehn sie nach diesem Tage zu Grunde, und der Ver
käufer ist bereit gewesen, sie zur gesetzten Zeit ab
zugeben, so wird er nachher nur als ein Deposita
rius angesehn. Allen Verlust, woran der Ver
käufer unschuldig ist, mus der Käufer tragen.
Wenn über gewisse Mengen von Gütern, welche
nicht sogleich ausgeliefert werden können, wie z. E.
über Früchte, die noch geerndtet werden sollen, ein
Handel geschlossen wird, und der Verkäufer nachher
mit einer andern Person, die von dem vorherge
gangenen Contracte nichts weis, von neuen darüber
einen Contract schliesst, und ihr die Güter gegen
Empfang des ausgemachten Preises ausliefert: so
begünstigen die
son, in so fern sie ein ehrlicher Käufer ist, und alle
Käufe ohne Uebergebung der Güter, für unvoll
kommen gehalten werden. Derjenigen aber, die
durch den ersten Contract betrogen worden ist, ge
ter
Abschnitt.
ben sie ein vollkomnes Recht, von dem betrügeri
schen Verkäufer die Ersetzung des ganzen Vortheils,
den sie durch den Handel gemacht haben würde, zu
fordern. Haben beyde den Preis bezahlt, und der
Käufer ist nicht im Stande, ihn zu ersetzen: so wer
den sich nicht leicht gültige Bewegungsgründe fin
den, einer von beyden den ganzen Verlust aufzu
bürden. Es giebt mancherley Nebenverträge
*
,
bey Handelscontracten, die aber gemeiniglich
deutlich genug aus den Worten des Contracts
erhellen.
3. Das Vermiethen oderVerheuren,
heuren.
enthält alle Contracte, worinnen „sich jemand an,
heischig macht, etwas für einen gewissen Preis zu
thun, oder dagegen den Gebrauch allerhand be
weglicher oder unbeweglicher Güter zu verstatten.“
Bey solchen Contracten ist jederman verbunden,
mit den gemietheten Dingen so umzugehn, als ein
weiser Mann mit seinen eignen umgehn würde, und
man ist in seinem Gewissen verpflichtet, allen Scha
den, der durch eine andere Anwendung derselben
entsteht, zu ersetzen. Ein Mensch von wahrer
Redlichkeit und
stände der dürftigen Personen, die zuweilen Häu* Wie z. E. die Lex Com- welche darinne be
Wenn man Materialien weggiebt, daß sie
von einem Künstler für einen gewissen Preis bear
beitet werden sollen; so geben die Römer dem
Contracte einen andern Namen
*
; ob er gleich in
weiter nichts, als der Miethung der Arbeit eines
andern besteht. Derjenige, welcher Sachen ver
miethet, muß sie zum Gebrauch tüchtig machen,
und sie so erhalten, oder alle Unkosten vergüten, die
der Heurer gehabt hat, um sie in den Stand zu se
tzen. Und da es des gedungenen Arbeiters Pflicht
ist
auch nicht um seinen Lohn betrogen werden. Hat
man ihn auf eine lange Zeit gedungen, so kan ihm
derjenige, der ihn gedungen hat, wenn er menschlich
seyn will, nichts von seinem Lohne abziehen, weil
er zuweilen durch kurze Krankheiten untüchtig ge
macht worden ist, seine Dienste zu leisten. Die
gesündesten Leute sind solchen
fen, und man vermuthet mit Recht von dem Din
ger, daß er dadurch, daß er den Arbeiter auf lange
Zeit gemiethet, solchen Ausnahmen oder Vorwän
den, um die ausgemachte Belohnung zu verringern,
entsagt habe.
VI. Wenn eine Sache gegen gewisse Zinsen in
der Absicht verliehen wird, daß sie verzehrt werden
soll, so verlangt der Leiher nicht eben dieselben Güter *
Locare opus faciendum
,
Wenn irgend in einer Art von Handel ein
der Verzin
sung des
Geldes.
Mensch mit Hülfe einer grossen Summe Geldes
weit grössere Vortheile machen kan, als er ohne die
selbe würde haben thun können, so ist es nicht mehr
als billig, daß derjenige, der ihm diese Summe,
als das einzige Mittel zu solchen Vortheilen zu ge
langen, verschaft, einen Theil von dem Gewinne
desjenigen, dem er es leicht, bekomt, der wenigstens
dem gleich seyn mus, den er erhalten haben würde,
wenn er solche Dinge, die von Natur fruchtbar
oder einträglich sind, dafür gekauft hätte. Hier
aus erhellt die Billigkeit der eingeführten Verzin
sung des Geldes; obgleich dies seiner Natur nach
keine Früchte bringen kan. Die Häuser geben kei
ne Frucht und mehren sich auch nicht, so wenig als
Buch.
einige ackerbare Felder, es ohne grosse Arbeit thun.
Eine mühsame Bearbeitung des Geldes im Handel
oder durch Manufacturen, macht es zum fruchtbar
sten Gute. Würde es verboten Zinsen zu nehmen,
so würde niemand leihen, es müste denn aus
licher
die keine Gegenstände des
ausser Stand gesetzt werden, sich auf eine, dem ge
meinen Wesen ausserordentlich vortheilhafte Art zu
bereichern.
VII. Die Zinsen verändern sich nach dem Zu
stande des Handels, und der Menge des Geldes.
Jn einem neu eingerichteten Lande, oder in einem
solchen, das erst anfängt zu handeln, wo noch we
nig Hände oder wenig Geld auf diese Weise be
schäftigt werden, kan man durch kleine Summen
viel gewinnen. Und weil man an solchen Orten für
jede Summe mehr
die durch den Handel blühn, und am Gelde einen
Ueberflus haben, kauffen kan: so ist es billig, daß
die Zinsen höher steigen. Es wird auch niemand
anders, als auf hohe Zinsen Geld ausleihen. Der
Vortheil, den man durch jede Summe machen kan,
ist so gros, daß er die Kaufleute oder die Käuffer in
den Stand setzt, sie zu geben. Beschäftigen sich
viele Menschen
Summen darinnen, ihren Umlauf, so wird, weil
die Menschen nach dem Verhältnis ihrer grössern
Capitale von geringern Gewinsten leben können,
der Gewinst, den man durch jede vorgeschosne Summe
machen kan, kleiner, und die Zinsen, die der Handels
ter
Abschnitt.
mann zu geben im Stande ist, müssen also auch fallen.
Jn dem Maasse, wie das Geld überflüssiger wird,
oder weniger Zinsen trägt, werden immer mehrere
geneigt Landgüter zu kaufen als vorher, und diese
neue Nachfrage steigert den Preis derselben, so,
daß man nunmehr für jede Summe weniger Gü
terrenten als vorher kauffen kan. Aus eben der
Ursache ist auch ein jeder mit geringern Zinsen zu
frieden als vorher, da er mehrere Güterrenten da
für hatte erhalten können. Man mus zufrieden
seyn, wenn sie das jährliche Einkommen, das uns
unser Geld, wenn wir es an Güter gewendet hät
ten, verschaft haben würden, um soviel übersteigen,
daß die grössere Weitläuftigkeit, oder die Gefahr,
die das Ausleihen uns verursacht, dadurch ersetzt
wird. Alles dieses findet sich bey den Zinsen von
selbst, ohne den Beystand der Gesetze.
Die Gesetze müssen, wenn sie die Zinsen be
Gesetze darü
ber.
stimmen, allemal diesen natürlichen Ursachen fol
gen, sonst werden sie selten ihre Wirkung haben,
oder wenigstens ungerecht seyn. Wenn die durch
die Gesetze bestimmten Zinsen sich sehr hoch bey rei
chen
pfangene, und im Handel angewendete Summen,
nur wenig gewinnen kan, so wird kein Handels
mann borgen, wenn man nicht die Zinsen ernie
drigt, und andre werden es eben so wenig thun, um
Güter zu kaufen, wenn die jährlichen Einkünfte
derselben, lange nicht so gros sind, als die Einkünf
te, die das Geld, vermöge einer so hohen
snng
Buch.
listen zuerst Güter zu kauffen, und kein Geld unter
den gesetzten Zinsen wegzuleihen, aber eben diese ver
mehrte Nachfrage nach Gütern, wird ihren Preis
bald erhöhen, so, daß sie für eine gegebene Summe,
weit weniger jährliche Einkünfte erhalten werden,
Viele werden es sich also gefalien lassen, geringere
Zinsen, als in dem Gesetze ausgemacht sind, zu neh
men, die sich aber dennoch höher als die jährlichen
Einkünfte der Landgüter belauffen. Werden die
Zinsen durch die Gesetze zu sehr herunter gesetzt, so
werden wenige geneigt seyn Geld wegzuborgen, sie
werden erst suchen Landgüter zu kaufen. Steigen
diese durch die häufige Nachfragen, so, daß man
dabey jährlich wenig gewinnen kan: so werden be
gütterte Leute sich auf den Handel oder auf
facuren
facturen
ben nicht erzogen sind, oder die lieber ruhig
leben wollen, werden allemal geschäftige
Handelsleute finden, die mit Freuden auf höhere,
als die festgesetzten Zinsen borgen, und die Gesetze
durch Abrechnungen, oder andre jährliche Vergütun
gen zu hintergehen wissen.
Der hauptsächlichste Nutzen solcher Gesetze be
steht
beyden Partheyen nichts ausgemacht ist, bestim
men, oder den Erpressungen solcher wuchernden Bö
sewichter zuvorkommen, die die Unachtsamen oder
Nothleidenden zu misbrauchen suchen. Kluge Leu
te werden solche Sache allemal nach den natürlichen
Ursachen unter sich selbst ausmachen.
Wenn die Policey eines
Ausländern zu handeln erlaubte, oder verhinderte,
daß jeder
te, wenn sie auf keine Art erlaubte unbewegliche Güter
auf beständig zu entfremden, mit einem Worte, in ei
ner Republik von Landleuten, welche viele
grosse Schriftsteller für die geschickteste zur
und *
würde es füglich an
gehn, alle Verzinsung des Geldes zu verbieten.
Wo aber die Stärke eines Staats vom Handel
abhängt, würde ihm ein solches Gesetz zum unfehl
baren Untergange gereichen.
VIII. Bey Contracten, woran viele Theil ha
tracten, wor
an viele
Theil haben.
ben, welche von verschiedenen Arten sind, bestim
men die Bedingungen der Einwilligung eines je
den, die Rechte oder die Verbindlichkeiten der theil
habenden Personen. Da sich aber alle bey einem
solchen Contracte eine gegenseitige
versprechen, so werden hier alle Bewegungsgründe
der Billigkeit und
bey andern Contracten, und alle Betrügereyen ver
dienen eine strengere Strafe.
IX. Bey andern Contracten bezahlt man et
terien.
was für die ungewisse Hofnung eines künftigen
Gewinstes, wenn man z. E. Leibrenten auf Lebens
lang, oder Lotteriebillets kauft. Wenn wir nicht *
andre glauben, dies sey die
Policey der
wesen; deswegen waren
boten, aber von Fremden
durfte man sie nehmen.
Buch.
mehr über die gehörige Summe bezahlen, als was
dem andern Theile gebührt, um ihm die Unkosten,
die solche Projecte allemal erfordern, zu ersetzen,
und ihm eine billige Belohnung für seine Sorgfalt
und Arbeit zu verschaffen: so kan man solche Con
tracte auf keine Weise als ungleich, oder einem Theile
nachtheilig, tadeln; obgleich solche Projecte oft aus
ganz andern Ursachen verwerflich sind. Privatlotte
rien, Wetten, Spielcontracte, verschaffen dem gemei
nen Wesen nicht den geringsten Vortheil, und wenden
auch kein Uebel ab. Einige Bürger werden durch
den Verlust andrer auf eine Art, die für die Repu
blik von keinem Nutzen ist, bereichert. Widersetz
ten sich die Gesetze einem solchen Verfahren nicht,
so würden mit Hülfe der thörichten Hofnung der
meisten Leute, oder ihres albernen Vertrauens auf
ihr gutes Glück, grosse Geldsummen durch aller
hand niederträchtige Kunstgriffe, in solche nutzlose
Canäle gezogen werden, die doch, wenn man sie
zum Handel oder zu Manufacturen angewendet hät
te, im Stande gewesen wären, die
reichern; und alle
einem nützlichen Fleisse abwendig gemacht werden.
Es ist also billig, solchen Privatprojecten oder Con
tracten Einhalt zu thun, wenn sie gleich nichts of
fenbar Betrügerisches in sich halten. Bey einem
öffentlichen Mangel kan man unstreitig, ohne un
vorsichtig zu handeln, durch Lotterien Geld zu be
kommen suchen: um sovielmehr, weil es dadurch ge
schehen kan, ohne ein Murren unter dem Volke zu
verursachen, da niemand gezwungen wird, etwas
dazu beyzutragen.
Es giebt noch andre Contracte, wo man et
was Weniges bezahlt, um sich vor einem grossen
curiren.
ungewissen Verluste in Sicherheit zu setzen, oder
solche Verluste, wenn sie sich zutragen, ersetzt zu er
halten. Von dieser Art sind die Verassecurirungen
wider die Gefahren der See, oder des Feuers. Sol
che Einrichtungen sind sowohl billig, und den Men
schen vortheilhaft; als auch dem gemeinen Wesen
nützlich. Die Assecurirer werden durch die Gel
der, die sie von denen erhalten, deren Schiffe oder
Häuser geborgen bleiben, in den Stand gesetzt, die
jenigen die sie verlieren, schadlos zu halten. Es
wird auf die Weise eine Art von Verbindung
durch eine ganze Nation veranstaltet, da die Ver
luste allemal durch kleine Beysteuern derjenigen, die
dem Unglücke entgangen sind, ersetzt werden. Und
mancher fleissiger Handelsmann, wird dadurch von
seinem frühen Untergange, der sonst bey einem sol
chen Unglücksfalle unvermeidlich gewesen wäre,
errettet.
Privatcontracte, die auf dem Zufalle; oder zum
ten und
Spielen.
Theil auf dem
beruhen: wie die Wetten auf einen ungewissen Aus
gang, oder den glücklichen Ausschlag eines Spiels,
können, wenn die gewagten Summen nicht mehr aus
machen, als die wettende oder spielende Person, auf
ihren Zeitvertreib wenden kan, ohne sich zu einer,
ihrer Pflichten untüchtig zu machen; wenn nicht
mehr Zeit auf das Spiel gewendet wird, als nöthig
ist, um sich von ernsthaften Verrichtungen zu er
holen; und wenn kein Hang zur Faulheit, oder
Buch.
keine ungeduldige
vertreiben daraus entsteht, schwerlich für fehler
haft, oder unerlaubt gehalten werden. Sind aber
die gewagten Summen so gros, daß der Verlust der
selben, entweder uns, oder unserm Widersacher, auf
einige Weise schmerzhaft seyn kan: so sind solche
Contracte, da auf keine Weise einiger Nutzen dar
aus entsteht, wirkliche Verbrechen. Wir handeln
so unmenschlich als thöricht, wenn wir ein Vermö
gen, das unsre Familie, unsre
meen unterhalten, oder selbst unser Vaterland un
terstützen sollte, so unnöthigen Gefahren aussetzen;
und es ist
um ihn durch seine Uebereilung oder Thorheit ins
Verderben zu stürzen. Kein
keiner der ein Gewissen besitzt, wird solche Gewin
ste, wenn sie ihm auch zugefallen sind, behalten kön
nen. Es ist erstaunlich, wie in verderbten üppi
gen Zeiten, die Menschen so sehr die wahre
und die Namen der Dinge vergessen können, daß sie
solche Gewinste nicht für allen rechtschafnen Leuten
äusserst schändlich halten. Da es doch offenbar ist,
daß sie durch eben die niederträchtige Neigung zur
Ungerechtigkeit und zum Geitze erhalten werden,
die wir bey Dieben und Beutelschneidern verab
scheuen. Die Klugheit aller
also,
sten Gesetze, und die schändlichsten Strafen, beson
ders an Personen, aus solchen Ständen, zu hem
men, die unendlich über solche Bübereyen erhaben
seyn sollten, und deren Exempel am gefährlichsten
ter
Abschnitt.
ist, weil es die Laster am leichtesten ausbreitet. Aberquid leges ſine moribus vanæ. proficiunt. --
X. Die gewöhnlichen Dinge, deren man sich
heits- oder
Bürgschafts
contracte.
bedient, sich der Haltung eines Contracts zu versi
chern,
licher Güter, und die Bürgschaft, wodurch eine dritte
Person verbunden wird zu bezahlen, wenn der Haupt
schuldner nicht im Stande ist es zu thun. Weil
mancher oft sein Geld mehr auf den Credit des
Bürgen, als desjenigen, der es wirklich empfängt,
vorschiest, so ist der erstere, wenn der Hauptschuld
ner versäumt zu bezahlen, oder gar unvermögend
wird, in seiner
so sehr als der andre zur Bezahlung verbunden,
und er kan so wenig mit gutem Gewissen einigen
Aufschub begehren, oder allerhand Ausflüchte oder
Listen anwenden, als wenn man ihm selbst zu sei
nem eigenen Gebrauche das Geld geliehen hätte.
Ausgenommen, wenn er entdeckt, daß der Leiher eine
grobe Nachlässigkeit begangen hat, oder mit dem
Hauptschuldner ein betrügerisches Verständnis un
terhält, und ihm aus
bürden gedenkt.
I.
Einige Rechte entstehn nicht durch Contracte,
sondern durch irgend eine andre Handlung,
verbundenen Person. Diese
Recht gründen können, sind entweder gesetzmässig
oder widerrechtlich. Sind die Handlungen gesetz
mässig, so benennen sie die Civilisten, um die Quel
len der Verbindlichkeit nicht zu sehr zu vervielfältigen, obligationes quaſi ex contractu ortæ..
*
Sie er
dichten in solchen Fällen einen Contract, der die
Leute zu allem verbindet, was ein Theil mit Rechte
von dem andern hätte verlangen, und dieser ihm,
ohne sich zu schaden, zugestehn können, wenn sie
wirklich über diese Dinge, einen Contract geschlos
sen hätten. Die Verbindlichkeiten erhellen deut
lich genug, ohne daß man nöthig hat, erst einen
Contract zu erdichten, aus der Natur der Hand
lungen, den Rechten des Eigenthums, und seinen
Wirkungen. Jst die Handlung widerrechtlich,
so sind es Rechte, die aus einer Jnjurie ent
stehn, von welchen wir im folgenden Abschnitte
handeln werden.
Die Verbindlichkeiten quaſi ex contractu.
lassen sich in zwo Classen bringen. 1) Diejenigen *
28.
II. Zur ersten Classe gehört die Verbindlich
bindlichkeit,
die aus der
Besitzneh
mung der
Güter eines
andern, ent
steht.
keit eines, der fremde Güter in Besitz genommen
hat, sie mit allem Gewinn, den er dadurch erhalten,
zurück zu geben: Die Verbindlichkeit des Erben,
*
die
Schulden zu bezahlen, die auf der Erbschaft haften;
oder die Verbindlichkeit des
gehenden Schulden und Vermächtnisse zu entrichten,
so weit nämlich das Vermögen reicht. Dieses bleibt,
wenn es gleich auf andre komt, solchen Ansprüchen * Die Verbindlichkeit
des Erben, Schulden zu be
zahlen, ist unstreitig, mit der
Verbindlichkeit des Execu
tors, Vermächtnisse zu be
zahlen, von gleicher Natur;
obgleich die Civilisten die
letztre eine Verbindlichkeit
quaſi ex contractu
benennen.
Unter diese Classe gehören auch die Verbind
lichkeiten aller derjenigen, die fremde Güter ohne ei
nen Contract besitzen, als der Vormünder, oder sol
cher Leute, die die Güter abwesender Personen, ohne
daß es ihnen aufgetragen worden, aufbehalten, und
Sorge dafür tragen, welche negotii utilis geſtores
genennt werden. Alle diese sind ohne Wiederede
verbunden, die Güter den Eigenthümern wiederzu
geben, und ihnen sowohl davon, als dem dadurch
III. Die zwote Classe enthält die Pflichten de
rerjenigen, denen ein wichtiger Dienst geleistet wor
den, oder, die durch andrer Arbeit oder Unkosten
ohne vorhergegangnen Contract oder Commission
einen Vortheil erhalten. Die Person, die solche
Vortheile erhält, ist unstreitig verbunden, alle Ko
sten, die mit Klugheit angewendet worden, und alle
Arbeit, die es des andern Theils Absicht nicht ge
wesen ist, umsonst zu thun, zu vergüten. Ein
Kaufmann, dessen Güter Schiffbruch leiden, aber
durch meine Sorgfalt, oder durch Anwendung mei quaſi ex contractu. 633
Was die Verbindlichkeiten der
gen wegen
der Unter
haltung ei
nes andern.
ihrer
können wir fest setzen: 1) Was ein Vater an seine
Kinder wendet, wenn diese kein besonders Vermö
gen für sich von andern erhalten haben, wird allent
halben für ein Geschenke gehalten; das Gegentheil
müste denn ausdrücklich bekant gemacht worden
seyn. Ob aber gleich der Vater durch das starke
Band der
zeigt, verbunden wird, seinen Kindern das Noth
wendige zu verschaffen, und die
aufs stärkste verpflichtet, ihren Zustand, wenn es
ihm möglich ist, zu verbessern: so haben doch die
Kinder, wenn er von allen diesen keine Rechnung
führt, um mit der Zeit von ihnen die Wiedererstat
tung zu fordern, ein solches Verfahren als eine
blosse Gütigkeit anzusehn, denn kein vollkomnes
Recht der Kinder hätte ihn dazu zwingen können.
Ein Vater kan mit Recht auf die Ersetzung der Ko*
Actionem contrariam tutelæ.,
& negotiorum geſtorum.
Buch.
sten dringen, die ihm seine Kinder verursacht ha
ben, wenn er selbst in Noth geräth. Wenn auch
dieses nicht ist, so kan er mit Recht alle nothwen
dige Kosten, die ihm ein Kind verursacht hat, das
für sich selbst Vermögen genug besizt, in Rechnung
bringen, und sie sich wieder bezahlen lassen, entwe
der um selbst desto ruhiger leben zu können, oder
seinen übrigen Kindern dadurch eine Wohlthat zu
erweisen. Wenn aber
2) jemand das Kind eines Fremden erzieht,
so sind alle Kosten, die mit Klugheit angewendet
worden, als eine völlig rechtmässige Schuld anzu
sehn, wenn das Gegentheil nicht vorher bekant ge
macht worden ist. Hier findet die väterliche
nicht statt, die uns sonst geneigt machen würde, zu
glauben, daß es seine Absicht gewesen wäre, sie um
sonst aufzuwenden.
Jn den Gesetzen einiger
haupten, daß sie vorzüglich auf die natürlichen
Rechte und
Acht haben, zeigt sich eine erstaunliche Parteylich
keit. Alle Kosten, die von jemanden auf das Kind
des niedrigsten
det werden, müssen ein Geschenk seyn, sie mögen in
der Absicht aufgewendet worden seyn, oder nicht.
Er erhält dadurch kein Recht auf die Dienste des
Kindes, oder die Forderung einiges Ersatzes. Das
Kind kan seinen Pflegevater verlassen, so bald es
zur
so unschuldigen Kinder der Kriegsgefangenen, oder
solcher Leute, die mit uns nicht einerley Farbe ha quaſi ex contractu. 635
Das ist unstreitig, daß der Herr des Va
gegründete
Recht über
die Kinder
der Sclaven.
ters, oder derjenige, der eines andern Kind auf sei
ne Kosten erzieht, ein Recht hat, die Wiedererstat
tung aller Unkosten, die die Nothdurft sowohl als
auch die Bequemlichkeit des Kindes erfordert hat,
keinesweges aber derjenigen, die mehr auf den
Glanz seines eignen Hauses abgezielt haben, zu ver
langen. Dieses Recht erstreckt sich nicht weiter
als das Recht eines jeden Gläubigers über seinen
Schuldner. Wenn sich ein Freund des Kindes
erbietet, seine Rechnung zu bezahlen, so kan der Herr
sich mit Recht nicht weigern, es anzunehmen oder
dem
dieses, nachdem es zur Vernunft gekommen ist, ei
nen andern, dem es lieber schuldig seyn, und der
seinem ersten Herrn seine Kosten bezahlen will: so
kan dieser es mit Rechte nicht abhalten. Die Ar
beiten des Kindes müssen seit dem es etwas mehr,
als die schlechteste Nahrung und Kleider verdie
nen können, mit auf die Rechnung gebracht, und
der Ueberschus davon von der vorigen abgezogen wer
den. Wenn die Summe des Ueberschusses, den das
Kind, über das, was zu seiner Kleidung und Nahrung
Buch.
nöthig gewesen, verdient hat, denen Kosten, die sei
ne untüchtige Kindheit erfordert hat, gleich komt:
so hat der Herr weiter keinen Anspruch auf dasselbe.
Man würde durchgängig finden, daß die Arbeit
jeder Person, die an Leib und Seele gesund ist, hin
reichen würde, diese Schuld vor dem dreyssigsten
Jahre zu bezahlen. Andre, die eine vorzügliche
Geschicklichkeit besässen, würden weit eher damit
fertig werden. Der Schuldner hat unstreitig das
Recht, die Arbeit zu wählen, die ihn am ersten in
den Stand setzen kan, die Schuld abzutragen.
Wenn grössere Kosten auf ein Kind gewendet
worden sind, um es in irgend einer
terrichten: so ist es verbunden, für dieselben zu
stehn, wenn sie nämlich zu seinem wahren Nutzen
gereicht haben. Dann aber sind seine Arbeiten
in einer solchen Kunst von so viel höherm Werthe,
daß er im Stande ist, seine grössere Schuld eben so
bald zu bezahlen. Findet sich dieses nicht, so ist es
ein
le aufgewendet worden.
Man behauptet gemeiniglich, daß man mit
Rechte auf mehr als die Wiedererstattung der ge
liehenen Summe mit allen Zinsen dringen könne
*
,
wenn die Ausleihung mit einiger Gefahr beglei
tet ist: daß in diesen Quasicontracten die Men*Dies ist der Fall, wenn
man Gelder auf Schiffe
leiht, wo die ganze gegebne
Sicherheit in dem Schiffe
besteht. Hier hält man eine
weil die ganze Summe ver
loren ist, wenn das Schiff zu
Grunde geht. quaſi ex contractu. 637
Wenn wir auch zugeben, daß es nothwendig
ist, die Menschen zur
Buch.
können, ehe sie das geringste ersetzt haben: so kan
man doch die Schulden der Gestorbnen, denen
die leben bleiben, nicht aufbürden. Das ist bil
lig, daß von jedem etwas mehr wiederverlangt
wird, als wirklich aufgewendet worden, weil wir
uns in Gefahr gesezt haben, alles zu verlieren, und
dies würde sich auch jeder
selbst in den Umständen wäre, gern gefallen lassen.
Aber diese Forderung kan die Schuld nicht sehr er
höhen. Gesezt, daß ein Drittheil der gebohrnen
Kinder in den ersten drey Jahren stirbt, so werden
dadurch die Kosten der drey ersten Jahre um ein
Drittheil oder um sehr weniges mehr, erhöht wer
den. Die Gefahr wird immer geringer, wie sie
an Jahren zunehmen, bis endlich ihre Arbeiten sie
geschickt machen, ihre Schuld zu tilgen; denn es
würde ungerecht seyn, hier den Hasard anders, als
nach den Gefahren, worinnen sich das menschliche
bestimmen. Und so würde die Summe der Kosten
kaum um ein Fünftheil erhöht werden, bis sie das
zehnte oder zwölfte Jahr erreicht hatten, wo ihre
Arbeiten schon im Stande seyn müssen, ihren Un
terhalt zu bezahlen, ja so gar ihre Schuld zu
verringern.
Man führt noch weiter an, daß bey einigen
barbarischen
belt werden würden, wenn sie niemand als Scla
ven erkaufte. Sie sind also denen, die sie kaufen,
ihr Leben, und alles was sie jemals noch vornehmen quaſi ex contractu. 639
Eine Menge unrichtiger und allgemeiner Aus
unsers Jrr
thums hier
innen.
drücke blenden uns in dieser Sache. Die Gefan
genen sagen, wir, sind ihr Leben und alles ihrem
Buch
Käuffern schuldig. Eben so sind wir, unsre Edelleute
und Fürsten unser Leben oft Hebammen, Wund
arzten, Aerzten, unsern Neben-Soldaten, unsern
Bedienten und Nachbarn schuldig. Einer der zum
Mittel gedient hat, einen Menschen das Leben zu
retten, hat deswegen nicht das Recht, ihn zu seinen
Sklaven zu machen, und ihn als eine Waare zu ver
kauffen. Es ist ausserordentlich, daß in einer
tion
zur christlichen
um die Hoffnung eines grossen Gewinstes, die Gewis
sen und alle natürliche
tigkeit so sehr haben einschläfern können, daß man
Ueberschläge von dem Werthe unsrer Nebenmenschen
hört.
IV. Zu dieser zwoten Classe der quaſi Con
tracte rechnet man auch die Verbindlichkeit derjeni
gen, die sich der Freyheit der dringenden Noth be
dient, und andern dadurch einigen Schaden verur
sacht haben. Diesen sind sie allemal verbunden,
so bald als möglich zu ersetzen. Von eben solcher
Art ist die Verbindlichkeit desjenigen
*
, der etwas
als ihm schuldig angenommen hat, von dem es sich
doch nachher zeigt, daß es ihm nicht gebührt; oder
**
der auf eine gewisse Gefälligkeit die er einen andern
leisten soll, die aber hernach
voraus eine Belohnung, oder irgend etwas gegen ei
nen Contract oder ein Versprechen wider welches *
Condictio indebita.
**
Condictio cauſa data cauſa non ſecuta.
I.
Die Beleidigung irgend eines vollkommnen
bung einer
Jnjurie.
Rechts einer andern Person, ist eine Jnjurie: diese mag nun durch Gewaltthätigkeit wider
Den Schaden den jemand verursacht hat, ist
er verbunden, so viel es in seinem Vermögen steht
zu ersetzen. So lange dies nicht geschieht, beharrt er
in der Jnjurie, und er kan auch auf keine andre Weise
seine Reue bezeigen oder den Character eines ehrli
chen Mannes wieder erlangen. Die Person der eine
Jnjurie widerfahren ist, hat das Recht den Urheber
derselben zur Schadloshaltung zu zwingen, sonst
würden
mit Füssen treten. Es ist überhaupt sowol zum
gemeinen Besten als zum Vortheile der Leidenden
nothwendig, dieses Recht vermöge dessen man
einen so gar mit Gewalt zur Wiedererstattung zwin
gen kan, nicht im geringsten zu schmälern, sondern
vielmehr die Thäter noch durch andre Uebel zu be
strafen: und dies nicht allein zur künftigen Sicher
heit der beleidigten Person sondern zur Erhaltung
der allgemeinen Ruhe. Damit alle böse Leute durch
die
ternehmungen abgeschreckt werden.
*
Faciendo, vel non faciendo ſecus quam debebat.
**
Lucrum ceſſans, vel damnum emergens.
Wenn mehr als eine Person an einer Jnjurie
Theil haben, so ist diejenige, welche andre die unter
ihr stehen, durch ihr Ansehn oder ihre Gewalt dazu
gezwungen hat, die Hauptursache.Diese mus allein
alles ersetzen und die gröste Strafe erdulden. Können
wir aber dieselbe nicht in unsre Gewalt bekommen, so
können wir uns, weil sie keinen andern das Recht un
gestraft Jnjurien auszuüben mittheilen kan, nicht
nur denjenigen, die uns auf ihren Befehl beleidigen,
mit Gewalt widersetzen, sondern auch von ihnen un
sre Schadloshaltung zu erlangen suchen. Zuwei
len können wir sie auch bestrafen, wenn sie nämlich
wissentlich wider ihre Pflicht gehandelt haben, oder
wenigstens sich leicht davon hätten unterrichten kön
nen. Jst die Jnjurie von geringer Art und leicht
zu ersetzen, und hat sie der unmittelbare Thäter blos
deswegen übernehmen müssen, um weit grössern Ue
beln zu entgehen, womit er von andern die ihn in ih
rer Gewalt gehabt haben, bedroht worden: so enthält
seine Handlung vielleicht kein Verbrechen sondern
läst sich mit der dringenden Noth, wovon wir bald
handeln werden entschuldigen. Diese Entschuldi
gung aber kan ihn nicht von der Verbindlichkeit be
freyen, welche von ihm erfordert, allen Schaden
zu vergüten den er unschuldigen Personen verursacht
hat, um sich selbst in Sicherheit zu setzen.
Wenn viele die es
verbunden
ist wenn vie
le Theil an
der Jnjurie
haben.
gehabt, einen Schaden verursachen, so ist jeder da
von, wenn wir von den übrigen nichts erhalten
können, verbunden, ganz dafür zustehn. Wenn wir
gleich wissen wie vielen Antheil jeder an der That oder
Buch.
der Beute gehabt hat. Wenn aber verschiedene Perso
nen zu verschiedenen Zeiten ohne es verabredet zu ha
ben, einen Menschen aller seiner Güter berauben,
so scheint jede nur zu dem Antheile den sie an dem
verursachten Schaden gehabt hat, verbunden zu seyn;
ob man gleich unter den Namen einer Strafe mehr
von ihr zu fordern berechtigt ist. Jm ersten Falle
hat derjenige dem die Jnjurie wiederfahren ist nichts
mehr zu fordern, so bald ihm eine der schuldigen
Person seinen Schaden ersezt hat; und die andern
sind verbunden dieser Person jede ihren Antheil zu
erstatten. Bey Strafen ist die Sache ganz anders.
Die Leiden einer Person befreyen die übrigen nicht. Wiedererstattung und Strafe haben verschiede
ne Eigenschaften und Absichten; zur ersten können
wir oft verbunden seyn, wenn wir kein Verbre
chen begangen haben.
Wenn bey gefährlichen Gelegenheiten, wo man
den gemeinen Wesen dient, jemand einem anderm
durch eine beynahe unvermeidliche Unachtsamkeit,
einen Schaden verursacht: so mus dieser von dem
gemeinen Wesen ersetzt werden, weil man sich zu
seinem Dienste beschäftigt hat. Wie wenn ein
Soldat in der Hitze der Schlacht einen seiner
Cameraden beschädigt.
Schäden die durch Bediente ohne Befehl
ihrer Herren verursacht werden, fallen alle
mal auf sie allein zurück; haben sie aber Befehl
dazu bekommen, so müssen jene dafür stehn. Hat
ein Sklave ohne die Schuld seines Herrn einen
Schaden verursacht, so ist es natürlich, daß der
ter
Abschnitt.
Sklave verbunden ist ihn zu ersetzen, da er eine
sein Herr ein Recht auf alle seine Arbeiten hat, die
allein ihn in den Stand setzen können den verursach
ten Schaden zu vergüten: so scheint sich der Skla
ve in dem Stande einer Person zu befinden, welche
zween Gläubigern mehr schuldig ist, als alle ihre
Güter betragen, oder sie, durch ihre Arbeit erwer
ben kan; welches alles demnach unter beyde nach
dem Maasse ihrer Forderungen getheilt werden muß.
Gesezt der Sklave ist vierzig Pfund wehrt, so ist
dies die Forderung des Herrn: und daß der Scha
de auf zwanzig Pfund geschätzt wird, so ist dies die
Forderung desjenigen dem der Schade verursacht
worden ist; und der Herr ist verbunden, wenn er
den Sklaven behalten will, zween Drittheile des
Schadens zu ersetzen. Wäre der Schade auf vier
zig Pfund geschätzt worden, so hätte der Herr des
Sklaven die Hälfte bezahlen müssen. Er ist auch al
lemal verbunden für den übrigen Schaden den sein
Sklave verursachen könte, Sicherheit zu verschaffen;
nachdem seine gefährlichen Neigungen entdeckt wor
den sind. Verbände man den Herrn entweder den gan
zen Schaden zu ersetzen, oder den Sklaven fahren zu
lassen: so würde dieser bey manchen Fällen den Scha
den allein tragen müssen, und der leidende Theil
nichts verlieren; ob gleich beyde gleich unschuldig
an dem verursachten Schaden seyn können. Jndes
sen dringen doch die Civilgesetze zuweilen darauf,
um die Herren aufmerksamer auf ihre Sklaven zu
machen. Weil aber die Sklaven eine moralische
Freyheit zu handeln besitzen, so sind sie selbst allemal
Buch.
verbunden sich den Strafen zu unterwerfen, die
nothwendig sind, um ihre Laster im Zaume zu hal
ten; auf welche Art auch der Schaden schon ersetzt
seyn mag. Die Veränderung des Herrn ist vielleicht
nicht allemal eine Strafe für sie.
Wenn ein Schade durch ein Thier verursacht
wird, dessen Herr keine Ursache gehabt hat, so ge
fährliche Neigungen in demselben zu vermuthen, so
scheint eben die Entscheidung, daß nämlich beyde
Theile etwas von dem Schaden tragen sollen, zwar
billig, aber einige Civilgesetze
*
sind strenger gegen
den Eigenthümer um ihn desto sorgfältiger in An
sehung der Thiere zu machen, die er unterhält. Sind
ihm schon vorher die
so ist er ohne weitre Frage verbunden den ganzen
Schaden zu ersetzen, weil es seine Schuldigkeit ge
wesen wäre, diesem Schaden zuvor zukommen; und
eine solche Nachlässigkeit allemal strafbar ist.
II. Wenn jemand aus Unachtsamkeit oder in
einer heftigen
den verursacht hat, so ist es seine Schuldigkeit sich
freywillig zur völligen Schadloshaltung, und allen
denen Dingen zu erbieten, die ein unpartheyischer
Richter als Bürgen der künftigen Sicherheit der
beleidigten Person verlangt; und wenn dies gesche
hen ist, mus die in Schaden gesetzte oder beleidig
te Person, völlig versöhnt seyn. Eine freywillige
Bequemung zur Schadloshaltung und zur Stel
lung solcher Sicherheit aufs künftige, ist alles was *
Exod. cap. 21. Inſtit. und
Eine gewisse Art, andre in Schaden zu se
rie, wenn
man andre
mit der Be
zahlung auf
hält.
tzen ist so gewöhnlich, daß viele die Ungerechtig
keit derselben nicht einzusehen scheinen. Wenn man
nämlich die Bezahlung, solcher Forderungen die
man für rechtmässig erkennt, immer verschiebt.
Bey gewissen Schulden, bey denen, worüber
Handschriften ausgestellt sind, und noch bey eini
gen andern, schätzt das Recht den durch Aufschub
der Bezahlung verursachten Schaden, auf die ge
wöhnlichen Zinsen des Geldes; aber aus einer un
vernünftigen Parteylichkeit lässt es bey andern For
derungen keine Zinsen statt finden. Ein wirklich
ehrliebender und gerechter Mensch wird die gewöhn
lichen Zinsen zwar für hinreichend halten, einem
begüterten Manne, der sein Geld nicht zum Handel
oder zu Manufacturen anwendet, allen Schaden
zu ersetzen; aber bey Handelsleuten ist der Schade
der ihn auch nur durch Verschiebung der Bezahlung
wiederfährt, unendlich schmerzhafter. Nicht zu
gedenken, wie oft sie zu kostbaren Processen genö
thigt werden, wie oft man ihren Credit schwächt,
oder sie gar betriegt. Dies alles erklärt die gesun
de
schämtesten Arten des Diebstals, und wenn sie von
einem boshaften Vorsatz herrühren, solten sie auch
eben so bestraft werden. Aber so gar auch der
Verzug der Bezahlung ist eine Jnjurie, und ein
Buch.
verursachter Schade, der dem Gewinne gleich ist, den
der Kaufmann in der verlaufenen Zeit mit dem aus
sen gebliebenen Gelde hätte machen können, und der
sich gemeiniglich noch einmal so hoch als die ge
wöhnlichen Zinsen eines Capitals beläuft. Wegen
dieser doppelten Zinsen sollte es billig allemal erlaubt
seyn zu klagen, wenn, die Bezahlung der ausge
machten Summe, zu der im Contract fest gesetzten
Zeit nicht erfolgte. Der andern grausamen Fol
gen nicht zu gedenken, die durch solche Verzögerun
gen verursacht werden, wenn der Credit des Han
delsmanns sich verliert, und eine Familie die sonst
ihren anständigen Unterhalt gefunden haben würde,
auf einmal ins Verderben gestürzt wird. Die
Kaufleute, und Unternehmer der Manufacturen
müssen den Preis aller Güter um etwas erhöhen,
um auf eine solche Art dem Schaden wieder beyzu
kommen, den sie durch solche Verzögerungen, durch
kostbare Processe, und durch unvermögende oder be
trügerische Gläubiger, allemal leiden. Dieser
Schaden fällt auf redliche und gute Haushalter so
wol als auf diejenigen, die daran schuld sind; weil
in Betracht solcher häufigen Verluste alle Güter um
so viel theurer werden. Aus eben dem Ursachen
müssen unsre Güter auf fremden Markten ebenfalls
theurer verkauft werden; so das andre Nationen wo
die Gerechtigkeit besser gehandhabt wird, vielleicht
im Stande sind, eben dieselben Güter wohlfeiler
zu geben, und also unsern Handel zu verderben.
III. Vermöge der natürlichen Freyheit haben
die Menschen ein Recht, sich, ihre Nachbarn, und
ter
Abschnitt.
alle ihre vollkommnen Rechte mit Gewalt zu ver
theidigen, und andre dadurch zu zwingen, daß sie
alle gegründete Ansprüche, welche sie auf sie haben,
Rechte, uns
der Gewalt
zu bedienen.
erfüllen. Wir sind unstreitig verbunden, vorher al
le gütlichen Mittel zu versuchen. Wenn diese aber
nichts ausrichten, so können wir uns der Gewalt
und aller möglichen Hülfe von andern bedienen, die
unsre Sache für gerecht halten. Jn
sellschaften
den,) der
chen Angelegenheiten zu bedienen, um den Uebeln
zuvor zu kommen, die von Leuten, die selbst Theil
an einer Sache haben, oder wegen befürchteter Jn
jurien noch aufgebracht sind, verursacht werden
könten. Man setzt von allen
daß sie dieses Recht, der gewaltthätigen Verfolgung
und Vertheidigung, wenn sie nämlich den Beystand
derselben erlangen können der Obrigkeit aufgetra
gen, und ihrem Rechte sie in solchen Fällen selbst
auszuüben entsagt haben. Die Regeln wegen der ge
waltthätigen Verfolgung und Vertheidigung, sind in
den verschiedenen Ständen, der natürlichen
und einer bürgerlichen Regierung ausserordentlich, und
zwar in diesen dreyen Puncten,
*
1) den Ursachen, 2) der
Zeit, und 3) wie lange damit fortgefahren werden
darf, verschieden.
1) Jm Stande der natürlichen Freyheit ist
jede Schmälerung irgend eines unsrer vollkommnen
Rechte, dieses mag wichtig oder nicht wichtig seyn,
eine hinlängliche Ursache. Es ist wahr, daß jeder *
Cauſæ., terminus a quo,
& terminus ad quem.
Buch.
der Menschlichkeit nach verbunden ist, vorher alle
gütlichen Mittel zu versuchen, und sich keiner wei
tern Gewalt zu bedienen, als zu seiner eignen, oder
anderer Sicherheit nöthig ist. Wir sollten auch
allemal geneigter seyn, die Sache auf den Ausspruch
unpartheyischer Schiedsrichter ankommen zu lassen.
Hat die Jnjurie eine plötzliche
Grunde, die der Urheber selbst bald bereuen wird,
und ist sie leicht wieder gut zu machen: so handeln
wir menschlich, wenn wir sie lieber ertragen, als
uns gefährlicher Gewaltthätigkeiten zu unsrer Ver
theidigung bedienen. Hat uns aber der andre
Theil die Jnjurie aus einem überlegten Vorsatze an
gethan, und beharrt er nach allen freundschaftlichen
Vorstellungen, darinne: so hat jeder das Recht sich
mit Gewalt zu vertheidigen, wenn diese auch den
man den Menschen nicht erlaubte ihre Rechte, die
nicht von der grösten Wichtigkeit, aber doch voll
kommen sind, mit aller ersinnlichen Gewalt zu ver
theydigen; so würden alle rechtschafne Leute mit ih
ren Gütern den Unverschämten und Niederträchti
gen, als ein beständiger Raub, blosgestellt seyn.
Eine kleine Jnjurie kan alle Stunden von eben der
Person, oder von andern, die eben so unverschämt
sind, wiederholt werden. Wenn man wider solche
Uebel kein Mittel wüste, würde das Leben uner
träglich. Das allgemeine Beste und die öffent
liche Ruhe erfordern, daß man die
walt von solchen Unternehmungen abzuschre
cken sucht.
Was die Aufrechthaltung unsrer kleinern
Rechte betrift, so kan man kaum behaupten, daß
unbetrachtliche Jnjurien uns ein Recht geben, den
Gebrauch der Gewalt aufs äusserste zu treiben,
oder, daß es nöthig wäre, Leute mit grosser Gewalt
zu Erfüllung wenig bedeutender Contracte, oder ir
gend einer Kleinigkeit, worauf wir ein vollkommnes
Recht haben, anzuhalten. Wir können uns aller
Gemeinschaft mit solchen Personen inskünftige ent
halten, und es ist besser, einen kleinen Verlust zu
erdulden, als sich den Vorwurf zu machen, daß wir
eines geringen Vortheils wegen, einen unsrer Ne
benmenschen des Lebens beraubt; da wir uns doch durch
andre Mittel inskünftige vor ähnlichen Jnjurien
hätten in Sicherheit setzen können.
Ein Unterthan, der unter einem
nem bürger
lichen Regi
mente sind
sie verschie
den.
Regimente steht, darf sich gegen Leute, die den Ge
setzen unterworfen sind, keiner Gewaltthätigkeit bedie
nen, es müste denn geschehn, sich vor unersetzlichen
Jnjurien zu vertheydigen; diese mögen ihrer Na
tur nach, oder wegen des Unvermögens des Belei
digers unersetzlich seyn. Jn andern Fällen, ist ei
ne gerichtliche Klage ein sicheres Mittel. Sind
die Beleidiger nicht vors Gericht zu bringen, wie
z. E. Flüchtlinge, Strassen- und Seeräuber, so be
halten wider sie die Rechte der natürlichen Frey
heit ihre Stärke; wie auch in allen Fällen, wo
die Hofnung sie zu entdecken, und zu überzeugen,
nicht statt findet. Wie bey vielen Dieben, die zur
Nachtzeit stehlen.
*
Des gerichtlichen Zwangs sind * Dies ist vermuthlich
die Ursache, warum in den
scheid zwischen dem fure no-cturno und diurno gemacht
wird. Es war verboten
einen zu tödten, niſi telo ſedefendat. Siehe auch
Buch.
wir nur verbunden, uns wider diejenigen zu bedie
nen, die sich ihm nicht entziehen, und die dadurch
angehalten werden können, unsre Forderungen zu
erfüllen.
IV. 2) Alsdenn dürffen wir der natürlichen
heit
Gegner seine feindseligen und ungerechten Absichten
hinlänglich an den Tag gelegt hat, und wenn die
Vorstellungen die wir Zeit gehabt haben ihm
thun, nichts gefruchtet haben. Man ist nicht ver
bunden den ersten Angrif zu erwarten, dies könte
oft zu gefährlich seyn, oder einen unersetzlichen
Schaden verursachen. Jn einem solchen Zustande
ist es gemeiniglich leichter sich zu vertheydigen, oder
einer Jnjurie zuvor zu kommen, als nachher mit
Gewalt eine Genugthuung zu erhalten. Jn al
len Fällen aber, wo wir uns nicht in unmittelbarer
Gefahr befinden, ist es am besten, weil die heftig
sten
wir uns von weisen Schiedsrichtern, die an der Jn
jurie keinen Theil haben, wegen der Mittel uns zu
vertheydigen, oder unsern Feind zu verfolgen, ra
then lassen.
Unter einem bürgerlichen Regimente, müssen
wir bey Drohung selbst einer unersetzlichen Jnju
rie, uns allemal unsrer Vertheydigungen wegen an
die Obrigkeit wenden, die Gefahr müste denn so
dringend seyn, daß sie nicht im Stande wäre uns
ter
Abschnitt.
zu Hülfe zu kommen. Wir müssen ihr auch alle
gewaltsame Verfolgung unsrer Rechte wider un
sre Mitunterthanen überlassen.
V. 3) Der natürlichen Freyheit nach, sind
man berech
tiget ist da
mit fortzu
fahren.
wir berechtigt so lange Gewalt zu gebrauchen, bis
die Gefahr abgetrieben ist, bis wir die Ersetzung
alles Schadens und aller Kosten, die die Jnjurie
verursacht hat, die Vollstreckung alles desjenigen,
worauf wir ein Recht besitzen, und eine völlige
Sicherheit vor ähnlichen Jnjurien aufs Künftige er
halten haben. Das Beste der
dert es so wohl als die Bedürfnis der beleidigten
Person, daß alle diese Dinge erhalten werden.
Das Publicum, oder das menschliche Ge
Strafen sind
in der natür
lichen Frey
heit gerecht.
schlecht als ein System betrachtet, hat sogar noch
ferner das Recht, die Uebelthäter mit noch andern
Uebeln zu belegen, die nohwendig sind, um andre
von gleichen Unternehmungen abzuschrecken. Die
ses letzte Recht aber darf die Person, die in Gefahr
eines gegenwärtigen Uebels gewesen ist, nicht allein,
sondern nur mit andern, die keine Privatursachen
zur Rache haben, gemeinschaftlich ausüben. Eini
ge entsetzliche Verbrechen, als Ermordungen,
Todtschläge, Vergiftungen, Diebstähle, oder See
raubereyen, zeigen eine so eingewurzelte
daß die Gesellschaft schwerlich durch etwas an
ders, als den
cherheit vor der Wiederholung gleicher Verbrechen
erhalten kan. Und da viele durch die Hofnung,
daß die Sache verborgen bleiben wird, daß sie durch
die Flucht, oder eine glückliche Gegenwehr der
Buch.
Strafe entgehen werden, angelockt werden können,
Ungerechtigkeiten zu begehen: so erfordert es das
Beste der Gesellschaft, daß die Strafe derjenigen,
welche ergriffen und überzeugt werden, so gros ein
gerichtet wird, daß sie die Hofnung, die sie allemal
unterhalten, der Strafe zu entgehn, überwiegen,
und andre von gleichen Unternehmungen abschre
cken. Schon darum, weil die Grösse des Uebels
die Hofnung der Straflosigkeit billig überwiegen
mus,, wird es bey allen bürgerlichen Regimenten
für billig erkant, daß, da die Verbrechen so häuffig
sind, und gewis allemal die Hälfte der Uebelthäter ent
wischen, die Strafe zum wenigsten verdoppelt wird.
Eben diese
und aller Vermehrung oder Verminderung dersel
bes, gelten auch in dem Stande der natürlichen
Freyheit, obgleich die Vollstreckung derselben nicht
allemal so leicht seyn, oder so gewis erfolgen kan.
Die Bestrafung der Verbrechen im Stande der
natürlichen Freyheit, ist vielmehr noch nothwendi
ger, und wird durch eben die Gründe gerechtfertigt.
Dadurch, daß die Vollstreckung der billigen Straf
urtheile in einem solchen Zustande sehr schwer ist,
wird nicht bewiesen, daß kein Recht zu bestrafen da
ist, oder daß dieses ganze Recht aus der bürgerli
chen Policey entspringt. Denn durch eben diese
Art zu schliessen, könnten wir auch die Menschen um
alle Rechte, sich selbst zu vertheydigen, bringen, in
dem wir behaupteten, daß auch diese durch die bür
gerliche Policey hervorgebracht würden.
Unter einer bürgerlichen Regierung darf kei
ne Privatperson die Gewaltthätigkeiten wider Leu
te, die die Gesetze über sich erkennen, weiter treiben, als
nöthig ist, um die gegenwärtige Gefahr abzutrei
ben. Alles übrige mus der Obrigkeit überlassen
werden.
Wir müssen uns erinnern, daß der Urheber ei
Jnjurie ent
steht ein un
endliches
Recht.
ner Jnjurie oder einer boshaften Beleidigung nichts
desto weniger ein Gegenstand unsrer Menschenliebe
bleiben mus, und daß wir zu weiter nichts berech
tigt sind, als eine Jnjurie von uns abzutreiben,
unser Recht mit Ersetzung alles Schadens zu be
haupten, und für uns selbst und die
aufs künftige Sicherheit vor dergleichen Beleidi
gungen zu erhalten zu suchen. Was wir gegen
wendigen Absichten vornehmen, ist gerecht; alles
aber, was nicht zu solchen Absichten dient, oder un
umgänglich dazu erfordert wird, ist ungerecht und
grausam, wenn wir es auch den Abscheulichsten
unter den Menschen widerfahren liessen. Hieher
gehören alle verborgene Martern, wenn man einen
hitzigen und rachgierigen Geist durch Beleidigun
gen aufzubringen sucht, wenn man andre, irgend
einer von unsern
Verbrechers Gewissen in
Es ist aufs äusserste grausam und ungerecht mehr
Elend hervorzubringen, als zu den oben angeführ
ten Ursachen erfordert wird. Sind diese erreicht,
und können sie damit bestehn, so sind
keit
te liebenswürdige und tugendhafte Eigenschaften.
Buch.
Die edelste Quelle der Strafe ist, eine weit ausge
breitete Menschenliebe oder eine Sorge für die Si
cherheit und Glückseligkeit der ganzen Gesellschaft.
VI. Aus den vorigen Schlüssen folgt es, daß
alle Zweykämpfe in einer bürgerlichen Gesellschaft
ein Verbrechen seyn müssen. Dann können sie er
laubt seyn, wenn sie mit Einwilligung zweener
ob gleich die Art einen Streit, der besser durch ei
nen richterlichen Ausspruch oder durchs Loos hätte
entschieden werden können, durch den Tod eines
herzhaften Mannes auszumachen, äusserst thöricht
ist. Wenn aber einer der Staaten auf diese Art
dringt, so kan der andere sie mit Recht annehmen,
wenn beyde bey einer andern Art nicht so viel Sicher
heit vor sich sehen. Von Mitbürgern aber sezt
man allemal voraus, daß sie die Entscheidun
gen ihrer Streitigkeiten den Richtern überlassen
haben.
Bey denen Nationen, wo die Duelle im
Schwange gehn, können die Jnjurien, die dazu
Gelegenheit geben, selten dadurch wieder gut ge
macht werden, der Ausgang mag seyn wie er will.
Ueberdies befindet sich die unschuldige Partey mit
der schuldigen in gleicher Gefahr. Diese Gewohn
heit ist zu den dunkeln
führet worden, da die papistische Geistlichkeit alle
Welt zur Tapferkeit aufzumuntern suchte, nachdem
sie vorher durch List Mittel gefunden hatte, dieselbe
vermöge der
Ausbreitung ihrer Herrschaft anzuwenden. Die
ter
Abschnitt.
abergläubischen Ritter waren fest überzeugt, daß
die
zum Behufe der Unschuld ins Mittel legte. Die
Beschuldigungen der Falschheit, der Verrätherey,
der Unredlichkeit und andrer
Duelle, wenn sie auch glücklich für den Beschuldig
ten ausfallen, nicht widerlegt werden. Ein Lüg
ner, ein Betrüger, ein Schelm, der elendeste, nie
derträchtigste Bösewicht kan auf dem Degen glück
lich seyn, und so gut mit einer Pistole zu zielen
wissen, als der tugendhafteste Mann. Der glück
liche Ausgang eines Duells verändert keines weisen
Menschen Meinung von unserm
gleich andre vielleicht vorsichtiger werden, und ihre
böse Meinung nicht so leicht zu erkennen geben.
Der Vorwurf der Feigheit ist der einzige, zu dessen
Ablehnung das Duelliren etwas beytragen kan.
Aber viele der Schlechtesten unter den Menschen
sind bey solchen Vorfällen nicht feigherzig, da sie
doch bey Gelegenheiten, wo ihr Vaterland bey den
wichtigsten Dingen, sowohl zu Kriegs- als Frie
denszeiten ihren Muth verlangt, nicht den gering
sten bezeigen.
Wenn ein Mensch gewisser Laster wegen be
unsre Ehre
behaupten
können.
schuldigt wird, so ist die Unternehmung, da er
den Beschuldiger zu tödten sucht, eine so unmensch
liche als unnütze Rache, da sie nicht im Stande ist,
die Beschuldigung zu widerlegen, sondern sie viel
mehr bestätigt. Wir müssen durch das Recht eine
anständige Genugthuung zu erhalten suchen. Bey
weisen Leuten und so gar auch bey Schwachen können
Buch.
wir den Character der Tapferkeit am besten be
haupten, so oft unser Vaterland im Kriege einiger
Dienste, die mit grosser Gefahr begleitet sind, benö
thigt ist; ja auch schon dadurch, wenn wir zu Frie
denszeiten mit einem kühnen Entschlusse sein Be
stes wider die verrätherischen Absichten grosser Leu
te, die die Gewalt besitzen, oder auch wider unsre
Unwillen über die
Schläger zeigt sich bey solchen Vorfällen als eine
Memme. Ein tugendhafter Mann, der nichts
wider seine Pflicht gethan hat, ist nicht verbunden,
einer ungerechten Rache wegen, die andre ihm dro
hen, sich im geringsten einzuschränken, oder weni
ger als vorher an Orten, wohin ihn seine Verrich
tungen oder seine Vergnügen rufen, zu erscheinen;
wenn er es nicht seiner Sicherheit wegen für dien
lich hält. Wird er alsdenn angegriffen, so hat er
Gelegenheit, seinen Muth in einer gerechten Selbst
vertheidigung zu zeigen.
Jemand, der einem andern durch falsche Be
schuldigungen oder durch Entdeckung seiner verborg
nen Fehler Unrecht gethan hat, thut zu seinem vorigen
Verbrechen ein schrecklichers hinzu, wenn er eine
Ausforderung annimt, und dem Menschen, den er
beleidiget hat, nach dem Leben trachtet. Das auf
richtigste Geständnis seiner vorigen Falschheit, Ue
bereilung oder Unmenschlichkeit ist das einzige, was
er mit Ehren vornehmen kan. Hat jemand den
Herausforderer nicht beleidigt, so ist es dennoch eine
grosse Thorheit, auf eine im Zorne geschehene
ter
Abschnitt.
Herausforderung sein eigen Leben in Gefahr zu setzen
oder nach dem Leben eines andern zu trachten.
Aber wie, wenn die Welt von eines Menschen Herz
haftigkeit nicht überzeugt ist? Er kan vielleicht in
andern Absichten für ein nützliches und ehrenwer
thes Mitglied der
Und durch den Entschlus, einen solchen Vorwurf
seines guten Gewissens wegen zu ertragen, kan man
cher im Grunde mehr
Gewaltthätigkeit, verdienen.
Wenn die Gesetze eines Staats so ausseror
Ursachen, die
Duelle in
schlecht ein
gerichteten
Staaten zu
rechtfertigen.
dentlich mangelhaft sind, daß sie keine Genugthu
ung für persönliche Beleidigungen, oder schmähli
che Jnjurien unsrer Mitbürger, oder für Verläum
dungen verschaffen; welche unserm natürlichen Ver
langen nach Ehre, und unserm Abscheu vor der
Verachtung, welche Empfindungen zu schonen
doch die
schmerzhaft seyn müssen; wenn eine herrschende ob
gleich thörichte und verbrecherische Gewohnheit
nur ein einziges Mittel wider diese Jnjurien übrig
gelassen hat, die doch schmerzhafter sind, und in dem
Beleidiger eine feindseligere und boshaftere Nei
gung verrathen, als solche Antastungen unsers Ei
genthums, die wir mit dem Tode des angreiffen
den Theils abzutreiben berechtigt sind: so scheint
ein Duell eher zu entschuldigen zu seyn, wenn näm
lich die Obrigkeit in der Sache keine Genugthuung
verschaffen kan.
Wenn wir durch Ablehnung dieses durch
gängig eingeführten Mittels die Verläumdung
Buch.
bestätigen, und den Räuber unsrer
von gleichen Neigungen aufmuntern, ihre Beleidi
gungen zu wiederholen, oder sie auch bey andern
zu versuchen; Wenn wir zugleich dadurch allen Ge
genwärtigen zu erkennen geben, daß wir das Leben
bis zur Niederträchtigkeit lieben, und es aller Ehre
und Hochachtung unsrer Mitbürger, auf eine Art,
die edlen
hen: so befinden wir uns unstreitig in einer drin
genden Noth. Ja eine besondre Art von
lischer
nen Tugendhaften, wenn er auch alle persönliche
Feindschaft und Rachgier unterdrückt hat, bewegen,
sein Leben zu wagen, um seine Ehre zu behaupten,
und die menschliche Gesellschaft, von solchen über
müthigen und trotzigen Räubern desjenigen, was
uns unstreitig schätzbarer ist, als unser äusserliches
Eigenthum, zu befreyen. Enthält eine solche
hauptsächlich auf den Gesetzgeber, weil seine Saum
seligkeit, für die Vertheidigung solcher Rechte zu
sorgen, die seinen
müssen, sie zwingt, solche Maasregeln zu ergreifen.
VII. Wir müssen aber niemals vergessen, daß
alle Gewaltthätigkeiten nicht weiter gerechtfertigt
werden können, als in so fern sie auf die Erfüllung
der grossen oben angeführten Endzwecke abzielen.
Haben die Beleidiger sich zur Genugthuung erbo
ten, alle billigen Forderungen von unsrer Seite statt
finden lassen, unterwerfen sie sich allen Strafen,
welche ihnen von billigen Richtern aufgelegt werden
ter
Abschnitt.
um andre abzuschrecken: so haben wir alle End
zwecke des Gebrauchs der Gewalt erreicht, und wei
ter darinne fortzufahren, würde grausam und unge
recht seyn. Die Partey also, welche einen
mit Rechte angefangen hat, hört sogleich auf Recht
zu haben, wenn sie nach angebotenen billigen Frie
densvorschlägen mit den Feindseligkeiten fortfährt.
Wenn wir nicht im Stande sind, für andern
verbunden
sind, wenn
eine völlige
Genugthu
ung unmög
lich ist.
angethane Jnjurien völlige Genugthuung zu leisten:
so müssen wir doch alles thun, was in unserm Ver
mögen steht. Hat also jemand einen andern auf
eine ungerechte Art, die ihm aber dennoch nicht die
Todesstrafe zuziehn kan, seines Lebens beraubt: so
ist es seine Pflicht, der leidenden Familie ihren Ver
lust, so viel nur immer in seinem Vermögen steht,
durch alle Arten von freundschaftlichen Diensten zu
ersetzen. Jst jemand durch seine
Nachlässigkeit banquerot geworden, daß er seine
Gläubiger nicht bezahlen kan, so ist er verbunden,
alle seine Arbeiten ihrem Dienste zu widmen. Sie
haben ein vollkomnes Recht darauf.
Ueber diese Dinge sind die Gesetze gewisser
Gesetze über
diese Dinge.
Staaten ausserordentlich widersprechend. Wenn je
mand seinen Nachbar durch Diebstal um eine Klei
nigkeit bringt, so wird er am Leben gestraft. Stürzt
aber ein andrer durch ein ausschweifendes lüderli
ches Leben, alle diejenigen, die so freundschaftlich ge
wesen sind, ihm zu trauen, ins Verderben; borgt
er auf eine betrügerische Art von seinen Freunden,
wenn er selbst weis, daß er nicht wird bezahlen kön
nen: so findet sich für ihn keine andre als eine lä
ter
Abschnitt.
cherliche Strafe, die entweder den
Gläubiger beschwert, nämlich eine beständige Ge
fangenschaft. Und dies aus keiner andern Ursache,
als weil einige wenige, ohne ihre Schuld, banque
rott werden. Warum sezt man solche Leute gefan
gen? Giebt es keine leichte Prüfungsmittel in sol
chen Fällen, wodurch man die Unschuldigen von de
nen, die sich durch ihre Laster unglücklich gemacht
haben, unterscheiden kan? Wir überlassen bey an
dern Vorfällen unser Leben dem Ausspruche von
Geschwornen, und auch hier könte eine Versamm
lung von geschwornen Nachbarn, die Summe, wo
mit der Banquerottirer angefangen, untersuchen,
seine Bücher durchsehn, über seine Aufführung und
Lebensart Zeugen abhören, und durch diese Mittel
die Quelle des Uebels ausfündig machen. Rühr
te dieses blos von unglücklichen Zufällen, und von
keiner groben Nachlässigkeit, Schwelgerey oder Ei
telkeit her: so sollten die Gläubiger ihr Unglück
geduldig ertragen, und der Schuldner in
bleiben. Er müste nur angeloben, seine Schulden,
so bald er in bessere Umstände käme, zu bezahlen; und
alles was er mehr, als zu einem mässigen Unterhalte
nöthig wäre, gewönne, müste er, wenn die Gläubi
ger es verlangten, anwenden, etwas davon abzutra
gen. Was aber diejenigen betrifft, die durch ihre
wenn sie einigen Nutzen stiften könte, hier nicht grau
samer, als in dem andern Falle seyn, weil sie oft bos
hafter sind als wirkliche Diebe, und ungleich mehr
Schaden verursachen. Sie zu ewiger Sclaverey zu
verdammen, wäre vielleicht noch besser, weil es etwas
ter
Abschnitt.
beytragen könte, den verursachten Schaden zu ersetzen,
und hinlänglich wäre, andre abzuschrecken.
VIII. Die Quellen dieser gemeinen Rechte,
Rechte ver
nichtet wer
den.
und die Contracte, worauf sie gegründet sind, wer
den uns auch zeigen, wie sie vernichtet werden.
Die verschiedenen Arten, wie es geschehen kan, las
sen sich in diese drey Classen bringen, 1) durch die
Leistung dessen, was wir schuldig sind, oder die Er
füllung der Ansprüche eines andern, diese mag ent
weder durch uns selbst, durch eine andre Person in
unserm Namen, oder auf irgend eine andre Art ge
schehen. Kein Glaubiger ist verbunden, die An
sprüche, die er auf eine Person hat, einem dritten
abzutreten, wenn der Schuldner es nicht verlangt,
oder wenn es nicht offenbar zu zu seinem Vortheile
gereicht; denn dieser dritte kan eine boshafte Absicht
hegen, ihn unglücklich zu machen. Auf Verlangen
des Schuldners aber, mus er jede gangbare Bezah
lung, von jeder Person annehmen, die derselbe ihm
anweist. Bey Leistungen gewisser Schuldig
keiten oder Ehrenbezeugungen, erhöht die Würde
der Person, welche sie leistet, ihren Werth unge
mein, und bey Werken, die auf das
men, wird vornämlich auf die Fähigkeit des Künst
lers gesehn. Jn solchen Fällen also, kan die ver
bundene Person ohne ausdrückliche Einwilligungen
der Person, der sie etwas schuldig ist, keinen an
dern an ihrer Stelle schicken. Unter diese Classe
bringt mans auch mit Rechte die Vergütungen,
wenn zwo Personen, die einander schuldig sind,
Buch.
sich durch verschiedene Güter von gleichem Werthe
befriedigen.
2) Eine andre Art Rechte oder Verbindlich
keit aufzuheben, ist die, wenn die berechtigte Person,
ihre Ansprüche freywillig fahren lässt; wenn diese
nämlich niemanden, als ihr allein, zu irgend einem
Vortheile gereichen, oder keine Gesetze da sind, die
eine solche Erlassung verbieten.
*
Diese kan frey
willig und umsonst, oder auf eine Art geschehn, die
beyden Theilen gleich beschwerlich ist.
3) Die dritte Art ist, wenn eine gewisse Be
dingung, auf welcher die Kraft einer Verbindlich
keit beruht, nicht erfolgt. Hieher kan man auch
die Treulosigkeit einer Parthey rechnen, wo
durch die andre, wenn sie will, befreyt wird.
Unter die Bedingungen, welche einen Contract
kraftlos machen können, gehört auch das Leben,
oder, wenn die verbundene Person in ihrem vorigen
Zustande oder Amte bleibt. Solche Contracte oder
Verbindlichkeiten, die einen gewissen Zustand, oder
ein gewisses Amt in der verbundenen Person voraus
setzen, oder blos auf ihrem Leben beruhen, so, daß
sie für die Erben nicht verbindlich sind, erlöschen
mit ihrem Tode, oder, wenn sie das vorausgesetzte
Amt verliert. Solche, welche nur die Person selbst
angehn, und nicht mit zum Behufe der Erben ge* Wie bey Assignatio
nen, wenn der Schuldner
seinem Gläubiger eine glei
che Forderung auf einen
dritten abtritt, oder eine
auf seinen Gläubiger, oder
einen seiner Freunde hatte,
fahren läst.
ter
Abschnitt.
schlossen sind, verlieren ebenfalls mit ihrem Tode
ihre Kraft. Es ist allemal aus der Natur eines
Contracts oder Versprechens ganz deutlich zu er
sehn, ob sie bestimmt sind, mit dem Tode der einen
Parthey, aufzuhören, oder nicht.
I.
Bis hieher haben wir die Rechte und Ver
Menschen,
als ein Sy
stem betrach
tet.
bindlichkeiten betrachtet, welche gewisse
einzelne Personen ins besondre betreffen, und zu
Gründung ihrer
fern diese mit dem allgemeinen Besten bestehn kan,
oder vielmehr dazu dient. Da wir aber nicht allein die
eingeschränktere Art von menschenfreundlichen Nei
gungen, und ein
überzeuget, wenn wir ihren Trieben, durch gute
Dienste, die wir einzelnen Personen erweisen, oder,
durch Vermeidung dessen, was ihnen schaden könte,
ein Genüge thun; sondern auch grössere Neigungen
und ein höheres Gefühl von unsrer Pflicht, nichts
wider das gemeine Beste zu thun, besitzen: so fin
den sich für die Menschen manche allgemeinere und
grössere Verbindlichkeiten, das allgemeine Beste zu
Rathe zu ziehen, wenn auch keine einzelne Person
mehr Antheil an unsrer Handlung nimmt als ir
Buch.
gend eine andre. Das
ein System betrachtet, scheint das Recht zu haben,
von jedem seiner einzelnen Glieder eine Aufführung
zu fordern, wie sie für das gemeine Beste noth
wendig ist, und es dahin anzuhalten, daß es nichts,
was zu Gegentheil dienen könte, vornimmt, wenn
gleich die böse Aufführung kein einzelnes Glied
mehr als das andre angeht. Von diesen Rechten
oder Verbindlichkeiten, sind einige vollkommen; so,
daß es billig seyn kan, sie mit Gewalt zu ihrer Er
füllung zu bringen. Bey andern ist die Verbind
lichkeit von feinerer Art, so, daß sie keine Zwangs
mittel zuläst; sondern die Ausübung unsrer Pflicht,
unsrer Klugheit und
mus. Zu den vollkommnen gehören folgende.
1) Da jede einzelne Person ein Theil dieses
Systems ist, dessen Glückseligkeit und Dauer auf den
Wohlstand seiner Theile beruht; da jeder, wenn er
anders die erforderlichen Gesinnungen hat, andern
in der
oder sein Beyspiel nützlich werden kan; da wir von
der
andern zum Dienste hervorgebracht sind: so ist je
der verbunden, in diesem Leben zu bleiben, so lan
ge er andern nützlich seyn kan, wenn dieses auch
nur dadurch geschähe, daß er ein Beyspiel von Ge
duld und Ergebung in den göttlichen Willen, zeigte;
ausgenommen, wenn wichtige Ursachen ihn nöthi
gen, sein Leben in Gefahr zu setzen. Die mensch
liche Gesellschaft hat ein Recht alle Versuche des
ter
Abschnitt.
Selbstmords mit Gewalt zu verhindern. Wenn
III. Eine andre Verbindlichkeit der einzelnen
liche Ge
schlecht zu
erhalten.
Glieder gegen das Ganzen besteht darinne, daß sie
für die Erhaltung des menschlichen Geschlechts sor
gen müssen. Leute, die nicht durch andre Sorgen
abgehalten werden, die aus wichtigen Diensten, die
sie dem menschlichen Geschlecht leisten, entstehn,
sind verbunden, ihren Antheil von der Last, junge
Umständen seyn, die sie dazu ungeschickt machten.
Jndessen mus doch diese Pflicht beynahe gänzlich der
Buch.
Klugheit der einzelnen Glieder überlassen werden.
Eine
wenn sie ihre Mitglieder zwingen wollte Kinder zu
zeugen, sie möchten es wollen oder nicht; aber den
ehelosen Stand lästig zu machen, und weniger zu
ehren, dazu hat sie die wichtigsten Ursachen. Jn
diesem und dem obigen Puncte von der Erhaltung
unsers
gepflanzte Triebe beynahe durchgängig, die Erfül
lung unsrer Pflichten gewis gemacht. Diese Trie
be aber sind so wenig im Stande, unsern Begrif von
der
ganz seine Stelle einzunehmen, daß sie denselben
vielmehr befestigen, und aufs deutlichste zeigen.
Wie diejenigen, welche sich Kinder wünschen,
oder Gelegenheit gegeben haben, daß die Welt mit ei
nigen vermehrt worden ist, wie die natürliche
sehr deutlich anzeigt, aufs heiligste verbunden sind,
für ihre Kinder, und die
gen, und sie zu tüchtigen Gliedern der Gesellschaft
zu bilden: so hat das menschliche Geschlecht als ein
System betrachtet, und eine jede Gesellschaft das
Recht, sie zu Erfüllung dieser Pflichten anzutreiben.
Sie haben gleichfalls das Recht, solche Arten der
Fortpflanzung zu verhindern, welche eine anständige
Erziehung der Kinder unmöglich machen würde, weil
die Väter dabey ungewis bleiben, und also die ganze
Last der Erziehung auf die Mütter fällt. Das Be
ste des menschlichen Geschlechts erfordert es, solchen
Misbräuchen zuvor zu kommen; wenn auch die be
trognen Mutter dem bestrickenden Anliegen der
ter
Abschnitt.
Männer freywillig weichen wollten. Hievon wer
den wir inskünftige noch weitläuftiger handeln.
Das menschliche Geschlecht hat ein gleiches
unnatürli
cher Wollü
ste zu verhin
dern.
Recht allen Ablenkungen des natürlichen Jnstinkts
von seinen wahren Bestimmungen und allen Mitteln
seine Endzwecke zu vernichten, vorzubeugen. Hieher
gehören alle unnatürliche Wollüste, und alle abtreiben
de Künste.
III. Das menschliche Geschlecht besitzt ferner
Verderbung
irgend einer
nützlichen
Sache zu wi
dersetzen.
das Recht, und jedes Glied ist verpflichtet, die
Verderbung irgend eines den Menschen nützlichen
Dinges, die aus Leichtsinn oder
men werden soll, zu verhüten, obgleich kein einzelnes
Mitglied, oder eine gewisse Gesellschaft ein besonde
res Recht auf diese Sache hat. Etwas nützliches darf
auch so gar von denenjenigen nicht verderbt werden,
die ein Eigenthum darüber erlangt haben, wenn
es ihnen nicht zu einigem Nutzen oder Vergnügen ge
reicht; sonst würde es einen Haß oder einen
gegen das menschliche Geschlecht anzeigen. Also
dürffen keine Quellen verstopft oder vergiftet werden,
nützliche Erdfrüchte, deren viele bedürfen, dürfen
von den
werden, weil sie für ihren Theil hinlänglichen Vor
rath davon haben. Niemand darf schädliche Crea
turen einführen, und sie an Orten, die vorher davon
frey gewesen sind, los lassen.
IV. Es ist auch ein Recht oder eine Pflicht des
alle Jnjurien
abzutreiben
und zu be
strafen.
Systems, welche jeder wenn er Gelegenheit dazu
hat auszuüben verbunden ist, den Unschuldigen wi
Buch.
der ungerechte Gewaltthätigkeiten beyzustehen, den
angreifenden Theil abzutreiben, und völlige Erse
tzung des Schadens, und aufs künftige Sicherheit
vor gleichen Anfällen zu erhalten. Ohne dieses Recht
würden alle menschlichen Güter und Genüsse von
sehr zufälliger Dauer seyn, denn wenige würden sich
auf ihre Kräfte verlassen können, um die vereinigte
Gewalt andrer abzutreiben. Da ein Beyspiel ei
ner vortheilhaft gewordenen Jnjurie, andre alle
mal zu gleichen Unternehmungen anlockt, so erfor
dert es das gemeine Beste, diesen bösen Einflus so
oft als möglich zu hemmen, und die Unternehmer
der Jnjurien zur Strafe mit Uebeln zu belegen, die
hinreichend sind so wohl in ihren als andern
thern
Ungerechtigkeit zu überwiegen, die aus der Hofnung
entstehn, daß sie verborgen bleiben, oder sonst der
Strafe entgehen werden. Dies ist der Grund des
Rechts zu bestrafen, welches die Menschen, wie
oben schon gesagt worden ist, sowol in einem Stan
de der natürlichen
chen Verfassung besitzen. Die Jrrthümer oder Un
bequemlichkeiten, die mit der Vollstreckung dieses
Rechts im Stande der natürlichen Freyheit unfehl
bar verknüpft seyn würden, heben das Recht nicht
auf, sondern zeigen den grossen Nutzen des
chen
V. Wir können gleichfalls für das menschliche
Geschlecht als ein System betrachtet und jede
sellschaft
chen Regiments das Recht behaupten, jede Person
ter
Abschnitt.
zu Bekantmachung einer glücklichen Erfindung
worauf sie gefallen ist, und welche sehr nöthig oder
nützlich zu Erhaltung des menschlichen
derselben zu
zwingen.
zur Vermehrung der menschlichen
seyn kan, zu zwingen. Der Erfinder hat unstrei
tig ein Recht sich für das was sein Fleis, sein
Glück oder seine Fähigkeit erfunden hat, die wich
tigsten Vortheile zu bedingen, und sich so viel erse
tzen zu lassen, als dadurch Gutes für die Gesell
schaft entsteht, oder als die Arbeit der Erfindung
ihm gekostet hat, oder als er selbst dadurch hätte
gewinnen können. Wenn aber ein Mensch zu un
billig in seinen Forderungen oder so unmenschlich
ist, daß er seine Erfindungen, da wo sie gebraucht
werden, nicht anwenden will, oder will er das Ge
heimnis beständig für sich behalten, daß es also mit
seinen Tode verloren gehen müste, so hat jede Gesell
schaft, wenn nämlich die Sache für das menschli
che Geschlecht von grosser Wichtigkeit ist, das Recht
ihn zu zwingen, daß er sich einem rechtlichen Aus
spruche, über das was ihm für seine Erfindung ge
bührt, unterwerffen und sie hernach auf billige Be
dingungen bekant machen muß.
VI. Man hält es auch mit Grunde für ein
jeden Men
schen zu ei
ner gewissen
gang
zwingen.
Recht der menschlichen Gesellschaft daß sie befugt
ist, jede Person in so fern zur Arbeit zu nöthigen,
das sie dem
Last gereicht; und auch die Eltern zu zwingen, daß
sie ihre
im Stande sind, wenn sie gesund bleiben, sich selbst
zu erhalten. Man gesteht der natürlichen
Buch.
heit
chen Gewalt genug zu, wenn man den Menschen
erlaubt für sich und ihre Kinder die Beschäftigun
gen zu wählen, wozu sie am geneigtesten sind. Wie
aber die gemeinschaftliche Arbeit Aller zum Besten
des menschlichen Geschlechts erfordert wird: so ist
jeder verbunden seinen Theil davon auf sich zu neh
men, er müste denn der Gesellschaft Sicherheit ver
schaffen können, daß er ihr niemals zur Last gerei
chen wird. Ein gleiches Recht hat jede Gesellschaft,
die väterliche Gewalt über die Waysen auszuüben,
indem sie dieselben zu nützlichen Künsten erziehen
läst, und sie nach dem sie erwachsen sind zu solchen
Arbeiten anhält die im Stande sind allen Aufwand,
den ihre Kindheit erfordert hat, wieder zu ersetzen.
VII. Man könte auch mit Grund unter die
Rechte der menschlichen Gesellschaft rechnen, daß sie
eine billige Ehrfurcht vor der Würde unsers eige
nen Geschlechts zu erhalten, und alle Handlungen,
die es in den Augen des
oder wilde und unmenschliche Neigungen zeugen
könten, zu verhindern suchen muß. Die todten
Leichname der Menschen haben keine Rechte, den
noch ist gewis, das niemand den
Gedanken so sehr von seinem vorigen Bewohner tren
nen kan, daß ihm die Art wie man mit dem Kör
per verfährt gleichgültig wäre. Alle
ben beständig eine
rung von den Verstorbenen durch gewisse Gebräu
che, wodurch ihren Körpern noch Ehrerbietung erwie
sen worden, anzuzeigen gesucht, und halten gewisse
ter
Abschnitt.
Arten mit den Todten umzugehen für unmenschlich
und barbarisch, und glauben daß sie entweder Has oder
Verachtung gegen den Verstorbenen insbesondere,
oder eine allgemeine Geringschätzung unsrer Neben
geschöpfe anzeigen. Jede Gesellschaft mus daher
solche Verfahren, die zu wilden
heit geben könten, oder Zeugnisse von Hasse oder
Verachtung gegen irgend jemanden sind, der sich nicht
durch seine
gendhaften zugezogen hat, verhindern.
VIII. Diese und noch viele andre von gleicher
kommne
Rechte des
menschlichen
Geschlechts.
Art können wir unter die vollkommnen Rechte des
andre unvollkommne, die der Klugheit und
der Personen denen sie zu erfüllen obliegen, über
lassen werden müssen. Hieher gehören die allge
meinen Pfiichten und Dienste die jedermann dem
menschlichen Geschlechte vorzüglich vor irgend einer
besondern Verbindung zu leisten, verpflichtet ist.
Hier gilt eben der allgemeine Grundsatz den wir schon
oben bey den Rechten der einzelnen Personen ange
merkt haben, „nämlich die Erfüllung oder Nicht
Uebertretung der vollkommnen Rechte zeigt mehr
eine blosse Abwesenheit der verhasteten Laster, als
irgend einen lobenswerthen Grad von wirklicher
Tugend an; blos durch eine genaue Beobachtung
der unvollkommnen kan man Lob verdienen, und
eine
Die Dienste, welche ein vor allemal dem
menschlichen Geschlecht geleistet werden müssen,
verbinden alle, so lange das System fortdauert, in
Buch.
so viel einzelne
formen es auch eingetheilt seyn mag. Diese Pflichten
werden durch die Gründung eines Staats nicht auf
gehoben, ob man sie gleich nach den Umständen
des
einschränken kan. Die Neigungen von grösserem
Umfange deren unsre Natur, wie wir finden, fähig
ist, und die Empfindung von Beyfall die sie alle
mal begleitet, zeigen uns sehr deutlich unsre Ver
bindlichkeit gegen das menschliche Geschlecht in An
sehung der folgenden Pflichten; ob gleich kein ein
zelnes Glied mehr Anspruch deswegen auf uns hat
als ein andres. Hieraus können wir schliessen, daß
sie bestimmt sind uns die Nothwendigkeit der Aus
übung eines allgemeinen Rechts, welches das Sy
stem auf jedes Glied hat, anzuzeigen, und sie zu
erleichtern.
Fürs erste, ist jeder verbunden seine Leibes-
und Seelenkräfte so zu bearbeiten, daß er sich zu
allem geschickt macht, was ihm sein Stand erlaubt
der Tugend und der Menschlichkeit zu leisten; seine
Grundsätzen anzufüllen, welche zu einem tugendhaf
ten Leben führen; tugendhafte Fertigkeiten, und
das Vermögen zu erlangen, daß er alle niedere
gierden
widersetzen, unterdrücken kan; und seinen
Mässigkeit und nützliche Uebungen, zu allen lobens
werthen Unternehmungen wozu ihn seine Seele auf
muntert, geschickt zu erhalten.
Ferner: da das Beyspiel viel Gewalt über
die Menschen hat, und unsre verschiedenen Eigen
schaften von Natur ansteckend sind: so erfordert un
re Auffüh
rung ein gut
Exempel zu
geben.
sre Pflicht gegen die Welt, daß wir beständig durch
unsre Aufführung zu einen Beyspiele von Guther
zigkeit, Lebensart und Bereitwilligkeit unsre Neben
menschen zu verbinden, und ihnen beyzustehen, zu die
nen suchen, wenn uns nicht eine wichtigere Pflicht,
oder ein besondrer Anspruch solcher Personen mit
denen wir näher verbunden sind, daran verhindert.
Wir solten solche Fertigkeiten in der Gesellschaft
lichkeit zu erhalten, und uns vor allem was unsre Ne
benmenschen aufbringen, sie uns, oder sich unter einan
der weniger geneigt machen, oder Erbitterung und
könte, zu hüten suchen. Es ist kein Wunder, daß
Höflichkeit und gute
sind das natürliche Kleid der Tugend und eine An
zeige der Neigungen die wirklich liebenswürdig sind
und geehrt zu werden verdienen. Die verschiede
nen Pflichten die aus solchen Neigungen entstehn,
lenken sich vielleicht oft auf die besondern Rechte ein
zelner Personen; aber unser Herz zu einer solchen
Fertigkeit zuzubereiten, und sie zu erlangen zu su
chen, ist eine allgemeine Pflicht gegen alle.
Es ist ebenfalls unsre Pflicht gegen unser Ge
sätze der Tu
gend auszu
breiten.
schlecht, die Grundsätze der
keit
in dieser allgemeinen Wohlthätigkeit bestehn, so
weit als wir können auszubreiten; weil auf der
Buch
Herrschaft solcher Grundsätze die gröste
keit
ten an jeder weisen Einrichtung die in einer solchen
Absicht gemacht wird, Theil nehmen; unser gan
zer Umgang sollte ein Beweis von unsrer Ueberzeu
gung davon seyn, und der Welt zeigen, daß Reich
thum, Gewalt, und
das Höchste, wo nach wir für uns selbst streben kön
nen, oder das Kostbarste sind; daß die Geitzigen, die
Ehrbegierigen, und Wollüstigen nicht diejenigen sind,
deren Zustand oder Gemüthsbeschaffenheit wir für
glücklich halten. Und so können wir auch unsern
theils etwas dazu beytragen diesen ungegründeten
Verknüpfungen der Jdeen, und den falschen Vorstel
lungen Einhalt zu thun, welche die Lasterhaften
unter denen Menschen ausbreiten.
IX. Jedem einzelnen Menschen liegt gegen das
ganze Geschlecht so gut, als gegen seine besondern
ner gewissen Handthierung oder einem Geschäfte
das zum gemeinen Besten dient, nachzugehn. Leu
te die für sich selbst und ihre Familie, hinlängliche
Reichthümer besitzen, sind vielleicht nicht verbunden
sich auf Gewerbe zu legen, wodurch etwas zu ver
dienen ist. Sie sind aber mehr als andre verbun
den ihr Leben durch gewisse grössere Dienste die
sie dem menschlichen Geschlechte leisten, wirksam
zu machen. Die Welt hat dieses Recht auf sie,
die göttliche
sere Art für das gemeine Beste zu sorgen, indem
sie weise Gesetze und eine kluge Policey einführen,
ter
Abschnitt.
die nützlichen und schönen
unterdrückten Unschuld aufhelfen, und ihr ganzes
Ansehn und Vermögen zu edlen und grosmüthigen
Absichten anwenden, da sie von den niedrigern und
weniger geehrten Beschäftigungen befreyet sind.
Wenn sie für diese Stimme
sich der Trägheit und
sind sie verdorbne und unnütze Glieder der Gesell
schaft, welche die äusserliche Hochachtung, die sie
warten, nicht verdienen. Alles was sie er
halten ist nur äusserliche Ceremonie und nieder
trächtige Schmeicheley, denn im Herzen mus jeder
rechtschafne und weise Mann sie verachten.
Wenn wir uns auf unsre Lebenszeit ein Ge
unser Ge
schäfte oder
unsre Ver
richtung
wählen sol
len.
schäfte oder ein Gewerbe wählen wollen, so
müssen wir erst auf seinen Nutzen oder das Ansehn
worinne es steht, und auch darauf sehn, in wie fern
wir Hofnung haben darinnen glücklich zu seyn.
Ob gleich die edlern Künste an und für sich selbst
reizender sind, so erfordert es doch allerdings die
Nothdurft des menschlichen Geschlechts, daß sich
viel mehr Hände in den niedrigen beschäftigen.
Und wie wenig Hände zu den edlern Künsten ge
schickt sind, so giebt es auch wenige die ihres
nie
inne glücklich zu seyn. Nichts ist einem Menschen
der nur etwas lebhaft ist, oder nur die geringste Em
pfindung von
nem Dienste oder in einem Amte zu stehn wozu er
nicht hinlängliche Geschicklichkeit besitzt, weil er be
ständig dem
Buch.
gestellt seyn mus. Es ist für jedes Menschen innerli
che Ruhe, und für seine Ehre besser, wenn er in einem
Posten steht, der für seine Verdienste und Geschick
lichkeiten zu niedrig ist, als wenn er ein Amt be
kleidet, das dieselben übersteigt. Diese Thorheit
oder Eitelkeit, daß wir uns nach Bedienungen, die
über unsre Verdienste erhaben sind, sehnen, enthält
auch eine Beleidigung für die
wir unser Amt nicht gehörig verwalten können,
und geschicktere Leute durch uns davon abgehal
ten werden.
Das Ansehn der
schäftigungen kömt auf diese zween Punkte an; auf
den Nutzen, den sie dem menschlichen Geschlechte ver
schaffen, und auf das
Die Beschäftigung, welche bestimt ist, die wahren
Grundsätze der
schärfen, wird allemal, in Ansehung beyder Punkte,
unter diejenigen gerechnet, welche die meiste Ehre
verdienen. Die besten Dinge können, wenn sie ver
derbt werden, die gefährlichsten seyn: dies gilt auch
bey dieser Beschäftigung, wenn sie gemisbraucht
wird, einen gefährlichen
über Kleinigkeiten Has und feindselige
gen
geizes, des Geizes und der Wollust, oder zu ei
nem Werkzeuge der Tyranney und der Unterdrü
ckung macht.
Gesetzgeber, obrigkeitliche Personen, Hand
haber der Gerechtigkeit, oder solche Leute, deren
Beschäftigung darinne besteht, die Unschuld wider
henter
Abschnitt.
Betrug und Unterdrückung zu beschützen, stehen
in ansehnlichen Aemtern, weil sie von dem grösten
Nutzen sind, und ausserordentliche Geschicklichkei
ten erfordern. Die Kriegsbedienungen sind aus
eben den Ursachen ansehnlich. Aber nichts ist ver
abscheuenswerther, als wenn diese Aemter zu den
entgegengesezten Absichten umgekehrt, und zu Werk
zeugen der Tyranney, der Ungerechtigkeit und Grau
samkeit gemacht werden.
Jn eben den Betrachtungen stehn auch die
erhabnes Vergnügen, und in der Ausübung grossen
Nutzen schaffen, in Ehren, wie die
die
mehr. Die
Zeichnen, die
Baukunst, sind, ob sie gleich nicht zu den Noth
wendigkeiten des menschlichen Lebens gehören, den
noch unter allen gesitteten Völkern beständig in
grossen Ehren gehalten worden, weil sie ein geläu
tertes Vergnügen verschaffen, und ein grosses
in dem Künstler voraussetzen.
Die niedrern mechanischen Künste sind im
menschlichen Leben von grossem Nutzen, aber wer
den nicht so sehr bewundert, weil die Gaben, die
dazu hinreichend sind, öfter angetroffen werden.
Dennoch können Leute, die sich damit beschäftigen,
wegen der grösten Tugenden im höchsten Grade ehr
würdig seyn. So haben gemeiniglich die edelsten
den; nicht allein, weil er
*
sehr vortheilhaft ist, son*
Cicero de ſenectute c. 15. 16. 17.
Die Wahrscheinlichkeit, daß wir in gewissen
Handthierungen oder Künsten glücklich seyn werden,
kömt auf viele Umstände an. Auf die Vortheile
des zeitlichen
sundheit, das Ansehn unsrer Eltern und Freunde,
auf gute Gelegenheiten, und hauptsächlich auf den
Antrieb unsers Genies. Das zeitliche Glück schafft
ohne Genie keinen guten Erfolg; aber ein
überwindet oft den Widerstand des Glücks. Bey
solchen Streiten scheint unser obgleich sterbliches
Genie, die siegreiche
ein Sterblicher zu seyn, wie **
es ausdrückt.
Wir müssen es allemal als unsre Verrich
tung in der Welt, als die Absicht und Ursache un
sers Daseyns, als unsre Pflicht gegen unser Ge
schlecht, als den natürlichen Gebrauch der Kräfte,
die wir besitzen, als das bequemste Zeugnis von
unsrer Dankbarkeit gegen unsern Schöpfer ansehn,
wenn wir etwas zu dem gemeinen Besten, zu der
allgemeinen
tragen.
Die besondern Pflichten gegen gewisse Ge
sellschaften in den zufälligen Ständen oder Ver
hältnissen mit andern, werden im folgenden Buche
abgehandelt.
*
de Officiis L. I. c. 33.
I.
Bisher haben wir die allgemeinen Gesetze der
dern Em
pfindungen
müssen den
allgemeinen
weichen.
auf wir zum Theil durch unsre eingeschränkten
ellschaftlichen
billig erkennen, und zum Theil durch andre von ei
nem grössern Umfange, die wir für noch wichtiger
als die vorigen halten, gewiesen werden. Wir
haben oben schon oft angemerkt, daß die mehr in
sich begreifenden Empfindungen von Natur bestimt
sind, die eingeschränkten zu regieren, und ihnen
gewisse Gränzen zu geben; und daß unser Herz bey
der ruhigsten Ueberlegung vollkommen mit sich
selbst zufrieden seyn kan, wenn es den Regungen
der väterlichen
barkeit und der
hat, um einer edlern und grössern Empfindung ein
Genüge zu thun; ob gleich diese eingeschränkten
Empfindungen ihrer Natur nach liebenswürdig
sind, und allemal gebilligt werden, wenn sie nicht
einer ehrwürdigern oder höhern Pflicht im Wege
stehn. Nun ist es für alle Verständige, die nicht
durch ihre Schuld der allgemeinen Empfindungen
der
gewöhnliche Fälle begeben können, wo durch alle
Folgen mehr Gutes entstehn, oder mehr
hindert werden kan, wenn wir den gewöhnlichen
Trieben, des Mitleidens, der Dankbarkeit oder der
Freundschaft entgegen handeln; als möglich wäre,
Buch.
wenn wir ihnen folgten. Ja so gar daß die Be
folgung derselben in solchen ausserordentlichen
Vorfällen unserm Vaterlande oder dem menschli
chen Geschlechte mehr Uebel verursachen kan, als
alle
ersetzen im Stande sind. Alle solche Uebel hätten
können verhütet werden, wenn wir in solchen Fäl
len von der gewöhnlichen
ren, die auf diese eingeschränktern obgleich liebens
würdigen Empfindungen gegründet ist. Es ist
nicht zu begreifen, wie in solchen Fällen irgend ein
Grundsatz unsers Herzens fähig ist, uns zu recht
fertigen, wenn wir die wichtigsten und allgemein
sten Vortheile des menschlichen Geschlechts, unsern
kleinern und besondern Trieben aufopfern; oder wie
jemand bey nachheriger Ueberlegung sich selbst ver
dammen könte, wenn er eine entgegengesetzte Auf
führung erwählt hätte, und den allgemeinern Trie
ben gefolgt wäre, welche von dem Herzen in einem
höhern Grade gebilligt werden müssen, weil sie
auf ein höhers Gut abzielen. Eine solche Be
schaffenheit der
wenn man das grosse System vor Augen hat, eben
so unsinnig, als wenn man glaubte, daß jemand
mit sich selbst zufrieden seyn könte, wenn er sich die
Befriedigung seines Dursts oder eines andern ähn
lichen Verlangens erlaubte, da er doch überzeugt
wäre, daß diese Nachsicht gegen sich selbst ihm ei
nen gewissen
gemeinen natürlichen Verlangen jedes Menschen
nach seiner Erhaltung entgegen wäre.
Um bey Einschränkung dieser edeln auf be
sondre Personen gerichteten Empfindungen, die
liebreiche Beschaffenheit der Seele zu behaupten,
dern müssen
nicht unter
drückt, son
dern nur
überwogen
werden.
welche uns eine vollkomne Zufriedenheit mit uns
selbst verschaffen kan, ist es zulänglich, wenn wir
fühlen, daß diese besondern Empfindungen in dem
gehörigen Grade der Stärke stehn; so, daß sie ver
mögend wären, uns zu allen edeln und weisen Pflich
ten des
schaft
grosser Gefahr oder mit grossen Kosten verknüpft
seyn sollten; ob sie gleich den edlern und allgemei
nern Empfindungen von Grosmuth unterworfen
bleiben. Wenn wir mit einem Herzen, das für die
se besondern liebreichen Neigungen ganz unempfind
lich ist, gleich auf eine Art handeln, die ihnen völ
lig entgegen steht, von der wir aber glauben, daß
sie zu dem allgemeinen Besten diene: so werden
wir schwerlich vollkommen mit uns selbst zufrieden
seyn können. Einige liebenswürdige Eigenschaften,
die zu der natürlichen Beschaffenheit unsers Herzens
gehören, fehlen, und der Dienst, den eine solche Per
son der Welt zu leisten glaubt, kan unmöglich eine
grosse Stärke der allgemeinen Menschenliebe an
zeigen. Wenn hingegen diese menschenfreundlichen
Empfindungen, die nur einzelne Glieder des Gan
zen betreffen, in ihrer gehörigen Stärke sind, und
dennoch ihren Trieben, wegen eines allgemeinen ehr
würdigen Bewegungsgrundes entgegen gehandelt
wird: so scheint sich die Seele in ihrer natürlichen
Ordnung zu befinden. Sie mus vollkommen mit
sich selbst zufrieden seyn, weil sie alle Triebe, die sie
Buch.
von Natur billigt, in sich, und zwar jeden in seiner
gehörigen Stärke, fühlt.
II. Um diese Materie noch weiter zu erläutern,
wollen wir untersuchen, auf welche Weise wir
die besondern Gesetze der
hat uns keinen so allgemeinen Befehl durch sein
Wort gegeben, daß er uns in allen Fällen, wo er
nicht selbst eine ausdrückliche Ausnahme gemacht
hat, verbinden könte. Die Gesetze der Natur be
stehen in Schlüssen die wir machen, wenn wir un
ser eigen Herz erforschen, oder über die Angelegenheiten
der Menschen nachdenken, und dann glauben wir,
daß die Aufführung, welche von Natur von unsern
Herzen am meisten gebilligt wird, von der Art sey,
wie entweder das gemeine Beste, oder das
wisser einzelner Personen, das mit jenem bestehen
kan, sie erfordert. Diese Schlüsse drücken wir
durch allgemeine Grundsätze aus, und sie werden
von uns entweder sogleich, oder durch die
entdeckt, wenn wir nämlich sehen, durch welche
wird. Nun ist es uns nicht möglich, alle mögliche
Fälle und Umstände zugleich so zu übersehen, daß
wir überzeugt seyn könnten, daß ein solcher Grund
satz sich zu allen schicken müste. Wir machen das
zur allgemeinen
in allen gewöhnlichen Vorfällen, zum Guten gereicht.
Wenn wir aber bey seltnen Fällen sehn, daß eine
andre Aufführung, alle ihr Wirkungen zusammen
genommen, mehr Nutzen schaffen wird, als eine
genaue Befolgung der gewöhnlichen Regeln: so
ter
Abschnitt.
rechligt
len so gut von der gewöhnlichen Vorschrift
abzugehn, als es uns in andern verbin
det ihr zu folgen. Diese Ausnahmen sind so gut
Theile des Gesetzes als die allgemeinen Regeln.
Die beyden allgemeinen Grundsätze der Got
allgemeine
Grundsätze
leiden keine
Ausnahme.
tesfurcht, und der Beförderung des allgemeinen Be
sten leyden keine Ausnahme, weil diese der
sofort Gegenstände zeigen, die sie aufs höchste billi
gen mus. Der zweyte von den oben angeführten
ist, der Grund aller Ausnahmen, von den besonde
ren Gesetzen. Wir dürffen uns nicht überreden
oder sagen, „daß ein grosser Nothfall oder eine Ge
legenheit, wo es auf das gemeine Beste ankomt,
uns berechtigen könnte zu sündigen, oder irgend ein
göttliches oder natürliches Gesetz zu brechen, das
würde einen Widerspruch erhalten. Sondern wir
sagen: daß eine Aufführung in den gewöhnlichen
Fällen lasterhaft seyn, und den Gesetzen entgegen lau
fen kan, die in seltnern Fällen, wo es die Noth er
fordert, tugendhaft und gerecht wird, oder daß
diese seltne Fälle in dem allgemeinen Gesetze aus
genommen sind.“
III. Es giebt unzählige Fälle, wo es, wenn
sich oft zur
Unzeit auf
wendigkeit
beruft.
wir nur die gleich erfolgende Wirkung betrachten,
besser scheint, von der gewöhnlichen
Wenn wir aber in allen solchen Fällen erlauben
wollten, dieselbe zu überschreiten, so würden aus den
entfernten Wirkungen einer solchen Art zu handeln,
Uebel entstehn, die grösser wären, als die besondern
Uebel, welche die genaue Befolgung der gewöhnli
Buch.
chen Regeln verursacht hätte. Solche Nothfälle
werden hier nicht verstanden. Zum Exempel:
Ein Mensch hat einen unvorsichtigen Contract ge
schlossen, der ihm mehr Schaden als der andern
Parthey Vortheil verschaft; dennoch ist diese so un
menschlich, daß sie auf die Erfüllung desselben
dringt. Nach der gleichfolgenden Wirkung zu ur
theilen, wäre es besser, diesen Contract nicht zu hal
ten. Aber solche Fälle tragen sich so oft zu; es
würden sich so viele dieser Ausrede wegen nichts be
deutender Jrthümer oder Ungleichheiten bedienen;
die Menschen würden bey ihren Unternehmungen
aus Vertrauen auf dieses Hülfsmittel so sorglos
werden; und es würden so viele verdriesliche Strei
tigkeiten entstehn, daß aller Treu und Glauben im
Handel verlohren gehen müste: nicht zu gedenken, daß
jedermann über eine solche Treulosigkeit, und Unbe
ständigkeit sogleich ein Misfallen in sich empfinden
mus. Der allgemeinen Regel nach, ist also die Er
füllung alles dessen, was wir in einem Contracte
versprochen haben, auch in solchen unbequemen Fäl
len unsre Pflicht, wenn nämlich die andre Parthey
darauf dringt; und zwar wegen der grössern ent
ferntern Uebel, die entstehen würden, wenn man
solche Contracte bräche.
Wenn jemand uns unangenehme Fragen vor
legt, wo es besser wäre, daß ihm die Wahrheit ver
borgen bliebe, wenn unser Stillschweigen die Sa
che entdecken mus, und uns nicht gleich eine wahre,
aber zweydeutige Antwort einfällt: so scheint es
beym ersten Anblicke und den ersten Wirkungen
ter
Abschnitt.
nach, billig zu seyn, daß wir wider unsre wahre
Gesinnungen reden. Aber der innerliche Wider
wille, den wir vor der Falschheit empfinden, sollte
uns auch in solchen Fallen davon abgeneigt machen,
nis, allerhand kleiner Vortheile, oder der Vermei
dung nichts bedeutender Ungelegenheiten wegen,
falsch zu reden, sind so gefährlich, daß wir bey sol
chen Gelegenheiten die Falschheit verdammen müs
sen. Denn wenn man es zugäbe, würde sich ein jeder,
derselben, so oft bedienen, daß aller Umgang ver
dächtig, und alles gegenseitige Vertrauen dadurch
vernichtet werden müste.
Wir haben also nur dann ein Recht uns auf
die Nothwendigkeit zu berufen, wenn die guten
Wirkungen, die aus unsrer Abweichung von der ge
meinen Regel entstehn, diese mögen nahe oder ent
fernt seyn, so gros, und die Uebel, die auf eine genaue
Befolgung derselben, in
würden, so gefährlich sind, daß aller Wahrscheinlich
keit nach, alle Uebel dadurch überwogen werden, die
entstehen können, wenn wir in diesen oder ähnlichen
Fällen, der gemeinen Regel entgegen handeln.
Um irgend eines kleinen gegenwärtigen Nutzens,
oder der Vermeidung, nicht viel bedeutender Unge
legenheiten Willen, von solchen allgemeinen Grund
sätzen abzugehn, ist unstreitig ein Verbrechen.
Wenn sich jeder eine solche
es von den gefährlichsten Folgen seyn, und alle
Redlichkeit, und alles gegenseitige Vertrauen auf
hören. Aber der Fall ist ganz anders, wenn man
Buch
sich derselben nur bedient um der Welt grosse Vor
theile zu verschaffen, oder ausserordentliche Un
glücksfälle zu verhüten. Diese Freyheit, die nur in
den Fällen von äusserster Wichtigkeit zugestanden
und gebraucht werden darf, kan jeder kleinen Pri
vatverdrieslichkeit wegen, nur von solchen gemis
braucht werden, die so unredlich sind, und ein so
verderbtes Herz besitzen, daß sie sich in einer glei
chen Versuchung, selbst ohne den Vorwand dieser
besondern Rechte der Nothwendigkeit, kein Gewis
sen machen würden, ein durchgängig erkantes Gesetz
der
IV. Es ist ganz klar, daß einige von den ge
wöhnlichen Regeln von viel grösserer Wichtigkeit sind
als andre, so, daß sich wenig Fälle begeben können,
wo es das Beste des
dert, ihnen entgegen zu handeln. Je wichtiger ei
ne Regel ist, je grösser die Uebel sind, die durch Be
folgung derselben verhütet, oder durch Uebertretung
derselben verursacht werden, desto grösser müssen
auch die abzuwendenden Uebel, und die zu erhalten
den Vortheile seyn, um uns zu rechtfertigen, wenn
wir ihnen zuwider handeln. Einige Regeln sind
durch die
zens, und ihre beständig grosse Wichtigkeit für das
gemeine Beste so geheiligt, daß es keine Fälle ge
ben kan, wo die Abweichung davon, wenn man das
Ganze zusammen nimmt, dem menschlichen Ge
schlechte grossen Vortheil verschafen kan; oder, wel
ches einerley ist; gewisse Gesetze der Natur leiden kei
ne Ausnahme. Andre Gesetze sind nur moralisch
ter
Abschnitt.
allgemein, sie finden bey allen gewöhnlichen Vor
fällen statt, leyden aber dennoch einige Ausnahmen.
Gar keine Ausnahmen zuzugestehn, wozu man durch
die Nothwendigkeit berechtigt werden könnte, wider
spricht der
für das Wohl der Menschen nicht die wichtigsten
sind, werden von allen die Ausnahmen der Noth
wendigkeit für gültig gehalten. Bey geheiligtern
und wichtigern Gesetzen aber, wird es immer schwerer
zu entscheiden, ob irgend eine Nothwendigkeit uns
zu Uebertretung derselben berechtigen kan.
Es ist ein gemeines Gesetz, daß „niemand
von diesen
Fällen.
sich des Eigenthums eines andern ohne seine Ein
willigung bedienen, oder etwas davon verderben
darf.“ Gesetzt, ein rechtschafner Mann flieht vor
einem Mörder, dem er zu Fusse nicht entgehen kan;
er sieht seines Nachbars Pferd, der Nachbar ist ab
wesend, oder so unmenschlich, daß er es ihm ab
schlägt. Jn solchen Fällen ist die Wegnehmung
des Pferdes erlaubt, wenn es auch verderben, oder
gar getödtet werden sollte. Eine volkreiche Stadt,
oder ein Land, sind in Gefahr,
bruch eines Teichs oder Dammes zu Grunde zu gehn.
Die Güter und das Leben tausend unschuldiger Per
sonen stehen auf dem Spiele. Es liegt ein Vor
rath von Zimmerholz da, der im Stande wäre, den
Damm wieder in guten Stand zu setzen; aber der
Eigenthümer ist abwesend, oder will ihn nicht dar
zu hergeben. Jn solchen Fällen ist es erlaubt, wenn
nämlich die Gefahr dringend ist, und man nicht
Zeit hat, die Nothwendigkeiten anders woher zu be
Buch.
kommen, die Rechte des Eigenthums nicht zu ach
ten. Die unmittelbaren
Herzens rechtfertigen ein solches Verfahren, sowohl
als die Absicht auf ein grössers Gut.
Wir müssen aber niemals weiter gehn, als die
wahre Noth es erfordert. Das Eigenthumsrecht
des Eigenthümers mus in den oben angeführten
Fällen, einer grossen Noth weichen; aber sein Recht
auf die Schadloshaltung wegen eines Verlusts,
den er für andre erlitten hat, bleibt allemal; wenn
sich die Noth nicht auch bis dahin erstreckt. Dieje
nigen, die auf seine Kosten gerettet worden, sind
verbunden, ihm, soviel sie können, wieder zu er
setzen.
V. Es ist
dem höchsten Rechte
*
der weltlichen Regenten, über
die Güter ihrer Unterthanen zu rechtfertigen. Die
Rechte der Noth haben ihren Grund ebenfalls in
der natürlichen
theile des
Recht der Obrigkeiten, entsteht blos dadurch, daß
ihr die Rechte des Volks bey solchen dringenden
Vorfällen eben so, wie seine Rechte, wegen der ge
waltsamen Vertheydigung und der Behauptung sei
ner andern Rechte, anvertraut sind. Denn aus dem
letztern kan niemand folgern, daß alle Rechte der
gewaltsamen Vertheydigung, und Erlangung un
srer Ansprüche, sich auf die bürgerliche Policey grün*
Dominium eminens, oder wie andre es noch richtigere
benennen, Ius imperii eminens.
ter
Abschnitt.
den. Gäbe es in der natürlichen Freyheit keine be
sondern Rechte in dringenden Nothfällen, so könte
man keine Gründe für ein solches hohes Recht der
obrigkeitlichen Personen in einem bürgerlichen Re
gimente anführen.
Wir kommen auf noch schwerere Fälle. Ge
rerer Fall in
Ansehung
des Eigen
thums.
setzt, ein mit Mund-
nes Schiff kömmt in den Hafen einer Stadt, die
aus ungerechten und grausamen Ursachen belagert
wird, und wo die Belagerer den festen Entschlus
haben, wenn sie die Oberhand erhalten, alles zu er
morden; die
um, besitzen keine Kriegsbedürfnisse mehr, und ha
ben auch kein Geld oder keine Güter, die der Kauf
mann für seine Lebensmittel, oder andern Be
dürfnisse annehmen will. Müssen in einem sol
chen Falle die Einwohner sein Eigenthumsrecht
für unverbrüchlich halten, und sich mit ihren Fa
milien der Gefahr aussetzen, durch Hunger oder
durchs Schwerd umzukommen, oder gar eine ganze
Nein. Sie haben ein Recht diese Güter mit Ge
walt wegzunehmen, ob es gleich sehr wahrschein
lich ist, daß sie niemals im Stande seyn werden,
ihren Werth zu ersetzen, denn wenn die Stadt ero
bert wird, sind sie alle verloren.
Es ist ein heiliges Gesetz der
sehung des
Lebens,
unschuldigen Menschen das Leben zu nehmen, oder
ihm irgend ein Mittel der Selbsterhaltung, das in
seinem Vermögen steht, unmöglich zu machen.
Gesetzt aber, ich weis, daß ein Mensch der eben ans
Buch
Land steigt, von der Pest angesteckt und wü
tend ist, er läuft, um sich unter eine grosse Ver
samlung zu machen, und ich verstehe die Landes
sprache nicht, daß ich dieselbe warnen könte. Jch kan
das Leben von tausenden erhalten, wenn ich diesen
Menschen, von dem es doch noch möglich ist, daß er
wieder geheilt werden kan, erschiesse. Kan dies
ein Verbrechen seyn, wenn es kein ander Mittel
giebt, tausend Unschuldige mit ihren Fami
lien, vor einer Seuche zu beschützen, deren trauri
ge Wirkungen allgemein sind? Die Gesetze er
lauben niemanden von einem Schiffe, das von ei
nem angesteckten Orte komt, bey Strafe des Todes
ans Land zu treten, Einige vom Schifsvolke kön
nen angesteckt, andre hingegen noch vollkommen ge
sund seyn, so, daß sie gerettet werden könten, wenn
man sie ans Land kommen liesse. Wegen einer
blossen Vermuthung, werden sie oft gezwungen am
Borde des Schiffes zu bleiben, und der Gefahr
ausgesetzt, durch die Seuche umzukommen. Von
einem überladnen Bote, wirft man nicht nur Gü
ter ohne Bewilligung des Eigenthümers, sondern
dern auch unschuldige Personen ins Meer; obgleich
niemand beweisen kan, daß das Boot mit einer sol
chen zu schweren Ladung, unmöglich hätte das Ufer
erreichen können.
Kan nicht ein besondrer Nothfall uns auch
von der gemeinen Regel die Wahrheit zu reden, be
freyn. Gesetzt, ein
ähnliches morgenländisches Ungeheuer, hat den Un
tergang einer ganzen Stadt beschlossen, wenn er
ter
Abschnitt.
finden wird, daß ihre Einwohner seinen Feinden
den geringsten Schutz haben angedeyhen lassen. Er
befragt einen Bürger, auf den er sich verläst, darü
ber; dieser kan also, wenn er den Tyrannen hinter
geht, das Leben von Tausenden, mit ihren unschul
digen
nach sich ziehn. Kan hier einem weisen Manne sein
Herz, gerechte Vorwürfe machen, daß er das gemeine
Gesetz die Wahrheit zu reden, gebrochen, und den na
türlichen Hang dazu, aus solchen wichtigen Bewe
gungsgründen der
Wer tadelt den
nes
da dies das einzige Mittel war, ihre und ihres Va
terlandes Sicherheit zu erhalten? Hätte einer von
ihnen dieses Mittel, wenn es ihm von seinen Rä
then vorgeschlagen wäre, nicht ergriffen, so könte
man ihn mit Rechte einer
Beobachtung der stückweisen
die dadurch entsteht, wenn man nicht
nung besitzt, die höchste zu beurtheilen.
Gesetzt ein rechtmässiger Prinz wird durch
einen unmenschlichen, grausamen Aufwiegler ge
schlagen, und er flieht mit seinem Hause, und den
Rechtschaffensten, der einzigen Hofnung des
Sie erreichen ein Haus am Ufer des Meers, und
haben Hofnung von da aus sogleich zu entkommen.
Der Rebelle sieht jenseit des Hauses eine andre
Parthey fliehn, und fragt also einen, den er für
seinen Freund hält, der aber insgeheim seinem Kö
Buch.
nige und der Freyheit seines Vaterlandes getreu
ist, ob der Prinz in das Haus geflohen sey? Wenn
er schweigt, oder nur stammlet, so entdeckt er die
ganze Sache, wenn er aber wider sein besser Wis
sen redt, so kan er die einzige überbliebne
einer Nation retten. Kan dies ein Verbre
chen seyn?
Jn gewöhnlichen Fällen begeht ein Unter
than oder jeder Privatmann ein Verbrechen, wenn
er einen Nebenbürger, der ein Uebelthäter ist, ohne
weitere Untersuchung tödtet. Sollen mir deswe
gen die edle
Jn gemeinen Fällen ist es ein abscheuliches
Verbrechen, jemanden zum Meyneide, oder zu Bre
chung seines Worts zu reitzen. Wird aber unser
Verfahren nicht beynahe von allen gerechtfertigt,
wenn wir die Secretairs und Beichtväter der Für
sten, die unsre Feinde sind, bestechen, daß sie uns
die Geheimuisse ihrer Herrn entdecken sollen, wenn
die Sicherheit unsers Landes es erfordert, oder,
wenn wir durch solche Mittel der Vergiessung vie
les unschuldigen Bluts zuvor kommen können.
VI. Es ist erstaunlich, wenn man sieht, aus
welchen Ursachen einige Gottesgelehrte, alle diese
ausserordentlichen Rechte, die durch die Noth ent
stehen, für ungegründet halten. „Die allgemeinen
geln
lemal beobachtet werden, was auch immer für
Folgen daraus entstehen mögen. Die Hofnung,
daß wir die grösten Vortheile dadurch verschaffen
ter
Abschnitt.
werden, kan uns nicht rechtfertigen, wenn wir
von ihnen abgehn“. Sie schliessen so, als wenn
ben hätte, die uns verkündigten was in allen mög
lichen Fällen unsre Pflicht wäre, und uns ausdrück
lich verböten, davon abzugehen, ausgenommen, wenn
Gott selbst durch andre ausdrückliche Gebote Ausnah
men davon gemacht hätte. Wir wären verbunden den
Ausgang Gott zu überlassen ohne darüber zu ver
nünftlen, und uns blos an dem Buchstaben des Ge
setzes zu halten. Andre sagen uns so gar, daß
„wir nicht alle entfernte Wirkungen einer Handlung
wissen, daß solche die uns zum Guten abzuzielen
scheinen, im Ganzen gefährliche Folgen haben kön
nen, und daß diejenigen die wir für schädlich hal
ten im Ganzen, vielleicht die beste Wirkung hervor
bringen“.
Sie sollten uns aber entweder diese durch
chung dersel
ben.
Worte offenbarten allgemeinen Sätze zeigen, oder
wenn sie das nicht können, überlegen, auf welche
Art wir die gemeinen Gesetze der
Dies geschieht durch nichts als die
unsers Herzens, und die Beurtheilung der wahrschein
lichen Folgen einer
mögen über die entfernten Wirkungen einer Hand
lung zu urtheilen, alle Ausnahmen, die aus der Noth
entstehen aufheben soll: so müssen auch eben da
durch alle unsre gewöhnlichen Schlüsse über die Be
schaffenheit der Handlungen, wodurch wir die ge
meinen Gesetze entdecken, nichtig gemacht werden.
Wir dürfen uns nicht unterstehn, ohne Hülffe der
Buch.
zu Gesetzen der Natur zu machen, sondern wir müs
sen jeder besondern Regung jedem menschenfreundli
chem Triebe, den wir von Natur billigen, als dem
leiden
Gefahr folgen, ohne auf ihre entfernten Wirkungen
zu achten, über welche wir, wie sie behaupten, kei
ne hinlänglichen Richter sind. Aber unsre wahre
Pflicht besteht darinnen: Wir müssen dem folgen,
was den die Beschaffenheit unsrer Natur, und die
genaueste Aufmerksamkeit uns als das wahrschein
lichste zeigt, sowol die gemeinen Lebensregeln fest
zu setzen, als auch die Ausnahmen in seltnern Fäl
len zu bestimmen. Denn blos durch unsre Betrach
tungen über die wahrscheinlichen Folgen einer Hand
lung, die zuweilen ziemlich entfernt sind, gelangen
wir zu den Schlüssen, welche wir die gewöhnlichen
Gesetze der Natur benennen.
VII. Die Offenbarung kan diese Ausnahmen
in dringenden Nothfällen nicht ungültig machen, da
wir keine Sammlung von bestimten Regeln mit
dem Befehle haben, ihnen allemal auch wider alle
träglich seyn können, zu folgen. Die darinn gege
benen Regeln, einige wenige ausgenommen, die
besondere Gesetze oder gewisse Punkte die uns das
Licht der
fen, setzen das Recht der Natur zum voraus, und
daß es möglich sey, die Rechte und Schuldigkeiten
der Menschen mit allen ihren Einschränkungen und
Ausnahmen
ter
Abschnitt.
Ursprung, die Natur, und der Jnbegriff vieler
Rechte sind in der Offenbarung nicht erklärt; sie
sagt uns auch nicht wenn ein solches Recht oder ei
ne solche Pflicht an die Stelle einer andern tritt. Sie
enthält die feurigste Anpreisung gewisser
die stärksten Bewegugsgründe dazu, und die durch
dringendesten Abmahnungen vom
Tugenden und Laster aber werden nur blos bey ih
ren Namen genannt, weil sie voraus setzt, daß
man sie ihrer wahren Natur nach schon ohne dem
kennt.
Die Sache verhält sich also: unsre Ver
fenbarung
setzt das
Recht der
Natur als
bekant vor
aus.
nunft zeigt uns, welche Handlung zum gemeinen
Besten abzielen, diese halten wir für gerecht, und
wenn sie von den sanften Triebe der
so billigen wir sie und benennen sie Tugenden, durch
gewisse bekante und ansehnliche Namen. Entgegenge
setzte Handlungen, und auch einige die mit den vo
rigen unter eine allgemeine Classe gehören, aber bey
verschiedenen Umständen vorkommen, gereichen dem
gemeinen Wesen zum Schaden, und entdecken in
dem, der sie vornimmt ein böses Herz. Diese mis
billigen wir, und geben ihnen die verhasten Namen
der Laster. Das wahre Amt der
uns
bachtet wie unsre Neigungen und Handlungen be
schaffen sind, und sie in ihre gehörigen Classen
bringt. So können wir die Bedeutung und den
Umfang der Ausdrücke:Gerechtigkeit, Barm
Wenn man von dieser vorausgesetzten Wis
senschaft die wir durch Vernunft und Ueberlegung
erlangen, voraussetzte daß sie nicht da wäre: so wa
ren die Gebote der
tzen.Du sollt nicht tödten. Alles Tödten ist nicht
verboten, sondern nur der Mord. Wo findet man
irgend in der Mords.
Unsre
lige und unbillige Tödten ist: das billige findet sich
bey der Selbstvertheidigung, in gerechten
bey Hinrichtung der Uebelthäter, und eben die Ver
nunft wird uns noch ausserordentlichere Fälle zeigen
wo es ebenfalls gerecht seyn kan, wenn wir näm
ter
Abschnitt.
lich schätzbare Rechte oder
zu vertheidigen oder wieder zu erlangen suchen. Du sollt nicht stehlen ist wieder ein Gebot. Dies
verbietet nicht durch Gewalt oder geheime Mittel
etwas an sich zu bringen das vorher in dem Besitze
eines andern gewesen ist, sondern etwas wegzuneh
men worüber ein andrer ein Recht oder das Eigen
thum hat. Hier mus uns abermals unsre Ver
nunft den Ursprung, und die Natur, des Eigenthums
zeigen und wie weit es sich erstreckt; und sie wird
uns überzeugen, daß das Eigenthumsrecht oft gros
sen öffentlichen Bedürffnissen weichen muß.Du sollt kein falsch Zeugnis reden, ist auch ein Ge
Die Offenbarung ward vernünftigen Wesen
gegeben, die vorher die Fähigkeit erhalten hatten,
die Rechte der Menschen, und die Handlungen zu
beurtheilen, in wie ferne sie zum Guten oder
ihrer Nebenmenschen oder der Gesellschaft gereichen
könten, und deren Wahl schon zum voraus so ge
lenkt war, daß sie das, was Nutzen schaft, billigen,
das Gegentheil hingegen verwerffen muste. Für
unsre gesellschaftlichen Pflichten war es hinlänglich,
daß alles was nur gefällig und tugendhaft ist über
haupt in der
gungsgründe und das göttliche Ansehen eingeschärft
ward, und gewisse besondere Gesetze gegeben wurden
deren Nutzen im gemeinen Leben nicht so gleich durch
die Vernunft rechtschafner Männer hätte entdeckt
werden können
*
. Es war nicht rathsam unsre
Saumseligkeit, die von Gott uns mitgetheilte
Kräfte zu üben, noch träger zu machen, oder mit
uns als
durch sich selbst entdecken könten.
Einige suchen auch die Ausnahme wegen drin
gender Noth durch einen Grundsatz, der kürzlich an
genommen worden ist, zu verbannen.Man mus nichts Böses thun, daß Gutes herauskomme.
* Einige Feinde der
wesen, daß sie aus diesem
Grunde triumphirt haben;
viele ihrer Freunde aber
haben sie eben so unver
dem sie ihr etwas anzu
dichten gesucht haben, daß
doch ihre Bestimmung nicht
erfordert.
Der Erfinder dieses Grundsatzes ist nicht recht be
kant. Aus einer Stelle im heiligen
man schliessen, daß man den
gemacht, weil sie lehrten, daß die
durch ihre verstockte Bosheit sich die
keit
kommen möchte. Er bezeigt seinen Unwillen, daß
man den Christen eine solche Lehre aufbürden wolle;
und aus dieser Ursache nehmen einige den entge
gegenstehender Satz, als einen allgemeinen Grund
satz von grosser Wichtigkeit in der
leicht ist es ein Grundsatz der Feinde des heiligen
Der Urheber aber mag seyn wer er will, so ist den
noch der Grundsatz in der Sittenlehre von keinem
Nutzen, weil er ganz und gar schwankend und un
bestimmt ist. Darf niemand etwas aus einer gu
ten Absicht thun, daß ohne diese Absicht böse gewe
sen seyn würde? Es ist
gend eine Absicht auf etwas Gutes zu wagen;
wenn aber das gemeine Beste es erfordert, so ist es
lobenswürdig und verdient
brechen, einen rechtschafnen Mann umsonst einer
Gefahr auszusetzen; aber es ist gerecht, ihn seines
Vaterlands wegen mit Gewalt dazu zu zwingen.
Es ist ein Verbrechen, unschuldige Personen, ohne
Absicht auf irgend etwas Gutes die geringsten
Wundärzte, wenn sie uns, um uns zu heilen, zer
schneiden, brennen, und verstümmeln. Ja, sagen
sie, „solche Handlungen, wenn sie aus solchen Ab
Buch.
sichten vorgenommen worden, sind nicht böse. Der
Grundsatz verbindet uns nur, aus keiner guten Ab
sicht, solche gute
wenn man sie auch der guten Absicht wegen thut,
dennoch böse bleiben?“ Dieser Grundsatz aber ist
unnütz, und sagt nichts als was schon gesagt wor
den ist; denn wer wird uns nunmehr erklären, wel
ches die zuweilen bösen Handlungen sind, die man
aus einer guten Absicht vornehmen darf; und wel
che Handlungen so böse sind, daß sie selbst nicht aus
einer guten Absicht vorgenommen werden dürfen?
Diese Fragen kan der Grundsatz nicht beantworten,
und überhaupt enthält er weiter nichts als diese Klei
nigkeit, „Du
Böses, oder etwas, das ohngeacht der guten Absicht,
böse bleibt, thun.“
VII. Die ganze Schwierigkeit ist die, zu be
stimmen, wie weit diese Ausnahme sich erstreckt
Bey vielen gewöhnlichen Gesetzen, die das Eigen
thum oder unsre gewöhnlichen Arbeiten betreffen,
kan sie nicht geleugnet werden. Sie zeugt auch
Ausnahmen wider die allgemeinen Gesetze der
tur
den, für die Erhaltung unsers Lebens zu sorgen.
Wo giebt es aber Gesetze, die nicht solche Ausnah
me litten; Dies ist eins von denen Dingen, die
man in der
es auch bleiben, bis unsre Erkentnis in einem hö
hern Zustande vollkomner wird.
Viele Moralisten erlauben uns, in gewissen
ausserordentlichen Fällen, wider unsre Gesinnun
ter
Abschnitt.
gen zu reden. Gesezt eine blosse falsche Aussage
ist nicht hinlänglich, unsre Absicht, zu der wir ein
mal die Erhaltung unsers Vaterlandes annehmen
wollen, zu erreichen; ist es uns alsdenn auch er
laubt, einen falschen Eid zu thun? Leute, die nur
die geringste
fühlen vor einem falschen Eide, durch welche wich
tige Ursachen wir auch darzu getrieben werden mö
gen, allemal den grösten Abscheu. Der Staats
mann hält es für erlaubt, den Secretair eines
feindlichen Prinzen zu bestechen, daß er den Eid der
Treue bricht, und seines Herrn Geheimnisse ver
räth; wie sollen wir uns in dem Falle verhalten,
wenn wir unser Vaterland mit nichts anders ret
ten können, als wenn wir ihn bestechen, seinen
Herrn zu vergiften, oder umzubringen? Selbst
der Staatsmann kan ein solches Verfahren nicht
rechtfertigen. Ein offenbarer Tyrann, oder einer,
der sich mit Unrecht zum Fürsten aufgeworfen hat,
kan von jederman getödtet werden: hier ist das
Tödten kein Mord. Darf er aber seine Absicht
durch Eide der Treue, durch alle Freundschaftsbe
zeugungen, durch die schwarzen Künste zu vergif
ten, die man mitten unter den ruhigen Freuden ei
ner freundschaftlichen Tafel ausübt, zu erhalten su
chen? Hievor müssen sich die grösten Liebhaber der
nen gefährlichen Feind durch falsche Berichte be
trügen können, dürfen wir ihn also, wenn die Si
cherheit unsers Landes es unumgänglich erfordert,
ihn nicht auch durch Tractaten oder Stillstände hin
ter gehen? Die Gesetze und Gebräuche aller gesitte
Buch.
ten Völker erklären ein solches Verfahren für
unerlaubt.
Es ist vielleicht unmöglich zu bestimmen, wie
weit wir diese Ausnahmen in allen möglichen Fäl
len ausdehnen dürfen. Die Menschen können sich
freylich oft irren, und bey kleinen Nothfällen Ge
setze übertreten, die zu heilig sind, als daß sie bey
solchen Fällen eine Ausnahme zuliessen. Dies be
weist aber nicht, daß sie niemals gerecht ist. Die
Menschen irren sich eben so oft in Ansehung des
Rechts der gewaltsamen Vertheidigung und Be
hauptung ihrer Rechte, oder der Bestrafung der
Verbrecher; deswegen aber leugnen wir diese Rech
te überhaupt nicht. Es ist unmöglich, die Grade
der Gewalt, die zu unsrer Vertheidigung erfordert
wird, oder die Grösse der
die Verbrecher belegen darf, aufs genauste zu be
stimmen. Es bleibt allemal eine für die Gesund
heit nützliche Regel, mässig zu leben, und sich
wegung
essen darf, bis auf eine Unze, oder die Länge des
Weges, die er gehn oder reiten soll, bis auf eine
Spanne bestimmen kan. Einige Abweichungen
von einer so
zuweilen mit der Gesundheit bestehn, oder sind ihr
gar zuträglich.
Wenn einer aus nichts bedeutenden Ursachen
von dem gemeinen Gesetze abgeht, und also den
Vorwand der Nothwendigkeit misbraucht: so mus
ihn sein eigen Herz bey einer ruhigen Ueberlegung
verdammen, und jeder wird in seine Redlichkeit ein
ter
Abschnitt.
Mistrauen setzen, dies zeigt ganz klar, daß die
znwendenden
zuwendenden
le, nach dem Verhältnisse des Gesetzes, das übertre
nichtet wer
den.
ten werden soll, allemal ausserordentlich gros seyn
müssen. Wenn aber jemand nur in Fällen der
äussersten Noth von dem gewöhnlichen Gesetze ab
weicht, und sonst von ihm bekant ist, daß er es in
allen gemeinen Fällen zuweilen selbst zu seinem
Nachtheile heilig beobachtet: so wird jederman in
allen gewöhnlichen Umständen des Lebens eben so
viel Vertrauen auf seine Aufrichtigkeit setzen, als
auf die Aufrichtigkeit andrer, die in gewissen theo
retischen Grundsätzen strenge sind. Ein Mensch
der die strengsten Grundsätze mit dem Munde be
kennt, wird allemal dem Verdachte ausgesetzt blei
ben, daß er ihnen bey einer starken Versuchung ent
gegen handeln möchte, wenn man nicht von ihm
weis, daß er sie auch in der Ausübung aufs heilig
ste beobachtet. Und wenn derjenige, der die Aus
nahme der dringenden Noth für gegründet hält, in
allen gewöhnlichen Fällen die strengste Hochach
tung vor dem Gesetze bezeugt, wenn sie ihm auch zu
weilen einen beträchtlichen Schaden zuziehen sollte:
so wird er, ohngeachtet seines Grundsatzes, in An
sehung der Noth, das völlige Vertrauen der Welt
behalten. Wir wissen, daß Leute von einer auf
richtigen
damit sie diese Ausnahme nicht zu kleinen Privat
vortheilen misbrauchen; und wir können uns in
diesem Stücke auf ihre Treue verlassen. Leute,
die wenig Tugend besitzen, werden den strengsten
Grundsätzen bey der Hofnung des geringsten Ge
Buch.
winstes entgegen handeln. Wir verlassen uns also
auf niemanden wegen der Strenge seiner Grund
sätze, sondern wegen der
seiner Redlichkeit gemacht haben.
Wenn man einige Gelegenheiten, wo die
Noth eine billige Ansnahme verursachen kan, zu
giebt: so erschüttert man dadurch nicht das ganze
Gebäude der Moral, wie einige sich eingebildet ha
ben. Alle sind darinne einig, daß die Aufführung
recht ist, welche das meiste Gute hervorbringt. Es
ist auch ausgemacht, welche Aufführung in allen
gewöhnlichen Fällen das meiste Gute hervorbringt,
und die verschiedenen Gesetze der
ausser allem Streite. Alle geben gleichfalls zu,
daß es in einigen seltnen Fällen billige Ausnahmen
geben kan, wo wir durch Abweichung von den ge
meinen Gesetzen mehr Gutes hervorbringen, als ge
schehen könte, wenn wir sie aufs genaueste beobach
teten. Es giebt noch heiligere Gesetze, wo wir
zweifeln, ob irgend eine Noth uns berechtigen kan,
davon abzuweichen. Diese Ungewisheit macht die
übrigen Punkte nicht ungewis. Die Geometrie
wird deswegen nicht zweifelhaft, weil die Meßkünst
ler die Quadratur des Cirkels noch nicht entdeckt
haben. Die Regeln der Medicin sind nicht durch
gängig ungewis, weil gewisse Krankheiten vorkom
men, für welche es keine Cur giebt. Die Schif
fahrt ist keine eitle Kunst, weil wir die Länge des
Meers noch nicht mit der verlangten Genauigkeit
haben entdecken können.
IX. Folgende Anmerkungen werden dienlich
seyn, den Misbrauch des Vorwandes der Noth zu
verhüten. 1) Je tugendhafter ein Mensch, je er
Anmerkun
gen, um den
Msibräu
chen zuvor
zu kommen.
habner seine Empfindung von den
treflichkeiten ist, desto weniger wird er im Stande
seyn, diese Ausnahme bey Gelegenheiten von zu ge
ringer Wichtigkeit, oder die allein seinen Vortheil
zum Endzwecke haben, zu misbrauchen. Bey sol
chen Leuten finden sich nicht nur allgemeinere freund
schaftliche Neigungen gegen das
schlecht
einer eingeschränktern Art sind, und auch diese sind
Gegenstände ihres innerlichen Beyfalls. Sie ha
ben einen richtigen Geschmack von allen tugendhaf
ten Neigungen, und allen edlen Arten zu handeln;
vom
Dankbarkeit, von der Wahrhaftigkeit und
schaft
len entgegen handeln. Diese
den sie hinlänglich in Sicherheit setzen, oder ab
halten, daß sie sich keiner ihnen entgegen gesetzten
Entschuldigungen bedienen, wenn nicht ein zu er
haltender Vortheil, der von der grössten und allge
meinsten Art ist, die allgemeinern Neigungen des
Herzens, die ihrer erhabnen Würde und
wegen berechtigt sind, die eingeschränktern zu beherr
schen, in
2. Wenn wir die Vortheile oder Schäden,
die aus der Abweichung von irgend einer gewöhn
lichen
Buch.
so müssen wir nicht allein auf die gleich folgenden,
sondern auch auf die entferntesten Wirkungen Acht
haben, die entstehen können, wenn wir in allen ähn
lichen Fällen eine solche
wir müssen sogar mit auf die Gefahr denken, die
durch den Jrrthum andrer entstehen kan, wenn sie
sich eben der Ausnahmen in unähnlichen Fällen be
dienen. Jede Art zu handeln, oder jeder
scher
lich, weil ihn andre leicht
schiklichen und unähnlichen Vortheilen misbrau
chen können. Die besten Grundsätze und Handlun
gen können ein solches Schicksal haben. Aber ein
rechtschafner Mann, der alle Vortheile, die er von
einer ungewöhnlichen Art zu handeln erwartet, er
wägt, mus auch nichts von dem Nachtheile verges
sen, der selbst durch den Jrrthum andrer, besonders
solcher Leute, die noch einige Empfindung von Tu
gend haben, entstehen kan. Er wird sich nicht al
lein solcher Freyheiten, die der Welt zum Schaden
gereichen könten, wenn sich alle Menschen ihrer in
ähnlichen Fällen bedienten, sondern auch selbst sol
cher ungern bedienen, die gleiche böse Wirkun
gen hervorbringen können, wenn sie von andern
bey unähnlichen Vorfällen zur Unzeit angewendet
werden; wenn nicht die Vortheile, die er dadurch
erlangt, auch selbst diese Uebel, die aus dem Mis
brauche andrer entstehen könten, überwiegen. Die
Lehre von der gewaltsamen Vertheidigung wird von
vielen gemisbraucht. Und ein
würde ihr nicht gemäs handeln, wenn nicht die Vor
theile, die aus dem Gebrauche dieser Rechte entstehn,
ter
Abschnitt.
und die Uebel, die dadurch abgewendet werden, so
gros wären, daß alle Uebel, die aus dem Misbrau
che derselben im gemeinen Leben entstehn, dadurch
überwogen würden. Wenn man die Einwendung
der Noth nur bey Fällen von äusserster Wichtigkeit
Statt finden lässt, so hat es keine Gefahr, daß tu
gendhafte Leute dieselbe misbrauchen werden, und
die groben Misbräuche der
nicht mit auf die Rechnung bringen, weil eben die
bösen Wirkungen erfolgt seyn würden, wenn auch
diese Grundsätze niemals bekant geworden wären.
Solche Leute würden bey einer Versuchung allemal
so gehandelt haben, wenn sie auch die strengsten
Meinungen bekant, und keinen so unredlichen Vor
wand der Nothwendigkeit gehabt hätten.
3) Je wichtiger ein Gesetz für die innerli
che oder äusserliche
Geschlechts ist, desto grösser mus auch der Nutzen
oder die Noth seyn, die in dem besondersten Falle
eine Abweichung davon rechtfertigen soll.
4) Die Absicht auf ein allgemeines Gut, oder
auf die Hintertreibung eines allgemeinen Uebels, ist
eine vortheilhaftere Einwendung, als irgend ein be
sondrer Vortheil desjenigen, der die Handlung vor
nimmt. Es zeigt ein redliches Herz an, wenn wir den
gemeinen Gesetzen getreu bleiben, so oft wir dadurch
uns allein einen Schaden zuziehen, oder unser Pri
vatinteresse hindern; wenn man auch in solchen Fäl
len eine Abweichung davon für kein Verbrechen hät
te halten können. Wenn aber ein öffentlicher Nu
tzen zu erhalten ist, der also eine gegründete Aus
Buch.
nahme verursacht, so hat kein tugendhafter Mann die
von seiner
Seine allgemeine Neigungen müssen fehlerhaft
oder seine moralischen Begriffe falsch seyn, wenn
er in solchen Fällen einer niedrern Art von Tugend,
die dem gemeinen Besten im Wege steht, folgt.
5) Obgleich in Nothfällen die Menschen den
äusserlichen Gottesdienst versäumen können; so kan
doch keine Noth solche Handlungen rechtfertigen,
welche Ruchlosigkeit oder eine Verachtung der
neid, Abschwörung des wahren Gottes, oder der
Art ihn zu verehren von der wir glauben, daß sie
ihm angenehm ist, oder die
*
Unterlassung einer
Pflicht, die er uns insbesondere trotz aller Gefahr
die daraus entstehen könten anbefohlen hat, oder
die Vollbringung oder Unterlassung irgend eines
Dings, das als ein
gen oder ihm entsagt haben, festgesetzt ist.
6) Da der Grund aller gerechten Einwen
dungen wegen der Noth auf einem grossen allgemei
nen Vortheile beruht, welcher erfodert, daß ich von
der allgemeinen Regel abweichen mus; so kan keine
dringende Noth mich berechtigen einen andern eben
so unschuldigen Menschen mit Vorsatze eben so gros
se Uebel zu verursachen, weil die Welt durch eine * So hätten sich die
stell
rer nicht auf die Noth be
rufen können, wenn sie
folgung unterlassen hätten,
das
gen.
ter
Abschnitt.
solche Aufführung keinen Vortheil erhält. Das ge
meine Beste aber wird wirklich befördert, wenn
ein unschuldiger Mensch, sich durch einen geringen
Schaden, den er einen andern verursacht, von ei
nem grossen Uebel befreyt. Eben so kan auch kein
wenn sie andern ohne die geringste Verschuldung
gleiche Uebel verursacht. Jn solchen Fällen müs
sen auf beyden Seiten alle mögliche Wahrschein
lichkeiten sowol in Ansehung der nahen Uebel, als
auch der künftigen möglichen Ersetzungen derselben
ausgerechnet werden. Um auf einer Seite einem
ganz unvermeidlichen Uebel zu entgehen, kan es bil
lig seyn etwas zu thun, das möglicher Weise einen
andern ein gleiches Uebel verursachen kan, wenn es
nur wahrscheinlich ist, daß er im geringsten nicht
dadurch leiden wird. Aber alle solche Schäden,
die wir andern verursachen, um uns selbst vor grös
sern in Sicherheit zu setzen, sind wir verbunden,
so bald es in unserm Vermögen steht zu ersetzen.
Die grosse Wahrscheinlichkeit oder Gewisheit, daß
wir ins künftige allen verursachten Schaden werden
ersetzen können, kan viele Verfahren rechtfertigen,
die sonst nicht leicht zu entschuldigen seyn würden.
Nach allem aber, was schon von dieser Sache
pfindung ei
nes tugend
haften und
weisen Man
nes ist hier
unsre letzte
Zuflucht.
gesagt worden ist, müssen wir, wenn nichts deut
lichers und genauers noch entdeckt wird, unsre Zu
flucht zu dem innerlichen
Herzens nehmen. Die Empfindung mus, wie
satz, auf besondere Fälle anwenden, und also sind
Buch.
der wirklich tugendhafte Mann, und seine Empfin
dungen ein einigen dieser feinen Fälle das höchste
Gericht. Leute die wahrhaftig tugendhaft sind wer
den selten in Gefahr gerathen diese Ausnahmen zu
misbrauchen. Und keine
Grundsätze und Meinungen sind fähig den Unge
rechten, den Geizigen, den Ehrbegierigen, den Eigen
nützigen und
der Ausnahme der Nothwendigkeit in wichtigen Fällen
zugestehn, so werden sie dieselbe zur Unzeit anwenden.
Gestehn sie sie nicht zu, so werden sie durch ihre Hand
lungen selbst diejenigen Gesetze die sie für allgemein
und aller Ausnahmen unfähig halten, übertreten.
Ehe wir auf die Pflichten der zufälligen
Stände kommen, können wir noch betrach
ten wie man in der natürlichen
tigkeiten entschieden, und den Frieden erhalten ha
ben würde; wenn die Menschen über den Begriff
des Rechts uneinig gewesen wären. Dies wird den
grossen Nutzen des
am ersten dazu Gelegenheit gegeben hat, zeigen.
Es ist bekant, daß der Eigennutz oft die Ur
theilskraft selbst tugendhafter Männer partheyisch
macht, die doch sonst den festen Vorsatz haben,
alle Regeln der Gerechtigkeit und Menschlichkeit
zu beobachten, und sich aller bewusten Jnjurien zu
ter
Abschnitt.
enthalten; und daß heftige Leidenschaften eben diese
Wirkung hervorbringen. So können Leute die
überhaupt tugendhaft sind, wenn sie verschiedene
Begriffe von dem haben, was recht ist, oft geneigt
werden, etwas das einem von ihnen nachtheilig ist,
vorzunehmen. Sie sind auch nicht geschickt, so
bald ihre Leidenschaften einmal aufgebracht sind, sich
von denenjenigen, wider welche sie gereizt sind, über
zeugen zu lassen. Sie werden auf beyden Theilen
argwöhnisch und schicken sich gar nicht einander zu er
mahnen. Wenn also freundschaftliche Unterredun
gen unter ihnen selbst sie nicht vereinigen können,
so ist es natürlich, daß sie sich an einen oder mehrere Schiedsrichter wenden, an Personen mit deren
Weisheit und Redlichkeit beyde Theile zu frieden
sind, die keinen besondern Antheil an dem glückli
chen Erfolge einer Parthey nehmen, oder mit keiner
von beyden durch besondedrs starke Bande verknüpft
sind. Wenn solche Leute gleich nicht mehr
heit
den sie doch weit leichter einsehen, was in ihrer
Sache recht und billig ist, und deswegen solten
alle sowol in einem Stande der natürlichen Frey
heit als unter einen
reit seyn sich dieses leichten Mittels, in allen
streitigen Puncten des Rechts zu bedienen. Und
alle rechtschaffne Männer solten, wenn sie nicht mit
wichtigern Verrichtungen beschäftigt wären, bereit
seyn, diesen Liebesdienst über sich zu nehmen, und
wenn sie von den Partheyen dazu eingeladen worden,
als
ihnen befördern zu helffen.
II. Es können zwo Arten von Streitigkeiten
entstehn. Eine über das strengste genaueste Recht, wo keine Parthey willens ist freygebig zu
*Durch äusserliche
Rechte scheint der
ser
nicht in der
det, aber durch eine lange
Gewohnheit dazu geworden
Formeln, die nach der ein
mal eingeführten Gewohn
heit, ein Recht gründen
können, ihre Stärke erhal
ten. Der Ueb.
Jn Ansehung der Angelegenheiten die einmal
sen uns den
Ausspruch
des Schieds
richters un
widerruflich
unterwerffen
den Schiedsrichtern übergeben sind, solten sich die
Partheyen ihrem Ausspruche allemal völlig unter
werffen. Niemand ist verbunden alle seine Rechte
einen solchen Ausspruche zu unterwerffen. Ueber die
aber, mit denen es geschehen ist, mus billig den
Schiedsrichtern völlige Gewalt gelassen werden.
Wenn die Partheyen sich vorbehalten, „sich den Aus
spruch nur alsdenn wenn er gerecht ist, gefallen
zu lassen, so ist ein solches Verfahren von sehr ge
ringen Nutzen.“ Weil die Partheyen sich aus
bedingen selbst von der Billigkeit des Ausspruchs
zu urtheilen, so bleibt die Sache wie vorher, aus
ser, daß sie die Meinung unpartheyischer Leute dar
über erfahren haben, welche bey verschiedenen von
einigem Gewichte seyn kan. Jst es aber gleich
ausdrücklich ausgemacht worden, sich dem Aus
spruche völlig zu unterwerfen, so kan doch jede Par
they sich weigern es zu thun, wenn ein betrügeri
sches Verständnis der Schiedsrichter mit der andern
entdeckt wird, wenn Geschenke angenommen wor
den sind, oder die Unbilligkeit des Urtheils so gros
ist, daß jedem redlichen Manne die Nothwendigkeit
Buch.
der vorgegangen Bestechung in die Augen fallen
mus. Diese Umstände können einen jeden von der
Verbindlichkeit die sonst entstanden wäre befreyen,
wie ein Nothfall die Verbindlichkeit der gemeinen
Lebensregeln aufhebt.
III. Die Schiedsrichter müssen, wenn andre
Beweise und Documente; als die Bekäntnisse der
Partheyen, Acten, oder von ihnen unterzeichnete
Contracte fehlen, ihre Zuflucht zu Zeugen nehmen,
die verbunden sind, ihre Aussage mit einem Eyde
zu bestärken. Die
ihre Fähigkeit zur Gleichgültigkeit bey der vor
habenden Angelegenheit müssen, von den Schieds
richtern eben, so als im bürgerlichen Regimente, von
den obrigkeitlichen Personen, beobachtet werden.
Das, was itzt bey allen gesitteten Völkern eingeführt
ist, mus auch in der natürlichen
daß es nämlich gefährlich ist, in einem Puncte von
Wichtigkeit dem Zeugnisse eines Einzigen zu trauen;
obgleich die Glaubwürdigkeit eines Zeugnisses keine
grosse Anzahl von Zeugen erfordert. Zween untadel
hafte Zeugen sind hinlänglich eine Sache zu bestätigen,
wenn sie soviel
gehabt haben, die
nicht wahrscheinlich ist, daß sie sich selbst betrogen
haben; und wenn wir von ihnen versichert sind,
daß sie keine Neigung haben, andre zu hintergehn.
Ob die Zeugen, die von den Partheyen zu einer sol
chen Unterhandlung erbeten, oder bey den vor
habenden Handlungen selbst zugegen gewesen sind,
hinlänglich von der Sache unterrichtet seyn können,
ter
Abschnitt.
kan man sehr leicht gewis erfahren. Auf ihre Treue,
oder Abneigung von dem
mus man oft von vielen Umständen, und besonders
von diesen schliessen, ob der Betrug ihnen zum
Vortheil gereichen kan, oder ob sie Ursache haben kön
nen, zu hoffen, daß sie in ihrer Absicht zu betriegen,
glücklich seyn werden.
Nun verschaffen zween Zeugen über ei
ne Sache, wegen des letzten Puncts eine gros
se Sicherheit. Ein Mensch, der viel Ver
stand und Gegenwart des
Geschichte so künstlich und zusammenhängend
schmieden, daß es nicht möglich ist, ihn durch Be
fragung zu entdecken, oder zu machen, daß er sich
selbst widerspricht. Wenn aber zween Zeugen, jeder
allein, so, daß keiner von des andern Zeugnisse et
was weis, über alle Umstände, die jeder, der bey der
vorhabenden Sache gegenwärtig gewesen, hätte
beobachten müssen, verhört werden: so ist es sehr
wahrscheinlich, daß dem Richter einige Fragen bey
fallen werden, woran die Zeugen bey ihrer Ab
rede nicht gedacht haben, und daß er sie darü
ber befragen wird. Wenn die Zeugen einige
solche Fragen, jeder alleine beantworten müssen,
so ist es sehr wahrscheinlich, daß sich einander wi
dersprechen, und also selbst ihre Falschheit entdecken
werden. Wenn beyde oft erklären, daß sie von
vielen solchen Umständen nichts wissen, oder be
haupten, daß sie einerley Umstände vergessen haben,
so verursachen sie einen grossen Verdacht der Falsch
heit. Wenn aber nach einem abgesonderten, und
Buch.
dem genausten Verhöre, ihre Zeugnisse, über alle
diese Umstände vollkommen übereinstimmen, und
einander ähnlich sind, so entsteht eine grosse Ge
wisheit. Die Abhörung eines dritten, oder noch
mehrerer Zeugen, kan die Sache kaum glaubwürdi
ger machen. Es werden auch gemeiniglich vor Ge
richte nicht mehr verlangt. Es ist zwar ein richti
ger Grundsatz, daß wir unser Urtheil nicht nach ei
ner kleinen
wenn eine grössere davon da, oder wenigstes, zu erlan
gen ist; es kan aber den Partheyen zu einer zu
grossen Last gereichen, viele Zeugen zu schaffen.
Sie verlangen also, ausser in einigen festgesetzten
Fällen nicht mehr als zween, um ihr Urtheil darauf
zu bauen. Das Zeugnis eines wahrhaften Man
nes, kan eine Sache für diejenigen. die ihn kennen,
aufserordentlich glaubwürdig machen; dies aber als
einen völligen Beweis anzusehen, würde dennoch zu
gefährlich seyn, weil wir oft finden, daß Leute, die
sehr lange den Character der Redlichkeit behauptet
haben, doch endlich über einer Betrügerey entdeckt wor
den sind. Wenn man das Zeugnis eines Einzi
gen, in einem Falle annähme, so könte man es in
andern nicht verwerfen, man müste denn, vondemje
nigen, dessen Zeugnis man verwürfe, etwas sehr
Schändliches gewis zu behaupten wissen. Dies
geht sehr oft bey Leuten von sehr geringem Werthe
und schlechter Redlichkeit nicht an.
IV. Wenn weder die Unterredungen der Par
theyen, noch die Vermittelung ihrer gemeinschaftli
ter
Abschnitt.
chen Freunde, den Streit beylegen, oder beyde bewe
gen kan, ihre Sache dem Ausspruche unpartheyi
scher Schiedsrichter zu unterwerfen, so bleibt in der
flucht der Ge
walt.
natürlichen
das uns erwiesene Unrecht, mit Gewalt wieder gut
zu machen. Weil diese Mittel allemal gefärlich,
und oft mit den unglücklichsten Folgen verknüpft
ist; so müssen billig vorher alle menschlichen Mit
tel, das Recht zu erlangen, die die Natur der strei
tigen Sache nur erlaubt, versucht werden. Wenn
diese vergebens sind, so mus sich jemand nicht nur
den Beystand seiner Freunde, oder andrer, die ihr
Unwille über das Unrecht zu seinem Besten aufge
bracht hat, zu verschaffen suchen, sondern vorher die
gelassensten und weisesten seiner Nachbarn, die mit
ihm in keiner besondern Verbindung stehen, über
die gehörigen Mittel sich zu vertheydigen, und sein
Recht zu verfolgen, oder die Strafen, womit der
andre zum
zu Rathe ziehen. Damit alle unnöthige Strenge
vermieden, und nicht mehr von dem andern Theile
verlangt, oder ihm keine grössere Strafe aufgelegt
werde, als dem Beleidigten gebührt; oder zur allge
meinen Sicherheit nothwendig ist.
Die gefährlichen Folgen, die man wegen der
fahr der ge
waltsamen
Vertheidi
gung,
&c &c
zeigt die
Nothwen
digkeit des
bürgerlichen
Regiments.
ungemässigten
rer Vertheydigung, oder der Behauptung ihrer
Rechte, in einem Stande der natürlichen Freyheit,
wo die Ungerrechten so gut, als diejenigen, die Recht ha
ben, alle ihre Freunde bewegen werden, ihnen beyzu
Buch.
stehn, zu befürchten hat, gehören vermuthlich mit unter
die ersten Bewegungsgründe, wodurch die Menschen
angetrieben worden sind, ein
anzuordnen, und die Obrigkeiten und Richter mit
hinlänglicher Gewalt zu versehen, um ihre Aus
sprüche über die Streitigkeiten ihrer Unterthanen,
durchzutreiben, und die Uebelthäter mit den gehöri
gen Strafen, die sowohl zu ihrer, als andrer Ab
schreckung von gleichen Unternehmungen, nothwen
dig sind, zu belegen.
*
Davon werden wir im fol
genden Buch handeln.
* Da einige Auslegungs
regeln zu Bestimmung des
wahren Verstandes oder
der Absichten der Contracte
und Gesetze nützlich seyn
können: so liefern die mei
sten Schriftsteller in dieser
Wissenschaft einige beson
dre Abhandlungen darü
ber. Weil es aber keine
besondre Auslegungsregeln
für Contracte oder Gesetze
giebt, die nicht auch bey al
len andern Arten von Re
den oder Schriften ange
wendet werden könten, so
wenn man diese gänzlich
der
also in gewissen Theilen
auch mit Gesetzen oder Con
tracten beschäftigen kan.
Es läst sich auch wenig
davon sagen, daß nicht je
dem Verständigen, der die
ten des Landes, wohin die
Gesetze oder Contracte ge
hören, oder nur die gemein
sten Grundsätze der Critik
kent, nicht von selbst beyfal
len würde.
Jn dem vorigen Buche haben wir die verschiede
sern Pflichten
in den einge
führten
Ständen.
nen Rechte und Pflichten betrachtet, die in
der
geführten Ständen, oder den zufälligen Verbindun
gen der Menschen da gewesen sind. Diese Rechte
und Pflichten behalten grösten Theils auch in allen
eingeführten Ständen der Menschen ihre Kraft;
werden aber so eingeschränkt, als die Natur ihrer
neuen Verbindungen, und des gemeinen Bestens,
es erfordert. Es entstehn auch viel neue
lichkeiten
knüpfungen treten. Wir wollen die vornehmsten
derselben, und die Rechte und Pflichten die dar
aus entstehn, betrachten.
Diese Stände oder Verknüpfungen, betreffen
treffen ent
weder unser
Haus oder
den Staat.
entweder unser Haus oder den Staat, die erstern
sind dreyerley,der verheyratheten Personen, der Eltern und Kinder, und der Herren und Bedienten. Die bürgerlichen oder politi
II. Die erste Verbindung, wozu uns die
Natur treibt, ist die
Geschlechte der Thiere wären gewis ausgegangen,
wenn ihnen die
Vermögen und den Trieb, sich fortzupflanzen, einge
geben hätte. Die Natur der Jnstincte in den
Thieren ist nach ihren besondern Umständen sehr
verschieden. Da die Jungen der meisten Thiere,
der Fürsorge ihrer Eltern, nur wenig, oder doch
nur auf eine kurze Zeit, bedürfen, da sie zu den ein
fachen Verrichtungen ihres Lebens, nur eines kur
zen Unterrichts benöthigt, und die Bemühungen der
Mütter dazu hinreichend sind: so war bey ihnen
beynahe nichts weiter als der blosse Trieb der Fort
pflanzung nöthig, und daß sie
ter, für Nester und Hölen sorgten, ihre Jungen
darinnen aufzubehalten, bis sie zu ihrer gehörigen
Stärke gediehen. Bey einigen wenigen Arten ent
decken wir etwas mehrers, eine Art von beständi
ger Gemeinschaft unter den Alten, die mit einigem
Scheine der Zuneigung und Treue verbunden ist.
Aber die Erhaltung der Kinder, die
ben, die nothwendig ist, um sie zu den höhern Bestim
mungen eines
chen, erfordern eine lange anhaltende,
Arbeit vieler Jahre, der die Mütter allein, ohne den
Beystand der Väter nicht gewachsen sind. Wir
Abschnitt.
reden hier von dem allgemeinen Zustande des
lichen Geschlechts
richtet werden muste, und nicht von dem Zustande
einiger wenigen, die einen grössern Reichthum erlangt
haben. Von der gehörigen Erziehung der Kin
der, hängt ein ausserordentlich grosser Theil der
Kein Theil der Natur entdeckt deutlicher die Gü
tigkeit und
schiednen Leidenschaften und Triebe, die dem mensch
lichen Geschlechte zu diesem grossen Endzwecke ein
gepflanzt sind. Eine sorgfältige Beobachtung un
srer eignen Natur in diesem Puncte, wird
uns unsre Pflichten im Ehestande sehr deutlich
zeigen.
Wir erhalten alle eine Kentnis von der Ab
srer natürli
chen Nei
gungen.
sicht der
zung, ehe er selbst in uns aufwacht, und auf eine
viel geraumere Zeit hält uns gemeiniglich noch eine
natürliche Bescheidenheit oder Schaam ab, ihn zu
befriedigen. Wir müssen gleichfalls angemerkt ha
ben, daß eine lange Reihe, sorgfältiger und be
schwerlicher Bemühungen erfordert wird unsre Kinder
zu erhalten, und aufzuziehn, und daß aus dieser Ur
sache die Natur beyden Eltern, die
unveränderlichste
hat, weil ihr vereinigter Beystand dazu erfordert
wird. Wie diese väterliche und mütterliche Liebe
beyden eine solche Arbeit versüst, so zeigt sie auch
die grosse Verbindlichkeit an, worunter beyde sich
befinden, sie über sich zu nehmen. Alle diejenigen
Buch.
also, welche auf die Stimme der Natur, oder die,
Verbindlichkeit, womit sie uns belegt, achten, oder nur
einige
haben, müssen einsehn, daß sie, wenn sie dem Triebe
Kinder zu zeugen, ein Genüge thun, sich mit derje
nigen Person, die sie dazu erwählen, zu einerley Ab
sicht, und einer langen Dauer von gemeinschaftli
cher Sorgfalt und Mühe verbinden müssen. Sol
che vereinigte Berathschlagungen, Mühseligkeiten
und Arbeiten, müssen ohne einer gegenseitigen Lie
be, unter den Eltern beynahe unerträglich seyn:
und um diese hervorzubringen, sehn wir, daß wir sehr
weislich von der Natur so gebildet sind, daß bey
allen denen, die nur einige Sittsamkeit oder Em
pfindung von Tugend besitzen, dieser Trieb nur
durch die feinsten
süssesten
nigstens die Wahl eine Mitgenossinn dadurch be
stimmt wird. Die Empfindung von der
heit
Person einen guten
ne aufmerksame Bekantschaft kan uns völlige Ge
wisheit davon verschaffen. Die Hochachtung, die
wir vor der Tugend und der Weisheit, und das
Verlangen und die Liebe, die wir gegen unschuldi
ge
zärtlichste Gutherzigkeit hegen, sind die natürlichen
Reitzungen zur verliebten Sehnsucht, und beständi
gen Begleiter derselben; dahingegen der viehische
Trieb zu Befriedigung unsrer
Personen, welche das böseste Herz besitzen, erlangen
kan, der grösten Verachtung
Abschnitt.
Da wir also die Bestimmung dieses Triebes, und
die Verbindlichkeiten, die daraus gegen die Früchte
desselben entstehen, kennen, und da wir mit Ver
nunft begabt sind: erfordert es unsre Pflicht, diesen
Trieb so lange zu bezwingen, bis wir von einer sol
chen Uebereinstimmung der Gemüther überzeugt
sind, welche die lange vereinigte Sorge der Kinder
zucht für beyde Eltern erträglich machen kan, und
bis wir in Umständen sind, die uns in den Stand
setzen, alle
nen, zu erhalten. Denn die Vertraulichkeit, die
aus einem so langen Umgange entsteht, und die oft
wiederhohlten Empfindungen des Triebes zur Fort
pflanzung, können sehr natürlich ein zahlreiches
Haus hervorbringen. Nun können wir leicht ein
sehn, daß zur Erhaltung und Auferziehung so vieler
Kinder, die ganze vereinigte Sorgfalt beyder El
tern erfordert wird, ja, daß ihre vereinigte Bemü
hungen, die wenigste Zeit im Stande sind, ihre
grossen und eifrigen Wünsche, in Ansehung derselben
zu erfüllen. Diese natürlichen Triebe und Neigun
gen zeigen, wenn man sie mit der lange daurenden
Schwachheit und Unfähigkeit sich zu helffen, unsrer
Kinder vergleicht, sehr deutlich, daß sie nur von
solchen Eltern gezeugt werden dürffen, die sich vor
her durch gegenseitige Liebe und Hochachtung,
verbunden haben, einander in dieser wichtigen
Pflicht gegen das menschliche Geschlecht, der Zeu
gung und
Diese
gen uns alle
unsre Ver
bindlichkei
chen Triebe, hat sich, wie wir finden, zu allen Zeiten
Buch.
solchen
Stande.
bey vielen einzelnen Personen, manche natürliche
Neigungen, durch lasterhafte Gewohnheiten sehr ge
schwächt, oder gar ausgelöscht werden können. Sie
zeigt uns sehr deutlich alle unsre Pflichten im
stande
und Billige, was in Ehecontracten ausgemacht
werden kan; und durch die glücklichen Wirkungen,
welche für die
Absicht der Natur folgen, und das
natürlich daraus folgt, wenn wir denselben entge
gen handeln, werden dieselben noch mehr be
stätigt.
III. Wenn wir nur dem thierischen Triebe
folgten, ohne uns in gesellige freundschaftliche
Vereinigungen einzulassen, ohne im geringsten auf
die zärtlichen und edlen Leidenschaften zu achten,
womit derselbe sonst seiner Natur nach begleitet ist;
so handelten wir nicht allein dieser schönen Absicht
der Natur entgegen, sondern es würden auch böse
Folgen für unsre
menschliche Gesellschaft daraus entstehen. Die
sem Triebe, ohne sich an die Zurückhaltung der
natürlichen Schamhaftigkeit zu kehren, so bald, und
so oft er sich zeigte, ein Genüge zu thun, würde
für die Leiber sowohl der Eltern als der Kinder, ge
fährlich seyn, besonders bey denjenigen, die sich in
bessern Umständen befinden, und von aller Leibes
arbeit befreyt sind. Die Schwachheit der Seele,
und eine Fertigkeit zu allen Ausschweiffungen,
Abschnitt.
würden dennoch noch üblere Folgen eines solchen
Verfahrens seyn. Die
sondern Gütigkeit die Menschen geschickt gemacht,
sich öfter zu befriedigen, als die meisten andren
Thiere, um die grosse Sorge, welche die
der Kinder ihnen verursacht, zu ersetzen. Aber
durch eine Empfindung von Schamhaftigkeit, durch
die mancherley
diesen Trieb begleiten, durch unsre
entfernten Wirkungen, und unsre Pflichten entdecken
kan, hat uns die Natur diejenige Art, der Befriedigung
gezeigt, die mit allen moralischen Empfindungen
des Herzens, und allen edlen und grosmüthigen
Leidenschaften, die die Natur zu Begleiterinnen
dieses Triebes gemacht hat, und mit dem Nutzen
der Gesellschaft bestehn kan.
Diese Gewohnheit würde ferner die Wirkung
de die väter
und mütter
liche
aufheben.
haben, daß die Väter in Ansehung ihrer eignen
Kinder ungewis blieben, und also keinen andern An
trieb hätten, sich im geringsten um sie zu bekümmern,
als das allgemeine Band der Menschlichkeit, wel
ches wie wir wissen, nicht hinreichend ist. Sie
würden eine der natürlichsten Vergnügungen, in
der Liebe zu ihren
munterung zur Arbeit und zum Fleisse entbehren.
Die Mütter würden die Sorge der
erträglich finden, weil sie ihnen allein überlassen
wäre. Sie würden also auch nachlässig werden,
und sich so gut als die Väter, viehischen Aus
schweiffungen überlassen. Die natürliche Be
stimmung dieses Jnstincts, würde also
Buch.
Theils durch die Unfruchtbarkeit der
durch ihre Nachlässigkeit gegen ihre Kinder beynahe
gänzlich vernichtet werden. Wir können uns nur
einen sehr schlechten Begriff von dem unglücklichen
Zustande eines
viehischen Triebe ohne Zurückhaltung folgte, wenn
wir die übeln Wirkungen betrachten, die allemal in
einer
Zucht der Gesetze, und einer durch die Erziehung
befestigten Schamhaftigkeit befindet, auf einige
wenige Ausschweifungen in Befriedigung dieses
Triebes folgen. Man kan aber leicht daraus schlies
sen, welche ein allgemeines Elend entstehen müste,
wenn alle Einschränkung aufgehoben würde, und
ein jeder seinen viehischen Trieben ohne Zwang ein
Genügen thäte.
Manche Jnstincte, die die nützlichsten sind,
können auf die unnatürlichste Art umgekehrt
deu
Art von Geschöpfen, oder gegen einerley Geschlecht
richtet. Diese Beleidigungen der weisen und ehr
würdigen Einrichtung unsrer
ihres Urhebers, zeigt eine viehische Sinnlosigkeit an,
und daß wir keinen Begrif von dem haben was sich
für vernünftige Wesen schickt, die von einer weisen
schrecklichen Uebel, die aus solchen verkehrten An
wendungen unsers Jnstinkts, wenn sie einrissen,
entstehen müsten, fallen sehr deutlich in die Augen;
obgleich die Wirkungen einiger seltnen Fälle in ei
ner Nation, die in dem Abscheue vor solchen Wol
Abschnitt.
lüsten erzogen ist, nicht erheblich sind. Würde
der Zwang der Gesetze aufgehoben, und eine grosse
Menge von Leuten durch das Exempel verderbt,
daß sie einem mehr als viehischen Triebe folgten,
und sich die Mühe der Erziehung der Kinder er
sparten: so würden so unnatürliche und so unge
heure
nen, die mit solchen
würden für möglich gehalten werden können.
Häuften sich diese Leidenschaften, so würde ein Land
bald aufhören volkreich zu seyn, und mit Elenden
angefüllt werden, die in allen andern Kräften und
Vergnügen der Seele eben so sehr als in diesem
Triebe verderbt wären. Solchen unnatürlichen
Wollüsten mus also in allen Gesellschaften mit der
grösten Strenge Einhalt gethan werden.
IV. Da aus den vorhergehenden Anmerkun
verbunden
sind zu hey
rathen.
gen erhellet, daß das
Eltern fortgepflanzt werden mus, die sich auf eine
der Erziehung gemeinschaftlich zu übernehmen: so
wollen wir zur Untersuchung der billigen Bedingun
gen einer solchen Gemeinschaft oder des Contracts
darüber fortgehn, weil es ganz klar ist, daß jedem
gegen unser Geschlecht, die auch von unsern natür
lichen Trieben so sehr angepriesne Pflicht obliegt,
seinen Theil zur Erhaltung und guten
unsers Geschlechts beyzutragen, wenn er nicht der
Welt wichtige Dienste zu leisten verbunden ist, die
mit den Haussorgen nicht bestehen können, oder sich
Buch.
nicht in den erforderlichen Umständen befindet, eine
Familie zu erhalten.
Der erste und nothwendigste Punkt ist, daß
die Väter ihrer
so mus eine
nem Manne Kinder zu zeugen, die stärkste Versiche
rung geben, daß sie sich zu gleicher Zeit nicht mit
andern einlassen will. Die Brechung dieses Ver
sprechens ist das grösste Unrecht, das man einen an
dern anthun kan, weil es den Manne dessen, was
ihm das liebste ist, und des Endzwecks aller seiner
irrdischen Sorgen, einer gewissen Nachkommen
schaft beraubt. Jn einem Heyrathscontracte ist
also dies der erste Artikel.
Es ist nothwendig, daß die
von Jugend auf, auf eine Art erzogen werden, die
am ersten im Stande seyn kan, solche ausserordent
lich beleidigende Jnjurien zu verhüten. Wenn sie
vor dem Ehestande schon in Unzucht gelebt haben,
so ist es bekant, daß dieses ausser der lüderlichen
Fertigkeit, die es verursacht, auch eine solche Ver
traulichkeit mit den Personen, die sie vergnügt ha
ben, hervorbringt, ihnen ihre
terwürfig macht, so viel Hang zu neuen Ausschwei
fungen zeugt, oder ihr Vermögen dem Anliegen an
drer zu widerstehen so sehr schwächt, daß niemand
völlig versichert seyn kan, daß er seine eigne reine
Nachkommenschaft erhält, wenn er solche Perso
nen heyrathet. Wenn solche schon vor dem Ehe
stande begangne Leichtfertigkeiten entdeckt werden,
so ist der Character der Keuschheit für sie verloren,
Abschnitt.
und kein Mann wird sich in der
verlassen. Sie machen sich dadurch verächtlich,
verlieren alle Hofnung jemals eheliche
Hochachtung zu geniessen, und alles Ansehn bey an
dern. Die
durch den Misbrauch eines
mus ausserordentlich gros seyn, weil er einer kurzen
immerwährenden Schande aussetzt, die natürliche
Sittsamkeit und freye Unschuld ihres Herzens ver
dirbt, und sie aller ehelichen Liebe und alles Ver
trauens, die doch dereinst die gröste
ihres Lebens ausmachen soll, unwürdig macht.
Sie kan beydes nicht anders, als durch Falschheit
oder Verstellung erlangen, und diese machen einen
glücklichen Erfolg nicht allemal gewis.
Wir wissen alle, wie schmerzhaft diese Jnjurie ist,
wenn sie mit Gewalt, oder vermittelst betrügerischer
Bitten an unsern Schwestern oder
übt wird; nun kan das Verbrechen nicht kleiner
seyn, wenn andre dadurch leiden. Es ist also die
Pflicht aller dererjenigen, die junge Personen von
beyderley Geschlechten zu erziehen haben, sie so sehr
als möglich zur beständigen Sittsamkeit in ihren
Reden und
allen, was auch nur von aussen einen andern Schein
haben könte, abzuhalten. Es zeigt die grösste
Verderbnis der
in einer
heit
behauptet, solche grausame Jnjurien, wenn man
Buch.
sie auch Leuten vom niedrigsten Stande erweist,
nicht aufs strengste bestraft werden Die Men
schen fühlen in den geringsten Ständen die Freu
den der ehelichen und väterlichen Liebe. Sie ha
ben mit den
einer von diesen Freuden beraubt, oder ihren Zu
stand verächtlich macht, mus also grösser seyn, als
manche, die mit dem Tode bestraft werden. Es ist
ausserordentlich ungerecht, daß die unschuldigste
Partey so viel leiden mus, und den Hauptverbre
cher, den Verführer, der sich oft der niedrigsten
Falschheiten und des Meineides bedient hat, keine
Strafe erwartet.
Diejenigen
derliche Sitten eingerissen sind, empfinden diese
Schande vielleicht nicht so sehr. Einige verworf
ne Creaturen, die alle Bescheidenheit, und alle feine
re
Trieb der Liebe begleiten, unterdrückt haben, sind
vielleicht im Stande, sich ein ausschweifendes Leben,
seiner niedrigen Vergnügungen, und eines elenden
Gewinnstes wegen, zu wählen. Wo aber nur noch
die geringste Achtung für die
sollte man einer solchen Art zu leben aufs strengste
Einhalt thun; weil diejenigen, die dieselbe
wählen, sich gemeiniglich die Schwachheit der Ju
gend zu Nutze machen, ihre Sitten auf
Art verderben, die widerspänstigsten Gewohnhei
ten, die mit allen nützlichen Beschäftigungen des Le
bens nicht bestehen können, hervorbringen, und
Abschnitt.
unsere natürlichen Triebe, die die
se eingerichtet hat, von ihren gehörigen Endzwecken
ablenken.
VI. Der zweyte wesentliche Artikel eines
digkeit einer
gleichen
Treue der
Ehemänner.
Heyrathscontracts ist dieser, daß sich der Mann mit
einem Weibe begnügen mus. Es ist wahr, die
Jnjurie, die ein Mann der Frau durch seine Untreue
erweist, ist nicht so gros als diejenige, die ihm da
durch von ihr widerfährt. Er kan sie nicht so be
trügen, daß er ihr eine falsche Nachkommenschaft
aufbürdete. Jn allen übrigen Betrachtungen aber
ist die
auf beyden Seiten gleich gros, und ein
eben die gerechten Ursachen, dieses Versprechen von
dem Manne zu verlangen. Die natürlichen
denschaften
des Mannes seine, einen freundschaftlichen Umgang,
und eine vereinigte Sorgfalt für die
rer gemeinschaftlichen
Es ist die offenbarste Ungerechtigkeit, und
laubt die ent
gegengesezte
Gewohnheit
ist.
verursacht die grösste Ungleichheit in der ehelichen
Gemeinschaft, in welcher uns alle feinere Empfindun
gen unsers Herzens eine gleiche
den Seiten anbefehlen, wenn man verlangt, daß ein
Mann und seine Kinder, den einzigen Gegenstand der
ihrer weltlichen Absichten ausmachen sollen; da man
ihm hingegen erlaubt, seine Neigungen und Sorgen
mit andern Weibern und Kindern zu theilen, oder sie
ihr vielleicht gänzlich zu entziehen. Ohne eine völlige
Versicherung von der Treue ihres Mannes können
Buch.
alle Vergnügungen, die sie in einem freundschaft
lichen Umgange, oder durch die Bemühung für ihre
Kinder geniesst, nur von sehr ungewisser Dauer
seyn. Durch die Wollüste der Ehemänner, wo
durch sie entweder zu den lüderlichsten Arten, sich
zu vergnügen, oder der Vielweiberey gebracht wer
den, verliert also eine Hälfte unsers Geschlechts,
die mit der andern auf alle gesellschaftliche Genüsse
und Freuden gleiche Rechte hat, eines niedrigen sinn
lichen Vergnügen wegen, viele der wichtigsten Er
götzlichkeiten des Lebens. Alle zärtliche und edle
Leidenschaften, womit der
Männern vergesellschaftet ist, erklären sich wider
eine solche
die
dige gegenseitige Freundschaft zweyer Personen zu
seyn; weil diese Leidenschaften sich auf Hochachtung
und Liebe zur Tugend gründen, und, wo sie von
Herzen auf eine Person gerichtet sind, keine ähnliche
Leidenschaften gegen andre zu gleicher Zeit zulassen.
Durch den Ehebruch oder die Vielweiberey müssen die
Neigungen des Ehemannes von dem ersten Weibe
und ihren Kindern abgelenkt werden. Die lezte wird
sich derselben vermuthlich mit ihren Kindern allein
anmassen, und die lezte ohne Ursache verachtet
werden.
Die Wirkungen, die für die
he eben so gefährlich, als die Folgen andrer unerlaub
ten Ausschweifungen der Ehemänner. Die Anzahl
der Kinder eines Mannes kan so gros werden, daß Erster
Abschnitt.
weder sein Vermögen noch sein Fleis zu ihrer Er
haltung hinreichen. Viele derselben müssen vernach
lässigt werden, und einige wenige Lieblinge werden
nur der Fürsorge der Eltern geniessen. Da sich auch
selbst die
erklärt, indem sie beyde Geschlechter beständig in ziem
lich gleicher Anzahl erhält, oder gar das männliche
stärker macht: so würden viele Mannspersonen des
Vergnügens des Ehestandes und der Freude Kinder
zu haben entbehren müssen. Jhre natürlichsten Ver
bindungen mit dem menschlichen Geschlechte wür
den dadurch aufgehoben werden, und sie sich allen
ungesellschaftlichen Neigungen überlassen. Die
Vielweiberey steht dem Wachsthume des menschli
chen Geschlechts mehr im Wege als sie ihn befördert.
Eine
lange sie dazu geschickt sind, gebraucht werden,
Kinder zu zeugen, und zu erziehen. Dis geschieht
am besten, wenn jede Frau ihren eignen Mann
hat. Wenn ein Mann viele Weiber hat, so wird er
sich unfehlbar aus dem grössten Theil derselben we
nig machen, oder sich nicht gern mit so vielen Kin
dern überhäuffen wollen. Jn dem Falle sind die
Weiber in der stärksten Versuchung ein Gelübde
das auf ihrer Seite so ungleich und viel zu beschwer
lich ist zu brechen, und sich aller Gelegenheiten zum
Ehebruch zu bedienen. Dies ist die Ursache, war
um in den Ländern, wo diese Gewohnheit
*
einge* Es ist nicht zu leugnen,
daß man den Männern bey
einigen gesitteten Völkern
den hat; aber dies beweisst
nicht, daß sie nicht uner
laubt sey. Einige recht
schafne Männer haben sich
einer solchen Erlaubnis be
dient, vielleicht weil sie
durch die Gewohnheit und
ihre eigne Leidenschaft ge
blendet waren und die Sa
che nicht recht überlegten.
Auf gleiche Weise haben
auch tugendhafte Leute bey
gesitteten Völkern den
Sklavenhandel getrieben,
oder sich der Gewohnheit
gleich gestellet, und eine
Hälfte ihres Volks ohne
ihr Verschulden zu Sklaven
gemacht. Andre haben gar
aus einer übelverstandnen
Vaterlande, welche Trieb
federn ungleich edler sind,
als diejenigen die uns
zur Vielweiberey anlocken,
Menschen, oder gar ihre
eignen
mand solte also solche Ge
wohnheiten für recht hal
ten wenn auch gleich eine
Nation sich daran gewöhnt
hätte, oder diejenigen die
dadurch leiden, sich nicht
darüber beklagten.
Buch.
führt ist, die Weiber allemal als Sklavinne ge
halten werden, und daß man daselbst auf keine freund
schaftliche Art für ihr Vergnügen sorgt. Sie
werden durch Ketten, Gefangenschaft und Wachen,
und nicht durch die Empfindungen der
VI. Da die gemeinschaftliche Sorgfalt für die
contract
weil die
ihres Lebens fruchtbar sind, und die jungen Kinder
vielleicht der vereinigten Sorgfalt der Eltern noch
lange nachher wenn die Mutter schon aufgehört hat,
einige zu zeugen, bedürfen; so mus dieses Band oh
ne eine gegenseitige Freundschaft unerträglich seyn.
Nun kan bey einer Vereinigung die blos in der Ab
sicht geschlossen ist, daß wir Kinder zeugen, und
dieselben erziehen wollen, wenn sie nur auf eine ge
wisse Zeit geschlossen wird, und nach Verstreichung
Erster
Abschnitt.
derselben aufhören soll, keine Freundschaft Statt fin
den; eben so wenig als in solchen die man auf Be
dingungen oder gewisse Fälle, die nicht in dem Ver
mögen der Partheyen stehn, schliessen möchte. Beyde
Partheyen werden zu diesem Contracte, als einer
Vereinigung ihrer Liebe, durch die
pfindung
und der Endzweck jeder aufrichtigen Freundschaft
geht auf die Dauer derselben. Bey Contracten die
nur auf eine gewisse Zahl von Jahren geschlossen
werden, oder bey solchen die durch einen
das Versehen der Partheyen ungültig gemacht wer
den können, kann sie nicht Statt finden. Der
Heyrathscontract mus also auf die ganze Lebenszeit
verbinden, sonst würde alle wahre Liebe und Freund
schaft verbant, und der Ehestand in einen blossen
knechtischen Handel zu Vermehrung unsers Ge
schlechts und gemeinschaftlicher Arbeit, verwan
delt werden.
Ferner: wie grausam ist es nicht, eine Per
dungen sind
ohne vorher
gegangene
Verbrechen
ungerecht.
son die von der zärtlichsten Neigung gegen uns er
füllt ist, einer Schwachheit des
stossen. Wie viel grausamer ist es nicht, sich von
seiner zärtlichen Gesellschafterin, die durch den Tod
unsers
gen zu trennen? Die Welt verlieret selten etwas
durch die Ewigkeit der Verbindung in solchen Fäl
len. Wenn ein Ehemann mit einer andern Frau
Kinder zeugen könte, so kan diese sie vielleicht einem
andern gebähren, so daß die Welt gleichen Nutzen
davon hat. Die Absicht das menschliche Geschlecht
Buch.
zu vermehren, könte bey der Schwachheit eines
Mannes, zur gültigern Ursach einer solchen Trennung
gemacht werden. Es ist aber so unmenschlich einen
theuren Freund ohne sein Verschulden von sich zu
stossen, daß die Erlaubnis der Ehescheidung in sol
chen Fällen schwerlich gerechtfertiget werden kan, da
die Gefahr daß der
den möchte, nicht Statt findet.
Bey einem Mangel der Erben, diese mag
durch die Unfruchtbarkeit des
der Kinder verursacht werden, könte das Mittel
sich Beyschläferinnen
*
zu halten, auf gewisse Weise
noch eher entschuldigt werden. Doch unter der Be
dingung, daß die Kinder einer solchen Beyschläferin
nicht die Güter der wirklichen Ehegattin beerbten,
und auch nicht mehr als einen gewissen Theil von
dem gemeinschaftlich erworbnen Vorrathe erhiel
ten. Wenn der Ehemann sich dieser Freyheit be
diente, müste die Frau auf die Ehescheidung wenn * Die Erlaubnis sich
Beyschläferinnen zu halten,
die in dem
selbst noch nach der Bekeh
rung der Kayser zugestan
den ward, mus man sich
nicht so vorstellen, als wenn
es einem verheyratheten
Manne erlaubt gewesen
wäre, sich neben seiner
Frau andre Personen zu
halten. Es war sowol vor
als nach der Einführung des
Erlaubnis, in eine Art von
nach dem Gesetze der
und selbst der
kommen rechtmässig ist.
Da aber genossen weder die
Weiber noch die Kinder der
Ehren und
Vortheile, die die
juſtae beyden mittheilten.
VII. Die zärtlichen
verbinden
nur zu einer
auf beyden
Seiten glei
chen Ge
meinschaft.
gungen wodurch beyde Partheyen zur
werden, zeigen deutlich, daß sie ein Stand einer
auf beyden Seiten gleichen Gemeinschaft und Freund
schaft sey; und daß kein Theil sich darinn das Recht
alle häusliche Angelegenheiten zu regieren vorbehal
ten könne, oder sich der andre Theil ihm unterwür
fe. Gesetzt auch der Mann besitzt eine vorzügliche
Stärke am Leibe und an der Seele, so verleiht doch
diese in keiner
Aufs höchste kan die andre Parthey dadurch verbun
den werden den erhabnern Fähigkeiten mehr Ehrer
bietung und
Männer in Ansehung der Gemüthsgaben findet sich
nicht durchgängig. Wenn die Männer die
personen
Buch.
ke des
von ihnen in andern Eigenschaften, die vielleicht
noch liebenswürdiger sind, zurück gelassen.
Die
Grund, daß bey einer solchen Verbindung einem
Theile eine besondre Herrschaft oder das Recht zu
befehlen gebühre; und es ist auch nicht wahrschein
lich, daß beyde Theile, vor der Einführung gewis
ser Gesetze oder Gewohnheiten, etwas darüber aus
gemacht haben würden. Wo ausdrückliche Gesetze
und Gewohnheiten, oder gewisse festgesetzte Arten
von Contracten schon lange gebräuchlich sind, haben
unstreitig die Ehemänner ein äusserliches Recht auf
einen gewissen Vorzug. Aber dieser Schatten eines
Rechts, ist von keiner grössern Stärke als diejenigen,
die ein grausamer Ueberwinder den Ueberwundnen
abdringt, oder die oft ein arglistiger Betrüger durch
die Unvollkommenheit oder Falschheit der Gesetze, oder
durch die Schwachheit, Unwissenheit und Unacht
samkeit derjenigen, mit denen er Contracte schliesst,
zu erschleichen weis. Einem redlichen Character ist
es unmöglich sich solche Gesetze oder äusserliche
Formeln, ohne Absicht auf die Redlichkeit und
Billigkeit zu Nutze zu machen. Wenn Mann und
Frau über gewisse Punkte in ihren Einrichtungen
uneinig sind, so ist vielleicht der eine Theil schuldig
in Dingen von keiner sonderlichen Erheblichkeit
demjenigen nachzugeben, der die grösste Geschicklich
keit besitzt, und die wichtigsten Angelegenheiten be
sorgt. Da sich diese grössern Fähigkeiten gemei
niglich bey dem Manne finden, und seine vorzügli
Abschnitt.
che Stärke und die übrigen Eigenschaften seines
chen: so ist es vielleicht in den meisten Fällen, des Wei
bes Pflicht nachzugeben. Wenn sie aber über wich
tige Dinge, welche die
betreffen, nicht einig werden können: so giebt die
Natur kein andres Mittel zu Entscheidung sol
cher Streitigkeiten an, als den Ausspruch gemein
schaftlicher Freunde, die sie zu Schiedrichtern wäh
len müssen. Die häuslichen Angelegenheiten schei
nen in zween besondre Fächer eingetheilt zu seyn,
wovon sich eins allemal für jedes Geschlecht schickt.
Jn diesen mus sich das andre nicht leicht als durch
freundschaftliche Rathschläge mischen.
Die Gewalt die den Ehemännern durch die
tigkeit vieler
bürgerlichen
Gesetze.
Gesetze verschiedener
geheuer, besonders wenn sie sich bis auf Leben und
auch nur eine Gattin mit einer Leibesstrafe zu belegen,
ist so unmännlich als barbarisch. Dem Manne
eine vollkommne Gewalt über alle Güter einer Fami
lie und den Antheil des Weibes zu geben, ist sehr un
vorsichtig und auch der Natur zu wider. Manche
sind, würden dem Bettelstande entgangen seyn,
wenn die Mutter oder eine andre sichre Person die
Gewalt über einen ansehnlichen Theil derselben be
halten hätte. Sachen von Wichtigkeit solten bil
lig der vereinigten Sorgfalt beyder überlassen wer
den, so das kein Theil ohne den andern gültige
Contracte darüber schliessen könte, und ein weltli
Buch
cher Richter oder ein vernünftiger Schiedsmann solte
bestellt werden, Streite von Wichtigkeit die unter
ihnen entstünden zu entscheiden; oder jeder solte die
Gewalt behalten die Angelegenheiten die in seiner
Sache vorkämen, zu regieren. Bey andern ge
meinschaftlichen Contracten erhält keiner von den
Theilhabern eine so unumschränkte Gewalt, es
verlangt sie auch niemand wegen eines Vorzugs an
daß einer dem andern unter den Vorwande eines
solchen Vorzugs auf eine eigensinnige oder beleidi
gende Art begegnete, wie doch viele mürrische
herrschsüchtige und weibische Männer thun; und
dies zur einzigen Belohnung für die zu grosse
Leichtgläubigkeit der
tige übereilte Zuneigung machen. Wir sehn
auch niemals in andern
vollkommensten Theil sich auf eine so unedle und un
dankbare Art gegen seine Obern aufführen, als
viele
erlangt haben; gleichsam um sich wegen des unglei
chen Zustandes worinn die Gesetze sie versetzen, zu
rächen, oder sich mit ihrer List und ihren Verstande
gros zu machen, welche sie in den Stand gesetzt
haben, ihre gewöhnlichen Schranken zu übertreten.
Die oben angeführten Artikel sind die wich
tigsten. Alle Contracte die andre Bedingungen
enthalten, die entweder auf eine gewisse Anzahl
Jahre geschlossen sind, oder nur alsdenn wenn die
gezeugten Kinder leben bleiben, fortdauern sollen, oder
die überhaupt auf Bedingungen beruhn, die nicht
Abschnitt.
in dem Vermögen der Partheyen stehn, sind selbst
bey solchen Nationen, wo sie durch keine ausdrück
lichen Gesetze verboten werden, ungültig, weil sie
wider die Natur und Billigkeit laufen. Ein recht
schafner Mann würde sich nach dem Verlauf der
ausgemachten Zeit, oder durch den Tod aller Kin
der, wenn er auch diese Bedingungen ausdrücklich
ausgemacht hätte, nicht für frey halten, wenn er
nach genauer Ueberlegung das Unrecht und die
Grausamkeit einer solchen Handlung einsähe. Eben
so würde er auch alle nachfolgende Ehen so lange
die erste Frau noch lebte für ungültig halten, sie
müste denn, näch einer hinlänglichen für sie und ih
re Nachkommen ausgemachten Sicherheit, selbst in
die genaue Beobachtung eines solchen Contracts
willigen. Die nachfolgenden so hintergangnen Wei
ber hätten ein Recht etwas für die Kinder, die sie
vor ihrer Trennung gezeugt, zu erhalten; ob sie gleich
durch Schliessung eines solchen Contracts mit dem
Ehemanne einen gleichen Fehler begangen haben.
VIII. Wir fahren weiter fort diejenigen Um
che oder mo
ralische Hin
dernisse des
Ehestandes.
stände anzumerken, die entweder gleich vom An
fange einen Ehecontract ungültig und nichtig ma
chen, oder jede Parthey von ihren Verbindlichkei
ten, wenn er Anfangs gültig gewesen ist, befreyen
können.
Zur ersten Classe gehört eine natürliche Un
fähigkeit zur Ehe die aus einem Hauptfehler an dem
könte auch hierzu noch eine unheilbare Raserey oder
Kraftlosigkeit des Verstandes oder andre sehr böse
Buch.
Krankheiten rechnen, die auf die Nachkommen erben.
Einige Krankheiten sind so traurig, daß es für das
Beste der
den Personen die damit behaftet sind gar nicht er
laubte zu heyrathen, wenn auch die andre Parthey
davon unterrichtet wäre, und sich freywillig einer sol
chen Gefahr aussetzen wolte. Wenn beyde Theile
schon ziemlich bejahrt sind, und es nicht wahr
scheinlich ist, daß sie
es kein Fehler, wenn sie sich Gelegenheit zur eheli
chen Beywohnung und Gesellschaft wünschen; es
müsten denn die Pflichten, oder die Vorsicht die man
Kindern aus einer vorhergegangenen Ehe schuldig
wäre, es verbieten. Weil aber Heyrathen wo beyde
Theile an Alter sehr von einander unterschieden sind,
offenbar der Natur zuwider laufen, und durch die
gar ungültig gemacht werden müsten: so ist es eine
Beschimpfung dieser ansehnlichen Verbindung,
wenn man einen Contract zwischen einem geizigen
und liederlichen Jünglinge und einem alten närrisch
verliebten Weibe, die um ihres Geldes wegen
geliebt wird, mit dem Namen der
Eben dieses findet auch bey der Verbindung eines
alten Mannes mit einem jungen wollüstigen Mäd
chen statt, die gemeiniglich aus ähnlichen oder noch
schlechtern Ursachen dazu bewogen wird. Die ehr
würdigen Gebräuche und Seegenssprüche deren man
sich bey solchen Fällen bedient, sind beynahe got
teslästerlich und dienen, die heiligsten Dinge zum
Gespötte zu machen.
Ein anders rechtmässiges Hindernis, das ei
nen Contract ungültig machen kan, ist der Man
ge sind nicht
fähig Con
tracte zu
schliessen.
gel des erforderlichen Verstandes bey Unmündi
gen. Es ist ausserordentlich, daß da alle gesittete
Völker, wegen der Unvorsichtigkeit der Jugend, die
Unmündigen unfähig gemacht haben, sich in irgend
einer weltlichen Angelegenheit zu verbinden, und
alle ihre Handlungen oder Contracte, die ohne der
Einwilligung ihrer Eltern oder Vormünder ge
schlossen sind, für ungültig erklären, daß dennoch,
sage ich, sich ein Knabe, der über vierzehn, oder ein
Mädchen, das über zwölf Jahr ist, in einer Angele
genheit von weit grösserer Wichtigkeit, die den künf
tigen Zustand ihrer eignen Person, die Wahl eines
Gefährten bey allen wichtigen
bens, eines Mitbesitzers ihres Vermögens, und ge
meinschaftlichen Versorgers ihrer Kinder betrift,
unwiderruflich ohne eine solche Einwilligung, ja
selbst wider die ausdrücklchen Befehle ihrer Eltern,
auf Lebenslang und unwiderruflich verbinden kön
nen. Diese Lehre ist aus der fruchtbaren Quelle
der Verderbnis und des
schen Kirche entsprungen, und um es unmöglich
zu machen, sie zu verbessern, hat sie die Menschen
sorgfältig geblendet, daß sie sich nicht der gewöhnlichen
Hülfsmittel und Ausnahmen, die bey andern thö
richten oder schädlichen Contracten ganz recht
mässig zugestanden worden, bedienen möchten, indem
sie dieselbe in die Wolke des mystischen Unsinns ei
nes Sacraments gehüllt hat.
Die gesunde *
daß alle Heyrathen solcher Leute, die zu andern we
niger wichtigen Angelegenheiten, den gehörigen
Verstand noch nicht besitzen, selbst, wenn sie auch
tig erklärt werden, wenn die Einwilligung der El
tern oder der Vormünder nicht vorhergegangen wäre.
Dies Gesetz, das dem ersten Anschein nach strenge
ist, ist dennoch ausserordentlich wohlthätig. Es
komt mehr dem Verbrechen zuvor, als daß es das
selbe bestraft. Ein keusches
nicht die Absicht hat sich zu beflecken, würde alsdenn
den Unmündigen, die um sie anhielten, nicht Ge
hör geben, und sich noch vielweniger bemühen sie
anzulocken. Hätte ein junger Mensch ein feuriges
unvorsichtiges Mädchen durch Schwüre und Eyde
bestrickt, daß er nach erlangten reiffen Alter die
mit ihr vollziehen wolle, so müste man es der Wahl
der Eltern oder der Vormünder des Mädchens über
lassen, ob sie auf die Erfüllung des Contracts, oder
die Aufhebung desselben, und die Bestrafung des
Verführers mit dem
solche Bestrafung der Jnjurien die man ganzen Fa
milien erweist, kan niemand für zu strenge halten,
da man sie bey viel geringern, wo man uns nur ei
nes kleinen Theils unsrer Güter beraubt hat,
billiget.
* Dies war nach dem
auch nach dem Inſtit. tit. de Nupt. und in
IX. Die
higkeiten sind folgende. 1) Ein schon vorherge
Hindernisse.
Ein schon
vorhergegan
gener Con
tract.
gangener Contract, macht einen nachfolgenden von
gleicher Art, der aber mit einer andern Person ge
schlossen wird, ungültig. Das Recht der
erfordert es, daß die Verehligungen öffentlich be
kant gemacht werden, damit keine verheyrathete
Personen es leugnen, oder andre hintergehen können,
als wenn sie nicht verheyrathet wären. Es findet
sich hier einiger Grund zwischen einem unvollkommenen Contracte, der zu einer künftigen
* Siehe II. Absch. 8. §. 1.
X. Die
wandschaft, als moralische Hindernisse einer Hey
rath angesehn. Die
man gemeiniglich anführt, scheinen kaum von der
Stärke zu seyn, daß sie die entsetzliche Schande und
den grossen Begriff der Gottlosigkeit, womit solche
Ehen begleitet sind, rechtfertigen könnten. Was
man am meisten verabscheut, ist eine Verbindung
zwischen herauf- und herabsteigenden Graden.
Nicht nur die Ungleichheit der Jahre, sondern auch
die natürliche Ehrerbietung, die man solchen Ver
wandten schuldig ist, stehn der Gleichheit, die durch
die Ehe hervorgebracht wird, ziemlich im Wege.
Noch grössere Ungleichheiten in Ansehung der Jah
re aber, machen ja oft eine Heyrath weder moralisch
unerlaubt noch unvernünftig, und nicht alle Arten von
Ehrfurcht, die wir einem höhern Ansehn, oder grös
Abschnitt.
sern Verdiensten, und von Dankbarkeit, die wir für
die grossen Wohlthaten schuldig sind, sind von der
Beschaffenheit, daß sie mit einer ehelichen Verbin
dung nicht bestehen könten, obgleich diejenigen, die
man für Eltern hegt, es zu seyn, scheinen. Wenn
man nicht einen gewissen natürlichen Abscheu an
nimmt, so ist es kaum zu begreiffen, wie sie durch
gängig bey allen Völkern, so durchgängig haben ver
abscheut werden können. Eine unnatürliche Ge
wohnheit, die bey einer gewissen Secte in Persien ein
geführt ist, kan keine Ausnahme vondiesem Grund
satze machen, der durch die Grundsätze der ganzen
übrigen Welt bestätigt wird.
Man führt gemeiniglich an, daß Brüder
te Ursachen.
und Schwestern, weil sie von Jugend auf mit ei
nander lebten, zu früh in solche
fallen, und der grossen Vertraulichkeit wegen, die
unter ihnen herrschte, weniger im Stande seyn wür
den, sich einander zu widerstehn, wenn kein stren
ges Verbot da wäre, daß einen solchen Umgang zum
Gegenstande des Abscheus machte. Es trägt sich
aber oft zu, daß leibliche Geschwister
andre, die noch weitläuftiger verwandt sind, mit ei
nander in gleicher Vertraulichkeit erzogen werden,
und wir sehen keine bösen Folgen, die daraus ent
stehen, wenn man ihnen erlaubt, sich unter einan
der zu heyrathen. Wären die
stern erlaubt, so würde man einsehn, daß diese frü
he Bekantschaft keinen grössern Schaden verursachen
kan, als sie bey andern Gelegenheiten, wo junge
Leute sehr zeitig vertraut werden, verursacht.
Buch.
Wenn es in diesem Falle so gut, als zwischen El
tern und Kindern, einen natürlichen Abscheu giebt,
die den gemeinen Trieb im Zaume hält, so mus er
nicht so gar stark seyn, und wir finden auch, daß
die Heyrathen zwischen Brüdern und Schwestern bey
vielen
sind. Bey solchen Verbindungen
Gleichheit statt, da die lange zur Gewohnheit ge
wordne Autorität, welche die Eltern über ihre Kin
der ausüben, und die Ehrerbietung und Unterwür
figkeit wozu die Kinder gewöhnt sind, vielleicht oh
ne alle andre Abhaltung im Stande sind, alle ver
liebte Regungen zu unterdrücken, zu welchen eine
gewisse Gleichheit allemal unumgänglich erfordert
wird.
Welche natürlichen Ursachen es auch für den
sehr allgemeinen Abscheu vor allen Ehen unter zu
nahen Blutsfreunden oder Verwandten geben mag;
so ist es gewis, daß sich ein solcher Abscheu bey
vielen sehr wenig gesitteten Völkern gefunden hat,
wo es gar nicht wahrscheinlich ist, daß er weder
durch feine Betrachtungen über das gemeine Beste,
oder sehr zarte
vorgebracht worden. Der Abscheu vor solchen
Ehen ist auch durchgängig weit stärker gewesen,
als ihn alle mögliche Absichten auf einen Nutzen oder
die Vorsichtigkeit, hätten eingeben können. Hieraus
schliessen einige scharfsinnige Männer, daß solche
Ehen von *
Ver* Dies scheint der
dischen
Præ.-
Es giebt eine klare und wichtige Ur
liche Ursache
warum die
Klugheit es
erfordert, sie
zu verbieten.
sache, warum es die Klugheit erfordert, daß ein
weiser Gesetzgeber solche Ehen verbieten mus,
weil sie nämlich, wenn man sie nicht verhinderte,
wegen der frühen Gelegenheit dazu sehr häufig vor
kommen, und dadurch die geheiligten Bande der
milie würde für sich selbst ein kleines und von andern,
wenigstens was die starken Verknüpfungen der ver
wandschaftlichen Liebe betrift, abgesondertes Sy
stem ausmachen. Nunmehr aber, da sie verboten,
und ein Gegenstand des allgemeinen Abscheues sind,
werden viele Familien unter einander so wohl durch
Liebe, als die Gemeinschaftlichkeit ihrer Vortheile
verbunden, und mancherley freundschaftliche Ver
knüpfungen viel gemeiner. Vielleicht giebt es in
der Natur noch andre Gründe, die uns unbekant,
oder noch nicht völlig angemerkt sind. Vielleicht
ist die Vermischung verschiedener Familien noth
wendig, um eine Verschlimmerung des menschlichen
Geschlechts zu verhüten; wie viele behaupten, wenn
anders eine solche Vergleichung erlaubt ist, daß man
bey Thieren oft solche Vermischungen mit andern
Geschlechtern vornehmen mus, wenn sie nicht aus
der Art schlagen sollen.
Der oben angeführte Vortheil, der aus ei
die daraus
entstehn.
ist kaum möglich, daß etwas Uebels daraus folgen
könte. Die
andre Arten von Neigungen gesorgt, die reiche
Quellen an Freuden, und hinlänglich sind, sie zu
den Pflichten, die sie sich unter einander schuldig
sind, aufzumuntern. Diese Betrachtungen recht
fertigen jeden Gesetzgeber, wenn er solche Ehen ver
bietet, und nach einem solchen Verbote und der
Bekantmachung der Schande, die auf die Ueber
treter fallen soll, kan nichts als die ausschweifendeste
Wollust, eine Unempfindlichkeit gegen alle
und die gröste Unmenschlichkeit gegen unsern Mit
schuldner, den wir mit uns in einerley Schande
ziehen, uns bewegen, dasselbe
aber alle diese
Namen der Blutschande belegt, nicht nothwendig
und unveränderlich schändlich sind, oder keine morali
sche Unreinigkeit in sich halten, wenn sie nämlich
nicht ausdrücklich verboten worden, erhellet offen
bar, wenn man betrachtet, daß Gott die ersten Kin
dern Adams der unumgänglichen Nothwendigkeit
aussezte, sich unter einander zu heyrathen, und aus
gewissen Absichten, die die Klugheit rechtfertigte,
solche sonst verbotene Ehen erlaubte.
Die christliche Staaten
*
sind in diesem Stü
cke den Jüdischen Gesetzen gefolgt, welche alle Ehen * Jn wiefern das
Testament
setze beybehält, kan man
aus den Gottesgelehrten
und Canonisten sehn. Gro-
tius, Puffendorf
und
Die Grade der Blutsfreundschaft in den
Grade nach
den bürgerli
chen und ca
nonischen
Rechten ge
rechnet wer
den.
Nebenlinien wurden so gerechnet, wie wir aus dem
stammen von einem Urheber. „So viel Genera
tionen man nun von dem ersten Urheber an in bey
den Linien zählet, so viel Grade sind da.“ Brü
der und Schwestern stehen im zweyten, Oheim und
Nichte im dritten, leibliche Geschwister Kinder im
vierten, und dieser ihre Kinder mit einander im
sechsten Grade. Unter die mancherley Betrüge
reyen in dem Pabstthum gehört auch, daß die Ca
nonisten, um in ihren Gerichten mehr Geld für
Dispensationen zu bekommen, das Verbot ausser
ordentlich erweiterten. Sie behielten die Worte
der alten Regel, veränderten aber ihren Verstand
Buch.
durch eine neue Art die Grade zu berechnen. Sie
zählten nämlich die Personen oder Generationen, die
sich von dem gemeinschaftlichen Urheber an, auf ei
ner Seite, und zwar auf der längsten befanden.
Hierdurch kommen Bruder und Schwester nur im
ersten, Oheim und Nichte im zweyten, und leibliche
Geschwisterkinder im dritten Grade zu stehn, und kön
nen also ohne besondre Erlaubnis einander nicht hey
rathen. Die Kinder der leztern kommen erst in den
vierten Grad und sind also die ersten, die einander
ohne besondere Vergünstigung heyrathen können.
XI. Dies sind Hindernisse, die dem
und bürgerlichen Rechte zufolge eine Heyrath so
gleich ohne weitere Umstände null und nichtig ma
chen. Nunmehr aber untersuchen wir die Ursachen
der Ehescheidung, die eine von beyden Parteyen
von einem Contracte, der vorher gültig gewesen ist,
befreyen kan. Diese bestehn, wie bey allen andern
Contracten, in der Uebertretung eines wesentlichen
Artikels: diese mag von einem Verbrechen der ei
nen Partey herrühren, oder in einem
stehn, der sie vollkommen ungeschickt macht, die
Pflichten, die eine solche Verbindung erfordert, zu
leisten; wenn sich die andre Partey nicht zum voraus
hat gefallen lassen, solcher Zufälle ungeachtet, unter
ihrer Verbindlichkeit zu bleiben. Es ist klar, daß der
Ehebruch, den das
sache für den Mann ist, auf die Ehescheidung zu drin
gen, bey dem Manne aber findet sie ebenfalls statt,
weil er seinem Weibe seine Treue versprochen hat,
und sie ihr aus den oben angeführten Ursachen zu
Abschnitt.
halten, verbunden ist. Der Contract darf auch
nicht auf die Bedingung, wenn die erzeugten
der
Der Ehebruch des Weibes macht unsre Nach
kommenschaft unzuverlässig, und verursacht ausser
dem Verbrechen der Untreue noch den empfindlich
sten Nachtheil. Der Ehebruch des Mannes
ist ein offenbarer Meineid, macht ganz natürlich
seine Neigungen von seinem Weibe und seinen
rechtmässigen Kindern abwendig, und bringt viel
leicht die beleidigte Mutter zu einer ärgern Rache,
da sie eine solche Untreue an ihrem Manne wahr
nimmt. Wird der Ehebruch mit lüderlichen Per
sonen getrieben, daß also keine Kinder zu hoffen
sind: so wird er noch aus andern Ursachen ein Ver
brechen, weil dadurch die Neigungen des Mannes
von dem Weibe abgelenkt werden, und die schänd
liche Lebensart befördert wird; worinne es die lü
derlichen Weibespersonen zu ihrer Beschäftigung
machen, Ehen zu trennen,
lasterhafte Gewohnheiten zu ziehn, daß sie zu allen
edlen Bemühungen und Absichten untüchtig wer
den. Was den Ehebruch betrift, wodurch man
das Weib eines andern verführt, so kan kein Ver
brechen, wegen der oben angeführten Ursachen ab
scheulicher seyn. Wie viel
Jnjurien, da eines Mannes
durch eine untergeschobne Brut betrogen werden,
da man ihn falsche Nachkommen aufbürdet, alle
seine Güter zu beerben, als diejenigen, da man
uns durch Diebstal oder Raub eines Theils un
Buch.
srer Güter beraubt? Gewis, keine Strafe kan zu
strenge seyn
*
und die jüdischen Gesetze verdamm
ten solche Verbrecher mit Rechte zum Tode.
Eine andre Ursache zur Ehescheidung ist,
wenn eine Partey die andre ohne Ursache böslich
verlässt, oder nicht die gehörige Gemeinschaft
mit ihr halten will. Jn solchen Fällen kan
freylich die unschuldige Partey die andre mit Ge
walt zu Leistung der ehelichen Pflichten zwingen, oder
sie ist, wenn sie keine Wahrscheinlichkeit sieht, be
friedigt zu werden, von ihrer Verbindlichkeit frey.
Eine
Lebenszeit ist ein wesentlicher Punkt, der auf beyden
Seiten ausgemacht ist, und wenn eine Partey den
selben nicht hält, so wird die andre dadurch befreyet.
Aus vollkommen ähnlichen Ursachen sezt ein unver
söhnlicher Has oder Widerwillen, den ein Theil dem * Siehe Levit. XX, 10. Deut. XXII, 22. Die alten
Die Ehe ist von vielen andern Contracten
Eheschei
dungen ein
gerichtet
werden müs
sen.
darinne unterschieden, daß viel unschuldige Perso
nen, nämlich die gemeinschaftlich erzeugten Kinder,
an der Fortdauer eines solchen Contracts den grö
sten Antheil nehmen. Es darf also den Parteyen
nicht erlaubt werden, ihn nach ihren Belieben auf
zuheben. Wenn aber durch die Schuld einer Par
tey die wesentlichen Endzwecke einer solchen Ver
bindung, nämlich die Erzeugung und
der
durch unser ganzes Leben unmöglich gemacht wird;
so kan man die unschuldige Partey für befreyet
halten, wenn dies vortheilhafter zu seyn scheint, als
die andre mit Gewalt zu Erfüllung ihrer Pflicht zu * Diejenigen, welche eine
bösliche Verlassung für kei
ne Ursache zur Ehescheidung
halten wollen, weil die un
schuldige Partey nicht von
dern verlassen würde, hal
ten sich mit einem elenden
Wortstreite auf.
Buch
zwingen. Sie hat gleichfals ein Recht, bey wel
chem sie die menschliche Gesellschaft schützen mus,
die andre Parthey zu zwingen, daß sie durch ihre
Arbeiten oder eine gewisse Abgabe von ihren Gütern
ihre gebührende Last von der Erziehung und Unterhal
tung ihrer gemeinschaftlich gezeugten Kinder trägt.
Die Gerichte müssen die Punkte worinn ein
solcher Contract übertreten worden, genau und
strenger als bey andern Contracten untersuchen,
und dem unschuldigen Theile auf Kosten des schul
digen seine Genugthuung verschaffen. Ja, wie
in einigen
die billige Gewalt haben zu beschwerliche Contrac
ten zu untersuchen, und sie ganz oder zum Theil
ungültig zu machen, so könte es ebenfalls dienlich
seyn, Leuten, die dazu geschickt wären, die Gewalt
zu verleihen solche
Unglücke gereichen, aufzuheben; diese möchten nun
durch beyder Schuld oder durch eine besondere Ver
schiedenheit ihrer Temperamente unglücklich geworden
seyn. Dieses wäre vollkommen billig, wenn man
nach einer sehr genauen Untersuchung gefunden hät
te, daß sie bey einander niemals in Ruhe und Friede
würden leben können, wenn beyde Theile sich alle
Bedingungen der Ehescheidung gefallen liessen, und
man hinlänglich für den Unterhalt der gemeinschaft
lich erzeugten
they verbunden wäre ihnen zu geben, gesorgt hätte.
Solche Trennungen dürften freylich nicht leicht we
gen kleiner Streitigkeiten, oder vorüberrauschender
Abschnitt.
vielmehr solche Strafen darauf legen, und ein solches
Begehren mit so vielen Unbequemlichkeiten überhäuf
fen, daß nicht leicht eine Parthey auf den Einfall
gerathen könte, sie geringer Streitigkeiten wegen zu
suchen, oder der andern auf eine boshafte Art so zu
begegnen, daß sie dadurch bewogen werden möchte
mit ihr gemeinschaftlich um die Trennung anzuhal
ten. Wenn man einen grossen Theil zum Exempel
das Drittheil oder die Hälfte der Güter von beyden,
oder einen gleichen Antheil von dem was beyde
durch ihre Arbeiten gewinnen könten, so gleich gewis
sen sichern Personen zu erkännte, die dafür zum Be
sten der Kinder wenn sie anders welche hätten, sor
gen müsten, oder wenn sie keine hätten nach dem
Masse ihres Reichthums ihnen eine beträchtliche
Geldstrafe zum Besten des
würde sie dies vielleicht abhalten, geringer Ursachen
wegen um die Ehescheidung anzuhalten, oder einan
der mit Vorsatz so übel zu begegnen, daß der un
schuldige Theil mit dem andern Theil bey einen sol
chen Ansuchen Gemeinschaft machen müste. Neue
Verehlichungen musten beyden Theilen auf eine ge
raume Zeit verboten werden, um zu sehen, ob sie nicht
vielleicht zu einer gegenseitigen
möchten. Wenn sie ohngeachtet dieser beschwerlichen
Umstände, lieber geschieden seyn wollen, um einen
grössern Unglücke das sie ihrer Vereinigung
*
er
* Die Schriftstellen,
worinnen alle Ehescheidun
gen ausser in dem Falle
des Ehebruchs, durchgän
gig verboten werden, finI, 32. X, 5 - 12. XVI,
18.
Aber bey gewissen andern
Verboten, die eben so all
gemein sind, glaubt man,
daß entweder etwas ausge
lassen sey, oder daß sie
dem ohngeachtet mehrere
Ausnahmen leiden. So
glaubt man, daß V, 34. &c
und V, 12.
etwas ausgelassen sey, und
daß diese Stellen auch von
denenjenigen, an die sie ge
richtet gewesen, so verstan
den worden: „Eure Lehrer
sagen euch, daß gewisse
Formeln, wornach man
schwört verbinden, und daß
andre nicht verbinden, das
gewisse bindend sind und
andre nicht. (Siehe XXIII, 16 - 22.)
Aber ich
sage euch, schwört niemals
anders (in der Absicht
euch zu verbinden) als bey
dem Himmel &c
“ Dar
auf zeigt unser Erlöser,
daß alle solche Formeln,
und selbst diejenigen, wel
chen ihre Lehrer die Kraft
zu verbinden nicht zuge
stunden, nichts anders
sind, als gleichbedeutende
Schwüre bey Gott. Siehe Grot de I. B. & P. l.
2. c. 13.
Wenn die Verderbnis solcher Personen, die sich
zu den besten Gesetzen bekennen, allemal auf die Ge
Erster
Abschnitt.
setze selbst oder auf ihre Urheber zurück fiele: so kön
te der Christenheit nichts zu einer grössern Schande
gereichen, als die Gesetze die in vielen christlichen
Staaten in Ansehung der Hurerey, des Ehebruchs
und der Ehescheidung eingeführt sind. Die
empfielt uns freylich die Reinigkeit der
und zeigt uns alle entgegengesetzte
schönigung in ihren häslichsten Farben; aber in
Buch.
vielen
rerey, die Verführung vorher unschuldig gewesener
Personen durch Anwendung aller Betrügereyen und
des Meineids kein Verbrechen das den Gesetzen nach
strafbar wäre, wenn keine Gewalt gebraucht worden
ist; als wenn die Gesetze jedem alle mögliche Arten
der Wollüste, und die Befriedigung der schändlich
sten Geilheit erlaubten. Für diejenigen, die nur ei
nigen Fortgang in der Unverschämtheit gemacht ha
ben, ist die Strafe womit sie von der
werden, nur ein Spas. Auch für den Ehebruch
findet sich auf beyden Seiten keine gehörige Strafe.
Jn gewissen Ländern mus eine Geldstrafe gleichsam
zur Schadloshaltung erlegt werden. Niemand
wird durch solche Verbrechen unfähig gemacht alle
Ehrenstellen in bürgerlichen und Kriegsdiensten zu
erhalten, oder deswegen bey seinen Ansuchen um eine
solche Stelle weniger günstig aufgenommen. Dem
ohngeachtet sieht Gott und die Welt wie gewisse Ce
remonien und Moden durch die Kirchengesetze ein
geschärft, und auch durch die weltlichen Rechte be
hauptet werden. Uebertritt man dieselben, wenn
es auch aus einen
nung geschehen solte, daß wir Gott damit beleidi
gen würden, so sind wir aller Hoffnung auf irgend
eine Ehrenstelle, oder irgend ein ansehnliches Amt
in unserm Vaterlande verlustig.
Ferner, ob man gleich den
rechtmässige Ursach zur Ehescheidung hält, so for
dert man doch gemeiniglich solche Beweise davon,
die es beynahe niemals möglich ist zu schaffen. Da
Abschnitt.
die gegenseitige Zufriedenheit beyder Partheyen in ei
ne solchen Verbindung, jeder derselben, wenn sie der
andern getreu ist, wichtiger seyn mus als die Un
terhaltung einer
mus aller andre vertraute Umgang diesem, wenn
er nicht damit bestehen kan unstreitig weichen; ob
gleich nicht leicht bey Leuten die tugendhafte Absich
ten haben ein solcher Umgang eine Parthey wird
beunruhigen können. So bald also eine Parthey
die andre wegen einer zu grossen Vertraulichkeit
mit einer dritten Person im Verdachte hat, und
ihr denselben in Gegenwart einiger Zeugen bekant
macht, solte jede freywillige Unterredung der ver
dächtigen Parthey mit der dritten Person an einen
einsamen Ort für einen Beweis des Ehebruchs ge
halten werden. Die freundschaftlichste Unterre
dung mit einen den wir auf eine erlaubte Art lie
ben, kan an öffentlichen Orten oder an solchen wo
wenigstens mehrere Personen zugegen sind, gehal
ten werden.
Ferner erlaubt das päbstliche Recht die Ehe
heiten, im
päbstlichen
Rechte.
scheidung wegen des Ehebruchs, welche die einzige
hinlängliche Ursache ist, die es Statt finden läst;
bestraft aber die Schuldigen nicht nach ihrem ver
dienten Lohne, und verschaft der unschuldigen Par
they keine Gerechtigkeit. Beyde werden ferner wider
alle gesunde
chungen abgehalten. Man könte die Schuldigen
vielleicht mit Rechte abhalten, daß sie diejenige
Person mit der sie das Verbrechen begangen hätten,
nicht heyrathen dürften, denn sonst könten viele
Buch.
durch die Hofnung den Gegenstand ihrer unerlaubten
Neigungen zu besitzen zum Ehebruch bewogen werden.
Aber man solte sie nicht der Nothwendigkeit ausse
tzen ein
se Neigung gezeigt haben, sondern man solte sie mit
andern Strafen belegen. Es würde schicklicher seyn sie
zu Heyrathen mit Personen die schon ihrer Schande
wegen bekant
zu zwingen, damit sie desto weniger wieder in die
Versuchung gerathen möchten andre zu verführen.
Die unschuldige Parthey von dem Vergnügen der
chen dersel
ben in der
Geschichte
untersucht.
Den Ursprung dieser Gesetze entdeckt man
sehr leicht in der
Verfolgungen waren einige
fe von der Heiligkeit die im Leiden bestünde, und ei
ne Unreinigkeit in unsern unschuldigsten Vergnü
gungen, beynahe durchgängig eingerissen. Man
glaubte, daß weltliche Verrichtungen, mit der höch
sten
Frömmigkeit niemals aufrichtiger und lebhafter ist,
als wenn sie uns zu allen gefälligen und liebreichen
Diensten gegen andre, aus einer Empfindung von
unsrer Pflicht gegen
wahre
*
ligion
bung in den göttlichen Willen, und sogar auch die
Abwendung unsrer Gedanken von irrdischen Din
gen, so gut an einem
ger, als in einer Wüsteney gefunden werden können. * Siehe Erster
Abschnitt.
Man bewunderte in den uralten Zeiten den ehelosen
Stand als heilig, und glaubte von der keuschesten
Ehe, wenn man noch am besten davon urtheilte,
daß sie ein der höchsten Reinigkeit ein unfähiger
Stand wäre. Die Geistlichen, die für Muster der
nahe durchgängig unverheyrathet, und priesen ei
nen solchen Stand an. Da sie nach der Einfüh
rung des
in die Hände bekamen, wurden sie so verderbt als
die Layen, um aber ihren alten bekanten Grundsätzen
Layen und die Ehrerbietung, die man ihnen durch
gängig erwies, zu behaupten, musten sie diesen
Schein der Heiligkeit und Entfernung von der
Welt beybehalten, ob er gleich der ausdrücklichen
Lehre der
ersten
anbefohlen, im ehelosen Stande zu leben, und diese
Befehle wurden in den verderbten Zeiten oft wider
holt. Dagegen aber schmiedeten sie ein Gesetz nach
dem andern, um sich vor der Schande, die sie wegen
Unterhaltung ihrer
dienten, zu sichern. Es ist sehr begreiflich, daß
nach einem solchen Verbote der erlaubtesten Ergetz
lichkeiten ins geheim die grösten Wollüste von einer
verderbten Art Menschen musten getrieben werden,
die über dies noch in aller Ruhe und Ueppigkeit lebte.
Jn dem eilften und zwölften Jahrhunderte, den Zei
ten der Unwissenheit und des
alles Recht,
suchen, und darüber zu erkennen, der weltlichen
Buch.
Obrigkeit entzogen, und der geistlichen zugeeignet.
Die Strafe, womit sie die Verbrecher belegten,
waren vielerley unnütze, und zuweilen
Bussen, oder Geschenke, die sie den Geistlichen ma
chen musten. Die vorigen Gesetze waren für ihre
Absichten zu strenge. Der Ehebruch war für eine
solche Geistlichkeit die bequemste Art zu sündigen;
sie durften nicht fürchten, entdeckt zu werden, und
eben so wenig für den Unterhalt ihrer erzeugten
der
chung eines Ehebruchs erforderte, musten also schwer,
und beynahe unmöglich gemacht, und allen, die auf
eine solche Art Art beleidiget worden, so viel mög
lich, die Lust benommen worden, ihre Genugthuung
gerichtlich zu suchen. Dem beleidigten Kläger
muste man nach einer Ehescheidung, die er durch
die deutlichsten Beweise erhalten, alles anderweiti
gen Heyrathen verbieten. Es würde gar zu wi
dersprechend gewesen, und selbst einer papistischen
wenn man den Ehebrecherinnen und ihren Liebha
bern, alle Strafe erlassen hätte, ohne bey den Ehe
brüchen der Männer eine gleiche Gelindigkeit zu ge
brauchen. Aus diesen Ursachen wurden die Stra
fen für alle nur sehr leicht eingerichtet, und die
Geistlichkeit kante die vorzüglichen Vortheile sehr
gut, die für sie aus den
ihrer Heiligkeit hatte, und der guten Gelegenheit
durch ihre Beichten, und andre unter dem Schein
der
zu werden, entstanden.
XIII. Die allgemeinen Pflichten bey einer sol
chen Verbindung, können wir hinlänglich aus den
Pflichten bey
einer solchen
Verbindung
Endzwecken, wozu sie bestimmt ist, ersehn. Da die
ser Stand eine durch unser ganzes Leben beständige
sicht bey der Wahl der Mitgenossen erfordern,
die durch ihre
heit und einandre ähnliche Beschaffenheit der Tem
peramente, diese Verbindung zu einer innerlichen
auf aufrichtige
schaft machen müssen
jenigen, die sich hinein begeben wollen, sich zu einer
selbst zu beherrschen, zu gewöhnen, und eine Wis
senschaft von den Dingen, die im menschlichen Le
ben vorkommen, zu erlangen. Bey der Wahl, einer
sich für uns schickenden Person, sollte der Rath unsrer
Freunde für uns von grossem Gewichte seyn. Jun
ge Leute schenken oft ihre Neigungen ohne Ueberle
gung weg, und wenn es einmal geschehen ist, sind
sie nicht mehr im Stande richtig und unpartheyisch
zu urtheilen.
Es ist von grossem Nutzen, wenn man vor
läuffig von den Schwachheiten und Unvollkommen
heiten, die den Besten unter dem menschlichen Ge
schlechte allmal noch ankleben, wohl unterrichtet ist;
und also der
ne beständig gleiche, heitre, kluge, und ruhige Auf
führung eines Theils, als möglich vorzustellen.
Oft glauben junge Leute in einander solche Gemüths
arthen zu entdecken, wenn sie von einer starken
Buch.
gegenseitigen
nicht durch die Verdrüslichkeiten oder unvermuthe
ten Unfälle, die in einer Familie allemal vorkommen,
auf die Probe gestellt sind; und also wird ihnen nachher
die geringste Verdrieslichkeit der kleinste Widerstand
zur Ursache, sich darüber zu wundern, und
ten und den plözlichen Anfällen von Leidenschaften,
denen die besten
ben, hinlänglich unterrichtet sind, so werden wir sie
von jemanden, bey dem die guten Eigenschaften die
Oberhand haben, gern geduldig ertragen, und durch
die gemeinen Unfälle des Lebens, weit weniger auf
gebracht, oder verdrieslich gemacht werden. Jede
Gelegenheit, wo der andere Theil seine Gutherzig
keit, oder andre liebenswürdige Eigenschaften zeigt,
jeder Fall, wo er sich aus Gefälligkeit selbst über
windet, oder aus
genseitige Liebe und Hochachtung eines solchen Paa
res vergrössern.
XIV. Hier können wir die übertriebnen Ein
fälle des
Er beobachtet die mancherley Unbequemlichkeiten,
die aus den eingeschränkten Banden der
der väterlichen Liebe entstehen; daß die meisten
Menschen ihre Absichten und Neigungen auf eine
kleine Zahl von Gegenständen einschränkten, und
allgemeinere Vortheile verabsäumten, weil sie nur
für den Nutzen ihrer
Eyfer sorgten, daß in solchen Personen die
Abschnitt.
übersehen, und die gehörige Strenge gegen sie nicht
beobachtet würde; daß unendliche Streitigkeiten
durch die Eyfersucht, und über streitige Rechte der
Familien entstünden. Oft würde ein grosser Reich
thum für die unnützesten Mitglieder der
aufgehäuft, und die Leute aus solchen eingeschränk
ten Absichten, und nicht wegen ihrer Tugenden oder
ihrer Verdienste zu grossen Ehren und hoher Ge
walt befördert. Er schlägt also in seinem Staate
eine gewisse Versammlung von Oberaufsehern
*
vor, wodurch nicht nur alle Güter gemein gemacht,
sondern auch alle diese eingeschränkten Arten von
Zuneigung verbannt werden. Seinem Plane nach,
war es niemanden erlaubt, für sich ein
nehmen. Vater und Mutter würden ihre eignen
Alle Kinder würden gleich nach ihrer Geburt in ge
wisse öffentliche Häuser gebracht, und also zu Kin
dern des
der diesen Plan liest, wird viele ungerechte Vorwür
fen, die man ihm gemacht hat, falsch befinden. Nie
mals ist in dem Entwurfe einer Regierungsform we
niger für die Befriedigung der
Ein grosser Fehler dieses Plans scheint
tige Einwür
fe dawider.
darinnen zu bestehen, daß er sich zu der menschli
chen
gepflanzt hat, nicht schickt. Wir haben schon die
grossen Uebel gezeigt,
**
die aus der Gemeinschaft der * Die **
Pro conjugibus & liberis, pro avis
& focis
,
Es müssen höhere Arten von
chen Neigungen
Geschäftigkeit, Arbeit und Gefahren, blos aus einer
ruhigen allgemeinen Neigung gegen das ganze Ge
schlecht angenehm werden sollen; wenn wir eines
so zärtlichen Zusammenhanges und der Hofnung
beraubt sind, daß wir unsre Freygebigkeit, Gros
muth und Pracht, unserm Gefallen nach werden
zeigen, und zu der
züglich lieben, etwas beytragen können. Die Ge
setzgeber eines jeden Staats, können vermittelst einer
sehr mittelmässigen
Gesetze über die Kinderzucht, die Gewalt der Sit
tenrichter, über die Beschaffenheit der Personen, die
der Wahl zu Aemtern und Ehren fähig sind, und
die Beerbung der Eltern, machen, daß dadurch die
ärgsten von den Uebeln, die
nahe
gen das Leben seinen
natürlichen Verbindungen der Familien durch * Siehe Xenop. Cyroped Mores Utop. Telemach. und
Das Verlangen
nicht durch andre Verlangen eingeschränkt, oder über
wogen wird.
unsre Kinder lange in einem sehr schwachen Zustan
de bleiben, wo sie einer beständigen Hülfe und Vor
sorge von andern, sowohl ihrer Schwachheit, als
der Unwissenheit wegen, benöthigt sind, worinnen
sie sich in Ansehung der Gefahren, womit sie be
ständig umgeben sind, befinden. Die Kinder müs
sen in vielen Dingen unterrichtet, und sehr oft von
Sachen, wornach sie ein Verlangen besitzen, abgehal
ten werden; wenn sie zur Reiffe gelangen, und ih
re Rolle im menschlichen, Leben nur mittelmässig
spielen sollen. Für alle diese Bedürfnisse hat die
Natur gesorgt, indem sie den Herzen der Eltern,
die
durch ihnen diese lange und mühselige Aufmerksam
keit versüst wird. Weil wir
und fähig sind, etwas vorauszusehn, oder durch Zeit
und lange Aufmerksamkeit * Siehe 1.. 2.
Abschnitt.
meln: so ist diese Liebe so eingerichtet, daß sie unser
ganzes Leben durchdauert; denn die Kinder können,
so lange die Eltern leben, ihrer Hülffe oder ihres
Raths bedürfen, und in vielen andern Betrachtun
gen die grösten Vortheile von ihnen erhalten.
Die Eltern können ebenfals ihr ganzes Leben hin
durch vermittelst dieser starken und beständigen Zu
neigung, und der
ständig neues Vergnügen geniessen. So hat die
Natur die freundschaftlichsten Gesellschaften und
dauerhaftesten Verbindungen vermittelst dieser un
veränderlichen Zuneigung der Eltern, und der star
ken Bewegungsgründe von Dankbarkeit hervorge
bracht, die sie den Kindern zeigt, diese natürliche Nei
gung durch ihre Aufführung zu befestigen.
Die Absicht
stand der
Kinder und
die Liebe der
Eltern
gründen die
ser ihre Ge
walt.
durch seine ganze Einrichtung. Denen Eltern zeigt
ihre natürliche Zuneigung gegen die Kinder ihre
Verbindlichkeit, dieselben zu erhalten, und ihre
Glückseligkeit nach äusserstem Vermögen zu beför
dern zu suchen. Der schwächliche und unwissende
Zustand, worinne die Kinder lange beharren, zeigt
uns der Eltern unumgränzte Gewalt, ihre Hand
lungen, so wie es ihre Sicherheit, und eine gehörige
se Gewalt für die Kinder leicht und sicher, indem
sie alle unnöthige Strenge verbietet. Die Zunei
gung der Eltern selbst mus sie geneigt machen, den
Kindern, so bald sie zu einer reifen Stärke und
käntnis
sie nämlich fähig sind, sie zu geniessen, und ihren
Buch.
dem ohngeacht aber werden sie dieselben noch immer
die Vortheile ihres Raths, und alle andern Wohl
thaten geniessen lassen. Die Kinder hingegen müs
sen, so bald sie nur das Geringste von den sittlichen
Pflichten verstehn lernen, einsehen, daß sie verbun
den sind in ihren jungen Jahren sich zu unterwer
fen und gehorsam zu seyn; daß sie dankbar seyn,
und dieses so sehr es in ihren Vermögen steht, ih
ren Wohlthätern zeigen müssen; daß sie vor allen
Dingen ihren Neigungen nachgeben müssen, wenn
nämlich eine solche Gefälligkeit, mit dem Vergnü
gen, das ihnen die
bestehn kan, und daß sie oft verbunden seyn können,
ihnen ihre eignen Neigungen und Ergötzlichkeiten
aufzuopfern, wenn diese nicht zu ihrer Glückseligkeit
unentbehrlich erfordert werden. Sie müssen er
kennen, wie heilig die Pflicht ist, ihre bejahrten El
tern in ihren Schwachheiten oder ihrer zweyten Kind
heit zu ertragen, und ihrem zuweilen verdrieslichen
und mürrischen Wesen mit Sanftmuth zu begeg
nen, weil sie in ihrer Kindheit eine gleiche Begeg
nung sehr lange aus einer zärtlichen uneigennützi
gen Neigung ausgestanden haben. Ohne diese Nei
gung würden sie niemals zur Reife gediehen seyn;
keine menschliche
bürgerlichen Obrigkeit hätte ihre Erhaltung gewis
machen, oder ihre Eltern zu einer so getreuen und
sorgfältigen Aufmerksamkeit zwingen können.
II. Die offenbare uneigennützige Natur dieser
Neigung zeigt ebenfalls die Natur und die Dauer
Abschnitt.
der Gewalt der Eltern. Der Grund des Rechts ist
die Schwachheit und Unwissenheit der
es unumgänglich nothwendig macht, daß sie eine
geraume Zeit von andern regiert werden mus, und
die natürliche Zuneigung der Eltern zeigt uns, daß
sie die von der Natur bestimmten Regierer sind,
wo keine kluge Einrichtung des
wirksamere Art für ihre Erziehung gesorgt hat.
Die uneigennützige und grosmüthige Natur dieser
Neigung zeigt, daß eine solche Gewalt von der
tur
seligkeit derselben auch zum Vergnügen und zur
Freude der liebenden Eltern bestimmt ist. Dieses
Recht kan sich also nicht so weit erstrecken
*
, daß
es den Eltern erlaubte, die
sie auf eine elende Art als Sclaven zu halten.
So bald sie zu reifen Jahren und zur
gelangt sind, darf ihnen diejenige
den vernünftigen Vergnügungen des Lebens erfor* Die Lehre des
in diesem Punkte mus den
Unwillen aller dererjenigen
erwecken, die nur der ge
meinen
obgleich seine Schlüsse zum
Theil auch von andern an
genommen werden.
schätzt die Kinder so wie
ein andres Gut oder eine
Waare, das zuerst von der
Mutter in Besitz genommen
wird, und sich
in ihrer Gewalt befindet,
abtreiben, oder bey der Ge
burt erdrücken können. Jn
der
ihren Rechten dem Manne,
als dem Stärkern, oder
vermöge ihrer Einwilligung
unterworffen. Die unum
schränkte väterliche Gewalt
erstreckt sich also auf das
ganze Leben, so daß der Va
ter seine ganze Nachkom
menschaft tödten, verkaufen,
oder auf ewig in die Scla
verey bringen kan.
Buch.
dert wird, nicht versagt werden. Die Zuneigung der
Eltern macht ihnen eine solche Befreyung gewis, wie
sie durch die von Gott ihnen verliehene
dazu berechtiget werden.
Dieser Grund der väterlichen Gewalt zeigt
uns ganz deutlich, daß beyde Eltern ein gleiches
Recht darauf haben; und daß der Mutter unrecht
geschieht, so oft man ihr ihren gleichen Antheil da
von entzieht, wenn sie nicht ihrem Manne aus
Vertrauen auf seinen erhabnern Verstand freywil
lig den lezten Ausspruch in allen Angelegenheiten
zugestanden hat. So bald aber der Vater sich ei
ner Sache nicht annimmt, oder abwesend, oder gar
todt ist; gebührt dieses ganze Recht der Mutter.
Diese ganze Gewalt kan sich, weil sie nichts als die
Erhaltung und gute Erziehung der Kinder zum
Grunde hat, auf nichts weiter als mässige Züchti
gungen erstrecken, die im geringsten nicht das Le
ben in Gefahr setzen dürfen; und der höchste Grad
der Strafe ist, eine gänzliche Verlassung, oder Ver
stossung aus der Familie. Es ist ebenfalls klar,
daß dieses Recht seiner Natur, Absicht und Dauer
nach gänzlich von dem Rechte der
walt unterschieden seyn mus, welchem eine grosse
Anzahl erwachsner Personen des gemeinen Bestens
der
bet; welches auch zu allen Strafen und gewaltsa
men Mitteln berechtigt, die die Vertheidigung
oder die Sicherheit des gemeinen Wesens erfordern
kan; weil dieses auf keine besondre Neigungen,
die die Natur gegen wenige in unsre Herzen ge
Abschnitt.
pflanzt hat, sondern auf die allgemeine Liebe ge
gen das Ganze gegründet, und von Menschen ei
ner grossen Gesellschaft zum Besten eingeführt ist.
Diese Gewalt der Eltern aus der blossen
Zeugung herzuleiten, ist eine thörichte Anwendung
gewisser Grundsätze, die in Ansehung des Eigen
thums angenommen sind, und hier so ungeschickt als
möglich ist, angewendet werden. Die
der
tern gebildet, aber im geringsten nicht durch ihre
wider ihre Absicht, und ihren Wunsch.
den Eltern die zur Fortpflanzung nöthigen Eigen
schaften mitgetheilt hat, bildet so gut die Leiber der
Eltern als der Kinder, und verordnet blos diese Art
ihrer Zeugung, um beyden ihre Rechte und Pflich
ten zu zeigen. Die
ist ein eignes unmittelbar von ihm hervorgebrach
tes Wesen. Man kan also Kinder nicht als einen
Zuwachs oder als Früchte der Leiber ihrer Eltern
ansehn, und glauben, daß sie denselben in allen
möglichen Umständen folgen. Sie werden ver
nünftige wesentliche Theile des grossen Systems,
und erlangen ein gleiches Recht auf alle natürli
che Rechte, welche ihre Eltern geniessen, so bald
sie vernünftig genug sind, sie gehörig zu gebrau
chen. Sie werden durch die Zeugung eben so we
nig ein Eigenthum ihrer Eltern, als sie durch das
Saugen in die Gewalt der Ammen gerathen; da
doch aus dem Leibe solcher Personen oft mehr Thei
le in den Leib der Kinder übergehn, als noch von
Buch.
beyden Eltern darinnen übrig sind. Nach dieser Art
zu schliessen erhielte der Eigenthümer des Viehes
von dem sie eine Zeitlang genährt und geklei
det worden, ein noch stärkeres Recht. Ein Va
ter, der sein Kind wegsezt, oder seine
nachlässigt, hat kein Recht auf irgend eine Gewalt
über dasselbe, sondern derjenige, der für seine Erzie
hung und Erhaltung freywillig sorgt, erhält, ob
er es gleich nicht gezeugt hat, die väterliche Ge
walt darüber. Die Zeugung zeigt blos, vermittelst
der natürlichen Zuneigung, die sie hervorbringt,
diejenige Person an, der diese Pflicht obliegt, und
solche Personen sollte man in Ausübung derselben
nicht hindern, oder ihnen die dadurch erlangte Gewalt
streitig machen; man müste denn noch mehr
für das Kind sorgen, und es durch eine bessere Er
ziehung glücklicher machen wollen. Wenn aber
die Eltern todt sind, oder sich dieser Pflicht aus
Bosheit entzogen haben: so erlangt ein jeder, der
die Sorge für die Erziehung freywillig übernimmt,
alle Gewalt der Eltern.
Diese Hauptabsicht der Gewalt der Eltern
zeigt, daß sie wenige von den Rechten in sich be
greift, die bey den Römern die patria poteſtas ver
schafte. Das
tet werden, welche die Fähigkeit hat,
handeln; und die wider ihre Eltern gegründete
Rechte zu behaupten im Stande ist, obgleich diese
die natürlichen Vormünder derselben sind, und ein
Recht haben, die Handlungen des Kindes, so lange
es ihm noch an gehöriger Vernunft fehlt, zu regie
Abschnitt.
ren, und seine Güter zu verwalten. Wenn ein Kind
durch Schenkungen, Vermächtnisse oder Erbschaften,
Güter erhält, so sind die Eltern nicht die Eigen
thümer, sie dürfen sich auch nicht mehr von den
jährlichen Einkünften derselben zueignen, als ihnen
gebührt, um alle Unkosten und Mühe, die ihnen durch
den Unterhalt und die Erziehung des Kindes verur
sacht worden sind, zu ersetzen. Eben dieses kan man
von allen Gütern behaupten, die ein Kind vermittelst
einer besondern Klugheit oder Geschicklichkeit, wäh
rend seiner Unmündigkeit erlangt; denn diese kön
nen oft viel mehr betragen, als zu allen nöthigen
Kosten einer klugen Erziehung erfordert wird.
III. Dies mag von der Gewalt der Eltern im
des
einer Fami
lie.
eigentlichen Verstande genug seyn, welche ganz na
türlich aufhört, so bald die Kinder dem völligen Ge
brauch ihrer Vernunft erlangt haben. Es giebt noch
zwo andre Arten von Gewalt, welche gemeinig
lich darauf folgen, aber von sehr verschiedener Na
tur, und auf ganz andre Gründe gebaut sind.
1) Die Gewalt des Haupts einer Familie.
2) Das Ansehn, oder der Einflus
(wodurch man
es eher als durch Gewalt ausdrücken könte) den die
Eltern ihre Lebenszeit hindurch über ihre Kinder be
halten, wenn diese auch schon erwachsen sind, und
nicht mehr in ihren Häusern leben. Was die erste
betrift so setzt man, wenn jemand erwachsne Kin
der oder andre Freunde in seinen Hause unterhält,
voraus, daß diese sich der einmal in der Familie
eingeführten
selben verlangt, unterwerffen, da sie durch ihren
Buch.
freywilligen Aufenthalt darinnen stillschweigend er
klären, daß sie sich eine solche Unterwürfigkeit ge
fallen lassen. Hätten sie nicht darein willigen wol
len, so hätten sie sich auch nicht die daraus entste
henden Vortheile oder Bequemlichkeiten anmassen
müssen. Diese Gewalt ist blos auf die Einwilli
gung derjenigen die ihr unterworfen sind gegründet,
und diese wird durch ihren freywilligen Aufenthalt
in der Familie bekant gemacht. Diese Gewalt kan
von keinem grossen Umfange seyn. Zur Erhaltung
der Ordnung in einer tugendhaften Familie wird
wenig Strenge erfordert, und die äusserste Bestrafung
wozu das Haupt derselben berechtigt seyn kan ist die
Verstossung aus derselben. Hat ein Mitglied Ver
brechen begangen, welche eine härtere Strafe verdie
nen, so hat das Haupt der Familie und jeder andre
eben die Rechte zu bestrafen, die er gehabt ha
ben würde, wenn die schuldige Person niemals dar
innen gelebt hätte. Aus einem solchen Stande oder
einer solchen Verbindung entsteht kein Recht jeman
den mit einer von den strengern Strafen zu belegen.
Wenn zu irgend einer Zeit die Gewohnheit einge
führt wurde, daß die Häupter der Familien eine hö
here Gewalt über ihre Hausgenossen ausübten, und
wenn erwachsene Personen, die dieses wüsten, in
dem Schosse der Familie blieben, und also in eine
solche Gewalt willigten: so konten sie unstreitig
dadurch dem Oberhaupte einer Familie eine eben
so hohe Gewalt über sich verleihen, als itzt von der
bürgerlichen Obrigkeit ausgeübt wird, und also ei
ne Familie zu einer kleinen Monarchie machen.
IV. Die andre Art der Gewalt ist diejenige,
welche die Eltern billig allemal über ihre Kinder
liche Pflicht
hört niemals
auf.
behalten sollten, wenn diese sich gleich schon selbst
unterhalten, und eine neue Familie ausmachen. Diese
ist noch mehr von aller Aehnlichkeit mit der bürgerli
chen Gewalt, oder irgend einen Zwangsrechte, oder
dem Rechte irgend eine Handlung der Kinder un
gültig zu machen, entfernt
mehr als einem Rechte das auf die starken Pflichten
der Dankbarkeit, alle edle
der, und der Unterwürfigkeit gegründet ist, die
alle der geheiligten
sind. Dieses Recht mus sie geneigt machen den
Neigungen der gütigen Wohlthäter, die mit so an
haltender Geduld und
ten ihrer Jugend ertragen haben, und noch immer
die zärtlichste
befriedigen, und wenn sie auch nicht die
sten
die gröbste und unerlaubteste Undankbarkeit, wenn
sie für das Vergnügen ihrer Eltern in ihren alten
Tagen nicht sorgen, wenn sie die gewöhnliche Ver
drieslichkeit des
bedenken, den Vortheilen oder Vergnügungen so gü
tiger Wohlthäter und getreuer Freunde, die ihrigen
aufzuopfern, wenn diese nicht von besonderer Er
heblichkeit sind.
Besonders sind die Kinder aufs heiligste ver
bindet uns
zu einer
dankbaren
Gefälligkeit.
bunden die Neigungen ihrer Eltern bey allen Din
gen die so wohl für jene als auch für sie von gros
ser Wichtigkeit sind, zu Rathe zu ziehen. Hieher
Buch.
gehört ihre Verheyrathung; wodurch diejenigen
das Leben erhalten, die einmal ihre Gros - El
tern so gut vorstellen, als diejenigen von denen sie
unmittelbar gezeugt worden, auch sehr oft jenen
eben so lieb als diesen sind. Die Verheyrathung
ist wirklich für die
den Partheyen wichtiger als für ihre Eltern, und
diese haben also kein Recht sie mit Gewalt wider ihre
Neigungen zu zwingen, und also ihr ganzes Leben
misvergnügt und unglücklich zu machen. Hinge
gegen wird sich auch ein Kind welches eine Person
heyrathet die seinen Eltern unbezwinglich zuwider
ist, der angenehmsten Gemeinschaft mit ihnen berau
ben; und es ist also verbunden wenn es gleich schon
zu reiffen Jahren und zur
den Eltern so viel möglich in diesen Punkte zu fol
gen. Es würde eine grausame Belohnung für al
le Sorgfalt und die beständige Liebe der Eltern seyn,
wenn man durch eine übereilte Heyrath sie des Ver
gnügens berauben wollte, diejenigen die ihnen sonst
allemal die theuresten sind, zu lieben. Wenn das Kind
die Abneigung der Eltern von der geliebten Per
son für unbillig hält, so ist es verbunden vorher
alle mögliche Vorstellungen zu thun, auch sich um
Schiedsrichter zu bemühen, damit durch kluge Freun
de ein solches
Ein Kind handelt grausam und undankbar, wenn
es ohne vorher alle diese Mittel versucht zu haben,
ohne der Eltern Einwilligung einen solchen Schritt
thut. Sind sie aber versucht, und die Vorurthei
le von den Schiedsrichtern ungegründet befunden
worden, sind die Neigungen des Kindes schon so
Abschnitt.
sehr
unglückliches Leben führen würde; so hat es das
Recht sich seiner
seligkeit zu bedienen; und mus sich in der Folge
noch immer bemühen, durch die gehorsamste Auf
führung die Vorurtheile der Eltern zu überwinden.
Da die geheiligten Bande der
gegen die
Schwachen
oder Eigen
sinnigen.
nur selten durch die ungehorsame Aufführung der
Kinder gänzlich aufgelöst werden können: so wird
auch ein rechtschaffner Mann auf der andern Seite
die natürlichen Neigungen seines Herzens so stark
zu machen suchen, daß keine Reizung sie
im Stande ist. Ein tugendhafter Mann hat alle
mal so viel Achtung oder Ehrfurcht vor der Ord
nung der Natur, daß er gegen die ärgsten Eltern,
gegen solche die das Vermögen der Familie ver
schwendet, oder gar ihn in seiner Jugend vernach
lässigt hat, mehr Zuneigung behält als gegen einen
Fremden von gleichem Character. Ein
wenn es zur Reife gekommen ist, allemal in so fern
es die Gesetze der Gesellschaft erlauben, den Ver
schwendungen der Eltern Einhalt zu thun suchen.
Dem ohngeachtet bleibt es immer liebenswürdig in
solchen Umständen eine liebreiche Gesinnung zu zei
gen, wenn es nämlich die Sicherheit unsers Hau
ses oder unsers Vaterlandes zuläst; und gegen die
übelgesinneten oder mürrischen, wenn uns auch kei
ne persönlichen Verdienste dazu bewegen, aus Ach
tung für die ehrwürdige Ordnung der Natur gefäl
lig zu seyn. Wenn gleich der Umgang der Eltern
nichts nützliches oder angenehmes enthält, auch kei
Buch.
ne Hofnung ihre Temperamente zu bessern, Statt
findet: so thut ein Kind doch allemal wohl, wenn
es dieselben zu unterstützen sucht, und für ihre Be
quemlichkeit und Ruhe sorgt; in so fern es gesche
hen kan ohne sie in ihren Lastern oder gefährlichen
Thorheiten zu bestärken.
V. Da die Gewalt der Eltern alle zur Erzie
hung der Kinder erforderlichen Mittel in sich be
greift; so mus sie auch in grossen Nothfällen ver
schiedene nicht sehr gewöhnliche Rechte mittheilen.
Was ein Vater der nur in erträglichen Umständen
ist auf die
mit Rechte wenn das Gegentheil nicht ausdrücklich
bekant gemacht ist, für ein Geschenke gehalten. Dies
giebt kein Recht die Wiederersetzung zu fodern, der
Vater müste denn selbst in sehr bedrängte Umstände
gerathen, und wird nur in der Absicht gegeben,
daß die Kinder ihn in einem hohen
es bedarf wieder unterstützen sollen. Den gewöhn
lichen Absichten der Eltern nach, sind die Kinder
auf gewisse Weise von dem was sie erwerben, Mit
eigenthümer, obgleich eine von den Eltern das
Ganze verwaltet. Wenn Kindern schon ein beson
ders Vermögen von andern hinterlassen ist, so han
deln die Eltern nicht unrecht, wenn sie die Kosten
welche die vernünftige Erziehung des Kindes erfor
dert, als eine Schuld berechnen, besonders wenn
es ihrer eignen Umstände, oder ihrer übrigen Kin
der wegen nothwendig ist. Die Eltern müssen
gleichfalls das Recht haben die Erziehung ihrer Kin
der andern Leuten die geschickter als sie selbst sind,
Abschnitt.
oder mehrere Zeit dazu haben, zu überlassen; oder
sie von andern an Kindes Statt aufnehmen zu las
sen, wenn diese bequemer für ihre Erziehung sor
gen können. Dies sind gewöhnliche Rechte der
Eltern. Jn sehr bedrängten Fällen aber, haben
sie ferner das Recht, diesen Anspruch die Ersetzung
des vergangnen Aufwands zu fordern, einem Frem
den zu übertragen, und das Kind auf eine so lange
Zeit zu einer erträglichen Art von Dienstbarkeit zu
verbinden, bis es soviel erworben hat, als erfor
dert wird, seinen währender Zeit gebrauchten Un
terhalt, und die Schuld der Eltern zu bezahlen.
Jenes aber behält das Recht frey zu seyn, sobald
es selbst im Stande ist, das Seinige abzutragen,
oder ein Freund sich erbietet es zu thun. Ein sol
cher Contract ist zuweilen zur Erhaltung der El
tern nothwendig, und oft dem Kinde selbst ein gu
ter Dienst, das wie jeder andre Unmündige, durch
eine kluge Handlung des Vormunds verbunden
wird. Die Verbindlichkeit desselben ist eine von
denen ex quaſi contractu, wovon wir schon gehan
delt haben. Weil aber die Eltern andern kein
grössers Recht über ihr Kind mittheilen können, als sie
selbst besitzen, so kan es niemals einer ewigen oder
erblichen Sclaverey unterworfen werden. Ein
solcher Contract ist so wenig ein nützlicher Dienst,
oder ein negotium utile geſtum, daß man ihn viel
mehr für unrecht halten mus. Er kan auch keine
Verbindlichkeit hervorbringen.
Die Gewalt eines
liche
ruht auf ganz
verschiede
nen Gründen
ruht auf ganz andern Gründen. Wenn eine gros
Buch.
se Anzahl von Menschen sich ihres gemeinen Be
stens wegen zu einer Gesellschaft vereinigt haben,
wo jeder auf die gemeinen Kosten Sicherheit für
alle seine Rechte, und für sich und seine Nachkom
menschaft erhält, den Schutz der Gesetze und der Obrig
keit geniest, von Armeen beschützt wird, und die un
zählbaren Vortheile eines gesitteten Lebens erhält:
da ist es billig, daß man sie, um so ausserordentli
che Vortheile für das Ganze zu erhalten, zwingt
sich den grösten Gefahren auszusetzen, ja zuweilen
gar einem gewisse
Unmündigen geniessen mit den Erwachsenen gleiche
Vortheile, und sind also der Gerechtigkeit nach dem
che oder stillschweigende Einwilligung haben geben
können. Sie haben von ihrer Geburt an alle diese
Vortheile genossen, und sind also in Betracht der
selben verbunden alles mögliche zu thun, was in ih
rem Vermögen steht, und zur Erhaltung der Glück
seligkeit und Dauer so wohlthätiger Einrichtungen
etwas beytragen kan. Wir werden in Zukunft
noch weitläuftiger hievon handeln. Man handelt
wie ich glaube, nicht billig und klug, wenn man die
Gewalt der Eltern durch die Gesetze vergrössert. Die
jenige, welche die
den Endzwecken der Erziehung hinreichend. Die
Eltern sind aus verschiedenen sehr in die Augen fal
lenden Ursachen, sehr unbequeme Personen, ihnen die
Handhabung der Gerechtigkeit über ihre Kinder an
zuvertrauen. Und es ist die grausamste Ungerech
tigkeit, wenn man ihnen erlaubt ein
Verschulden zu tödten, von sich zu stossen, oder in eine
ewige Sclaverey zu verkauffen.
I.
Sobald das menschliche Geschlecht der Anzahl
legenheit zu
dieser Art des
Verhältnis
ses unter den
Menschen
gegeben.
nach ziemlich zugenommen hatte, und die
fruchtbarsten Länder bevölkert waren, konte
es nicht fehlen, daß manche durch gewisse Zufälle un
begütert geblieben, oder keine eigenen Güter beka
men, worauf sie ihren Fleis hätten wenden kön
nen: hingegen musten andre, denen ein gros
ses Eigenthum zugefallen war, der Arbeiten andrer
benöthigt seyn. Sie musten unfehlbar geneigt
werden, sie dagegen zu unterhalten, oder ihnen noch
grössere Belohnungen zu geben, und hierdurch
ward der Stand der Herrn und Bedienten sehr na
türlich hervorgebracht. Ob sich in den ältesten
Zeiten die Menschen auf lebenslang, oder nur auf
eine gewisse Zahl von Jahren in solche Contracte
eingelassen haben, daran ist uns wenig gelegen.
Die Rechte und Pflichten dieser Stände werden
deutlicher aus folgenden Betrachtungen erhellen.
1) Die Arbeiten jeder Person von mittel
grundsätze
der natürli
chen Gerech
tigkeit in die
sem Stande
mässiger Natur oder Fähigkeit, sind von weit grös
sern Werthe, als das, was zu ihrem Unterhalte er
fordert wird. Wir sehen, daß gesunde Leute durch
gängig einen guten Ueberschus ihres Gewinstes zum
Unterhalte einer jungen Familie, oder gar zu ihrem
Vergnügen anwenden können. Wenn ein Bedien
ter sich durch einen Contract zu beständiger Arbeit
anheischig macht, ohne etwas mehr, als seinen Un
Buch.
terhalt zu verlangen, so ist der Contract völlig un
gleich und ungerecht. Und weil dieser von der Art
derjenigen ist, wo beyde Theile sich zu gleichen Ver
bindlichkeiten verstehen müssen, so hat er das voll
kommne Recht, eine anderweitige Belohnung, ent
weder in einem Peculio, oder in einem besondern
Vorrathe für sich und seine Familie, oder einer an
ständigen Unterhaltung derselben zu verlangen.
2) Ein solcher Bedienter mag sich auf sein
ganzes Leben, oder
macht haben, so behält er alle Rechte, die dem
chen Geschlechte
Herrn, als auch gegen andre; das Recht über sei
ne Arbeiten ausgenommen, daß er seinem Herrn
übertragen, und dagegen das Recht auf seinen Un
terhalt, oder andre Belohnungen erhalten hat.
Wenn die Gewohnheit eingeführt ist, daß die Herrn
eine billige Gerichtsbarkeit über die Bedienten aus
üben, die mit ihrer Sicherheit und ihrem
bestehen kan: so glaubt man daß der Bediente sich
derselben unterwirft, wenn er sich freywillig in die
Familie begiebt; eben so, wie ein Fremder, der sich
in einem Staate aufhält, sich zugleich dadurch den
Gesetzen desselben, in so fern sie die Fremden angehn,
unterwirft.
Wenn jemand einem andern nicht das Recht
auf alle seine Arbeiten, sondern nur nur auf eine
gewisse Art derselben, übertragen hat, so ist er auch
nur dazu verbunden, und in allen andern Betrach
tungen so frey, als sein Herr. Jn keinem von die
sen Fällen, kan der Herr sein Recht einem andern
Abschnitt.
übergeben, oder den Bedienten zwingen,
dern zu dienen, dies müste denn in dem Contracte
ausdrücklich ausgemacht seyn. Es ist für den Be
dienten von sehr grosser Wichtigkeit, welchem
Herrn er dienet. Von jemanden, der sich bequemt
hat, einer leutseligen und menschenfreundlichen
Person, oder einer solchen, die für ihn nur wenig
Arbeit hat, zu dienen, kan man nicht annehmen, daß
er ebenfalls darein willige, andern Personen, von
andern Temperamenten zu dienen, die vielleicht här
tere Arbeiten von ihm verlangen können.
4) Man kan die Menschen unstreitig zu ei
ner viel ärgern Art der Dienstbarkeit zwingen, um
entweder andern mit Vorsatze verursachte Schä
den zu ersetzen, oder solche Schulden zu bezahlen,
die sie sich durch ihre eigne
macht haben zu tilgen. Die Person, der sie eine
solche Jnjurie angethan haben, besitzt ein vollkom
menes Recht auf ihre Arbeiten, und zwar ihr gan
zes Leben hindurch, wenn die Schuld nicht eher
abgetragen werden kan. Ein Verbrecher kan eben
falls statt der Strafe zu den allerstrengsten Arten
der Arbeit verurtheilt werden. Jn diesen Fällen
erhalten andere zu ihrem Vortheile das Recht,
aus ihren Arbeiten soviel Gewinn zu ziehen, als nur
immer möglich ist. Welche
so unglücklichen Dienern schuldig seyn mag, weil
sie immer unsre Nebengeschöpfe bleiben, so kan doch
die Gewalt und das Recht des Herrn, weil es blos
zu seinem Vortheile da ist, ohne seine Bewilligung, an
andre nicht übertragen werden; dennoch aber verlie
Buch.
ren in einem solchen Stande der Dienstbarkeit we
der der Verbrecher, nachdem er die zur gemeinen
Sicherheit nöthige Strafe erduldet hat, noch viel
weniger der Schuldner die natürlichen Rechte,
die dem menschlichen Geschlechte gemein sind, dieje
nigen ausgenommen, die sonst alle andre über ihre
eigne Arbeiten haben. Wenn sie soviel arbeiten, als in
ihrem Vermögen steht, so haben sie ein Recht auf
ihren Unterhalt. Ja sie haben sogar das Recht,
sich mit Gewalt gegen alle unnütze barbarische Mar
tern, gegen alle Verstümmelungen oder Absichten sie
zum Dienste der Lüste ihrer Herrn zu schänden, oder
allen Zwang, wodurch man sie zu einem wider ihr
Gewissen lauffenden Gottesdienste bringen will, zu
wehren. Sie können durch Contracte, oder alle
andre rechtsständige Wohlthaten andrer Rechte er
halten welche dazu dienen können, ihre Schuld zu til
gen, oder den Werth ihrer Arbeiten ganz oder zum
Theile zu ersetzen, wenn diese ihnen nicht als eine
Strafe, andern zum Beyspiele auferlegt sind. Be
sonders enthalten sie Rechte durch alle Handlungen
der Herrn, vermöge deren sie ihnen etwas von ihrer
Arbeit erlassen.
Da diese Art der Sclaverey ihren billigen
Grund hat, so treiben viele Nationen ihre Begriffe
von der Freyheit zu weit, wenn sie nicht
daß ein
rathen kan. Dennoch würde vielleicht kein Gesetz
besser im Stande seyn, einen durchgängigen Fleis
zu befördern, und die niedrigen Stände von der
Trägheit und vom Müssiggange abzuhalten, als
Abschnitt.
wenn man eine beständige Sclaverey zur gewöhn
lichen Strafe derjenigen Müssiggänger machte, die
nach geschehenen gehörigen Erinnerungen, oder einer
kurzen Sclaverey nicht haben bewogen werden kön
nen, sich und ihre Familien durch nützliche Arbeiten
zu unterhalten. Die Sclaverey würde ebenfalls
eine sehr bequeme Strafe für diejenigen seyn, die
entweder durch Unmässigkeit oder andre Laster sich
und ihre Familien ins Verderben gestürzt, und
beyde zu einer Last für das gemeine Wesen gemacht
haben. Man könte es erst, nach dem Exempel der
chen, und sie alsdenn in Freyheit setzen, wenn sie ei
ne Fertigkeit, fleissig zu seyn, erlangt hätten. Wo
nicht, so sollte man sie zu einer ewigen Sclaverey
verdammen. Sie könten ebenfalls für viele andre
Verbrechen bequemere Strafen, als die gewöhnli
chen abgeben.
II. Die Begriffe von der Sclaverey, die un
schen und
römischen
Gebräuche
sind auf kei
ne Weise zu
vertheidigen
ter den and andern
alten Völkern herrschten, waren entsetzlich unge
recht. Kein verursachter Schade, kein begangnes
Verbrechen kan einen Menschen in eine Waare ver
wandeln, die aller Rechte beraubt und unfähig ist,
sich einige zu erwerben, oder der von dem Eigenthü
mer kein Unrecht wiederfahren kan. Sonst müste
man auch behaupten, daß man dadurch, wenn man
ohne Noth ein Unglück, oder andern ein unnöthiges
Elend verursachte, das gemeine Beste beförderte,
oder die
gerte, welches sich selbst widerspricht.
Die Gefangenschaft im
he die einzige Gelegenheit zur Einführung dieser
Sclaverey geben; und wir werden untersuchen, in
wie fern irgend ein Recht des Ueberwinders ihn be
rechtigen kan, solche Gefangne mit ihren Nach
kommen zu ewigen Sclaven zu machen, oder sie
nach dem Gefallen andrer zu einer immerwähren
den Arbeit zu zwingen. Denn was das übrige
Elend der Sclaverey betrifft, das durch die griechi
schen und römischen Gewohnheiten eingeführt war,
so ist nichts im Stande, dasselbe zu rechtfertigen.
Es ist zu verwundern, wie weise und gesit
tete Völker, bey denen sonst die Grundsätze der
Unbeständigkeit des Kriegsglücks nicht unbekant ist,
jemals eine so grausame Gewohnheit haben ein
führen können, die bey vielen Gelegenheiten ihre ei
gnen
Feinde, die sowohl diejenigen, die für die gerechte
Sache fechten, als die auf der ungerechten Seite be
trift, und den
so elend macht, als den Eigennützigen und
den Feigen. Ja die leztern setzen sich gemei
niglich vor solchen Gefahren in Sicherheit. Müs
sen nicht alle Empfindungen von
Menschlichkeit so gut als die Betrachtungen über
das gemeine Beste des menschlichen Geschlechts uns
ein solches Verfahren mit den Gefangnen als un
gerecht vorstellen, wenn man es auch mit dem
Vorwande eines äusserlichen Rechts entschuldi
gen könte?
Ferner kan durch eine gewaltsame Besitzneh
mung kein Mensch, wenn er nicht rechtmässige Ur
Krieg nicht
billig gewesen
ist, ist sie un
gemein un
gerecht.
sache darzu gehabt hat, ein Recht erhalten. Alles
was jemand ohne einen gegründeten Anspruch nimt,
ist er in seinem Gewissen verbunden, zu ersetzen.
Eine allgemeine Ubereinstimmung der
scheint zwar zum Vortheile neutraler
ihrer Unterthanen ein gewisses äusserliches Recht
auf die Güter, oder die Gefangenen, die sie von bey
den feindseligen Parteyen unter einem billigen Vor
wande erhalten, eingeführt zu haben; so daß die
alten Eigenthümer sie, ihrer gerechten Sache we
gen, von dem neutralen Staate nicht zurückfordern
können. So lange aber dergleichen genommene
Güter in dem Besitze des ersten Nehmers oder seiner
Landsleute bleiben, haben die alten Eigenthümer,
wenn nämlich ihre Sache billig gewesen ist, das
Recht, sie wieder zu fordern, wenn nicht durch ihre
eignen Unterhandlungen, oder die Tractaten, welche
ihre Regenten, durch deren Handlungen sie gebun
den werden, darüber geschlossen haben, diesem Rechte
entsagt worden ist.
III. Gesezt auch, die Gefangnen werden von
einem billi
gen Kriege ist
sie kaum zu
rechtfertigen.
denenjenigen genommen, die gerechte Sache gehabt
haben: so kan man doch in gewöhnlichen Fällen nicht
anders als unter dem Vorwande einer Strafe, der
zu erhaltenden Sicherheit für gleiche Unternehmun
gen aufs künftige, oder der Schadloshaltung et
was von ihnen verlangen. Aus keiner von diesen Ur
sachen kan man durchgängig alle Unterthanen eines
Staats, der sich in den ungerechtesten Krieg ein
gelassen hat, mit einer ewigen Sclaverey belegen.
Fürs erste ist ein Fünftheil der Unterthanen
allemal unschuldig, wenn der
rechten
Demokratie, wo alle Familienhäupter ihre Stim
men geben müssen, machen dennoch die
Unmündigen, die Bedienten, die keinen Theil an
den öffentlichen Berathschlagungen nehmen, mehr
als vier Fünftheile eines jeden Volks aus. Und
wie selten sind demokratische Reichsversammlun
gen einstimmig? Jn allen übrigen Regierungs
formen trägt von hunderten kaum einer etwas zu
der Ungerechtigkeit, eines Raths oder einer Hand
lung bey, und eben so wenige hätten etwas
thun können, sie zu verhindern. Die Unterthanen
bezahlen ihre Auflagen, wozu die Gesetze sie zwin
gen, ohne zu wissen, wozu sie angewendet werden.
Wenn sie sich auch weigerten, dieselben zu bezahlen,
so würden sie mit Gewalt zu ihrem Schaden dazu
gezwungen werden, und den Krieg dennoch nicht
hindern. Gesezt auch, sie sähen die Ungerechtig
keit des Krieges ein, so könten sie ihm doch durch
ihr Misfallen, oder durch das Weigern, ihre Ab
gaben zu erlegen, nicht zuvor kommen. Bey vie
len kan die Unwissenheit in Ansehung der
Angelegenheiten auch unüberwindlich seyn. Sie
folgen den scheinbaren Gründen, die ihnen von ih
ren Obern vorgelegt werden, und die blosse Billi
gung einer ungerechten Handlung kan kein Verbre
chen bey solchen Personen seyn, denen es nicht mög
lich gewesen ist, sich besser zu unterrichten. Keine
politische Vereinigung kan ein Volk wegen solcher
Verbrechen seiner Beherrscher strafbar machen, wo
Abschnitt.
zu es ihnen nicht seinen Rath, oder noch weniger
durch irgend eine unerlaubte
Unterlassung seiner Pflichten Gelegenheit gege
ben hat.
Ferner wird die durchgängige Absicht aller
sich auch
nicht, die
Endzwecke
der Strafe
zu erreichen.
Strafen, nämlich die Abschreckung ungerechter Leute
von Unternehmung gleicher Jnjurien, gar nicht durch
die Bestrafung unschuldiger Unterthanen erhalten.
Diese wirket nur sehr schlecht auf boshafte Prin
zen oder Regenten. Die natürlichsten und wirk
samsten Strafen würden diejenigen seyn, womit
man die ungerechten Regenten selbst belegte, wel
che die Ursachen der Jnjurien sind, worüber man
sich beklagt. Keine Strafe ist gerecht, wenn nicht
ein Verbrechen bey dem Leidenden vorhergegangen
ist; andre Uebel, womit man zuweilen unschuldi
ge Personen mit Rechte belegt, gehören unter ei
nen ganz verschiedenen Begriff.
Was die Sicherheit vor gleichen Jnjurien aufs
tige Sicher
heit zu ver
schaffen.
künftige betrift: so sind in allen gewöhnlichen Fäl
len nur diejenigen verbunden, sie zu schaffen, die da
durch, daß sie wider ihre Pflichten etwas vorgenom
men oder unterlassen, ein Verbrechen begangen,
oder zu andern erwiesenen Jnjurien etwas beyge
tragen haben. Die ganze Sicherheit, die man
durch die Sclaverey der Gefangenen und ihrer
Nachkommen erlangt, kan durchgängig durch viel
menschlichere Mittel erhalten werden. Man kan sie
mit ihren eroberten Gütern bey sich behalten, bis
man einen billigen Frieden erzwungen hat. Man
könte sie zu einer mässigen Arbeit anhalten, um
Buch.
dadurch von Zeit zu Zeit den Reichthum des belei
digten Staats zu vermehren: und wenn sie sich von
der Gerechtigkeit unsrer Sache überzeugen liessen,
so könte man ihnen erlauben, sich bey uns als Un
terthanen niederzulassen, und alle Rechte des mensch
lichen Geschlechts zu geniessen. Man könte sie so
gar naturalisiren, denn hierdurch würden unsre
Feinde eben so sehr geschwächt, und unser Staat
eben so sehr vergrössert werden, als durch ihre
Sclaverey.
2) Was den zweyten Vorwand, nämlich die
Ersetzung des verursachten Schadens betrift: so ist
dem Rechte der
den, der nicht wider seine Pflicht etwas vorgenom
men oder unterlassen und aus einer solchen Auffüh
rung Vortheil gezogen hat. Jn diesen Umständen be
finden sich die wenigsten Unterthanen; wenn auch
ihre Beherrscher ihren Nachbarn das grausamste Un
recht anzuthun suchen.
Die Ursache, „daß jeder, der durch irgend
eine Einrichtung, durch Erlangung gewisser Gü
ter zu seinem Vortheile; oder irgend ein Amt, das
er in einer solchen Absicht bestellt, andern den ge
ringsten Schaden verursacht, verbunden ist, ent
weder denselben zu ersetzen
*
, oder die Einrichtung
aufzuheben oder die Person auszuliefern die durch
den Misbrauch ihres Amts den Schaden verur
sacht hat,“ findet vielleicht wider die Personen der* Dies ist der natürliche
Grund der actiones noxales ex de pauperie in dem bür
IV. Wenn die Eroberer nur die geringste Ach
Ueberwinder
billig bestra
fen sollten.
tung für die Gerechtigkeit hegten, so würde man sie
öfter auf die Auslieferung ungerechter Regenten, ih
rer Räthe, und Minister, an diejenigen, denen sie
Unrecht gethan haben, dringen sehen. Sie würden
ein unschuldiges Volk in Freyheit lassen sich entwe
der eine neue Regierungsform, oder bessere Verwal
ter der Alten zu wählen. Doch dieses Recht eine
billige Schadloshaltung zu erlangen zu suchen, ist
nichts als ein blosser Vorwand, so bald wir eine
hinlängliche Genugthuung entweder durch Gewalt
erhalten haben, oder sie uns von der unterliegen
den Parthey angeboten wird. Dies letztre wird fast
beständig von jedem Staate geschehn, ehe er seine
Unterthanen zu Sclaven werden, oder sich selbst zu * Siehe den Abschnitt dieses
Buch.
einer Provinz des Eroberers machen läst. Es
würden also allemal eine vollkommne Schadloshal
tung und völlige Sicherheit vor künftigen ähnlichen
Jnjurien, die von unpartheyischen Schiedsrichtern
für nöthig erkant wird, ohne so grausame Mittel
von dem Sieger erhalten werden können. Aus
dieser Betrachtung erhellet klar wie grausam
und unmenschlich es ist, die Unterthanen eines
Staats und ihre Nachkommen wegen eines unge
rechten Krieges in den sich ihre Regenten eingelas
sen haben, durchgängig zu Sclaven zu machen.
Diejenigen die entweder als gemeine Solda
ten oder Officire vom untersten Range in einem
ungerechten
allemal was die Ungerechtigkeit ihrer Sache betrift,
unüberwindlich unwissend. Jn vielen Staaten
werden sie mit Gewalt angeworben. Geschieht es
mit ihren freyen Willen so liegt bey ihnen gemeinig
lich die Meinung zum Grunde, daß sie nur in ge
rechten Angelegenheiten werden gebraucht werden.
Und wenn sie einmal angeworben sind, so ist es ein
Verbrechen das mit dem
sie ihren Obern nicht gehorchen. Befinden sich die
Umstände so, so ist es schon barbarisch, wenn man
nur daran denkt solche Gefangnen zu bestrafen.
Wir haben ein Recht uns selbst zu vertheidigen,
jedes Recht, des uns gebührt und dem sie sich wi
dersetzen, mit Gewalt zu behaupten, und so lange
sie uns widerstehen hierzu alle mögliche Gewaltthä
tigkeiten anzuwenden. So bald sie aber gefangen
sind, und uns nicht mehr schaden können, müssen
Abschnitt.
wir daran denken, daß sie unschuldig sind, daß
selbst diejenigen, denen die Ungerechtigkeit ihrer Sa
che bekant gewesen ist, die also dadurch daß sie die
Waffen wider uns geführt, ein wirkliches Verbre
chen begangen haben, dazu durch die stärkste Ver
suchung gebracht worden sind, weil sie des Todes
gewesen wären, so bald sie dem Befehl ihrer Obern
nicht gehorcht hätten. Wir müssen das auf allen
Seiten veränderliche Kriegsglück betrachten, und
uns vorstellen, daß die Strenge die wir anwenden
unfehlbar unsre Feinde bewegen wird, den recht
schaffensten und edelsten unsrer Unterthanen auf
eben eine solche Art zu begegnen: daß eine solche
Aufführung von den ungerechten Siegern sowohl
als von den gerechten nachgeahmt werden wird.
Es ist unstreitig erlaubt solche Gefangnen bey sich
zu behalten, sie auf gewisse Zeiten zu erträglichen
Arbeiten zu verbinden, um dadurch unsre Kraft zu
vermehren und die Kraft des Feindes zu schwächen,
bis wir billige Friedensvorschläge erhalten haben.
Oder wir können sie verbinden, sich als Unterthanen
in unserm Staate
Begegnung scheint so wohl wider die Menschlich
keit, als die Achtung, die wir für das gemeine
Beste behalten müssen, zu streiten.
V. Dies scheinen mir die allgemeinen
ausserordent
liche Fälle.
oder Gesetze der
nen zu seyn. Es können sich vielleicht einige be
sondere Fälle ereignen, oder einige Entschuldigun
gen wegen der Nothwendigkeit finden, die im
Stande sind gewisse ausserordentliche Schritte, wel
Buch.
che die gewöhnlichen Regeln überschreiten, zu recht
fertigen. Wenn es kein ander Mittel giebt einen
barbarischen Feind zu verhindern oder abzuschrecken,
daß er unsern Nebenbürgern, die in seine Hände ge
fallen sind, nicht aufs grausamste begegnet, als
wenn wir uns gegen unsre Gefangnen gleicher Grau
samkeit bedienen; wenn wir vieles Blutvergiessen
unter unsern Mitbürgern verhindern, einen unge
rechten Feind demüthigen, oder ihn von seinen grau
samen Absichten abschrecken können, wenn wir gegen
Gefangne, an deren Sicherheit dem Feinde viel ge
legen ist, einige Grausamkeiten ausüben und darin
gezwungen haben; wenn wir durch den Krieg, wo
zu uns der Feind durch seine Beleidigungen den ge
zwungen hat, so geschwächt sind, daß wir unsre
unsre Stärke auf Kosten des angreifenden Staats
um ein merkliches vermehren, welches durch die
Arbeit ihrer Gefangenen oder eine erzwungene Ver
setzung derselben in unsre Lande geschehen kan: so
kan in solchen Fällen, wenn sanftere Mittel keine
Wirkung haben würden, eine so strenge Aufführung
gerechtfertiget werden.
Ohne eine solche offenbare Nothwendigkeit
aber ist es allemal äusserst unmenschlich und grau
sam, Gefangene besonders
einer ewigen Gefangenschaft zu behalten. Denn
wie wir schon vorher
*
gezeigt haben, müssen die
Kinder derjenigen die man mit Rechte zu Sclaven * Siehe oben II. Abhandl. 13. art. 3.
Abschnitt.
gemacht hat, allemal als Freygebohrne angesehn
werden, oder vielleicht nur das Personen die ver
bunden sind, das was ihr Unterhalt gekostet hat zu
ersetzen. „Hätten, sagen einige Schriftsteller, die
Ueberwinder sich des Kriegsrechts bedient und die
Eltern getödtet, so würden die Kinder niemals ge
boren worden seyn, sie sind also ihr Leben und Al
les dem Ueberwinder schuldig.“ Aber dies beweist
Nichts. Die Ueberwinder haben kein Recht ihre Ge
fangenen bey kalten Blute umzubringen. Wenn
sie auch dieselben ungestraft hätten umbringen kön
nen; so giebt die Unterlassung einer solchen
heit
Dienstbarkeit. Auf diese Weise wäre jeder verbun
den der Sclave eines mächtigen Seeräubers oder
eines Räubers zu werden der ihm das Leben geschenkt
hätte; und er müste der Leibeigne jedes grosmüti
gen Mannes seyn, der ihn von einer Gefahr be
freyet hätte. So können Fürsten ihr Leben, Gebähr
müttern, Aerzten, oder Wundärzten schuldig seyn,
die sie hätten ermorden können, ohne deswegen eine
Strafe zu befürchten. Sind sie deswegen mit al
len ihren Nachkommen Sclaven? Gesetzt auch man
hätte die Eltern mit Recht tödten können, so kom
men doch ihre Kinder unschuldig an die Welt. Sie
sind
schlechte.
hervorgebracht. Sie bestehn mit uns und unsern
Kindern aus einerley Theilen, und sind mit gleichen
Kräften begabt. Sie gerathen sehr früh für ihren
Unterhalt in Schulden, so bald aber diese Schuld
Buch.
durch ihre Arbeiten bezahlt werden kan, oder ein gros
müthiger Freund sich erbietet sie in ihren Namen
zu tilgen, so bald sind sie eben so frey als irgend ein
anderer vom menschlichen Geschlechte.
VI. Derjenige also, der einen andern mit
Gewalt in der Sclaverey behält, ist allemal ver
bunden sein Recht zu beweisen. Der Sclave, wel
cher verkauft, oder in ein fremdes Land gesetzet wird,
ist nicht verbunden zu beweisen, daß er seine Frey
heit niemals verwirkt hat; sondern derjenige der
ihn mit Gewalt in seinem Besitze behält, ist in allen
Fällen verbunden sein Recht zu beweisen, beson
ders wenn der alte Eigenthümer bekant ist. Jn
diesem Falle ist jeder Mensch der ursprüngliche Ei
genthümer seiner eigenen Freyheit, und der Be
weis daß er ihrer verlustig geworden ist, mus dem
jenigen obliegen der ihn derselben mit Gewalt be
rauben will. Die
die Gerechtigkeit in Ansehung der Dienstbarkeit der
Hebräer. Diese fand nicht anders als nach einer
vorhergegangenen Einwilligung, einem Verbrechen
oder einem verursachten Schaden Statt; und auch
alsdenn war es ihnen erlaubt ihre Herren wegen einer
grausamen Begegnung zur Rechenschaft zu fodern.
Auch war die Dienstbarkeit nur auf eine gewisse
Zeit festgesetzt; wenn sich nach geschehener Unter
suchung der Sclave nicht geneigt bezeigte, sie zu ver
längern. Die Gesetze in Ansehung der fremden
Sclaven, enthielten ebenfalls viel menschliche Fürsor
ge gegen die ungemässigte Strenge ihrer Herren. Bey
Christen aber ist jeder verbunden, die Gelindigkeit
Abschnitt.
die ein Hebräer seinen Landsmanne schuldig war, je
dem andern Knechte zu erweisen, weil in Anse
hung der
als auch in Ansehung der natürlichen Rechte
aller Unterschied der
Viele von denen Rechten die über ausländische
Sclaven zugestanden wurden, kan man vielmehr für
eben solche gültige Ausnahmen von der Strenge
der Gesetze halten, als die Vielweiberey oder die
Ehescheidung. Diese verschaffen zwar dem Uebertre
ter eine äusserliche Straflosigkeit, sie können aber sein
Gewissen keinesweges befriedigen.
Die Verbindlichkeit die ein solches Verhält
nis, wie das zwischen Herren und Dienern, in seinen
verschiedenen Arten, mit sich führt, erhellt sehr
deutlich aus seiner Natur, und seinen Ursachen.
Der Diener ist verbunden seinem Herren vor dem
Angesichte
ches Loos bestimt hat, alle Treue und bereitwilli
ge Dienste zu leisten; hingegen erfordert es des
Herren Pflicht gegen ihn als sein Nebengeschöpf
mit Barmherzigkeit und gelinde zu verfahren. Die
ses ist zwar in unglücklichen Umständen, hat aber
mit ihm gleiche Neigungen, und ist mit ihm gleicher
genden
Lohn richtig zu bezahlen, und alle andre Versprechen,
die er ihm gethan hat, zu halten.
Wenn alle Menschen vollkommen I.
gen Mittel die allgemeine Glückseligkeit unsers
Geschlechts zu befördern, einsähen, und geneigt wä
ren, ihnen zu folgen: so würde uns weiter nichts
fehlen, und wir würden keiner andern
tnngen
nen Tugend oder ihrer Weisheit. Die Nothwen
digkeit der
weder aus der Unvollkommenheit oder der Verderb
nis der Menschen, oder aus beyden.
Wenn einige alte Schriftsteller von den
Menschen als einem Geschlechte reden, das von
Natur zur *
so
verstehen sie darunter nicht, daß sie aus einem natür
lichen Triebe sogleich eine
oder einen Stand, wo sie der Gewalt bürgerlicher
Gesetze unterworfen wären, wünschen würden; wie
sie sich aus angebohrnen Trieben, nach dem
stande* So nennen
les
oft
to aber er gestehet sey
πολιτικόν Nicom. l. VIII. c. 12.
Es ist den Menschen ebenfalls natürlich vor
zügliche an andern wahrgenommene Eigenschaften,
als Herzhaftigkeit, Weisheit, Menschlichkeit, Ge
Buch.
rechtigkeit, und einen
ten und zu
die solche Neigungen besitzen, ein Vertrauen, und lie
ben sie. Sie sind geneigt, ihre wichtigsten Ange
legenheiten ihrer Vesorgung zu überlassen, und alle
mal eifrig sie zu ansehnlichen Aemtern oder der
Gewalt, die gemeinen Angelegenheiten der
sellschaft
II. Die Uebel, die bey einer Anarchie zu fürch
ten wären, entstehen ganz natürlich, theils aus der
Schwachheit der Menschen, selbst bey denenjenigen,
die keine ungerechten Absichten hegen; theils aber
auch aus den ungerechten und lasterhaften Neigun
gen, die bey vielen Menschen entstehen können.
Man behauptet mit Unrechte, daß blos die
heit
wendig machte. Auch die Schwachheiten solcher
Personen, die im Ganzen gerecht und tugendhaft
sind, können es erfordern.
1. Rechtschafne Leute können bey vielen Gele
genheiten über das, was recht ist, uneinig seyn. Leute
die keine ungerechten Absichten hegen, die sich fest
vorgesetzt haben, bey allen Vorfällen gerecht zu ver
fahren, können sich dem ohngeachtet sehr oft irren.
Sie können durch den geheimen Einflus des Ei
gennutzes hintergangen werden. Sie können an
dre, daß sie sich mit den erwählten Schiedsrichtern
verstünden, im Verdacht haben, und also aus Ver
trauen auf ihre Stärke, sich den
selben nicht unterwerfen, sondern auf alle Gefahr
zu Gewaltthätigkeiten schreiten.
Ferner können Leute von ungewöhnlichem
genten sind
besser im
Stande das
Wohl aller
zu beför
dern.
meinen Besten ausserordentlich zuträglich sind; sie
sind aber nicht im Stande, die Einfältigern, oder
diejenigen, die durch die Ausführung solcher Ab
sichten etwas leiden, wegen ihrer Schwach
heit oder des Argwohns, daß der Erfinder arglisti
ge und schädliche Absichten hege, davon zu über
führen. Es ist bekannt genug, wie schwer es hält,
ehe man den
abbringen, und bewegen kan, neue Erfindungen,
die beym Ackerbaue oder in den mechanischen Kün
sten von viel grösserm Nutzen sind, anzunehmen.
Wie viel würde es also nicht schwerer seyn, sie zur
Einwilligung in grosse und edlere Absichten, die ei
nen entfernten Nutzen ganzer Völker zum Grunde
haben, aber viel gegenwärtige Arbeit und Kosten
verursachen, zu bewegen. Da es in unserm Ge
schlechte Leute von erhabnerm
genderm Verstande, und edlern allgemeinen Absich
ten giebt, so weist uns die
als auf Männer, die geschickt sind, die
der Menge, so, wie das gemeine Beste es erfordert,
zu regieren; wenn sie hinlängliche Sicherheit ver
schaft haben, daß sie sich der Gewalt, die man ihnen
anvertraut, mit aller Treue bedienen wollen.
2) Aber die Verderbnis des menschlichen
ren die aus
den Lastern
der Menschen
entstehen,
machen ein
bürgerliches
Regiment
nothwendig.
Geschlechts, macht ein bürgerliches Regiment noch
viel nothwendiger. Da viele geitzig und ehrbe
gierig sind, oder ungerecht verfahren, und andre zu
unterdrucken suchen, wenn sie die Gewalt in Hän
Buch.
den haben: da sie oft mehr durch die Hofnung ei
nes nahen Gewinstes zu einer Jnjurie bewogen, als
durch die Aussicht von entferntern Uebeln, die für
sie selbst daraus entstehen können, davon abgeschreckt
werden: so mus wider die
cher Leute ein bequemes Mittel gesucht werden.
Ein Mittel, das gleich gegenwärtig und empfind
lich ist: und keines kan diese Wirkung besser hervor
bringen, als das bürgerliche Regiment, das mit
hinlänglicher Stärke versehen ist, die Gerechtigkeit
zu handhaben, und die Ungerechten mit gleich
gegenwärtigen Strafen zu belegen. Wenn auch
der gröste Theil, ja sogar alle einzelne Personen ei
ner solchen Versammlung ungerecht
sind, so werden doch solche Männer zusammen ge
nommen, nur selten ungerechte Gesetze geben. Alle
Menschen haben eine
recht oder unrecht ist, und einen natürlichen Ab
scheu vor der Ungerechtigkeit. Jch kan vielleicht
meines Vergnügens wegen, oder auf Antrieb einer
Gerechtigkeit zuwider handeln; ich werde aber von
andern, die nichts dabey gewinnen, einer solchen
Ungerechtigkeit wegen verabscheut werden. Eben
so, kan ein andrer seines Vortheils wegen unge
recht verfahren; aber ich, und alle übrigen, werden
ihn deswegen hassen. So werden alle beschaffen
seyn, und sie würden also selten einig werden kön
nen, ungerechte Gesetze zu geben, wenn auch gleich
jede Person für sich genommen, nicht so strenge
Grundsätze hätte, daß sie der Gerechtigkeit, wenn
sie mit ihren eignen Vortheilen oder einer ihrer Lei
Abschnitt.
denschaften nicht bestehen könnten, getreu bleiben
würde. Jeder kan ferner befürchten, daß die Un
gerechtigkeit eines andern ihm selbst mit zur Gefahr
gereichen möchte, oder wenn er geneigt ist, seinem
Nachbar unrecht zu thun, so mus er den gemein
schaftlichen Unwillen der Anderen besorgen. Eine
Versammlung von vielen wird also niemals irgend
einem ihrer Glieder erlauben, mit andern von ihren
Gliedern ungerecht zu verfahren, und keine offen
bare Ungerechtigkeit gegen eines derselben, wird durch
das öffentliche Ansehn bestätiget werden. Ausge
nommen, wenn die ganze Gewalt einer einzigen
Person übertragen ist, die es sich vielleicht erlauben
kan, ihren Unterthanen ungerecht zu begegnen; oder
wenn nur wenige Theil daran haben, die sich also
für sich selbst zu einer, von dem Volke abgesonder
ten Gemeinschaft verbinden, das Volk vorsetzlich
Gerechtigkeit beobachten können.
Es ist wahr, daß sich auch in der Anarchie
Anarchie
findet keine
solche Si
cherheit
statt.
eben der natürliche Abscheu vor der Ungerechtigkeit,
auch selbst bey bösen Leuten finden mus, wenn sie
nichts dabey gewinnen, ja, sie sind zuweilen eben so
geneigt als die Tugendhaften dem Beleidigten beyzu
stehen. Aber wegen der menschlichen Schwachheiten
können alle gefährliche
wir auf eine gewaltsame Art, entweder unser Recht zu
erlangen, oder eine Jnjurie abzutreiben suchen, ohne
eine kluge Regierung, oder der Vereinigung des
Willens aller derer, die daran Theil haben, selten
glücklich ausschlagen. Viele rechtschafne Leute
Buch.
gern
chen Vorfällen ihnen Beystand zu leisten. Andre sind
vielleicht wegen der klügsten Mittel, verschiedner
Meynung, und viele können sich auch aus Eigensinn,
Hochmuth, oder Misverstand aufs hartnäckigste, wi
der die von andern, vorgeschlagnen Mittel setzen.
Weise Leute, die solche Gefahren wohl überdacht haben,
und selbst darinnen gewesen sind, haben vielleicht
eine grosse Menge zuerst beredt, sich das einzige
Mittel, das dafür da ist, gefallen zu lassen. Dies
besteht darinn, daß man Männer von bekanter
allen Streitigkeiten, und zu Anordnern aller Maas
regeln, die zur Sicherheit und
Ganzen nothwendig sind, einsezt. Diese müssen
mit hinlänglicher Gewalt versehen werden, daß sie
die Widerspänstigen zwingen können, sich ihren
Verordnungen oder Aussprüchen zu unterwerffen,
und dies mus dadurch geschehen, daß alle sich ver
bindlich machen, ihre eigene Stärke nach ihren Ver
ordnungen anzuwenden.
III. Es müssen unstreitig die gefährlichsten
Folgen entstehen, wenn die Gewalt in übeln Hän
den ist, und gewisse Regierungsformen zu übereilt
und ohne Ueberlegung eingeführt werden. Den
noch ist die unvollkommenste Art einer solchen Re
gierung in Ansehung unzähliger Vortheile der
Anarchie vorzuziehen. Wie vortreflich muß also
eine weise Einrichtung derselben seyn? Die allge
meine Glückseligkeit mus viel mächtiger befördert,
und die Gerechtigkeit weit besser gehandhabet wer
Abschnitt.
den, wenn beyde sich in den Händen weiser und un
parteyischer Männer
ben, die Widerspänstigen zu Befolgung ihrer Aus
sprüche zu zwingen, als wenn alle Menschen der Tu
gendhafte oder Böse, der Weisen oder Thörichte,
jeder seinem besondern Einfall folgte. Bey allen
Regierungsformen wird auch die ausdrückliche Be
dingung von ihren Urhebern vorausgesezt, daß nur
die Weisen und Gerechten, Theil an der Gewalt haben
sollen; obgleich die Vorsichtigkeit, die man deswegen
anwendet, niemals hinlänglich ist. Wird aber diese
Absicht erhalten, so kan an der grösten weltlichen
Glückseligkeit, die nur durch menschliche Mittel zu
erlangen steht, nichts fehlen; das Volk wird weis
lich vor allen Gefahren, die ihm von aussen gedro
het werden, in Sicherheit gesezt; unter ihm selbst
werden alle gegenseitige Jnjurien verhindert; die
Gerechtigkeit wird mit Klugheit gehandhabt, und
alle
bessern, werden getrieben werden. Alle Stände,
die Schwachen und Einfältigen so gut als die Wei
sen, die eigennützigen sowohl als die grosmüthigen
werden geneigt gemacht oder gezwungen werden,
das ihrige zu dem gemeinen Besten beyzutragen.
Weise Gesetze werden die
Herzen einer
neigt machen. Wie wenig diese Absichten in
der erträglichsten Art der Anarchie, die wir uns
nur einbilden mögen, erreicht werden können, müs
sen wir gleich beym ersten Anblicke einsehn.
Wir müssen uns aber hier nicht, wie viele
Regierung
kan so gefähr
lich als die
Anarchie
gethan haben, übereilen und schliessen, daß die böse
Buch.
ste Regierungsart der besten Art der Anarchie vor
ist aber kein
Vorwurf für
das bürgerli
che Regi
ment.
den ärgsten Regimenten allemal einige gute Gesetze
giebt, daß die Gerechtigkeit in vielen Fällen woran
die Regenten oder ihre Lieblinge keinen Theil neh
men, vernünftig gehandhabt, und oft der
fremden feindlichen Anfällen, vermöge der vereinig
ten Stärke und Klugheit, geschützt wird, welches
alles Vortheile sind, die man freylich in der schlech
testen Art der Anarchie nicht erreichen kan. Aber
in einer Anarchie, wo die Sitten noch nicht durch
Ruhe, Reichthum und Ueppigkeit verderbt wären,
könte viel Glückseligkeit, Einfalt und Unschuld der
Sitten, viel Eifer zur gemeinschaftlichen Verthei
digung, zur Beobachtung der Gerechtigkeit unter
einander, und selbst ein ziemlicher Flor der Künste
Statt finden. Da hingegen in schlecht eingerichte
ten Regierungsformen die grosse Gewalt, die andern
des gemeinen Bestens wegen übertragen wird, zur
durchgängigen Unterdrückung des Volks, zu Räu
bereyen und ungerechter Gewalt, und Unterdrü
ckung alles dessen, was in den Herzen und
raetern
wendet werden kan. Es ist zu unsrer Absicht schon
hinlänglich, wenn wir nur behaupten können, daß
alle Vortheile, die man in einer Anarchie wünschen
oder erhalten können würde, weit besser und sicherer
durch ein wohl eingerichtetes bürgerliches Regiment
erreicht werden. Daß verderbte Regierungsfor
men grosses Unheil verursachen können, ist nicht ein
gegründeter Einwurf wider alle
fassungen überhaupt, sondern vielmehr eine Anprei
Abschnitt.
sung derselben; weil die besten Dinge, wenn sie ver
derbt worden sind, schädlich werden können.
Vernünftige Leute müssen also ihren Verstand
damit beschäftigen, daß sie die besten Arten der bür
gerlichen Regierung zu erfinden suchen, oder die
schon eingeführten so verbessern, daß sie dadurch
geschickt werden, ihren Endzweck hervorzubringen:
und nicht, das Mittel, das zur Erlangung des ge
meinen Bestens am bequemsten ist, verwerffen, weil
es durch die Thorheit der Menschen in ein Werkzeug
des Verderbens verkehrt werden kan. Die Men
schen haben seit beträchtlichen Zeiten nicht mehr in
der Anarchie gelebt. Diejenigen, die sie vor Alters
versucht haben, haben sie vielleicht, so lange die Ein
falt der
So bald aber die durchgängige Verderbnis über
hand nahm, fanden sie, daß es nöthig war, ein bür
gerliches Regiment einzuführen. Wenn dieses
auch auf die schlechteste Art eingerichtet ist: so kömt
es dennoch allemal unzähligen Uebeln zuvor, und
ist allezeit bequem, die Gerechtigkeit zu handhaben,
und ein Volk zu beschützen. Solche Beyspiele, wo
das bürgerliche Regiment nützlich ist, werden viel
öfter gefunden, als diejenigen, die von seinen Mis
bräuchen zeugen; daß es also schwer seyn würde, zu
beweisen, daß die unvollkomnen und thörichten Re
gierungsformen, die schon in der Welt eingeführt ge
wesen sind, viel mehr Böses als Gutes verursacht, oder
grössere Uebel nach sich gezogen haben, als aus ei
ner so langen Dauer der Anarchie entstanden seyn
würden.
Der innerliche natürliche Werth des bürger
warum sich
so viele in
diesem Pun
cte irren.
werden nur sehr schwach von den Vortheilen ge
rührt, die wir dadurch in der allgememen Beschü
tzung, und der Handhabung der Gerechtigkeit erhal
ten. Dies setzen wir vielmehr als etwas bekantes
schon voraus. Aber die geringste Umkehrung oder
Beleidigung desselben, vermittelst grausamer oder
tyrannischer
und wir erinnern uns derselben sehr lange mit Un
willen. Eben so wie viele in dem Lauffe der Na
tur oder der allgemeinen Beschaffenheit des
lichen Geschlechts
wenn sie, vermöge ihres angebornen
durch die verschiedenen Unglücksfälle, welche die
Menschen oft befallen,
den beständig anhaltenden, und von jeden schon er
warteten Lauf von Freuden und Segen, womit das
menschliche Geschlecht beseligt ist, nicht wahrnehmen.
Dies aber darf dennoch die Menschen nicht abhalten,
wenn sich eine Gelegenheit und Hofnung zum glück
chen Erfolge zeigt, selbst durch solche gewaltsame Mit
tel, die auf eine Zeitlang eine Anarchie verursachen
können, die Besserung verderbter Regierungsformen
zu erhalten zu suchen; wenn diese nothwendig sind, eine
gänzliche Umkehrung der Absichten, die bey einem
bürgerlichen Regimente allemal zum Grunde liegen,
zu verhüten, und so grosse Vortheile hervorbringen
können, daß alle Uebel, die auf eine kurze Zeit durch
die gewaltsame Veränderung entstehen, dadurch
überwogen werden.
IV. Die Menschen haben ein bürgerliches Re
giment hauptsächlich eingeführt,
„um Sicherheit
von Vereini
gung in ei
nem Staate
nothwendig
ist.
vor den Jnjurien, die die Menschen von einander
selbst zu fürchten haben, zu erhalten, und das gemei
ne Beste durch die vereinigten Kräfte einer grossen
Menge desto besser zu befördern.“ Diese Endzwe
cke können nicht erhalten werden, wenn nicht eine
grosse Anzahl Menschen entweder zu einer Ueberein
stimmung in ihren innerlichen Grundsätzen und Mei
nungen gebracht, oder wenn dies unmöglich ist, ge
nöthigt wird, wenigstens also zu handeln, als wenn
alle so übereinstimmten: denn sonst kan die Stärke
des ganzen
ten angewendet werden. Die letzte Art von Ueberein
stimmung oder Vereinigung kan erhalten werden,
wenn „viele Menschen sich anheischig machen, ihre
Handlungen und Stärke von einer Person, oder
einer Versamlung so lenken zu lassen, als das gemei
ne Beste es erfordert, oder es nöthig ist, um alle die,
so vielleicht in Zukunft sich dieser Person oder Ver
samlung ungehorsam bezeigen möchten, mit Gewalt
zum Gehorsam zu bringen.“ Wenn sich dem
nach eine grosse Zahl von Menschen unter einerley
Regimente vereinigt haben, so machen sie einen
litischen
Wille der regierenden Person oder Versamlung,
was die äusserliche Wirkung anbetrift, der Wille
des Ganzen seyn soll.
Der natürliche Endzweck und die einzige Bestim
Endzweck des
bürgerlichen
Regiments.
Dieser steht
der despo
mung jedes bürgerlichen Regimens ist, wie alle ein
sehn, die nur noch eine Empfindung von ihrer Hoheit
Buch.
haben, in so ferne sie vernünftige Geschöpfe sind,
gerade ent
gegen.
worinne die Regenten selbst als ein Theil mit ein
geschlossen sind, und dieser Theil ist nach dem Maasse
ihrer Geschicklichkeit, oder ihres Eifers das gemei
ne Beste zu befördern mehr oder wenig wichtig.
Ein bürgerliches Regiment ist von der despotischen Gewalt eines Herren wesentlich unterschie
Ein Regente kan sich
mit Recht anmassen, die zu der Glückseligkeit des
ganzen vereinigten
wenigstens doch dahin leitet. Alle andre ist ungerecht,
unter welchen Vorwande sich auch einer dieselbe zu
eignen mag, weil es aus den allgemeinen Grund
sätzen der
Nutzen einer oder weniger Personen allemal dem
allgemeinen Vortheile grosser Mengen von Men
schen untergeordnet bleiben mus. Alle Contracte
und Bewilligungen die irgend jemanden eine unnü
tze oder ungerechte Gewalt mittheilen sind ungültig,
weil sie sich auf einen Jrrthum in Ansehung der zu
gestandnen Sache und ihrer Folgen gründen. Der
Unterthan kan sich zu Nichts verbinden als eine
solche Gewalt mitzutheilen, die als dem ganzen
Staatskörper nützlich erkant wird, und der Regen
te kan keine andre verlangen. Von noch andern
Ansprüchen auf eine gewisse Gewalt wollen wir ins
künftige handeln.
V. Wie sehr auch die Menschen eine vollkom
ne
allemal bil
lige Ursa
chen, die
uns eher zu
einer bür
gerlichen
Vereinigung
als einer
Anarchie be
wegen kön
nen.
auch als Folgen der Einführung eines bürgerlichen
Regiments vorhersehen mögen: so können sie dennoch
hinreichende Gründe haben, sich einem erträglich einge
richteten Regimente zu unterwerffen. Einige Schrift
steller machen eine unnatürliche Beschreibung von
den Lasten die den Menschen in einem politischen
fälligen Gefahren vor, denen die Menschen oft unter
einer bürgerlichen Regierung blos gestellet sind, als
wenn dieses nothwendige einem solchen Zustande al
lemal anklebende Uebel wären. Sie überlegen
aber nicht daß die Menschen eben diesen Uebeln
in einem bürgerlichen Regimente weniger blos ge
stellt sind, als sie in seiner Anarchie seyn würden.
*
Um aber dennoch die Menschen zu Erduldung solcher
Unbequemlichkeiten zu bewegen, vergrössern sie die
Uebel der Anarchie so sehr, als ihnen möglich ist, und
über alle
rung, sagen sie, haben die Regenten ein Recht über
Verbrechen schuldig halten. Aber in einem Stan
de der natürlichen Freyheit wird sich jeder Neben
mensch eine solche Gewalt über uns anmassen, und
es ist wahrscheinlich, daß vor dem bürgerlichen
Richtstuhle unsre Sache besser untersucht, auch ge
rechter mit uns verfahren werden wird. Die
Obrigkeit eignet sich noch ein andres Recht über un* Hiervon findet man zu viel im
im
Buch.
ser Leben zu, nämlich das Recht die Menschen, zu
den gefährlichsten Diensten zu zwingen, wenn es
zur Vertheidigung des Ganzen nöthig ist. Aber
solchen Gefahren würden wir uns in einer Anarchie
eben so oft, entweder allein, oder mit freywilligen
Gehülfen aussetzen müssen, die wir bewogen hätten,
uns zu unsrer Vertheidigung beyzustehn. Die Obrig
keit behauptet ein Recht über unsre Güter, sie eignet
sich einen Theil derselben durch Tribute, zum Vortheile
des ganzen Staatskörpers zu. Alsdenn aber be
dient sich eine weise Obrigkeit solcher Abgaben, das
Eigenthum des Ganzen zu vermehren, oder zu be
haupten. Jn einer Anarchie würde jeder verbun
den seyn, in eben dieser Absicht weit grössere Sum
men aufzuwenden, ohne so viel Hofnung auf einen
glücklichen Erfolg zu haben.
Wenn in einer
verbunden ist, viele kostbare und mühsame Pflichten
zum Besten des Ganzen oder einzelner Nebenbür
ger auszuüben: so geniest er auch alle Vortheile
mit, die aus ähnlichen Diensten, wozu andre ver
bunden sind, entstehn. Eine nur erträgliche Art
vom bürgerlichen Regimente mus also alle anlo
cken; alle müssen sie sowohl in Absicht auf ih
ren eignen Nutzen, als aus grosmüthigern Ur
sachen wählen; weil es klar ist, daß ein vorzüg
lich weiser und tugendhafter Mann, oder eine Ver
samlung von wenigen, von eben solchen Chara
ctern, wenn sie die Aufführung eines grossen Hau
fens von Menschen anordnen, das gemeinschaftli
che Beste Aller weit besser befördern können, als
Abschnitt.
eben diese Anzahl von Menschen zu thun im Stan
de wäre, wenn jeder seinen verschiedenen Maasre
geln folgte. Die lebhafte Vorstellung aller dieser
Bewegungsgründe hat vielleicht die Menschen be
wogen, sich zu grossen Haufen in gewisse Körper
zu vereinigen, und von weisen Männern regie
ren zu lassen.
VI. Die Meinung vieler scharfsinnigen Män
nig daran ge
legen, ob wir
die Asichten,
wissen, die
die Menschen
zuerst bewo
gen haben
sich zu verei
nigen.
ner, „daß nämlich die ersten
gungen aus den ungerechtesten Absichten entstan
den wären, daß sich böse Leute zuerst vereinigt
und Städte gebauet hätten, um ihre Nachbarn zu
unterdrücken und zu plündern,“ steht dieser Lehre
im geringsten nicht im Wege. Gesezt dies wäre
wahr, da es doch selbst in Ansehung der allerersten
Staaten, und also noch viel weniger von denenje
nigen, die in den nachfolgenden Zeiten eingeführt
worden sind, zu erweisen ist; so beweist es weiter
nichts, als das böse Leute zuerst auf diese Erfindung
gefallen sind, oder zuerst entdeckt haben, daß eine
politische Vereinigung von grossem Nutzen zur
Sicherheit und Erhaltung einer grossen Versam
lung, und zum Wachsthume aller ihrer Vortheile
sey. Vielleicht hat die Furcht, worinn solche Leu
te beständig vor der gerechten Rache ihrer beleidig
ten Nebenmenschen haben leben müssen, ihnen Ge
legenheit zu dieser Erfindung gegeben. Da hin
gegen tugendhafte Leute, die mit Rechte nichts zu
besorgen gehabt haben, vielleicht nicht so bald auf
Erfindungen in der Kunst sich zu vertheidigen ge
fallen seyn möchten. So bald aber nur einige
Buch.
politische Vereinigungen zu Stande geöracht gewe
sen sind, haben alle abgesonderte Familien in den
angränzenden Ländern die Nothwendigkeit einer
gleichen Verbindung, aus den schon angeführten
Ursachen sogleich einsehen müssen.
Es ist sehr unglaublich, wenn man behaupten
will, daß die Menschen gleich mit Gewalt gezwun
gen worden, sich einem bürgerlichen Regimente zu
unterwerfen; weil man von keinem Menschen glau
ben kan, daß er Stärke oder Gewalt genug gehabt
habe, eine beträchtliche Menge von Menschen zu
einer solchen Unterwerfung zu bringen; hat er aber
sich dazu des Beystandes von andern bedient: so
müssen diese schon vorher seiner Gewalt unterwor
fen gewesen seyn. Es mussen also schon politische
Vereinigungen da gewesen seyn, ehe man sich einer
beträchtlichen Gewalt bedienen können, die Men
schen zu einer Unterwürfigkeit zu zwingen. Es ist
wahr, wir
pter gewisser Familien ein grosses Gefolge von
Hausgenossen verschiedener Art bey sich geführt ha
ben. Wir müssen aber in der gegenwärtigen An
gelegenheit nicht auf die Namen, sondern auf die
wirkliche Gewalt sehen. Solche Häupter der Fa
milien haben die Gewalt gehabt, welche jezt die bür
gerlichen Regenten besitzen, und die Menschen sind
durch die schon angeführten Ursachen bewogen wor
den, sich in den Schutz ihrer Familien oder kleinen
Staaten zu begeben. Um uns vieler Strei
tigkeiten, die zu unsrer gegenwärtigen Absicht unnö
thig sind, zu überheben, wollen wir die weisen und
Abschnitt.
gerechten Bewegungsgründe untersuchen, wodurch
die Menschen haben bewogen werden können, in ein
bürgerliches Regiment zu treten. Wir wollen fer
ner die Arten, wie dieses billig eingerichtet werden
kan, betrachten, und uns nicht in Streitigkeiten
über die Geschichte einlassen. Wenn es wahr ist,
daß der Anfang vieler Regierungsformen äusserst
schändlich und ungerecht gewesen ist, so kan dieses
vielleicht den
demüthigen, die nunmehro eine Gewalt besitzen,
welche durch die niederträchtigsten, verächtlichsten
heit, Leichtgläubigkeit, der Streitigkeiten, oder des
gegründet ist, deren
mit Vorstellungen von einer besondern Heiligkeit
oder Göttlichkeit ihrer Würde und ihrer Rechte zu
herrschen erfüllt ist, und die sich bemühen, andern, die
an allen schätzbaren Eigenschaften vielleicht un
endlich über sie erhaben sind, gleiche Begriffe bey
zubringen.
I.
Der Anfang und Endzweck der
liche Gewalt
gründet sich
auf eine Ein
willigung
oder gewisse
Verträge.
Gewalt zeigen, daß sie vollkommen von
der väterlichen unterschieden ist, obgleich die Gesin
nungen einer guten Obrigkeit, da sie beständig für
das Wohl der Unterthanen sorgen mus, den Nei
Buch.
gungen der Eltern ziemlich gleich kommen, so daß
solche Regenten den ehrenvollen Namen der Väter ihres Volks erhalten. Aber die Gewalt der El
II. Die bürgerliche Gewalt wird am natür
Gründung
eines Staats
gehörige
Handlun
gen.
lichsten durch folgende drey verschiedene Handlun
gen der Menschen gegründet: 1) durch einen Con
tract oder einen Vertrag der Menschen unter
einander, daß sie sich in eine
nen
und ihr Bestes von ihnen besorgen lassen wollen.
2) Durch eine Erklärung oder eine Bestimmung,
die das ganze Volk von der Art der Regierungs
form und den Personen macht, denen sie anver
traut werden soll; und 3) durch eine gegenseitige
Verbindung der nunmehr eingesetzten Regenten,
Buch.
und des Volks, vermöge welcher die ersten sich an
heischig machen, sich der ihnen verliehenen Gewalt,
nur zum gemeinen Besten zu bedienen, und die letz
ten einen vollkommenen Gehorsam angeloben.
Ob es gleich nicht wahrscheinlich ist, daß die
Menschen bey jeder Einrichtung der verschiedenen
Staaten, diese drey besondern Schritte gethan ha
ben: so ist es doch klar, daß vor allen mit Recht
eingeführten Regimenten, eine Unterhandlung vor
hergegangen seyn mus, die die Kraft dieser drey
verschiednen Puncte in sich hat. Wenn ein Volk,
das entweder vor Jnjurien, die einige aus seinem
Mittel ihm erweisen könten, oder vor einer frem
den Macht in
sich vereinigt, einen weisen, rechtschafnen und
tapfern Mann, zu seinem Monarchen zu ernennen,
so vereiniget es sich auch, einen gemeinschaft
lichen Körper auszumachen, der von ihm regiert
werden soll. Er hingegen macht sich, wenn er das
Amt annimmt, eben dadurch anheischig, dasselbe so
zu verwalten, wie der Endzweck desselben, der, wie
alle Theile vorausgesetzt haben, das Beste des Gan
zen ist, es erfordert; und das Volk gelobt ausdrück
lich an, gehorsam zu seyn. Eben der Fall findet
sich bey der Einsetzung eines Senats. Selbst auch bey
der Einrichtung einer Demokratie, mus eine Hand
lung vorher gehn, die die drey angeführten in sich
begreift. Der erste Contract ist offenbar da, so
wohl, als die Bestimmung der Regierungsform,
da alle sich vereinigen, daß sie dem, was in der
Versammlung des Volks, oder durch die meisten
Abschnitt.
Stimmen beschlossen wird, folgen wollen. Was
den dritten Punct betrift, so ist er offen
bar schon in den vorigen Handlungen enthal
ten, weil alle sich ausdrücklich zu Erhaltung der
Ruhe, und zu Beförderung des gemeinen Bestens
verbinden. Jeder verbindet sich ins besondere
bey den Stimmen, die er in den
des Volks zu geben hat, die Sicherheit desselben,
und das gemeine Beste zu Rathe zu ziehen, und
verspricht also, gut zu regieren. Man setzt auch
von jedem voraus, daß er sich den Ausprüchen dieser
Versammlung, mit dem grösten Gehorsam unter
werffen wolle. Eben diese Handlungen werden
entweder ausdrücklich, oder stillschweigend vorgenom
men, so oft gewisse Personen, freywillig zu einem
schon eingerichteten
desselben aufgenommen werden. Sie lassen es sich
gefallen, sich mit dem Körper des Staats zu verei
nigen; sie willigen dadurch zugleich mit in die einge
führte Regierungsform, und indem sie des obrig
keitlichen Schutzes und andrer bürgerlichen Vor
theile geniessen, versprechen sie einen unverbrüchli
chen Gehorsam zu leisten.
III. Diese Unterhandlungen zeugen sehr deut
die Nach
kommen
schaft durch
solche Hand
lungen ver
bunden wird
lich, wie natürlich ein solcher
hang, und die daraus folgenden Verbindlichkeiten,
entstehn. Jn wiefern sie aber die Nachkommen
schaft verbinden, das ist nicht so klar. Alle Staa
ten setzen von den Nachkommen ihrer Unterthanen
voraus, daß sie mit ihren Eltern, in einem gleichen
politischen Zusammenhange, und unter gleichen
Buch.
Verbindlichkeiten stehn; obgleich Unmündige un
fähig sind, ihre Einwilligung zu geben, und man
also in Ansehung ihrer, keine stillschweigende Ein
willigung annehmen kan. Es würde auch nie
mand von dieser Verbindlichkeit frey seyn, wenn er
gleich, sobald er zur Reyfe gelangt wäre, durch sei
ne erste Handlung erklärte, daß er nicht einwilli
gen wollte, oder, wenn er sich mit einem fremden
Staate wider denjenigen, worinnen er gebohren
worden, in eine Verschwörung einliesse. Um die
ses zu erläutern, wollen wir anmerken:
1) Erstlich, daß was alle feindselige Versu
che betrift, die von irgend einer Person, sobald sie
zur Reiffe gelangt ist, unternommen werden, der
Staat ein ungezweifeltes Recht habe, so wohl sich
selbst dawider zu vertheidigen, als auch die Urheber
desselben zu bestrafen, diese mögen seine Untertha
nen seyn, oder nicht. Alle Staaten verfahren bey
solchen Gelegenheiten auch mit Unmündigen, als
mit ihren Unterthanen, und dies mit Rechte,
weil
2) Der Vater, indem er sich einem po
litischen Staatskörper unterwirft, nicht nur sich,
sondern auch seinen
sellschaft
zuwege bringt. Dies ist in allen erträglich einge
richteten Staaten ein
negotium utile geſtum, oder
ein Verfahren das ihnen ausserordentlich vortheil
haft ist. Weil sie während ihrer Minderjährigkeit alle
diese schätzbaren und unentbehrlichen Vortheile genos
sen haben, so sind sie sehr natürlich verbunden, sich al
Abschnitt.
len den Bedingungen zu unterwerffen, die man auf
eine billige Art, für die zugestandne Erlaubnis an
allen diesen Vortheilen Theil zu nehmen, von ihnen
hätte verlangen können. Nun kan es keine billigern
Bedingungen geben, als daß sie fortfahren eine ge
sellschaftliche Vereinigung zu verstärken, und zu er
halten, der sie soviel schuldig sind; und dieselbe
weder zur Zeit der Gefahr, noch sonst jemals ohne
eine billige Genugthuung für die genossenen Vor
theile verlassen. Es könnte auch keine Gesellschaft
jemals vor ihrem Untergange sicher seyn, wenn man
es allen, sobald sie zu einem reiffen Alter gelangt
wären, freystellen wollte, sich eines eigensinnigen
Einfalls wegen, von derselben, ohne vorher geleistete
Schadloshaltung zu trennen.
3) Alle diejenigen, die von ihren Voreltern
ein grosses Vermögen, und besonders Landgüter er
erbt haben, können noch zu etwas mehrerem ver
pflichtet seyn, denn der Vorfahr hat diese Güter
vielleicht mit Rechte einem weise angeordneten bür
gerlichen Regimente unterworfen, so, daß niemand
ein Recht erhalten kan, dieselben zu besitzen, wenn
er sich nicht zugleich dem eingeführten Regimente
unterwirft, oder ein Glied desjenigen
in dessen Grenzen sie liegen. Es ist natürlich, daß
keine Gesellschaft sicher seyn könnte, wenn nicht alle
ihre Länder diese Eigenschaft hätten, welche verhin
dert, daß keine von dem Staate abgesonderte Person
Güter darinnen besitzen kan: denn sonst könte sie
eine fremde Gewalt dahin ziehn, und sie zu einer
Zuflucht aller Verbrecher und Rebellen machen.
Buch.
Diejenigen also, die solche Güter ihrer Voreltern
fordern, müssen sie mit der Bedingung annehmen,
daß sie Kraft der von ihren Vorfahren bekann
ten Einwilligung, dem einmal eingeführten
Regimente unterworffen seyn wollen; dies müste
denn so sehr wider die
rechtigkeit des Contracts selbst den Vorfahren
der ihn geschlossen hat, eben so gut, als seine Nach
kommen hätte berechtigen können, davon ab
zugehn.
4) Wenn sich aber der Staat in keiner ge
genwärtigen Gefahr befindet, so scheint es wider die
Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu streiten, wenn
man ihn für die Unterthanen zu einem Gefängnisse
macht; und ihnen nicht erlaubt, eines vernünftigen
Vortheils wegen, denselben zu verlassen, und sich
mit andern Staatskörpern zu vereinigen, wenn sie
ihre Landgüter an zurückbleibende Unterthanen ver
kauffen, und den Staat, wegen aller Vortheile,
die sie auf seine Kosten erlangt haben, schadlos halten.
Was die Schadloshaltung betrift, so wird sie durch
gängig von allen Unterthanen, die keiner vorzügli
chen Vortheile genossen haben, freylich schon ver
mittelst dessen, was sie jährlich zu dem Aufwande
des Staats beytragen, entrichtet. Und alle Men
schen, auch sogar die Minderjährigen, tragen etwas
dazu bey, indem sie entweder von Ländereyen, oder
andern Gütern Abgaben bezahlen, oder andre Gü
ter verzehren, wovon Steuern entrichtet werden
müssen. Die Zwangsmittel, deren man sich be
Abschnitt.
dient die Unterthanen in dem Staate zu behalten,
können wenn derselbe von keiner allgemeinen Gefahr
bedroht wird, nur selten erlaubt seyn, sie werden
auch niemals für nöthig gehalten werden, als in
einigen elenden und ungerechten Regimentsverfas
sungen. Diejenigen aber die nachdem sie erwach
sen sind in dem Staate bleiben, und des gemein
schaftlichen Schutzes und andrer Vortheile der Un
terthanen geniessen, von denen
*
glaubt man mit
Rechte daß sie eingewilligt haben, und mit den al
ten
wesen sind, unter einerley Verbindlichkeit stehn.
Sie behalten aber dennoch das Recht zu allen ge
rechten Einwendungen wider entdeckte Betrügereyen
in dem ersten Contracte, oder wegen eines in dem
vornehmsten Endzwecke desselben vorgegangenen
Jrrthums.
IV. Aus den höchsten Begriffen von der Bil
Regiment
mit Recht oh
ne vorherge
gangene Ein
willigung
der Unter
thanen ein
geführt wer
den.
ligkeit oder dem Rechte erhellet es, das zwar die
Einwilligung Aller ein natürliches Mittel ist Staa
ten zu gründen, oder einem die bürgerliche Gewalt
zu verleihen; daß aber dennoch ein kluger mit hin
länglicher Gewalt versehener Gesetzgeber, nach der
strengsten Gerechtigkeit obgleich auf eine ungewöhn
liche Weise handelt, wenn er eine weise und zum
gemeinen Besten wirklich bequeme Regierungsform
mit Gewalt bey einem einfältigen von
angefüllten Volke einführen kan, das zu der Zeit
aufs äusserste unzufrieden damit ist; wenn nur alle * Diese ist mehr in Ver
bindlichkeit
quaſi ex contra- als eine stillschweigende,
Gesezt auch der gröste Theil einer unvorsichti
gen Menge hätte in einen gefährlichen Plan ge
willigt. Sie finden aber nachher wie viel Verder
ben er hervorbringen mus, so sind sie weil sie sich
in den wesentlichen Gegenständen des Contracts ge
irrt haben, von aller Verbindlichkeit die er sonst
hätte verursachen können, frey. Sie können auf
die Einführung einer neuen Regierungsform drin
gen, und ihre ersten Regenten haben nicht das ge
ringste Recht irgend eine Schadloshaltung zu ver
langen, weil sie an dem vorgegangenen Jrrthum
eben so schuldig sind, als das Volk. Auch verursacht
ihnen die Veränderung nicht allemal einen Scha
Abschnitt.
den. Sie können vielleicht darauf dringen wieder
in eben die Umstände gesezt zu werden, worinne sich
ihre Familien vor ihrer Erhebung zur Führung des
Regiments befunden haben, und das Volk ist viel
leicht verbunden ihnen ein solches Ansuchen zuzuge
stehn, wenn es mit seiner Sicherheit bestehen kan.
Geht dies aber nicht an, so ist das Volk nicht ver
bunden zu leiden, daß irgend jemand eine ungemässigte
oder gefährliche Gewalt besitzt, denn diese kan viel
leicht darauf abzielen, dasselbe in die Sclaverey zu
stürzen. Am wenigsten darf es dieselbe denen zugeste
hen, die schon durch den Misbrauch der ihnen anver
trauten Gewalt, indem sie dieselbe zu Unterdrückung
ihrer Nebenmenschen anwenden wollen, ihr Recht
verwirkt haben. Wenn sich das Volk in keiner sol
chen Gefahr befindet so handelt es vielleicht mensch
lich, wenn es seinen abgesezten Beherrschern alle Güter
die ihre Familien vor Zeiten besessen, haben wieder
einräumet, oder ihnen gar zugesteht in einem Stande
zu leben der sich demjenigen etwas nähert, wozu sie
durch seine eigene Uebereilung erhoben, und gewöhnt
worden sind.
V. Wenn sich eine grosse Zahl von Menschen
wird in An
sehung mo
ralischer
Rechte oder
Verbindlich
keiten als ei
ne Person
angesehen.
zum gemeinen Besten unter einer gewissen Regie
rungsform vereinigt hat: so ist es sehr natürlich, daß
man eine solche
die ihre verschiednen Rechte und Verbindlichkeiten
hat, die von den Rechten und Verbindlichkeiten ih
rer einzelnen Glieder unterschieden sind. So kan ei
ne Gesellschaft das Eigenthum von gewissen Gütern
oder andern Rechten besitzen, worüber kein einzel
nes Glied, das geringste Recht hat Contracte zu
Buch.
schliessen, es müste ihm denn von dem
von denenjenigen, denen der Staat dieselben anver
traut hat, aufgetragen seyn. Die Gesellschaft kan
in Schulden gerathen, die von den gemeinschaftli
chen Einkünften oder Gütern, nicht aber von dem
Vermögen der Privatleute bezahlt werden müssen.
Eine Gesellschaft als eine Person betrachtet, kan
durch eben die Contracte, oder eben die Ursachen
der Verbindlichkeit, die bey einzelnen Personen
Statt finden, verbunden werden; als durch Verbind
lichkeiten, die quaſi ex contractu, aus Andern verur
sachten Schäden, oder Jnjurien entstehn. Ueberhaupt
genommen finden die gemeinen Gesetze der
wodurch einzelne Personen verbunden werden, auch
bey Gesellschaften Statt. Sie müssen, sich aller
Jnjurien gegen einzelne Personen, die nicht mit zu
ihnen gehören, sowohl, als auch gegen andre Ge
sellschaften enthalten: sie müssen Treue und Glau
ben in Contracten halten, haben auch mit einzelnen
Personen in Ansehung der gewaltsamen Vertheydi
gung und Behauptung gegründeter Ansprüche wie
auch in allen Nothfällen einerley Rechte. Denn
da sich die Personen die sich zu den verschiedenen
Gesellschaften vereinigen, vorher im Stande der na
türlichen
so sind alle Gesellschaften die aus solchen Leuten be
stehen in Absicht auf einander, in eben dieser natür
lichen Freyheit. Und beynahe alle gemeine
die uns zeigen welche Aufführung der einzelnen Per
sonen unter einander billig ist, und zum gemeinen
Besten gereicht, entdecken uns auch wie die Auf
führung einer Gesellschaft gegen die andre beschaf
Abschnitt.
fen seyn mus. Daß also das Völkerrecht, in so
fern es ein Gebäude von verbindenden Regeln an
kerrecht ist
mit dem
Rechte der
Natur ziem
lich einerley
zeigt, mit dem Rechte der Natur, welches die einzel
nen Personen betrift ziemlich einerley ist. Was kleine
re Gesellschaften betrift, die in einer grössern von Leu
ten die der grössern schon unterworffen sind, ge
stiftet werden, so werden sie zwar als
Personen, nicht aber als solche, die sich im Stande
der natürlichen Freyheit befinden, angesehn. Alle ih
re Handlungen bleiben der gemeinschaftlichen Ge
walt, wodurch die grössere regieret wird, unter
worffen, und müssen nach ihren Gesetzen einge
schränkt werden. Es giebt zwar einige von dem
Rechte der
durchgängig verbindenden Völkerrechte unterschiede
ne Regeln, die auf Gewohnheiten oder stillschwei
gende Verträge gegründet sind, von diesen aber
werden wir inskünftige handeln.
V. Die verschiedenen Arten von Gewalt die
Rechte die
in den bür
gerlichen Re
gimente un
entbehrlich
sind.
den Regenten in einer
verliehen werden müssen, werden gemeiniglich ein
getheilt in die höhern Majestätsrechte
*
die man
auch wesentliche Stücke der höchsten Gewalt
benennt, und in niedere Rechte,
**
die zu
einem bürgerlichen Regimente nicht
sind.
Die wesentlichen Theile werden wieder einge
theilt in die innerlichen
***
oder diejenigen, die in*
Iura mageſtatis majora.**
Iura mageſtatis minora.***
Iura imperii imma- nentia, vel tranſeuntia.
Die Rechte die innerhalb der Gesellschaft aus
geübt werden, sind diese 1) das Recht die Handlun
gen der Unterthanen so wie es das gemeine Beste
erfordert, durch Gesetze zu regieren, die das was zu
diesem Endzwecke bequem ist, anbefehlen und beloh
nen, das Gegentheil aber bey Strafe verbieten.
Die Gesetze können ferner die verschiedenen Rechte
der Menschen deutlicher und genauer bestimmen, be
queme und zum gemeinen Besten dienende Arten
sie andern zu übertragen und zuzueignen anzeigen,
ja selbst den Gebrauch derselben nach eben so all
gemeinen Absichten einschränken.
2) Ein neues Recht, das auch in diese Clas
se gehört, ist dasjenige vermöge dessen die Regie
rung anordnen kan, wie oder wieviel jeder von sei
nem Vermögen zu den Ausgaben des Staats durch
Bezahlung der in den verschiedenen Staaten
eingeführten Auflagen, Contributionen
&c beytragen
soll. Diese beyden Arten von Gewalt, nennt man ge
Abschnitt.
meiniglich zusammen genommen, die Gewalt Ge
setze zu geben.
3) Das Recht der Jurisdiction in Civil-
die Gesetze zu
vollstrecken.
und Criminal-Sachen, wodurch alle Streitigkei
ten der Unterthanen über ihre Rechte, durch An
wendung der allgemeinen Gesetze auf sie entschieden,
und die durch dieselben verordneten Strafen, an de
nen vollzogen werden, die solche Verbrechen began
gen haben, die die Ruhe des
werden also Kraft derselben grosse Gerichtsversam
lungen, Richter die in bürgerlichen und Criminal
sachen entscheiden, und niedere Obrigkeiten und Be
amte der Gerechtigkeit verordnet, die über die genaue
Beobachtung der gemeinen Gesetze sowohl als der
besondern Befehle die von den höchsten Regenten
gegeben werden, wachen müssen. Dies nennt man
gemeiniglich die Gewalt die Gesetze zu vollstrecken.
4) Die Rechte die wider Ausländer ausgeübt
Krieg anzu
fangen, und
Friedens
oder Hand
lungstracta
ten zu schlies
sen.
werden, sind folgende zween: Erstlich zur Verthei
digung des Staats einen
so die Unterthanen zu bewaffnen, und in den Kriegs
verrichtungen zu üben; auch zu ihrer Anführung
Befehlshaber über sie zu verordnen. Zweytens
das Recht Tractaten zu schliessen, solche welche die
Bedingungen des Friedens nach einem vorhergegan
genen Kriege bestimmen, solche die uns Allianzen
oder Bundesgenossen verschaffen können, uns dar
inne beyzustehn, oder solche die ohne die geringste
Absicht auf einen Krieg einem Staate und seinen Un
terthanen andre Vortheile in Ansehung des Han
dels, der Gastfreyheit der verschiedenen Untertha
Buch.
nen gegen einander, oder der Verbesserung der Künste,
verschaffen können. Hierauf gründet sich auch das
Recht Gesandten oder Abgeordnete abzusenden, einen
solchen Tractat mit den Abgeordneten andrer Natio
nen zu Stande zu bringen zu suchen. Alle diese Rech
te bringen verschiedene Schriftsteller unter einen all
gemeinen Namen, der aber nicht im Stande ist sie
alle auszudrücken, nemlich die Gewalt mit andern
Völkern Unterhandlungen zu pflegen,
*
welche die
Rechte des Krieges sowohl als die Rechte des Frie
dens in sich begreift.
VI. Alle diese Rechte müssen nothwendig in
jeder
anvertraut werden, die sie nachher in dem Maasse
besitzen, das in der ursprünglichen Verfassung, oder
den Grundgesetzen bestimmt ist. Wie wir aber
schon gewiesen haben, daß gewisse ausserordentliche
Fälle zuweilen Privatpersonen in einem Stande der
natürlichen Freyheit das Recht verschaffen können von
Gesetzen, welche sie in allen gemeinen Fällen ver
binden abzugehn; so findet eben dieses auch bey den
Regenten eines Staats Statt, daß sie nämlich in
ausserordentlichen Fällen auch gewisse ausserordentli
che Rechte haben, daß die nicht in den Schranken der
gewöhnlichen Gesetze bleiben dürfen, wenn diese Rech
te nothwendig sind, um das gemeine Beste, oder einen * So wie Herr
diese drey Benennungen, die
Gewalt Gesetze zu geben,
sie zu vollstrecken, und Un
terhandlungen zu pflegen,
erklärt, kan man alle Rechte
und
haben, darunter verstehen.
Diese Eintheilungen sind
von keiner Wichtigkeit.
Abschnitt.
wichtigen Vortheil für das Ganze zu erhalten.
*
Solche Rechte finden in allen Staaten Statt, selbst
in solchen wo aufs strengste für die Sicherheit, der
sorgt ist, und erstrecken sich in grossen Nothfällen,
besonders in Kriegszeiten, über alle Arbeiten und
Güter der Unterthanen. So kan der Staat jedem
Unterthan mit Recht seine Ländereyen nehmen, wenn
diese nothwendig sind um einen wichtigen Ort oder
einen engen Pas zu befestigen. Die Schiffe der
Unterthanen können weggenommen werden, um
Truppen damit wegzuführen; man kan sich ihres Vor
raths an Mund-und Kriegsbedürfnissen bedienen,
sie mögen ihn fahren lassen wollen, oder nicht. Wie
wir aber bey den Nothfällen die sonst widerrechtli
che Unternehmungen der Privatpersonen rechtferti
gen können, gewiesen haben, daß einer der sich sol
cher Ausnahmen zu seinen Vortheile bedient, alle
mal verbunden ist, dem andern allen verursachten
Schaden zu ersetzen: so ist der Staat noch vielmehr
verbunden, jedem Unterthanen den Schaden den er
zum gemeinen Besten, über seinen gewöhnlichen
Antheil den er mit allen andern Nebenunterthanen
gemein hat, hat tragen müssen, aus dem öffentli
chen Schatze zu ersetzen. Solche ausserordentliche
Rechte erstrecken sich über das Leben sowohl als das
Eigenthum.
VII. Die geringern Arten der Gewalt, die die
höchsten Regenten gemeiniglich zugleich mit besitzen, * Einige nennen dieses
Recht dominium eminens,
andre aber noch besser jus mperii eminens, weil es
VIII.
klein seyn, besitzen allemal wenn sie von einen Vol
ke aufgerichtet worden sind, das vorher unabhän
gig und keiner andern Gewalt unterworffen gewe
sen ist, oder das wenigstens das Recht gehabt hat sich
von einer vorhergegangenen ungerechten Gewalt zu
befreyen, die höchste Gewalt, und befinden sich in
Ansehung aller andern grossen oder kleinen Staaten
im Stande der natürlichen Freyheit. Bey dieser
Materie mus man nicht auf Namen sehen, der
Fürstenthum, ein Herzogthum, ein Land, eine
Abschnit.
Republik oder eine freye Stadt benennet werden.
Wenn er alle wesentlichen Stücke der höchsten
üben kan, ohne von andern Personen oder Staa
ten abzuhangen, wenn niemand das Recht hat, sei
ne Handlungen einzuschränken, oder ungültig zu
machen: so besitzt er alle Majestätsrechte, seine Länder
mögen auch noch so klein, oder seiner Unterthanen
noch so wenig seyn; und er hat alle Rechte eines ab
hängigen Staats.
Diese Unabhängigkeit der Staaten, und ih
hängigkeit
wird durch
Bündnisse
nicht ge
schmälert.
re Absonderung von andern politischen
wird im geringsten nicht durch Tractaten, oder
Bündnisse geschmälert, wodurch verschiedne ge
wisse Theile der höchsten Gewalt, als die Rechte des
oder defensiv Allianzen gemeinschaftlich ausüben.
Zween Staaten bleiben obgleich solche Tracta
ten unter ihnen geschlossen sind, von einander abge
sonderte und unabhängige Körper.
Alsdenn hält man sie nur für politisch ver
einigt, wenn einer einzelnen Person oder einer gewis
sen Versammlung das Recht verliehen ist, gewisse
wesentliche Stücke der höchsten Gewalt im Namen
beyder auszuüben, oder beyde Staaten zu verhindern,
daß keiner sich derselben allein, ohne den andern bedie
nen kan. Wenn einmal eine Person oder eine
Versammlung berechtigt worden ist, alle wesent
chen Stücke im Namen beyder auszuüben, so ma
Buch.
chen sie hernach einen Staat aus, und sind einan
der vollkommen einverleibt; obgleich die verschied
nen Theile eines so zusammengesetzten Staats viel
leicht ihre alten Gesetze und Gewohnheiten in Anse
hung gewisser Privatrechte beybehalten. Diese
können den verschiedenen Theilen, von der Gewalt,
die sich über das Ganze erstreckt, bestätigt worden
seyn. Wenn aber nur ein kleiner Theil der
höchsten Gewalt einer Person, oder einer Versamm
lung, von beyden aufgetragen ist, wie z. E. das
Recht über Krieg und Frieden, oder das Recht,
Streitigkeiten zwischen zween Unterthanen aus
verschiednen Staaten zu entscheiden, da dem ohnge
acht beyde Staaten alle übrige Theile innerhalb ih
rer Grenzen, auf eine vollkommen unabhängige Art
ausüben: so nennt man sie ein System von Staa
ten, und in solchen Systemen finden sich oft grosse
Hauffen von kleinen Staaten vereinigt. Solche
Systeme entstehen, wenn ein König noch eine andre
Krone erhält, und also in beyden Königreichen ge
wisse Theile der höchsten Gewalt allein ausüben
kan, oder, wenn verschiedne Staaten sich unter
einander vergleichen, eine gemeinschaftliche Regie
rung auszumachen, wie vor Zeiten die Achaischen
Staaten. Einige Schriftsteller benennen daher
solche Systeme Achaische Vereinigungen.
I.
Wie diese wesentlichen Stücke der höchsten
fache For
men.
Gewalt, entweder einer Person, oder ei
ner Versammlung von mehrern anvertraut werden,
so entstehen auch verschiedene Regierungsformen,
von welchen einige sehr weise zum Besten der Ge
sellschaft eingerichtet sind, und also regelmässig ge
nennt werden, andre aber nur schlecht zu einem sol
chen Endzwecke dienen, und daher unregelmässig
heissen.
Wenn alle Theile der höchsten Gewalt einer
Person übertragen sind, so nennt man es eine Mo
narchie. Hat man sie einer Versammlung, und
zwar von Grossen, anvertraut, so heist es eine Ari
stokratie. Gehören sie aber der Versammlung des
ganzen Volks, oder einigen Abgeordneten desselben,
so wird es eine Demokratie genannt. Dies sind
die drey verschiednen Classen, der einfachen Arten.
Wo die höchste Gewalt einer Versammlung
aufgetragen ist, da versteht es sich allemal, das Ge
gentheil müste denn in den Grundsätzen ausdrück
lich ausgemacht seyn, daß der gröste Theil der Ver
sammlung allemal das Recht hat, alle vorgebrach
te Sachen zu entscheiden; und daß dasjenige der
Wille derselben ist, was die meisten Stimmen in
der Versammlung gewählt haben. Es ist aber
beynahe nothwendig, daß eine gewisse Anzahl der
Buch.
Glieder festgesetzt wird, die allemal zugegen seyn
mus, um einer solchen Versammlung das Recht zu
verleyhen, den ganzen Staat vorzustellen, denn
sonst könten zuweilen kleine Cabalen, die nach
theiligsten Dinge in derselben ausmachen. Es ist
ferner der vorsichtigsten Klugheit gemäs, wenn man
ausmacht, daß bey Sachen von grosser Wichtigkeit
die blosse Mehrheit der Stimmen nicht hinreicht,
sondern entweder zween Drittheile oder drey Fünf
theile erfordert werden; besonders, wenn die vorha
bende Sache die Veränderung eines alten Gesetzes,
oder die Verdammung einer angeklagten Person
betrift. Man sollte sich ferner vor der offenbaren
Falschheit hüten, die unvermeidlich ist, wenn die der
Versammlung vorgelegte Frage, oder die Sache,
die durch die Mehrheit der Stimmen entschieden
werden soll, drey Glieder hat. Denn in einem sol
chen Falle können mehr Stimmen auf ein Glied der
Frage fallen, als auf jedes von den beyden andern,
obgleich die auf die beyden letzten gefallenen Stim
men beynahe zween Drittheile der Versammlung
ausmachen. So können in einer Versammlung
von hundert Personen vier und dreyssig Stimmen
für einen Theil der Frage, und für jeden der an
dern beyden drey und dreyssig seyn; dem ohngeacht
aber wird der Wille von vier und dreyssigen, eine Sa
che wider den Willen von sechs und sechzigen bestim
men, wenn nicht in den Grundgesetzen einem solchen
Misbrauche ausdrücklich vorgebaut ist. Man soll
te solche Fragen erst allemal in einfache Fragen von
zween Theilen verwandeln, und wenn einer von die
sen angenommen wäre, so könnte man ihn, wenn
Abschnitt.
es nöthig wäre, wieder in eine andre Frage, die zween
Theile hätte, abtheilen. Eben so sollte, wenn man
gewisse Aemter durch die Wahl wieder besetzen will,
und drey Canditaten da sind, allemal eine Samm
lung der Stimmen vor der Entscheidenden vorher
gehn, um zu erfahren, welche zween von den drey
Canditaten, die mehresten Stimmen haben. Der
jenige, der die wenigsten Stimmen hätte, sollte bey
der entscheidenden Sammlung der Stimmen aus
gelassen, und zwischen die beyden andern Candita
ten gestellt werden.
III. Jede von diesen drey Classen der Regie
se der einfa
chen Form
hat mancher
ley Arten in
sich.
Die Monar
chie.
rungsformen, hat mancherley ihr untergeordnete Ar
ten, die doch zuweilen in wesentlichen Stücken ver
schieden sind. Eine Monarchie ist entweder unumschränkt, wo die ganze Regierung der Klug
heit und Redlichkeit des Prinzen, ohne alle andre
Einschränkungen aufgetragen ist, als die, so sich wegen
des wesentlichen Endzweckes aller
gimente von selbst verstehn: oder eingeschränkt,
wo durch gewisse Grundgesetze oder Bedingungen bey
Uebertragung der Gewalt, das Maas derselben be
stimmt wird, wo gewisse öffentliche Rechte ihm
nicht anvertraut, sondern dem Volke vorbehalten
werden, wo dennoch aber kein Gericht, oder keine
gewalthabende Versammlung Statt findet, die
nicht von ihm ihre Gewalt erhielte. Ferner ist die
Monarchie; entweder erblich, oder sie beruht auf der Wahl, sie
Die Aristokratie, oder das Regiment einer
kratie.
schiedenheit fähig. Es ist entweder uneingeschränkt
oder eingeschränkt, entweder nur auf eine gewisse Zeit gültig, wo die Grossen nur eine Zeit
Auch die Demokratien sind von verschiedner
Art. Zuweilen wählen alle freye Leute in einem
Staate mit gleichem Rechte den Senat. Zuwei
len aber werden jährlich, oder zu andern festgesetzten
Zeiten, gewisse Abgeordnete, entweder von dem gan
zen Volke zugleich gewählt, oder ieder von den
verschiedenen kleinen Districten, worin dasselbe * Dieser Ausdrücke be
dienten sich die alten
merCreatio bedeutete die
Wahl, die vom Volke,
Co- optatio hingegen diejenige,
**
nennen dies eine Timokra
tie, oder Oligarchie.
Die vermischten Formen sind unzählig, wie
mischten For
men sind un
zählig.
nämlich die Monarchie, von einer der oben ange
führten Arten, mit den verschiednen Arten der Ari
stokratie oder Demokratie, oder mit beyden ver
bunden werden kan. Es können wieder neue Ver
änderungen entstehen, wenn die verschiedenen
Theile der höchsten Gewalt verschiedentlich, entwe
der dem Prinzen, dem Rathe, oder einer Versamm
lung des Volkes anvertraut werden. Diese
Mannigfaltigkeit ist also unendlich, wie man * Des Servius Tullius Comitia centuriata.
III. Um uns in den Stand zu setzen, die ver
schiednen Formen zu vergleichen, und von den be
sten zu urtheilen, wollen wir einige sehr wichtige
Grundregeln voraussetzen, und alsdenn über die
Bequemlichkeiten oder Unbequemlichkeiten verschie
dene der einfachsten Formen, die allemal Theile
einer Vermischten ausmachen müssen, einige Be
trachtungen anstellen.
1) Es ist klar, daß wenn durch eine Regie
rungsform folgende vier Dinge erhalten werden
können, nämlich gehörige Weisheit, um die Mas
2) Daß wenn in einer vermischten Regie
rungsform die verschiednen Theile der höchsten Ge
der höchsten
Gewalt müs
sen
auf gewisse
Weise ver
bunden
werden.
walt vertheilt sind, so daß viele dem Prinzen, andre
wieder einem hohen Rathe, und noch andre einer
Versammlung des Volks eigen sind, daß da ein nexus imperii eine gewisse politische Verbindung unter
Es ist deswegen keinesweges nothwendig, daß
alle Theile der höchsten Gewalt nothwendig ent
weder einer einzigen Person oder einer Versamlung
anvertraut werden müssen. Die Einigkeit kan
durch andre Mittel erhalten werden; und die Vor
theile des
theilt seyn müssen.
3) Eine andere Grundregel ist sowohl der
eben so gewis: „Daß ein grosses Eigenthum und
zwar hauptsächlich in Ländereyen der natürliche
Grund ist, worauf jede Gewalt ruhen mus; ob
es gleich an und für sich selbst nicht das geringste
Recht auf irgend eine Gewalt mittheilt.“ Wo
ein grosses Eigenthum ist, können eine grosse Menge
Menschen erhalten, und ihre Hülfe kan gegen aller
hand Belohnungen erhalten werden. Wo man sie
nicht erhalten oder belohnen kan, darf man auf ih
ren Beystand keine Rechnung machen. Leute, die
im Besitze grosser Güter sind, und also sich der
Abschnitt.
Stärke von vielen bedienen können, werden alle
mal ihren Antheil an der öffentlichen Gewalt haben
wollen. Und Leute die Gewalt besitzen, werden sie
auf eine oder die andre Weise anzuwenden suchen,
um Güter zu ihrer Erhaltung zu erlangen. Dies
mus in einem Staate mancherley Zerrüttungen ver
ursachen. Eine blosse Monarchie wird nie lange
ohne Kron oder Erbländer bestehen können, wo
die Länder entweder ein wirkliches Eigenthum des
Prinzen sind, oder er doch alle Gewalt darüber hat,
die sonst das Eigenthum verschaft. Es ist wahr,
daß eine Monarchie, oder die Gewalt weniger Per
sonen zu erhalten, es nicht nöthig ist, daß der Prinz
oder die Regierung nur die Hälfte der unter ihnen
stehenden Länder wirklich besitze. Ein viel kleinerer
Antheil wird hinlänglich seyn, wenn die verschied
nen Versammlungen, die an der Regierung Theil
haben, unter einem Monarchen oder der Gewalt
Weniger vereinigt sind. Er wird allemal im Stan
de seyn, zwey oder dreymal so viel Güter an Macht
zu überwiegen, die unter einer grossen Menge vertheilt
sind, welche selten im Stande ist, sich in ihren Ab
sichten, oder über die dazu dienenden Mittel zu ver
gleichen. Dennoch bleibt allemal die Grundregel,
daß ohne einem grossen Antheil von eignen Gütern ei
ne solche Gewalt von keiner Dauer seyn kan.
Eine erbliche Aristokratie wird ebenfalls
Aristokratie.
beständigen Empörungen und Veränderungen un
terworffen seyn, wenn nicht ein grosser Theil der
dem Staate gehörigen Länder ein wirkliches Eigen
Buch.
thum der Senatoren sind. Weil diese oft selbst in
ihren Meinungen oder Absichten uneinig sind: so
sind ihre Schlüsse mehr Ungleichheiten unterworfen,
als in einer Monarchie, und sie müssen also auch
mehr eigenthümliche Güter besitzen, wenn ihre Form
dauerhaft seyn soll, als zu der Befestigung einer
Monarchie nöthig ist. Wenn sie nicht bey nahe die
Hälfte aller Ländereyen besitzen, so kan sich leicht eine
andre Gewalt erheben, die im Stande ist, sie zu un
terdrücken, und eine neue Regierungsform ein
zuführen.
Eine Demokratie kan nicht dauerhaft seyn,
wenn nicht alles Eigenthum durch das ganze Volk
so gleich vertheilt ist, daß nicht leicht wenige Mit
glieder desselben, wenn sie sich vereinigten, so viel
Reichthum zusammen bringen könten, daß sie dadurch
in den Stand einer Stärke gesezt würden, die der
Stärke des übrigen Volks überlegen wäre. Jn ver
schiednen andern vermischten Regierungsformen mus
ebenfalls eine gehörige Eintheilung des Eigen
thums beobachtet werden, sonst werden sie allemal
voller Aufruhr und Unruhe seyn. Wenn das Re
giment seinen gehörigen Grund
thume hat, so ist es dauerhaft. Diese Dauer kan
aber in vielen Regierungsformen dem Volke zum
Unglück und zur Unterdrückung gereichen, weil es
keine Stärke behält, ein ungerechtes Regiment ab
zuschaffen, oder wieder in Ordnung zu bringen.
Dies zeigt sehr deutlich, welche Sorgfalt bey der
Erfindung eines Entwurfs erfordert wird, wie
man das Eigenthum gehörig eintheilen, und solche
Abschnitt.
Veränderungen in Ansehung desselben zu verhüten
suchen mus, die im Stande seyn könten, einen guten
Plan zu verderben. Hierauf sollten ins besondre die
Gesetze über die Ländereyen und Aecker ihr Augen
merk haben.
4) Da es klar ist, daß sich in allen Demo
Plane wird
etwas von
der Demo
kratie erfor
dert.
kratien, und allen demokratischen Versammlungen,
die wirklich vom Volke gewählet werden, und in
Ansehung der Vortheile mit ihm vereinigt sind,
allemal eine getreue Sorgfalt für das gemeine Be
ste, welches zugleich auch das Beste der Versammlung
ist,
seyn, wo nicht die wichtigsten Theile der bürgerlichen
Gewalt entweder ganz oder zum Theile einer solchen
Versammlung aufgetragen sind, die
sicht, weswegen alle bürgerliche Regimente eingeführt
sind, am meisten getreu bleiben mus. Und wenn al
so die Beschaffenheit des Volks, seine
wohnheiten, seine Künste und sein Handel nicht schon
von selbst hinlänglich für eine solche Vertheilung
der Güter sorgen, die nothwendig ist, um den de
mokratischen Theil der Regierungsform zu erhal
ten: so sollte man in Ansehung der Ländereyen Ge
setze geben, welche verhindern müsten, daß nicht ein
zu grosser Reichthum von einigen aufgehäuft wür
de, der im Stande wäre, eine dem ganzen Staats
körper überlegne Gewalt hervorzubringen. Alles
was man von Einschränkung der
chen, oder der Jnjurie sagt, die man ihnen anthä
te, wenn man ihnen verhinderte, ihre Güter auf
eine erlaubte Art zu vergrössern, ist falsch. Das
Buch.
gemeine Beste verhindert sie im geringsten nicht, so
viel zu erlangen, als zu allen unschuldigen Vergnü
gungen und Ergötzlichkeiten des Lebens nöthig ist.
Gesezt auch, dies geschähe, so darf man doch die
Freyheit von Tausenden oder Millionen nicht mit
den selbst unschuldigen Vergnügungen einiger we
niger Familien, und also noch vielweniger mit der
Befriedigung ihrer Ehrsucht, ihren unerlaubten
Ergötzlichkeiten, mit dem äusserlichen Prange oder
dem Ansehen, das sie durch eine unrechtmässiger
Weise an sich gerissene Gewalt erlangen, auf die
Wage bringen.
Aus eben dieser Ursache sollte man alle un
gegründete Unterscheidungen, unter den
des Staats, wodurch nur gewisse Stände oder Fa
milien geschickt gemacht werden, gewisse Posten zu
erlangen, die ihren Besitzern viele Gewalt und gros
sen Reichthum verleihen, entweder zu verhindern oder
abzuschaffen suchen, weil diese Stände dadurch Gele
genheit bekommen, einen unmässigen und gefährli
chen Reichthum zu sammlen, diejenigen aber, die da
von ausgeschlossen sind, dadurch die gerechtesten
Ursachen zum Unwillen und zur Rachgier, und ein
abgesondertes Jnteresse erhalten. So sehn wir,
daß Rom zu keiner Ruhe gelangen konte, ehe nicht
edelmüthige und für das gemeine Beste
Zugang zu den höchsten Bedienungen des Staats
erhielten. Das allgemeine Beste des Ganzen ist
die Ursache, warum sich ein Volk vereinigt, und nicht
die Hoheit weniger Personen. Wenn gewisse Stän
Abschnitt.
de allen Vortheil allein genössen, so müsten sie auch ei
nen besondern Staat ohne eine Verbindung mit den
übrigen Ständen ausmachen.
5) Ob es gleich nicht möglich ist, eine gewisse
Zahl von
Menschen
am geschick
testen ist, ei
nen Staat zu
bilden.
Zahl von Personen oder Familien, als die bequem
sten zur Ausmachung eines
so können wir doch klare Ursachen entdecken, wa
rum gewisse Anzahlen zu klein, und andre zu gros
sind. Denn fürs erste ist es klar, daß je grösser
zu gros.
die Anzahl des vereinigten Volks ist, es auch immer
mehr zu besorgen steht, daß die Wachsamkeit der
Obrigkeit sich nicht wird über alle erstrecken kön
nen, um für ihren Schutz und die Verbesserung ih
res Zustandes zu sorgen, und daß vielen Unord
nungen nicht wird können abgeholfen werden.
Auch werden die Unordnungen und Convulsionen
eines so grossen
und von desto traurigern Wirkungen begleitet seyn,
je grösser die Anzahl derjenigen ist, die daran
Theil nehmen.
Ferner zweytens: Je grösser die Anzahl der Men
schen ist, die sich in einem Staate vereinigen, desto
geringer mus die Anzahl der Staaten werden, wo
rinn das ganze menschliche Geschlecht abgetheilt ist.
Folglich wird auch ein geringerer Theil der Men
schen Gelegenheit haben, sich zu erheben, seine Ge
schicklichkeit und politischen Fähigkeiten zu zeigen,
oder sie zum Besten des menschlichen Geschlechts zu
verbessern. Jn manchen ungeheuern Staaten, die
aus vielen Millionen bestehn, werden nur sehr we
nige zu den höchsten Rathsversammlungen gelassen,
Buch.
und überhaupt nehmen nur sehr wenige an der Re
gierung Theil. Alle übrigen sind entweder gänz
lich ausgeschlossen, oder haben weiter nichts zu thun,
als daß sie dem Befehl ihrer Obern blindlings ge
horchen. Wenn eben diese Menge Menschen in mehr
kleinere Staaten abgetheilt worden wäre, so hätten
viele Leute von grossen
higkeiten Gelegenheit bekommen, ihre Geschicklich
keiten anzuwenden, und sie durch Anwendung zum
Besten des
Sie würden entweder die Menschen zur
bildet, ihre gesellschaftlichen Neigungen ausgearbei
tet, sie zu allen bürgerlichen und Kriegsdiensten ge
schickt gemacht, oder die schönen
haben. Diesem zu folge finden wir, daß alle Tu
genden und freyen Künste in den kleinen Staaten
von
in irgend einem von den grossen Reichen.
Hingegen aber mus 1) die Anzahl so gros
seyn, daß sie an Stärke jeder von den Vereinigun
gen, die offenbar ungerecht sind, aber dennoch leicht
entstehen können, überlegen ist. Bey Spaltungen in
einem Staate können sich, besonders in grossen Rei
chen, leicht grosse Mengen aus falschen, obgleich
scheinbaren Gründen vereinigen; dies mus in einer
guten Regierungsform vermieden werden. Es ge
schicht zwar nur selten, daß sich tausend See- oder
andre Räuber vereinigen, eine offenbar ungerechte
Plünderung auszuüben, dennoch aber sind vielleicht
tausend Familien nicht mächtig genug, so starken Rot
ten solcher Leute, als man immer noch Ursache hat zu
befürchten, zu widerstehn.
Ferner giebt es 2) grosse und nützliche Ent
würfe, die dem menschlichen Leben wichtige und lange
daurende Vortheile verschaffen können, wozu aber
sowohl ein grosser Reichthum, als eine grosse Zahl
von Händen erfordert wird. Wie z. E. zu Ausrot
tung der Wälder, zu Austrocknung der Moräste, zur
Unterhaltung des Handels mit den Ausländern, zu
Erbauung der Städte, zu Aufrichtung der Manu
facturen, zu Einführung der schönen Künste und
Aufmunterung der
Drittens: Welche Anzahl auch immer, vor dem
Ursprunge grosser Staaten in ihrer Nachbarschaft,
hinreichend gewesen wäre, sich alle Bequemlich
keiten des Lebens zu verschaffen, und also einen
Staat ausmachen: so werden doch, wenn ein gros
ses Reich einmal gegründet ist, weit grössere Men
gen von Menschen erfordert um in seiner Nachbar
schaft einen Staat aufzurichten. Jn solchen Fäl
len ist es den Augenblick rathsam, daß sich viele
kleine Staaten in einen grossen vereinigen, oder we
nigstens ein sehr genau verbundens System ausma
chen, um dem zu mächtig gewordenen Reiche wider
stehen zu können. Dieser Endzweck wird selten
durch blosse Bündnisse oder Allianzen erhalten, denn
kleine Zwistigkeiten können oft diese aller ihrer Wir
kung berauben. So verbundene Staaten wenden
auch selten alle ihre Kräfte so sehr an, als sie nach
einer so genauen Vereinigung oder nach der Errich
tung eines Systems das einer Einverleibung nahe
käme, thun würden.
6) Wie im Stande der natürlichen Freyheit
dentliche
Rechte, we
gen zu er
halte der
Sicherheit.
dentliche Maasregeln rechtfertigen können, wie es
in jeder bürgerlichen
Vermehrungen des Eigenthums die nicht unrecht
mässig sind Einhalt zu thun, wenn sie nur mit der
Zeit dem
ben auch vielleicht alle Staaten das Recht, der zu
gefährlich werdenden Gewalt irgend eines Nach
barn Einhalt zu thun. Wenn sie sehn, daß ein
Staat aufs künstlichste zu Eroberungen, und zur
Unterdrückung seiner Nachbaren eingerichtet ist, wenn
er so viel Truppen auf den Beinen hält, daß sie
sich nicht dafür in Sicherheit setzen können, wenn
sie ihrem Volke nicht verwehren wollen, seinen un
schuldigen und erlaubten Verrichtungen nachzugehn,
oder ohne sich in grosse Kosten zusetzen: so haben sie
das Recht
*
sich auf einmal von dieser Gefahr zu
befreyen, ehe sie zu gros wird. Zu diesem Ende
können sie die Gewalt eines so ehrsüchtigen Nach
bars zu demüthigen, und von ihm durch die Ueber
gabe einiger festen Plätze, oder durch Schleiffung der
selben hinlängliche Sicherheit zu erhalten suchen.
Wenn weniger heftige Mittel zu ihrer Sicherheit
hinreichen, so sind sie verbunden dieselben anzu
wenden.
7) Endlich müssen wir ein für allemal an
merken, daß man bey Entwürffen von Regierungs
formen gar nicht darauf sehen mus, was tugend* Eben so erlaubt das
Civilrecht actionem damni infecti ehe uns noch ein
IV. Nunmehr gehn wir zu den besondern An
Vortheile
oder Gefah
ren bey den
einfachen Ar
ten.
Bey einen
Wahlkönig
reiche.
merkungen über das fort, was die verschiedenen
von den einfachsten Arten gutes oder nachtheiliges
enthalten. Die Monarchie von allen Arten hat
beynahe durchgängig die Eigenschaft, daß sie ihrer
Natur nach die Einigkeit
befördert, und ihre Absich
ten mit Geschwindigkeit und sehr geheim aus
führen kan. Es können wider alle Arten von Re
genten Empörungen entstehn, weil aber in der Mo
narchie eine einzige Person alle Gewalt besitzt, so
findet sich in ihrem ursprünglichen Plane die wenig
ste Gelegenheit zum Aufruhre. Eine Person die
beständig gegenwärtig ist ihre Gewalt auszuüben,
Buch.
kan es allemal mit weit grösserer Geschwindigkeit,
und Heimlichkeit thun, als irgend eine Versamm
lung von vielen. Jn Wahlkönigreichen ist, wenn
die Gesetze der Wahl nur erträglich eingerichtet sind,
so ziemlich für die Weisheit
des Regenten gesorgt.
Sonst aber findet sich in diesem Plane keine Si
cherheit wegen der Treue und sehr wenige wegen
der Einigkeit. Weil die Krone nicht auf die Nach
kommen des erwählten Monarchen fällt, so wird er
sich beständig bemühen, die Verfassung des Reichs zu
ändern; oder verzweifelt er an diesem Vorhaben, so
wird sein nächstes darin bestehn, daß er
*
seine
Familie, durch alle mögliche Pressungen seiner Un
terthanen zu bereichern, und zu vergrössern suchen
wird. Wenn auch während seines Lebens die Ei
nigkeit erhalten wird, so ist doch bey einer neuen
Wahl allemal ein bürgerlicher
Bey erblichen Monarchen hat man viel
leicht weniger Ursachen, bürgerliche Kriege zu be
fürchten, und mehr Sicherheit in Ansehung der
Treue, weil die Grösse der Familie des Prinzen
auf die Glückseligkeit seines Landes beruht. Dies
wird aber von vielen Prinzen übersehn, die voll
kommen entgegen gesezte Maasregeln ergreiffen, in
dem sie sich den Wollüsten, den Vergnügungen oder
dem Geize überlassen. Sie schlagen den
rer Unterthanen nieder, berauben sie ihres Vermö
gens, und unterdrücken alle erhabne
Liebe zur * So ist es beständig in
der Monarchie, die so unsin
nig die geistliche genannt
thume gegangen.
Abschnitt.
rer Familie gefährlich halten. Die Sicherheit we
gen der Treue wird also sehr klein, und wegen der
solchen Leuten weg, die von ihrer Jugend an, in
einem so hohen Stande erzogen sind, wo ihnen eine
beständige Ehrfurcht, die mit aufrichtigen Erinne
rungen und Verweisen nicht bestehen kan, erwiesen
wird, und wo alle über das was ihnen zuwider ist ein
Misfallen bezeugen. Es ist gar kein Wunder, daß
ungezähmte
solche unbezwungene
nungen gegen ihre Nebengeschöpfe verlieren, zu de
ren Besten ihnen doch alle diese Gewalt anvertraut ist,
daß sie unfähig werden sich selbst zu beherrschen,
oder sich zu einer mühsamen Unternehmung zu ih
rem eignen oder der Welt Besten anzustrengen.
Solche Personen müssen allemal der Raub oder das
Eigenthum der niederträchtigsten und listigsten
Schmeichler werden.
Wenn man wegen der Treue und Weisheit
schränkte
Monarchien
sind besser
als die abso
luten.
hinlängliche Sicherheit hätte, so könte keine bessere
Regierungsform erfunden werden als eine unum
schränkte erbliche Monarchie. Aber bey keinen
erblichen Amte auf der Welt kan eine solche Sicher
heit gefunden werden. Jn Monarchien die blos
durch Gesetze eingeschränkt sind, ohne das gewisse
Versammlungen einige Stücke der höchsten Gewalt
mit dem Prinzen theilen, bleibt immer noch eben die
Gefahr sowohl wegen des Unverstandes als der Ver
schiedenheit des Jnteresse der Monarchen. Aber das
Recht sich zu widersetzen wird mit Hülffe einer solchen
Buch.
Einrichtung dem Volke deutlicher in die Augen fal
len. Es wird gleich ein viel grösserer Theil des
Volks bereit seyn, sein Recht durch Anwendung
einer gerechten Gewalt zu behaupten, so bald der
Prinz einige von denen angreift, die ihm durch die
Grundsätze vorbehalten sind, als es ohne diese Ein
schränkung seyn würde. Diese Regierungsform aber
wird niemals ohne Streitigkeiten seyn können, weil
der Prinz sich allemal sein Recht zu erweitern be
mühen, das Volk aber beständig dawider wachen
wird.
V. Jn Aristokratien, wo alle Gewalt einer
Versammlung von Leuten, die in den grösten Bedie
nungen und den glücklichsten Umständen stehen
anvertraut ist, kan man zwar hinlängliche Weis
heit und politische Fähigkeiten erwarten, um das
zu entdecken, was das Beste des
dert, und es zur Wirklichkeit zu bringen. Aber wi
der Aufruhr und bürgerliche Kriege findet sich kei
ne Sicherheit. Diese Form kan auch nicht die
Treue der Regenten in den öffentlichen Angelegenhei
ten gewis machen, oder der Geschwindigkeit und Ver
schwiegenheit fähig seyn. Die Absichten eines ver
derbten Senats werden allemal dahin gehen, sich
und ihre Familien, vermittelst der Unterdrückung
des Volks zu bereichern. Jn etlichen Senaten
sind diese Uebel noch weit mehr zu befürchten, und
dem grösten Theile solcher Versammlungen, kan es
alsdenn auch an den erforderlichen politischen Ein
sichten fehlen. Bey Leuten, die in einem grossen
Reichthume, oder mit grosser Gewalt gebohren sind,
Abschnitt.
haben gemeiniglich, Ehrsucht, Eitelkeit, trotziger
Uebermuth, und eine ungesellige Verachtung aller
niederen Stände die Oberhand; als wenn diese
letztern nicht mit ihnen von einerley Geschlecht, oder
ihre Mitbürger wären. Jn einem so erhabnen
Stande, werden die Menschen auch sehr oft durch
Faulheit, Wollust und Schwelgerey verderbt. Eine
unvermischte erbliche Aristokratie, ist eine von den
ärgsten Formen, weil sie weder für die Weisheit
noch für die Treue, und so wenig für die Einigkeit
als Verschwiegenheit, Sicherheit verschaft.
Bey einer Versammlung von Senatoren, die
wo der höch
ste Rath ge
wählt wird,
sind die be
sten.
auf ihre Lebenszeit entweder vom Volke selbst, oder
wenigstens auf eine Art gewählt werden, wo es
nicht möglich ist das Beste desselben aus den Augen
zu setzen, findet sich weit mehr Sicherheit in Anse
hung der Weisheit, so wohl als auch der Treue.
Obgleich das Volk nicht allemal der beste Richter
von Fähigkeiten ist, so folgt es doch gemeiniglich
dem Rufe der
gemeiniglich erhalten. Solche Senatoren müssen,
so wohl aus Dankbarkeit gegen diejenigen, die sie
gewählt haben, als auch durch ihr Verlangen nach
der
hen bey dem Volke auch einmal ihre Freunde zu ei
ner gleichen Stelle zu verhelfen, zur Treue bewogen
werden. Wegen Uneinigkeit und Empörung in
der Versammlung selbst aber zeigt uns eine solche Re
gierungsform keine Sicherheit. Auch können immer
noch die Senatoren durch die ehrgeitzigen Absichten,
Buch.
ihren Reichthum zu vergrössern, von der Treue ge
gen das Volk abgezogen werden.
Wenn die neuen Glieder durch die Wahl der
Versammlung selbst gemacht werden, so kan sich sehr
leicht der ganze Senat in eine gefährliche Cabale ver
wandeln, die nicht im Stande ist, die geringsten Vor
theile, die der Endzweck jedes bürgerlichen Regen
tens sind, hervorzubringen; ja so gar es versuchen,
sich erblich zu machen. Wenn aber die Glieder des
Senats von dem Volke gewählt werden, und nur
eine kurze Zeit in ihrem Amte bleiben, wenn sie
nachher keine andre Rechte, als das übrige Volk be
halten, so könnte man einen solchen Senat eher eine
Versammlung des Volks, und die Regierungs
form eine Demokratie nennen. Jn einer solchen
Form sind zwar die Weisheit und Treue der Re
genten überflüssig gesichert, sie ist aber beständigen
Empörungen blosgestellt, und kan in der Ausfüh
rung ihrer Absichten weder geschwind noch verschwie
gen seyn. Diese Regierungsform kan man als
denn nur eine Aristokratie nennen, wenn das Volk
verbunden ist, die Glieder des Senats aus gewissen
grossen Familien zu wählen. Dann aber gehört sie
auch nicht mehr zu den einfachen Arten, weil eines
der wichtigsten Stücke der höchsten Gewalt, näm
lich das Recht die obrigkeitlichen Personen zu er
wählen, bey dem Volke ist.
Wenn aber das Volk in seiner Wahl nur
auf gewisse Stände, oder etliche grosse Familien
eingeschränkt ist, so wird dies allemal zwo grosse
Factionen hervorbringen, die jede ein von der an
Abschnitt.
dern abgesondertes Jnteresse haben. Die weisen
herzhaften und ehrbegierigen unter den Plebe
jern, werden sich allemal aufs stärkste bemühen, ei
ne solche Absonderung aufzuheben, und auch einen
Zutritt zu dem Senate zu erhalten. Mancherley
Aufruhr wird also in einer solchen Regierungs
form schwerlich vermieden werden können.
*
VI. Jn allen Formen der Demokratie ist man
in Ansehung der Treue gesichert. Die
lungen
des Ganzen wünschen, weil dies ihre eigne ist. Wo aber
solche Versammlungen alle Gewalt haben, und nicht
durch einen Prinzen oder Senat in den Schranken er
halten werden kan, da hat man wenig Weisheit, Ei
nigkeit und Verschwiegenheit zu erwarten. Es ist
ganz natürlich, daß da, wo alle freye Leute sich
versammlen, keine Weisheit, keine Unveränderlichkeit
ihrer Schlüsse Statt finden, und vieler Aufruhr
unmöglich vermieden werden kan. Listige und nie
derträchtige Schmeichler des Volks, können viel
leicht wider alle tugendhafte und grosse Leute den * Die meisten von die
sen Anmerkungen über die
Aristokratie findet man
durch die ganze erste Dekas
des
seinen
kungen zum Grunde gelegt
hat. Wenn die Senato
ren durch einen gewissen
Reichthum der Wahl fähig
die Form eine Oligarchie
und macht ein langes
zeichnis
ren, l. III. c. 5. & l. IV. c. 2. Wenn sie aber ihres
Wenn die Gewalt einer zahlreichen Versamm
lung von Deputirten des Volkes, die dasselbe nur
auf eine kurze Zeit vorstellen, anvertraut ist, so kan
man gleiche Treue erwarten, wenn sie nämlich ohne
betrügerische Ansichten, so, wie das Beste des
Volks es erfordert, gewählt worden sind, aber viel
mehr Weisheit und Standhaftigkeit. Dennoch
aber ist eine solche Form vor Spaltungen und
Aufruhr nicht gesichert. Da sich vielleicht der Ei
gensinn des Volks bey den verschiednen Wahlen al
lemal ändert, so ist sie auch zu unbeständig.
Die Wahl durchs Loos verhindert zwar alle
Betrügereyen und Bestechungen, sie hebt aber auch
alle Klugheit der Wahl und alle Absicht auf die die Verdienste auf, man müste denn schon vorher
eine kleine Anzahl von Candidaten durch Samm
lung der Stimmen gewählt haben, und hernach
unter diesen das Loos für einen, den Ausspruch thun
lassen. Wenn man die höchste Versammlung so
einrichtete, daß eine Sache durch Mehrheit der Cen
turien, und nicht durch Mehrheit der Stimmen ent
schieden würde: so wäre dies zwar ein Mittel, die
weiste Gewalt in die Hände vornehmer
*
und ge
schickter Leute zu bringen, man würde aber dennoch * Eine solche Form nennet
kratie.
Abschnitt.
dadurch nicht für mancherley Aufruhr gesichert
seyn.
VII. Aus dem, was wir bisher angeführt haben, er
fache Form
kan sicher
seyn.
hellt ganz deutlich, daß keine
fache Form hinlängliche Sicherheit erhalten kan.
Wenn man diejenigen Formen, die wirklich weise nach
dem wahren Endzwecke aller
eingerichtet sind, regelmässig nennen wollte, so würden
alle einfachen Arten, vielmehr den Namen der un
vollkommnen und unausgebildeten erhalten. Ver
mischte Formen, die aus allen dreyen zusammen ge
setzt sind, werden wir, nach der Lehre der Alten
**
so wohl als der Neuern, als die besten befinden.
Es trägt wenig zur Ehre einer Regierungsform
bey, und beweist noch weniger, daß sie gerecht und
klug ist, wenn man beweisen kan, daß sie die älteste
und schon in den ersten Zeiten eingeführt gewe
sen ist. Wir können von keiner Sache weniger,
als von dem bürgerlichen Regimente vermuthen, daß
die Menschen dasselbe gleich beym ersten Anblick,
oder nach einer kurzen Erfahrung zur Vollkommen** Dies erhellt auch aus
dem
eine gewisse Art von blos
ser unumschränkter Monar
chie vorzieht, die nur in
dem Munde der Schmeichler
möglich ist, wo nämlich dem
Könige etwas göttliches
und vor allen andern Men
schen in Ansehung der per
Vorzug zugestanden wird.
nung. Siehe Laert. in Zenon. Auch
Von vermischten Formen giebt es eine un
endliche Mannigfaltigkeit, nachdem nämlich die ver
schiednen Theile der höchsten Gewalt, in den monar
chischen aristokratischen, oder demokratischen
ten
lich eingetheilt sind. Viele von diesen Verände
rungen, werden in dem vierten, fünften und sech
sten
trachtet, und die natürlichen Ursachen ihrer Ver
änderungen, und ihres Untergangs untersucht. Wir
wollen nur einige allgemeine Anmerkungen anfüh
ren, welche die beste Weise betreffen, wie diese ver
schiedenen einfachen Arten in einer vermischten Re
gierungsform verbunden werden können.
VIII. Um den demokratischen Theil zu erhal
ten, haben wir schon oben den Nutzen der Gesetze in
Arten dersel
ben, mit Ge
setzen, die die
Aufhäufung
des Reich
thums ver
hindern.
Ansehung der Ankauffung der Ländereyen, oder ir
gend eines andern Mittels angemerkt, welches fä
hig seyn kan, zu verhindern, daß nicht ein zu gros
ser und gefährlicher Reichthum von wenigen auf
gehäuft wird. Man kan keine gewisse Summe
als die höchste bestimmen. Jn dem Maasse, wie
die Staaten verschieden sind, können ihnen auch ver
schiedne Grade des Reichthums gefährlich, oder nicht
gefährlich seyn. Wenn solche Gesetze die Leute auf
ein gar zu geringes Vermögen einschränken, so be
nimmt dies dem Fleisse derjenigen, die zum Handel
und zu Manufacturen die geschicktesten sind, den
Muth. Erlauben sie aber die Aufhäuffung eines
zu grossen Reichthums, so können sich vielleicht einige
mächtige Familien, wenn sie sich verbinden, den
übrigen Theil der Nation unterwerffen. Eini
ge vermischte Staaten sind ohne solche Gesetze gesi
chert, wenn nämlich der Adel seine Güter verkauf
fen kan, und unter den Bürgerlichen Handel und
grosse Gewalt und vielen Reichthum verleihen, ge
langen können. Vermöge dieser Mittel kan der
Reichthum ohne den Beystand der Gesetze hinläng
lich vertheilt werden.
2) Bey allen Formen durchgängig ist es kein
nen guten
Wohlstand
der Land
leute gesorgt
wird.
geringer Vortheil, wenn die gemeinen Pachter oder
Landleute in guten Umständen sind, nicht so, daß sie
im Stande wären, im Müssiggange zu leben, und
sich Bedienten zu halten, um alle Arbeit für sie zu
Buch.
verrichten, sondern nur so, daß die Fleissigen und
Arbeitsamen im Stande sind, sich einen überflüssi
gen Unterhalt zu erwerben, daß sie glücklich leben
können, und zulängliche Stärke am
einheimische Tyrannen, oder auswärtige Anfälle zu
vertheidigen.
3) Die sicherste Art der Versammlung des
Volks in einer vermischten Form, ist diejenige,
wenn es gewisse Deputirten auf eine Zeit lang wählt.
Bey solchen Versammlungen muß die Anzahl der
Deputirten, welche die verschiednen Districte schicken
können, nach der Menge des Volks, und seinem Reich
thum in jedem bestimmt werden. Es wird nicht
möglich seyn Bestechungen zu verhüten, wenn klei
ne oder arme Districte oder Städte das Recht ha
ben, mehrere vorzustellen, als das Verhältnis ihres
Reichthums gegen die andern, oder der Theil, den
sie an Abtragung der zum gemeinen Besten be
nothwendigen Summen nehmen, es erlaubt. Ue
berdies
res Unrecht. Die Wahl mus so eingerichtet werden,
daß alle Bestechung unmöglich ist, denn sonst stel
len die Deputirten ihre verschiednen Districte nicht
wirklich vor. An der Treue einer solchen Ver
sammlung, kan man unmöglich zweifeln, und es
muß ihnen also ein grosser Theil von der Gewalt
Gesetze zu geben, anvertraut werden. Gesetzt auch,
solche Versammlungen wären weniger geschickt, Ge
setze anzugeben, oder darüber zu berathschlagen, so soll
ten sie doch den grösten Theil an der Gewalt haben,
Abschnitt.
ihnen die Stärke der Gesetze zu geben, weil sie nicht
leicht einer Einrichtung diese Stärke geben werden,
wenn sie nicht glauben, daß sie dem Ganzen nütz
lich ist. Denn alles, was dem Volke zur Unter
drückung gereichen kan, ist auch ihnen gefährlich.
4) Um allerhand Aufruhr in der Versamm
ist nothwen
dig, der die
Gewalt hat
dem Volke
gewisse Ge
setze oder
Schlüsse
vorzutragen,
der die Ju
risdiction
und das
Recht
obrigkeitliche
Personen
einzusetzen
besitzt.
lung des Volks, und der Veränderlichkeit ihrer
Schlüsse und Maasregeln, zuvor zu kommen, ist
es allemal gut, wenn ein Senat von wenigen ein
gesetzt wird, welcher von dem Volke selbst, wegen
bekannter Geschicklichkeiten, erwählt werden, und
das Recht haben mus, sich über Gesetze oder andre
Schlüsse zu berathschlagen, und sie hernach dem
Volke vorzustellen. Er sollte nur eine gewisse Zeit
dauren, aber nicht auf einmal, sondern von Zeit zu
Zeit durch die neue Wahl einer gewissen Anzahl von
Mitgliedern verändert werden. Einem so eingerich
teten Senate, könnte man auch die höchste Juris
diction und das Recht in allen Streitsachen den
letzten Ausspruch zu thun, wie auch die Wahl al
ler obrigkeitlichen Personen, und die Besetzung aller
trauen: zum wenigsten sollte er an allen diesen Dingen
einen grossen Antheil haben. Man würde nur wenig
Ursache zu fürchten haben, daß er solche Absichten, die
dem Besten des Volks entgegen wären, hegen könte,
weil die Mitglieder desselben nach wenigen Jahren,
mit ihren Familien, was das Recht betrift, mit dem
Volke in einerley Umständen seyn werden. Jhre
ganze Hofnung nach Verlauf der gesetzten Zeit wie
der gewählt zu werden, beruht auch auf der
Buch.
die sie sich bey dem Volke zu erwerben gewust ha
ben. Ein solcher Senat würde am besten im
Stande seyn, von den Fähigkeiten der Leute zu
wichtigen Aemtern zu urtheilen.
5) Jn allen Senaten und Versammlungen,
die nur eine gewisse Zeit dauern, ist es von grossen
Nutzen, wenn sie von Zeit zu Zeit verändet werden,
also, daß zu einer gesetzten Zeit der dritte oder vierte
Theil abgeht, und ihre Plätze durch neu gewählte
Glieder ersetzt werden. Gesetzt, dies geschähe alle
Jahre, oder alle zween Jahre, so bleibt immer eine
grössere Anzahl von alten Mitgliedern übrig, welche
die Ursachen der vorher genommenen Maasregeln
einzusehen, im Stande, und einmal zu öffentli
chen Verrichtungen gewöhnt sind; die neu Aufge
nommenen aber reichen hin vorher geschmiedete Ca
balen zu hindern, oder zu vernichten. Es werden
durch eine solche Einrichtung neue Personen in den
Stand gesetzt, ihre Geschicklichkeiten zu zeigen, oder
sie zum gemeinen Besten anzuwenden. Der
erhält mehr Leute, denen er wichtige Angelegenhei
ten in bürgerlichen Dingen, oder solche, die den
Kriegsstand betreffen, anvertrauen kan. Er wird
auch durch den
mal gebrauchten Leute nicht unglücklich gemacht.
Diese Methode ist ferner nicht fähig, so viel Un
willen und
Familien zu erregen, als sich allemal findet, wenn
eine kleine Anzahl von verbundenen Leuten, auf eine
lange Zeit alle reiche und ansehnliche Aemter allein
besitzt; der Gefahr nicht zu gedenken, die für jeden
Abschnitt.
freyen Staat allemal entsteht, wenn wenige Perso
nen die Gewalt lange besitzen. Es mus dadurch
ein Uebermuth bey ihnen entstehen, und sie müssen
solche ehrsüchtige Absichten zu hegen anfangen, als
sie nie gekant haben würden, wenn ihrer Gewalt
durch die Gesetze ein gewisses Ziel gesetzt wor
den wäre.
6) Eben diese Gründe zeigen, wie vortheil
walt aller
obrigkeitli
chen
nensollte
auf eine ge
wisse Zeit
eingeschränkt
seyn.
haft es ist, alle obrigkeitliche Personen nur auf ein
Jahr zu wählen, oder wenn diese Zeit zu Ausfüh
rung gewisser grossen Absichten zu kurz ist, we
nigstens ihre Gewalt auf eine gewisse kleine Anzahl
von Jahren einzuschränken. Diese Einrichtung
kan oft den Staat des Diensts solcher Leute berau
ben, die ausserordentliche Fähigkeiten besitzen, und
doch nicht allemal. Diejenigen, die, weil es die Gesetze
verlangen, ein Amt niederlegen müssen, sind nicht
beleidigt, und ihre Nachfolger könen sich ihres Raths
und ihres Beystands bedienen. Wo solche Gesetze
schon eine geraume Zeit eingeführt gewesen sind,
wird es niemals an Leuten fehlen, die alle zu den
verschiedenen bürgerlichen oder Kriegsdiensten er
forderliche Geschicklichkeiten und
Die Hofnungen des Staats ruhen niemals auf ei
ner einzigen Person, und keiner kan durch seinen Tod
einen unersetzlichen Verlust verursachen. Jede
obrigkeitliche Person wird desto eifriger seyn, dem
gemeinen Wesen Dienste zu leisten, und sich die Lie
be des Volks zu erwerben, um sich versehen zu kön
nen, daß sie so bald es die Gesetze erlauben, wieder
gewählt werden wird. Wenn ein Staat die ehr
süchtigen Absichten hat, Eroberungen zu machen, so
Buch.
thut er vielleicht wohl, wenn er den kriegerischen
Befehlshabern ein langes Regiment verstattet.
Solche Entwürfe aber vermehren sehr selten die
sachen andern viel unverdientes Elend, und sind also
7) Um in jeder von solchen Versammlungen
allen Aufruhr zu verhüten, oder sie abzuhalten, daß
sie sich nicht unter einander anfallen, und einander
ihre Rechte zu entreissen suchen, sollte eine monar
chische oder dictatorische Gewalt zwischen ihnen ein
gesezt werden, um Schiedsrichter zu seyn. Durch
dieses Mittel kan auch die Ausführung aller ihrer
Absichten, wenn es nöthig ist, weit geschwinder und
verschwiegner erhalten werden. Diese Gewalt kan
entweder einer ganzen Familie erblich aufgetragen
werden, deren ganzes Vermögen Reichthum zu er
langen aber den Gesetzen unterworffen seyn, oder
von den Verwilligungen der Versammlung des
Volks abhangen mus; oder man könte sie nur klei
nen Versammlungen von wenigen anvertrauen, die
von dem Senat auf eine gewisse Zeit gewählet wür
den, und beständig sitzen müsten, um immer bereit
zu seyn, die Stärke des Staats zu seiner Vertheidi
gung gegen plötzliche Gefahren anzuwenden. Die
Glieder dieser Versammlung müsten von Zeit zu
Zeit und nicht auf einmal verändert werden, und
jedes derselben, nach Verlauf seiner Zeit von dem
Senat oder der Versammlung des Volks, wegen
aller Unternehmungen während seiner Regierung,
zur Rechenschaft gefordert werden können. Einem
Abschnitt.
solchen Prinzen oder einer solchen Versammlung kan
man das Recht die Gesetze oder die Schlüsse des Volks
zu vollstrecken, ganz sicher anvertrauen. Er kan
auch mit dem Senate an der Vergebung der Aemter
Theil haben.
8) Eine wohl eingerichtete Art mit Kugeln
Art mit Ku
geln zu losen.
zu losen
*
verhütet allen Streit der Mitwerber und
allen unerlaubten Einflus auf die Stimmen. Die
Sache mag eine Wahl oder die Bestimmung ge
wisser in dem Senate oder der Versammlung des
Volks vorgetragner Angelegenheiten, oder einen rich
terlichen Ausspruch betreffen. Vermittelst der Ku
geln kan jederman nach seinem Gefallen stimmen,
ohne sich der Rachgier der Mächtigen, dem Hasse
des Volks oder dem Zorne seiner Partey auszuse
tzen. Der Bestecher kan seine angewandten Sum
men verlieren, und doch keine Stimme erhalten.
Zugleich ist es klar, daß die Art mit Kugeln zu lo
sen alle Schaam aufhebt, und dem Privathasse,
der
net. Diese
grossen Theil einer zahreichen Versammlung wi
der eine und die nämliche Person einnehmen, wenn
sie nicht gegründete Ursache dazu gegeben hat.
Diese Unbequemlichkeiten sind also bey weiten nicht * Die beste Art die
Wahl des Volks einzurich
ten, ist die vermittelst der Kugeln und des Scru-
tinii, wie sie vom
9) Die Glieder der Versammlung sollten
allemal schon zum voraus von den Sachen, welche
vorkommen werden, unterrichtet seyn
*
, damit sie
nicht nöthig hätten, durch ein langweiliches Ge
zänke damit bekant zu werden. Alle die geneigt
sind, diejenigen, die billig die vortheilhaften oder
nachtheiligen Gründe einer Sache wissen müssen,
davon zu unterrichten, werden allemal eine bessere
Gelegenheit dazu finden, wenn sie mit Leuten zu
thun haben, die ruhig und bey kälterm Blute sind,
als man sie sich mitten in der Hitze der Versamm
lung vorstellen kan.
10) Jn jedem Staate ist eine sittenrichter
liche Gewalt von grosser Wichtigkeit, um die
ten
pigkeit, wollüstige Schwelgerey und andre
wodurch sonst alle für die Welt nützliche
und alle getreue Sorgfalt für das gemeine Beste
vernichtet werden würden, entweder zu unterdrü* Ein in dem Rathe
ausgemachtes Gesetz ward
allen durch die Promulga- tionem per trinnudinum be
Die Sittenrichter müsten von dem Senate
gewählt werden, und die Gewalt besitzen, Leute von
schändlichen Lebensart oder einer lüderlichen
führnng
tzen. Sie müsten ferner berechtigt seyn, die Ange
klagten mit einigen noch härtern Strafen zu bele
gen. Diese Gewalt ist vielleicht sicherer in den Hän
den einer Versammlung von Sittenrichtern, die von
Zeit zu Zeit verändert wird, als bey irgend einer
andern Person.
Durch eine genaue Betrachtung über diese
Puncte können vielleicht die besten Arten von Re
gimentsformen ausfündig gemacht und von der un
Buch.
endlichen Menge von vermischten, die es giebt, abge
sondert werden. Von den Gesetzen, die sich zu jeder
Regierungsform auf besten schicken, wird
tig
handelt.
I.
Die Rechte der Regenten bestehen in denen, die
sie durch Verfassung des
so fern nämlich die Rechte der Unterthanen ihrer
Natur nach veräussert werden können, und wirklich
durch solche Handlungen, die keine Ausnahmen lei
den, veräussert worden sind. Vornämlich ist es
klar, daß diejenigen, die die höchste Gewalt besitzen,
keiner Person, oder keinem Gerichte auf Erden von
ihrer Aufführung Rechenschaft zu geben verbunden
sind, das Gegentheil enthält einen Wiederspruch.
Hieraus aber können wir nicht schliessen, daß
in jeder Regierungsform, einer Person, oder einer
Versammlung, oder beyden gemeinschaftlich, eben
so viel Gewalt anvertraut seyn müsse, als vielleicht
in andern Planen ihnen anvertraut ist. Wenn sich
in einem Lande die ganze Masse des Volks wieder
aufs neue versammlete, und sich entschlösse, die
Gewalt seiner Regenten so unumschränkt als mög
lich zu machen, so könte es ihnen freylich eben so grosse
Rechte mittheilen, als in irgend einem andern Staa
te die Regenten mit Recht besitzen können. Jn
gewissen Staaten besitzt schon der Prinz oder ein
Abschnitt.
Senat, oder beyde gemeinschaftlich eine unumschränk
te Gewalt; in andern hingegen, sind vermöge ih
rer ursprünglichen Einrichtung gewisse Rechte dem
Volke vorbehalten, die also weder der Prinz, noch
irgend eine grosse Versammlung, noch beyde ge
meinschaftlich, das geringste Recht haben, sich zuzu
eignen. So finden sich in einigen Staaten Grund
gesetze vermöge deren die Gewalt Gesetze zu geben
dem Prinzen und einer gewisse Versammlung ge
meinschaftlich übergeben ist, und beyde sind, wenn
sie sich auch vereinigen, nicht im Stande sie zu än
dern. Keine Acte einer solchen Versammlung kan
den König berechtigen für sich selbst Gesetze zu ma
chen, oder eine Auflage zu haben. Alle solche
Vergleiche des hohen Raths oder der Versamm
lung des Volks mit dem Könige sind von selbst un
gültig, weil sie über alle Gewalt die ihnen anver
traut ist, erhaben sind. Jn gewissen Monarchien
die man unumschränkt und erblich nennt macht der
Prinz niemals einen Anspruch auf das Recht die
Ordnung der Nachfolge zu ändern, ohne die Ein
willigung des ganzen Staatskörpers einen Theil sei
ner Lande zu veräussern, oder sein Königreich einem
andern zu übergeben.
Eben diese Sache zeigt sich noch deutlicher,
sich wenn
zween Staa
ten einander
einverleibt
sind.
wenn zween unahängige Staaten einander
liebt
te vorbehalten hat, die der Gewalt der Person oder
der Versammlung die bestimmt ist das Ganze zu re
gieren, nicht unterworffen seyn sollen. Es ist nicht zu
leugnen, daß in grossen Nothfällen die Regenten
Buch.
eines Staats mit Recht einige Schritte über die
gewöhnlichen Grenzen die ihnen gesezt sind wagen
können, sie können auch vielleicht ohne Noth und
auf eine verrätherische Art, wider die Bedingun
gen handeln, auf welche ihnen ihre Gewalt anver
traut ist, ohne daß der Staat ein förmliches Mit
tel hat Genugthuung dafür zu erlangen. Aber die
Schwierigkeit diese Genugthuung zu erlangen zeigt
nicht, daß sie das geringste Recht gehabt haben, so
unnöthige Handlungen vorzunehmen. Wo keine
solche Einschränkungen gemacht sind, können die
Regenten alle alte Gesetze oder Verordnungen eines
zu erhaltenden Vortheils wegen ändern, ohne daß
sie durch die Noth dazu getrieben werden, weil die
se Gewalt ihnen anvertraut ist. Wo es hingegen
Grundgesetze giebt die gewisse Rechte als unver
änderlich bestimmen, da kan nichts als die äusserste
Nothwendigkeit solche Schritte rechtfertigen, die
die Grenzen dieser Gesetze überschreiten. Sonst
geht aller Glaube der Tractaten die bey solchen
Vereinigungen verschiedener Staaten zum Grunde
gelegt werden, verloren.
Der Fall ist eben so als wenn zween Privat
leute sich durch einen Contract zu einer gewissen
Gemeinschaft verbunden, und einige ausdrückliche
Dinge vorbehalten haben. Die äusserste Noth kan
einen Theil rechtfertigen wenn er einem solchen Vor
behalte zuwider handelt. Dennoch aber behauptet
niemand, daß ein Theilhaber, der durch ausdrück
liche Vorbehalte gebunden ist, ohne die Einwilli
gung der übrigen so viel Gewalt über den gemein
Abschnitt.
schaftlichen Vorrath hat, als er haben würde, wenn
ihm die Verwaltung desselben ohne solche Einschrän
kungen aufgetragen wäre. Wenn die Regenten
solche vorbehaltne Rechte ohne Noth angreiffen,
so erhalten die beleidigten Personen und alle die, so
geneigt sind ihnen beyzustehen, das Recht sich auf
eine gewaltsame Art zu widersetzen, und zu verthey
digen.
II. Regenten, welche die ihnen anvertraute
Verstande
die Regenten
heilig sind.
Gewalt auf eine weise Art gebrauchen, sind in die
sem Verstande wirklich heilig, „daß sie Personen
von hoher Wichtigkeit für das gemeine Beste sind,
und daß alle Jnjurien oder Gewaltthätigkeiten
womit man sich an ihnen vergreift weit strafbarer
sind als ähnliche Verbrechen gegen Personen von
geringerer Wichtigkeit, weil dem gemeinen Wesen
dadurch ein grösserer Nachtheil widerfährt.“ Aber
in diesem Verstande ist jeder tugendhafte und der
Welt nützliche Mann heilig, er mag in einem so
hohen Range stehn oder nicht. Die Rechte der
Regenten, der obrigkeitlichen Personen und der
Geistlichkeit, sind auf keine andre Art heilig als die
Rechte aller andern Menschen, ob sie gleich zuwei
len wichtiger sind.
fenbarung
zu übergebenden Gewalt, oder die Art der Nachfol
ge bestimmt, so wenig als sie die Regenten irgend ei
ne Nation die sich noch auf dem Erdboden befindet,
ernannt hat. Sein Gesetz erfordert, daß ein Re
giment eingeführt werden mus, wie es alle andre
Dinge erfordert, die zum gemeinen Besten dienen
Buch.
können. Die Form der Regierung aber und das
Maas der Gewalt sind der menschlichen Klugheit
überlassen. Sein Gesetz erfordert eben so das Ei
genthum und bestätigt allen Menschen ihre natürlichen
oder erlangten Rechte. Es ist aber der menschlichen
Klugheit überlassen, vermittelst allerhand Unter
handlungen, Einrichtungen darüber zu machen.
Eben die Gesetze der
den Regenten ihre öffentlichen Rechte bestätigen,
bestätigen auch den Unterthanen ihre Privatrechte,
und diese lezten scheinen desto wichtiger und gehei
ligter zu seyn, weil die ersten blos bestimmt sind
diese zu erhalten. Jedes eingeführte sowohl öffent
liche als Privatrecht könte aus verschiedenen Ur
sachen mit Recht sowohl eine Verordnung Gottes als eine
So lange die Regenten redliche Absichten zu
haben scheinen, und ihre Regierung das gemeine
Beste nur erträglich befördert, müssen wir wenn
sie gleich nicht an Tugenden sehr
allen Fehlern in ihrer Aufführung frey sind, ihre
Schwachheiten so viel möglich übersehen. Wir
müssen überlegen mit welchen Schwierigkeiten und
grosse Versuchungen ein so hoher Stand begleitet ist.
Sie sind immer für das gemeine Beste sehr wichtige
Personen. So kan man auch bösen Regenten, denen
man um ihrer selbst willen Nichts schuldig ist, des
Gewaltsame Veränderungen sind allemal mit vie
len Gefahren und beträchtlichen Uebeln begleitet.
Abschnitt.
Man darf sie nicht wagen, ausgenommen wenn es
nothwendig ist, um grossen schon gegenwärtigen Ue
beln oder solchen zu entgehen, die man bey der ge
genwärtigen Regierungsform oder der Verwal
tung derselben gewis zu fürchten hat. So lange
diese Uebel, diejenigen die bey einer gewaltsamen
Veränderung zu befürchten sind, nicht überwiegen,
oder keine Hoffnung so grosser Vortheile Statt findet,
daß alle diese Uebel dadurch überwogen werden, so
lange ist es eine heilige Pflicht der Unterthanen ge
gen ihr Vaterland, gehorsam zu bleiben, und die
Uebel eines bürgerlichen Kriegs zu vermeiden. Wo
es sich aber anders befindet, und keine gelindere Mit
tel den Staat von seinem Elende befreyen oder da
vor in Thorheit setzen können, da ist es eine Pflicht
die allen gegen ihr Vaterland obliegt, daß sie alles
in der Welt versuchen müssen die Regierungsform
zu ändern, oder so verrätherische Regenten ihrer Ge
walt zu berauben. Alle eingebildete Heiligkeit ih
rer
Sie hören auf ein Seegen des menschlichen Ge
schlechts zu seyn, und sind vielmehr eine Pest desselben.
III. Das Recht sich einem eingeschränkten Köni
Regierungs
formen be
hält das
Volk das
Recht sich zu
widersetzen.
ge oder Senate zu widersetzen, wenn er sich eine Gewalt
die ihm vermöge der Verfassung des Staats nicht
aufgetragen ist, anmasst, oder die Rechte gewis
ser Versammlungen die an der höchsten Gewalt,
mit Theil haben, angreift, fällt sehr natürlich in die
Augen. Wir müssen uns aber nicht einbilden, daß
dieses Recht sich zu widersetzen allein in einge
Buch.
schränkten Regierungsformen Sattt finde, wo
durch gewisse Grundgesetze, oder Contracte, oder
durch einen von den Regenten vor der Einsetzung ge
nommene Eyd, dem Volke gewisse Rechte ausdrück
lich vorbehalten, und vor ihrer Gewalt in Sicherheit
gesetzt sind. Jn diesen Fällen ist das Recht sich zu
widersetzen vielleicht weniger streitig, und das ganze
menschliche Geschlecht wird so gut als die Untertha
nen, ehe über die Rechtmässigkeit desselben und die
Fälle, wo es angewendet werden darf, einig wer
den. Bey allen Regierungsformen aber auch bey
den unumschränktesten wissen alle Theile, daß der
natürliche Endzwek, warum gewissen Personen eine
solche Gewalt anvertraut, darinn besteht, daß das
Wohl und die Sicherheit des Ganzen erhalten wer
den soll. Wenn also die Gewalt nicht zu diesem
Endzwecke sondern aus tyrannischen Absichten, oder
durch Thorheit und
che Wirkung hervorbringen müssen, zum Verder
ben des Volks angewendet wird: so kan niemand
den Unterthanen das Recht sich zu widersetzen strei
tig machen, weil ihnen ihr Contract gebrochen wor
den ist, dies muste denn mit einer offenbaren Noth
entschuldigt werden. Nicht wieder zu gedenken,
daß die Uebertragung einer unumschränkten Macht
an einen Prinzen oder einen Senat, wobey das
Volk allem Rechte sich zu widersetzen entsagte, seiner
Natur nach ein ungültiges Verfahren seyn mus, weil
es auf einen Jrrthum in Ansehung des Stücks, das
bey solchen Unterhandlungen das wesentlichste ist,
nämlich die Abzielung der Regierungsform aufs ge
meine Beste, gegründet ist.
Dies setzt nicht voraus, daß ein Gerichts
hof oder eine Versammlung über die Könige in Mo
Recht sich zu
widersetzen
beweist nicht
daß bey dem
Volke eine
erhabnere
Gewalt sey.
narchien, über den Senat in Aristokratien und über
die Versammlungen des Volks in Demokratien er
hoben seyn kan. Es sezt blos voraus, daß die
höchsten
und durch einen gewissen Contract gebunden sind,
worauf sie sich entweder ausdrücklich oder stillschwei
gend bey ihrer Uebernehmung der Gewalt eingelas
sen haben; daß sie nicht mehr Gewalt besitzen als
ihnen vermöge der Verfassung des Staats gebührt,
und daß, weil alle bürgerliche Gewalt offenbar nur
des gemeinen Bestens wegen gegeben oder angenom
men wird, derjenige, der sie zu entgegen gesezten Ab
sichten anwendet, durch seine Untreue den andern
Theil von seiner Verbindlichkeit befreyt und also die
Unterthanen das Recht haben sich wider alles Un
recht, das man ihnen anthun will, zu vertheidigen.
Ein Recht sich wider Jnjurien zu setzen zeigt keine vor
zügliche bürgerliche Gewalt an. Ja es kan mit der
niedrigsten Unterwürfigkeit bestehn. Die Untreue
des Obern kan seine Unterthanen von allen Ver
bindlichkeiten gegen ihn befreyen, und so gar ein
Sclave kan das Recht erhalten sich einem wilden und
grausamen Herren mit Gewalt zu widersetzen, wenn
er gleich aus den gerechtesten Ursachen sein Sclave
geworden ist.
IV. Da es klar ist, daß in allen Regimenten
ter seyn mus,
ob die Ge
walt meinei
diger Weise
gemisbraucht
worden ist.
die bürgerliche Gewalt gewissen Personen blos des
gemeinen Bestens wegen anvertraut ist, so können
Buch.
allerhand Fragen entstehn, ob eine solche Gewalt
durch solche Untreue, wodurch sie billig verwirkt
wird, gemisbraucht werden kan, oder nicht. Wir
reden hier nicht von solchen Jrrthümern oder Verse
hen der Regenten, die die Unterthanen von jeden
Sterblichen, weil alle fehlen können, billig erwar
ten müssen. Diese geduldig zu ertragen, so lange ihre
wichtigen Vortheile in Sicherheit bleiben, haben
sie stillschweigend angelobt, und sie sind aufs hei
ligste verbunden es zu thun, sowohl wegen ihrer
Pflichten gegen ihren Regenten, die überhaupt ge
nommen gut ist, als auch wegen des Vaterlands.
Wenn es aber die Frage ist, ob die Misbräuche der
Gewalt so gros sind, daß sie mit einer getreuen Ab
sicht nicht bestehen können, oder daß sie das Volk,
wenn damit fortgefahren wird, unglücklich machen
müssen? dürfte man vielleicht denken, daß keine
von beyden Partheyen ein unpartheyischer Richter
in ihrer eignen Sache seyn könne. Der Regent aber
hat dennoch allemal den wenigsten Anspruch, davon
zu urtheilen, weil der streitige Punkt der ist, ob er
seine Gewalt verwirkt hat, oder nicht? und er wird
gewis niemals wider sich selbst ein Urtheil fällen.
Der schiedsrichtliche Ausspruch weiser Männer aus
einer entfernten Nation die auf keiner Seite Nichts
gewinnen kan, würde bey solchen Fällen ungemein
nützlich seyn. Aber das Volk oder eine Versamm
lung von weisen Abgeordneten, denen es sich anver
trauen kan, hat allemal die gegründesten Ansprüche
auf das Recht diesen Punkt zu entscheiden. Weil
alle bürgerliche Gewalt blos zu ihrem oder ihrer Ab
ordner Besten und nicht zum Vortheile der Regen
Abschnitt.
ten eingeführt ist. Und wer hat ein besseres Recht
von einen Depositario oder einer Person, der die Ge
walt anderer anvertraut ist, zu urtheilen, als eben
diejenigen die ihr dieselbe anvertraut und sie zu dem
Ende mit ihrer Macht unterstützt haben.
Wenn ferner das Volk nach einem Versuche
schen haben
in vielen
Fällen das
Recht eine
Gewalt die
sie andern
anvertraut
haben zu wi
derrufen.
befindet, daß die Art der Gewalt, die es blos zu
seinem Vortheile angeführt hatte, ihm wirklich ge
fährlich wird; so hat es das Recht dieselbe zu ver
ändern. Ein Regente mus ausserordentlich un
verschämt seyn, wenn er seiner eignen Vortheile oder
seiner Familie wegen nicht in eine solche Verän
derung willigen, oder das Volk zu Haltung eines
Contracts anhalten will, den es, wie er selbst über
zeugt ist, blos in der Absicht geschlossen hat, daß er
zum gemeinen Besten gereichen sollte, für welches er
selbst gleichfalls nach allen Kräften zu sorgen ange
lobt hat. Der Regente würde als ein Mandata
rius handeln, der nachdem er einmal von andern ge
braucht worden, einige wichtige Angelegenheiten der
selben nach einer allgemeinen Vorschrift zu besorgen,
sich weigerte, neue Jnstructionen oder Einschrän
kungen von denen anzunehmen, die ihn eingesezt
haben, oder, wenn er sich weigern wollte, seine erste
Commission niederzulegen. Wenn er dem Volcke
durch Vorstellungen und Erklärung seiner Absich
ten bey seiner Aufführung nicht genug thun kan;
so kan er mit Rechte sein mühseliges Amt niederle
gen, auf die Ersetzung des Schadens, den er viel
leicht erlitten hat, dringen, und verlangen, daß sei
ne Familie wieder in eben den guten Stand gesetzt
Buch.
werde, worinne sie sich vor ihrer Erhebung befunden.
Dies aber ist das Volk verbunden zu thun, wenn
es mit seiner Sicherheit bestehen kan. Aber ein
Volk oder einen die Hälfte desselben an Zahl weit über
treffenden Theil zu zwingen, daß es bey einer Re
gierungsform bleiben mus, die es verabscheut, oder
sie mögen wollen oder nicht seine Unterthanen zu blei
ben ist ausserordentlich unsinnig. Als wenn Mil
lionen Menschen, worunter sich tausend finden, die
mit den Regenten gleiche
Geschicklichkeit, und Fähigkeit glücklich oder un
glücklich zu seyn besitzen, zu einem Eigenthum des
selben bestimmt wären, das zu seinem Vortheile
seinen Vergnügungen, und zu Befriedigung seiner
Eitelkeit, wider alle Absichten jedes bürgerlichen Re
giments angewendet werden dürfte.
Wenn ein mit
Volk wider seine Regenten, oder die eingeführte
Regierung ohne hinlängliche Ursachen Verdacht
schöpft, und denselben wider die Gesetze einer guten
Einrichtung seinen Gehorsam entzieht; so begeht es
unstreitig ein entsetzliches Verbrechen, das zuwei
len die schrecklichsten Folgen nach sich zieht. Eben
dieses thut auch der Regent, wenn er eine Gewalt,
die dem Volke wirklich gefährlich ist, nicht fahren
lassen will, auf welche Art er sie auch erhalten ha
ben mag. Sind die Ursachen ihres Verdachtes
gegründet, so leisten sie sich und ihren Nachbarn ei
ne schuldige Pflicht, wenn sie alle mögliche Gewalt
anwenden, eine Veränderung zuwege zu bringen.
Abschnitt.
Ueber die Gerechtigkeit dieser Ursachen aber, wird es
schwer seyn, einen Richter auf Erden zu finden.
Gesetzt aber, ein Prinz oder ein Senat sind
überzeugt, daß keine Ursache da ist, in die Regie
rungsform, oder ihre Art dieselbe zu
Mißtrauen zu setzen; es
Erklärungen oder Vorstellungen, oder kein schieds
richterlicher Ausspruch, die Unterthanen befriedi
gen, und ihre
genten kein Recht haben, ihre Gewalt zu behalten,
wenn sie kein Mittel finden, das Volk von seinen
Besorgnissen zu befreyen; weil ein Volk, das in be
ständiger Furcht und Mißtrauen lebt, nicht glück
lich seyn kan, und die allgemeine
einzige Endzweck der
die die Gewalt besitzen, können vielleicht aus Klug
heit und mit Recht einige Schritte wagen, die der ge
genwärtigen Neigung ihrer Unterthanen zuwider sind,
und nicht von ihnen gebilliget werden, weil sie die
Ursachen ihrer Aufführung nicht allen mit genugsa
mer Sicherheit anvertrauen können. Sie können
vielleicht mit Rechte eine Form einführen, die das
einfältige Volk, beym ersten Anblicke nicht billigt,
wenn sie nur
alle Unterthanen, nach Entdeckung der Ursachen sol
cher Unternehmungen, und einem Versuche der neuen
Einrichtung und ihrer Vortheile, vollkommen da
mit zufrieden seyn werden. Ein
eben so in gewissen besondern Fällen der Gewalt bedie
nen, den besondern Befehlen seines Freundes, der ihm
seine Angelegenheiten aufgetragen hat, zuwider zu
Buch.
handeln; ja er kan es sogar wagen, ihm einige nütz
liche Dienste zu leisten, die ihm gar nicht aufgetragen
sind, oder von denen er weiß, daß sein von
len
gen würde; weil er die Nothwendigkeiten einer sol
chen Unternehmung, oder die grossen Vortheile, die
daraus folgen müssen, nicht einsehen würde. Sol
che Unternehmungen aber müssen nicht die wichtig
sten, sondern sich bald zeigende Dinge betreffen,
und nichts kan solche rechtfertigen, die einen allgemei
nen und anhaltenden Verdacht, oder ein lange dau
rendes Mistrauen verursachen; weil dieses die gan
ze Glückseligkeit eines Volkes vernichten mus, des
sen
sind, und noch nicht aller Sorgfalt oder Vor
sichtigkeit wegen der künftigen Vortheile ihres Va
terlandes verlohren haben. Ein solcher Verdacht,
und ein so unruhiges Mistrauen, ist allemal in einer
unumschränkten erblichen Monarchie und Aristo
kratie in einem gewisse Maasse unvermeidlich, weil
das Volk nicht die geringste Sicherheit für seine
wichtigsten Rechte sieht.
V. Nur die Regierungsformen sind gerecht,
die ihrer Natur nach das gemeine Beste befördern.
Wenn einmal ein Regiment eingeführt ist, das so
gut zum
kan, ohne daß für eine vernünftige Sicherheit, daß es
wird zum Guten angewendet werden müssen, ge
sorgt ist, wie in allen einfachen unumschränkten
Monarchien und Aristokratien, oder vielmehr Oli
Abschnitt.
garchien, so haben die Personen, denen die Gewalt
anvertraut ist, ein Recht, sich derselben so lange zu
Beförderung des gemeinen Bestens zu bedienen, bis
die
gierungsform einzuführen. Sie können das alte
Regiment nicht länger beybehalten, wenn der grö
ste Theil derselben, in eine Veränderung willigt,
oder nur ein Theil des Volks mit der alten Regie
rungsform unzufrieden ist, und auf bessere Sicher
heit für das gemeine Wohl dringt. Da uns die ge
sunde
nicht die geringste Sorgfalt angewendet worden ist,
die grösten Uebel zu verhüten, so ist jeder, sobald er
dieses einsieht, verbunden, in gewisse nothwendige
Einschränkungen oder Einrichtungen, wodurch für
die gemeine Sicherheit gesorgt wird, zu willigen.
Dadurch, daß ein Volk sich übereilt, und in einen
Jrrthume über das, was in der Natur der Contracte
am wichtigsten ist, einen Contract geschlossen hat,
erhalten die Regenten kein Recht. Ein Regent
begehet einen Meineyd, und bricht den Glauben,
den man bey Anvertrauung der bürgerlichen Gewalt
in ihn gesetzt hat, wenn er sich solchen Einschrän
kungen widersetzt, die nothwendig sind, das allge
meinste Unglück zu verhüten. Keine unumschränk
ten erblichen Herrscher, können ihre Unterthanen
durch Eyde verbinden, daß weder sie, noch ihre
Nachkommen, sich ihnen widersetzen wollen, noch
das Recht hindern, das sie haben, nothwendige Ein
schränkungen zu machen, wenn einmal die Nachfol
ge auf tyrannische Ungeheuer fallen sollte. Sie
Buch.
sollten sich allemal des einzigen Endzwecks ihrer Ge
walt erinnern, und daß ihnen nichts, als das Beste
ihrer Unterthanen anvertraut ist.
Es ist gewis, wenn ein unvernünftiger Plan
einmal eingeführt ist, wenn man keine Hofnung
hat in den Bemühungen, denselben zu ändern,
glücklich zu seyn, sondern sie wahrscheinlicher Weise
nur dienen werden, die Kette schwerer zu machen:
oder, wenn die Uebel, die bey seiner Fortdauer zu
fürchten, oder die Vortheile, die bey der Verände
rung zu hoffen sind, nicht so gros sind, daß sie das
schreckliche Elend überwiegen, das in einem
lichen
vielleicht dle Unterthanen, vermöge der Pflichten ge
gen ihr Vaterland, aufs heiligste verbunden, ihre
Absichten und Unternehmungen, bis auf eine geleg
nere Zeit zu verschieben, und währender Zeit gehor
sam zu seyn. Eben so, wie ein rechtschafner Mann
sich und seiner Familie schuldig ist, lieber seinen
Geldbeutel einem Räuber zu überlassen, als sein Le
ben durch Vertheydigung desselben in Gefahr zu setzen.
Das Recht, das die Regenten in einer solchen un
sinnigen Regierungsform haben, die Unterthanen zu
unterdrücken und zu Sclaven zu machen, ist einer
ley mit dem, daß ein Räuber auf das Geld hat,
daß er jemanden gezwungen, ihm zu versprechen.
Der Jrrthum ist eine so gegründete Ausnahme wi
der einen Contract, als die gebrauchte Gewalt.
Und
diese Ausnahme allemal Statt; der starken Ursache
der dringenden Noth nicht zu gedenken. Wenn die
Abschnitt.
Form überhaupt genommen gut, und das Volk
bey derselben sicher ist, es finden sich aber einige
Theile, woraus einige nicht sogar beträchtliche Uebel
entstehen, und die Regenten bestehen darauf, sie bey
zubehalten; so können wir allenfalls zugestehen, daß
sie ein äusserliches Recht darauf besitzen, so, wie ein
eigennütziger Mann, einen andern zu Erfüllung
eines einmal geschlossenen, aber unbilligen Con
tracts anhalten kan. Das Volk ist vielleicht aus
Absicht auf einen entfernten Nutzen, oder auf die
Welt verbunden, ruhig zu bleiben, um grössere Ue
bel, die aus gewaltthätigen Mitteln entstehn könn
ten, zu verhüten. Der Regente aber hat auf sei
ner Seite kein Recht, worauf er sich mit einem gu
ten Gewissen beruffen könnte.
VI. Wenn Regenten, die auf eine rechtmässige
lichkeiten der
Untertha
nen, ihren
Regenten
wider Empö
rungen
beyzustehen.
Art eingesetzt sind, und ihre Gewalt gehörig anwen
den, bey einem grossen Theile eines verderbten Vol
kes verhast werden, und Empörungen wider sie ent
stehn, so sind die übrigen Unterthanen verbunden,
ihnen mit aller Treue beyzustehen. Es ist eben
falls ihre Pflicht, ihnen wider alle unrechtmässige
Mitwerber, oder alle fremde Anfälle behülflich zu
seyn. Dies sind die Unterthanen nicht nur den be
sten Regenten, sondern auch solchen schuldig, die
nur im Ganzen gute und getreue Absichten haben,
ob sie gleich sonst viele Schwachheiten an sich ha
ben können; mit einem Worte, alle denen, die nicht
die grossen und wichtigen Vortheile des
chen Geschlechts
sich in verschiednen Staaten vereinigt hat. Die
Buch.
Unterthanen sind zu einer solchen Treue um so viel
heiliger verbunden, weil der ungerechte Mitwer
ber oder Angreiffer zum voraus die ärgste Hofnung
von seinen Absichten,
rung macht, indem er solche Mittel anwendet, sie zu
erhalten.
Wenn aber ein solcher glücklich ist, den ersten
Regenten vom Throne stöst, sich selbst die höchste
Gewalt zueignet, und schon so fest darin gesetzt hat,
daß nur noch sehr wenig Hofnung übrig ist, den er
sten Regenten, ohne das gröste Blutvergiessen und
Elend wieder einzusetzen; wenn der Eroberer ei
ne Regierungsform einführt, wodurch die wichti
gen Rechte des
cherheit gesetzt werden; so, daß die Wiedereinfüh
rung des vorigen Regiments, keinen Nutzen schaf
fen kan; so wird es die Pflicht des ersten Prinzen,
seine Ansprüche fahren zu lassen, weil er diese blos
zum Vortheile des Volks erhalten hat; dieser aber
nunmehr nicht mehr damit bestehen kan. Und ein
Volk, das von seinen gegenwärtigen ruhigen und
sichern Zustande, und von der Unmöglichkeit, den er
sten Regenten, ohne das gröste Blutvergiessen wie
der einzusetzen, überzeugt ist, kan sich mit Rechte
bey der gegenwärtigen Verfassung beruhigen und die
öffentliche
fortdaurend machen, ja es ist oft gar dazu verbun
den. Bey allen gegenseitigen Verbindlichkeiten
ist es unsinnig, wenn man behauptet, daß der eine
Theil immer noch verbunden bleibt, wenn es dem
andern unmöglich geworden ist, die Pflichten zu ent
Abschnit.
richten, wegen welcher beyde sich ihre Verbindlich
keiten aufgelegt haben. Solche Zufälle sind Aus
nahmen, die bey allen Contracten voraus gesetzt
werden.
VII. Oft erhebt sich wider diese Grundsätze, in
sätze leiten
keines Weges
zur Empö
rung.
Ansehung der Rechte sich zu widersetzen, ein allge
meines Geschrey, daß sie beständigen Aufruhr und
Empörungen verursachen müsten, da doch das Ge
gentheil bekannt genug ist. Solche Unglücksfälle
entstehen viel öfter aus der entgegengesetzten Lehre,
wodurch lasterhaften Regenten eine unumschränkte
Gewalt zugestanden wird, die sie berechtigt von ih
rem Volke wider die Natur und alle gesunde Ver
nunft, die gewissenhafteste Unterwürfigkeit zu er
warten, wenn sie der Tyranney und Unterdrückung
den Zügel gänzlich schiessen lassen. Es ist bekannt,
daß die Menschen nur gar zu ofte die gegründetesten
Pflichten, wovon sie überzeugt sind, überschreiten:
sie werden also viel weniger strenge in Beobachtung
solcher aberglaubischen Grundsätze seyn, die in der
vermittelst solcher Grundsätze, die den Regenten eine
unumschränkte Gewalt zueignen, und allen Wider
stand verbieten, die Welt ruhig zu erhalten, ist ganz
falsch. Wo auch die gegründeten Rechte des
menschlichen Geschlechts bekannt, und durchgängig
angenommen sind, herrscht doch allemal eine so
meine
trägliche Regenten hochzuachten, so viel eingewur
zelte Zuneigung, zu alten Gesetzen und Gewohn
heiten, so viel Abscheu vor dem was ihnen zuwi
Buch.
der ist, so viel Furcht vor den Gefahren bey Zer
rüttungen des Staats, und so viel Hofnung auf
allerhand Vortheile unter der gegenwärtigen Re
gierung, daß es nur selten möglich ist, eine Ver
ändrung zuwegen, oder eine hinlängliche Anzahl zu
sammen zu bringen, die an gewaltsamen Unterneh
mungen, wider eine schon lange eingeführte Regie
rung Theil nehmen will, wenn auch die Untertha
nen vollkommen dazu berechtiget wären. Wir
sehen auch, daß solche Unternehmungen beynahe nie
mals glücklich ausschlagen, wenn nicht die Gewalt
auf die gröbste Art gemisbraucht, und gänzlich
zum Verderben des Volks angewendet worden
ist. Das
nommen, zu zahm und gutherzig gewesen, und da
her rührt es, das itzt beynahe neun Zehntheile aller
Sclaverey seufzen, die sie vollkommen berechtigt
wären, auf die gewaltsamste Art abzuschütteln.
Jn den Zeiten der Finsternis, und oft auch in
lichen Künste arglistiger Prinzen, durch die knech
tische Niederträchtigkeit der meisten Geistlichen, die
das Volk im
bote die richtigen Grundsätze in Ansehung der Rech
te des menschlichen Geschlechts bekant zu machen,
die richtigen angebohrnen Begriffe von der Art zu
regieren in den
löscht,
lungen von etwas Göttlichem in den Monarchen an
gefüllt worden. Man überredte ihnen, die Re
Abschnitt.
genten, so gar auch die ärgsten, stellten auf gewisse
Weise die
ein göttliches Recht, das von dem Besten der Na
tionen, die sie regieren sollten, gänzlich abgesondert
wäre, und wegen solcher eingebildeten, und unge
gründeten Verbindlichkeiten ist das beste Blut die
ser Nationen durch die streitenden Parteyen vergos
sen worden. Es ist kein Wunder, daß Millionen
sich für ein Eigenthum eines ihrer Nebenmenschen
halten, der vielleicht so einfältig und unwürdig ist,
als der Schlechteste unter ihnen, da gleich Künste
des Aberglaubens es haben dahin bringen können,
daß Millionen, ja die Erfinder solcher Betriegereyen
selbst, vor einem von ihnen aufgerichteten Klotze
oder Steine niedergefallen sind, oder Affen, Katzen
und Krokodille, als die obersten Anordner ihrer
seligkeit
le gelehrte Leute sich nicht scheuen, von Erb- oder
despotischen Königreichen zu reden, wo Millionen
Menschen mit allen ihren Nachkommen auf ewige
Zeiten in ihrem Gewissen verbunden sind, bestän
dig einem ihrer Nebenmenschen unterworfen zu
seyn, und ihm oder seinen Nachkommen, als eine an
dre Waare, blos zu seinem Vortheile, oder zu Befrie
digung seiner eigensinnigen Einfälle, zu dienen.
VIII. Die bürgerliche und natürliche
natürlichen
und bürger
lichen Frey
heit.
haben dieses gemein. Wie die letzte „ein Recht ist,
das jeder hat, nach seiner Neigung zu handeln,
wenn er nur innerhalb der Schranken der Gesetze
der Natur bleibt,“ so ist die bürgerliche Freyheit,
„das Recht so zu handeln, wie es ihm gefällt, wenn
Buch.
er nur die natürlichen und bürgerlichen Gesetze
nicht übertritt.“ Die Gesetze heben die Freyheit
im geringsten nicht auf, sondern sind vielmehr ihr
natürlichster und sicherster Schutz. Gäbe es kein
Recht der
rer Nebenmenschen zu beleidigen, oder sich dieselben
anzumaassen, so fände kein Recht, und kein Genus
der natürlichen Freyheit Statt. Gäbe es keine
bürgerlichen Gesetze, uns wider Jnjurien oder die
unrechtmässige Gewalt Stärkerer zu schützen, so
wäre niemand in der Gesellschaft eines einzigen
Rechts versichert, weil alle von dem Willen derje
gen, die eine grössere Stärke hätten, abhängen mü
sten. Und wie man von einem sagen kan, daß er frey
handelt, wenn er der Führung eines andern, auf dessen
vorzügliche
folgt: so kan man auch behaupten, daß die Menschen
unter der strengsten Regierung, wo die
genaueste bestimmt sind, dennoch überflüssige Frey
heit behalten, wenn sie von der Weisheit und gu
ten Absicht der Gesetze überzeugt, und herzlich damit
zufrieden sind; ob sie ihnen gleich nicht ungestraft
zuwider handeln dürften, und in Ansehung des grö
sten Theils ihrer Aufführung an diejenige, die das
Gesetz verordnet, gebunden sind. Wenn man un
ter der bürgerlichen Freyheit eine Ausnahme von
der Verbindlichkeit der Gesetze verstünde, so würde
in den an besten eingerichteten Staaten die wenigste
Freyheit Statt finden.
Jn unsern neuern Regierungsformen, wo sich
der
Abschnitt.
seiner Unterthanen bekümmert, ist ihre natürliche
Freyheit auf alle Weise nur sehr wenig eingeschränkt,
und ein Volck wird frey genennet, wenn seine wich
tigen Vortheile hinlänglich vor den räuberischen
Absichten, oder dem Eigensinn derjenigen, die die
Gewalt besitzen, gesichert sind. Die populus liber
einen andern Begriff verbunden, und nur Aristo
kratien oder solche Regierungsformen darunter ver
standen zu haben, wo die höchste Gewalt, oder we
nigstens die wichtigsten Theile derselben in den Hän
den des Volks, sind, so, daß das ganze Volk die Re
gierung führt, oder wenigstens mit Befehlen und
Gehorchen abwechselt.
I.
Wir haben schon gezeigt, daß die einzige na
willigung des
Volks grün
det die höch
ste Gewalt
oder Maje
stät.
türliche Weise, die höchste Gewalt zu er
langen, die Einwilligung, oder eine freywillige Ue
bertragung desselben von dem Volke ist; und es
ist klar, daß es keinen Zweig der höchsten Gewalt
giebt, der nicht auf eine solche Art hervorgebracht
werden kan. Alle Majestät Gewalt oder Würde,
wovon wir uns vernünftige Begriffe machen kön
nen,
(denn wir können uns hier auf die Ausschwei
fungen einer enthusiastischen
nicht einlassen), sind weiter nichts, als eine gewisse
Menge verschiedner Rechte, die ein Prinz, ein Se
Buch.
nat oder eine Versammlung von einer grossen Men
ge Volks aufgetragen sind.
*
Kein einzelnes
Glied dieser Menge hat vorher diese höchste Gewalt
oder diese Majestät besessen, eben so wenig als ein
einzelnes Glied Tausend macht. Wenn aber jeder
von der Menge einige von seinen Rechten einer
gewissen Person oder Versammlung aufträgt: so
kan dadurch diese höchste Gewalt oder Majestät her
vorgebracht werden, wie viele, wenn sie sich vereini
gen, eine Zahl von Tausenden ausmachen.
Um diesen Begriff noch genauer zu bestim
men, so entsteht die Gewalt Gesetze zu geben dadurch,
wenn jeder von einer
Person oder Versammlung das natürliche Recht
überträgt, das er auf die
seiner Handlungen und Güter hat. Die Ge
walt, sie zu vollstrecken, entsteht theils aus eben die
ser Uebertragung, theils auch dadurch, das jeder
dem Prinzen oder der regierenden Versammlung die
Rechte, die er in der natürlichen Freyheit wider
seine Beleidiger, in Ansehung ihrer erwiesenen Jn
jurien, oder der zu erlangenden Schadloshaltung
und Sicherheit wegen künftiger ähnlicher Unter
nehmungen gehabt haben würde, anvertraut hat.
Die Gewalt über Leben und Tod hält keines
weges etwas so göttliches in sich, daß sie durch die * Es ist bekant, daß die
majeſtatem
dem
* Siehe oben das zweyte
Es ist wahr, daß die Einrichtung des bür
gerlichen Regiments der wichtigste Contract ist,
der im menschlichen Angelegenheiten vorkommen
kan, und daß also die Verbindlichkeit zur Treue bey
demselben weit stärker und geheiligter ist. Aber
diese Betrachtung zeigt mehr die grosse Verbind
lichkeit der Regenten, ihre Regierung getreu zu
verwalten, als die Pflicht der Unterthanen, gehorsam
zu seyn. Sie macht die Rechte der Regenten we
niger göttlich, als die Rechte der Unterthanen, weil
die erstern zur Erhaltung der letztern bestimmt sind,
obgleich die Rechte der Regenten wichtiger seyn
können, als die Rechte jedes einzeln Unterthanen.
II. Es ist bey nahe überflüssig, die Ursachen
zu untersuchen, warum eine Regierungsform vor
der andern für göttlich gehalten wird. Diejenige
ist unstreitig die göttlichste, die am besten nach
dem gemeinen Wohl eingerichtet ist. Die
Schrift
vor; und am wenigsten scheint sie den so sehr be
wunderten Plan der unumschränkten erblichen Mo
narchie zu billigen. Das Recht der Natur erfor
dert von einem jeden dasjenige zu thun, was nach
den ausgedehntesten Begriffe der menschlichen Klug
heit zu der
schlechts etwas beytragen kan; und verbindet uns
Abschnitt.
also auch ohne Zweifel die besten Regierungsfor
men einzuführen. Es verbindet uns aber dazu
nicht stärker, als es uns verbindet, uns der heil
samsten Speisen, der besten Kleidung, der zuträg
lichsten Bewegungen zu bedienen, oder die nütz
lichsten Verrichtungen, und die bequemsten Arten
der Baukunst zu wählen. Es hat die Entdeckung
dieser Dinge der menschlichen Klugheit überlassen,
und Niemand bildet sich deswegen ein, daß alle
Menschen zu einerley Art Speise, Kleidung,
gung
gen, so davon abweichen, ein Verbrechen begehn,
weil sie den vorzüglichen Nutzen jener Arten nicht
einsehen. Eben so verhält es sich mit der Regie
rungsform, der erste Plan derselben mus billig der
beste seyn, der nur zu erfinden steht, und diejenigen,
die ihn einführen, müssen die Gewalt haben, durch
einen Contract oder gewisse Grundgesetze, die Art zu
bestimmen, wie er fortdauern, oder die Gewalt auf
andre fortgepflanzt werden soll.
III. Ein göttliches Recht auf die Nachfolge
Rechte auf
die Nachfol
ge sind lä
cherlich.
in gewissen öffentlichen Aemtern zu behaupten, ist
Leute zeigt uns das Recht der Natur nicht, daß die
ungetheilte Erbschaft auf einen einzigen fallen
müste. Einige
solche Art der Nachfolge eingeführt wird, sind voll
kommen widernatürlich. Die Natur weist uns
bey Privaterbschaften oft auf viele Miterben
*
, * Wie auch das alte römische Gesetz. Siehe Inſt. L. III. tit. 1. 6.
Der geringste Antheil eines Rechts auf die
Nachfolge in Aemtern, die durch das Volk einge
sezt sind, mus auch von den
hergeleitet werden. Und wir haben schon gesehen, * Siehe 118.
* S. den Hn.
Wenn es etwas Göttliches, oder von der Na
erbliche Erb
folge von der
in der Linie
unterschie
den.
kan, so mus man die durchgängige erbliche Nachfolge
eher für demselben gemäs halten, als die in der Linie.
Jn der ersten erben die Personen, nachdem sie mit
dem Verstorbnen nahe durch das Blut befreundet
sind. Ein zweyter Sohn geht einem Grossohne,
der von dem ältesten gezeugt ist, und ein jüngerer
Bruder dem Sohne eines ältern vor, und so geht
es weiter allen entfernten Anverwandten. Wie
kan sich aber irgend eine von den Personen, unter
denen das Recht der Nachfolge so ungewis, ein
göttliches oder natürliches Recht anmassen? Wo ist
die Erbfolge in der Linie selbst, in den Gütern der
Privatleute in der Schrift verordnet. Denn über
erbliche Königreiche giebt es kein Gesetze darinne.
Man findet kaum etwas davon unter den Gesetzen,
die die Beschneidung anbefohlen, die den überle
benden Brüdern befehlen, ihres Bruders Wittwe zu heyrathen, oder verbieten gewisse
Wenn
gend eine Re
gierungs
form beson
ders göttlich
wäre, so wür
de die Ord
nung der
Nachfolge
bestimmt
seyn.
gierungsform bestimmt hätte, glauben wir da,
daß er bey seiner grossen Güte den Menschen, wie
de. Er selbst würde den ersten Regenten ernannt,
gewisse öffentliche Grundgesetze gegeben, die ver
schiednen Arten der andern mitzutheilenden Gewalt
richtig bestimmt, und die
ausser allen Zweifel gesetzt haben. Die
uns, daß itzt alle
Gefahr der Theilung fähig sind. Die Nachfolge
mus also untheilbar seyn, aber was bestimmt
hierinnen die Linie? Alle diese Rechte sind nichts
als menschliche Erfindungen.
*
Sie gründen sich
entweder auf eine alte Handlung eines Volks, das
einen Prinzen und seinem Erben nach den Gebräu
chen, die bey andern Erbfolgen eingeführt sind, die
Natur des Staats müste denn einige Aenderungen
erfordern, die höchste Gewalt aufgetragen hat, oder
auf eine alte Handlung eines Prinzen, dem entwe
der die Gewalt die Erbfolge zu bestimmen, aufge
tragen gewesen ist, oder der das Volk mit Gewalt
gezwungen hat, die von ihm angezeigte Art der
Erbfolge einzuführen.
* Siehe den Herrn
Buch I. c. XI.
IV. Von allem, was jemals den Namen ei
nes Rechts erhalten hat, ist nichts ungegründeter,
als der Anspruch, den einige das Recht der Eroberung nennen. Wenn nichts anders da gewe
Wir müssen uns hier desjenigen erinnern,
was oben
*
von der gewaltsamen Vertheydigung
und Behauptung unsrer Rechte und der Ungerech
tigkeit, Gefangene von aller möglichen Art zu
Sclaven zu machen, angeführt worden ist. Aus
den daselbst festgesetzten Grundsätzen erhellt,
1) daß ein Eroberer, wenn er ungerechte Sache hat,
kein Recht erlangen kan, dessen er sich mit gutem
Gewissen bedienen könte, auch selbst nicht durch
Tractaten, die er mit Gewalt erzwingt. Und wenn
die Ueberwundnen ihren Rechten nicht entsagt ha
ben, behalten sie beständig ein Recht, das, was sie
verlohren haben, wieder zu nehmen, und jeder be
nachbarter Staat ist berechtigt ihnen beyzustehen.
2) Bey der gerechtesten Sache hat niemand
ein grösseres Recht, nach Abtreibung aller Jnju
rien eine vollkommene Schadloshaltung zu fordern,
und durch Bestrafung der Schuldigen, nicht der
Unschuldigen Sicherheit vor ähnlichen künftigen * Siehe oben II. Abschn. 15. und Abschn. V. Art. 3.
dieses Buchs.
Abschnitt.
Jnjurien zu erhalten zu suchen. Alles, was zur
Erlangung dieser Endzwecke erfordert wird, kan ge
recht seyn. Aber alle Gewaltthätigkeiten oder Un
terdrückungen, die nicht dazu nothwendig sind, sind
ungerecht. Nun sind vor einer gänzlichen Erobe
rung gewis alle Jnjurien abgetrieben, und eine
gänzliche Schadloshaltung wird auch unstreitig, ehe
es zu einer gänzlichen Unterwerfung kommt, schon er
halten seyn, oder von dem unterliegenden Theile
willig angeboten werden. Wenn nach einem sol
chen Erbieten, das so ist, wie unpartheyische
Schiedsrichter es für billig erkennen, der Ueber
winder noch mehr verlangt, oder mit Gewaltthä
tigkeiten fortfährt um mehr zu erhalten, so hört er
auf, gerechte Sache zu haben. Beynahe jeder über
wundne
Schaden durch bewegliche Güter des Staats, oder
der Unterthanen, oder durch einen jährlichen Tribut,
der eine gewisse Zeit dauert, zu ersetzen, und jeder
wird bereit seyn, sich zu einer solchen Schadloshal
tung zu bequemen, ehe er seine Unabhängigkeit ver
liert, eine Provinz eines andern Prinzen oder Lan
des wird, oder seine Länder theilt. Die Person,
die verbunden ist einen Schaden zu ersetzen, hat,
wenn sie Willens ist es auf eine vollkommne Art
zu thun, das Recht zu wählen, welche von ihren
Gütern sie dazu anwenden will.
Was die Sicherheit vor künftige ähnliche
künftige Si
cherheit zu
erhalten.
Jniurien betrift, so siehet die ganze Welt ein, daß
sie allezeit vor einer gänzlichen Eroberung erhalten
oder angeboten wird. Die Sicherheit, die man
Buch.
bey einem noch nicht völlig geschlagenen Staate,
der noch viele von seinen Kräften übrig hat, für
hinlänglich hält, mus es auch gewis bey einem ganz
entkräfteten seyn. Nun halten alle Schiedsrich
ter es für hinlängliche Sicherheit gegen einen
Staat, der noch beynahe in seiner völligen Stärke
stehet, wenn er gewisse Grenzfestungen übergiebt
oder sie schleift, gewisse Kriegsschiffe überliefert,
oder auf seine Kosten eine Besatzung des beleidigten
Staats in eine Grenzstadt, oder in einem Passe er
hält. Wie viele mehr Sicherheit müssen diese
Dinge gegen einen Staat verschaffen, der durch sieg
reiche Waffen ganz und gar gedemüthiget ist.
Was
sonen oder Güter eines ganzen Staatskörpers unter
keinem Vorwande der Gerechtigkeit, damit belegt
werden, da wir oben
*
gezeigt haben, daß sie in al
len Betrachtungen unschuldig sind. Gesetzt auch
alle, oder die meisten Häupter der Familie, sind
schuldig gewesen, so sind doch ihre Ländereyen und
Güter noch immer das Eigenthum ihrer
vertraut ist. Diese gemeinschaftliche Besitzer sind
durchgängig unschuldig, und sollten kaum unter
tausend Familien längstens auch nur eins beschul
digt werden. Die Zerstörung eines Staats, oder die
Verstossung seiner Unterthanen in die Sclaverey,
ist eine strenge Strafe, die alle seine Glieder betrift.
Die Strafe ist ihrer Natur nach bestimmt, allen
Nachbarn Sicherheit zu verschaffen. Nun aber * Siehe Abschn. 3. dieses
Abschnitt.
verschaffen die Ueberwinder, wenn sie sich alle Gewalt
über die Ueberwundenen anmassen, so wenig eine sol
che Sicherheit, daß sie vielmehr alle angränzende Staa
ten mit grössern Uebeln bedrohen, als sie von den
Ueberwindern zu fürchten hätten. Das Jnteresse
aller umliegenden Reiche erfordert es demnach solche
Wenn die Eroberer durch Grundsätze von Ge
Urheber soll
ten bestraft
werden.
rechtigkeit angetrieben würden zu bestrafen, so soll
ten sie nur die Schuldigen oder die Hauptursachen
der ihnen zugefügten Jnjurien mit der Strafe bele
gen, und dies sind die Prinzen, und die vornehm
sten Regenten eines Staats und ihre Rathgeber.
Sie sind die Mörder aller derer, die in dem mit Un
rechte von ihnen angefangenen
Wenn sie selbst leiden müsten, so würden wir ei
ne ruhige Welt haben, und sie würden sich
mehr um die Gerechtigkeit ihrer Absichten beküm
mern. Böse Regenten werden von Nichts durch
die Furcht abgehalten, daß ihre Unterthanen be
straft werden könten.
Wenn ein Staat seine Nachbarn schon oft
auf eine ungerechte Art angegriffen, oder seinen
Unterthanen schon lange Zeit so rauberische Neigun
gen gezeigt hat, wenn er ungemein vortheilhaft
gelegen ist, alle seine Nachbarn zu unterdrücken,
entweder vermittelst vorzüglich starker Vestungen,
oder des Besitzes so enger Seen, daß er allemal
Herr von dem Handel vieler benachbarten Staaten
bleibt, so daß die andern nicht vor ihm gesichert
seyn können, wenn sie nicht mit unerschwinglichen
Buch.
Kosten grosse Flotten und Armeen unterhalten: so
haben alle benachbarte Staaten unstreitig das Recht
ihn aus diesen Vortheilen oder den Forts und
Pässen an solchen Meerengen zu vertreiben. So kön
nen sie auch zuweilen eine solche
eher eine Rotte von Räubern als
möchte, zwingen sich aus einander zu begeben,
und sie ihren verschiedenen Staaten einverleiben.
Denn aber müssen sie allen, die sie von keinen Ver
brechen überführen können, alle billige Rechte ihrer
eignen Unterthanen zugestehn. Die benachbarten
Staaten aber würden die gröste Thorheit begehn,
wenn sie einem Prinz oder einem Staate zugestehn
wollten, durch Eroberungen eben eine solche Gewalt
über alle umliegende Reiche zu erhalten, als der un
gerechte Staat vermittelt seiner Lage besessen hat.
V. Obgleich die Unterthanen eines
der einen andern auf eine ungerechte Art angegrif
fen hat, vollkommen unschuldig seyn können, so
sind sie doch in gewissen Fällen zu Ersetzung des ver
ursachten Schadens verbunden. Diese sollten frey
lich zuerst von den Urhebern der Jnjurien von ihren
Privatgütern geschaft werden; wenn diese nicht
hinreichten, sollte man sich an die gemeinen Güter
des Staats oder an die Schatzkammer wenden.
Diese kan nur selten nicht hinreichend seyn, weil
sie beständig durch neue zu diesen Ende eingeführte
Auflagen wieder angefüllt werden kan. Auf diese
Art sollten billig die Eroberer, wenn der Gebrauch
der Welt eine solche Erfindung bestätigte, ihre
Schadloshaltung fordern. Wenn sich aber der un
Abschnitt.
gerechte Theil zu keiner Schadloshaltung verstehen
will, so mus der Beleidigte sie mit Gewalt neh
men. Die Güter der Regenten sind die lezten, die
sie erreichen oder deren sie sich bemächtigen kön
nen, und sie müssen sich ihre Genugthuung auf
die leichteste und kürzeste Art verschaffen.
Die Unterthanen sind, weil sie eine solche
Regierungsform eingeführt und ihre Regenten zu
einer solchen Gewalt erhoben haben, verbunden
*
ent
weder den dadurch verursachten Schaden zu ersetzen,
oder die Regenten auszuliefern, und in der Regie
rungsform alles dasjenige zu ändern, was zu künf
tigen ungerechten Unternehmungen Gelegenheit ge
ben könte. Es sollte ihnen frey stehn, unter die
sen beyden Mitteln zu wählen, und wenn sie sich
zu einen verstanden hätten, müsten sie alle ihre
Rechte und
Weil aber die Unterthanen gemeiniglich aus
im Kriege
sich der Gü
ter der Un
terthanen
eines feindse
ligen Staats
zu bemächti
gen und von
Repressalien
kindischen und
neigt sind, ihre Regenten der Gerechtigkeit zu über
liefern, so sind sie verbunden den verursachten
Schaden zu ersetzen. Dies rechtfertigt das Ver
fahren, wenn man sich im Kriege der Güter der
Unterthanen des feindseligen Staats bemächtiget,
da man entweder von den Gütern der Regenten oder
der öffentlichen Schätze keine Schadloshaltung er
langen kan. Hierzu sind wir berechtigt, wenn uns
entweder durch einen öffentlichen Schlus des Staats,
oder beleidigende Handlungen seiner Unterthanen * Siehe die Erklärung
dieses Anspruchs oben III. art. 8. und ff. 9. tit. 1. und 4.
Wenn der
versteht: so müssen die unschuldigen Unterthanen, de
ren Güter weggenommen worden sind, eine vollkom
ne Schadloshaltung entweder durch Zurückgabe der
Güter selbst oder durch Ersetzung des Wehrts er
halten. Wenn in den Tractaten die genommnen
Güter dem, der sie genommen hat, gelassen werden,
so hat er schon so viel auf Abschlag wegen des Scha
den seines Landes erhalten und die Forderung auf
den Staat wird dadurch verringert. und in die
sen Falle hat der Unterthan, der seiner Güter be
raubt worden ist, das Recht seine Schadloshaltung
von seinem Staate zu fordern. Wenn die Güter
wiedergegeben, oder dem Rechte nach von demjeni
Abschnitt.
gen der sie genommen hat, ersezt werden müssen;
so behält sein Staat das Recht von dem andern
wegen der Jnjurien, die die Capturen veranlasst ha
ben, die gröste Schadloshaltung zu fordern. Die
erstere Weise ist beynahe durchgängig in Ansehung in
öffentlichen
obgleich den Privatleuten ihr Verlust, den sie
durch die Wegnehmung ihrer Güter leiden, nur sel
ten ersezt wird.
VI. Man führt an um das Recht der Erobe
Kriege kan
man keinen
stillschwei
genden Con
tract wegen
einer zukünf
tigen Unter
würfigkeit
annehmen.
rung zu behaupten, „daß derjenige der sich in einen
ungerechten Krieg einläst, sich stillschweigend zu
allen den Umständen bequemt, worein ihn das ver
änderliche Kriegsglück versetzen kan, daß er also,
wenn er überwunden wird, verbunden ist, dem
Ueberwinder vollkommen unterworffen zu seyn,
oder gar sein Sclave zu werden, wenn dies die
gewöhnliche Art ist mit den Gefangnen umzugehn.“
aber diese Art zu schliessen ist vollkommen unsinnig.
Die Natur des Krieges und alle Erklärungen die
deswegen von beyden Seiten gethan werden, ma
chen die Vorstellung von einem solchen Contracte
gänzlich unmöglich, wenn er nicht ausdrücklich ver
abredet worden ist; wie es oft geschehen und ausge
macht worden ist, daß beyde Staaten einander ein
verleibt oder einer dem andern auf erträgliche Be
dingungen unterwürfig werden soll. Wenn wir
die Waffen ergreiffen, so erklären wir dadurch, daß
wir unsre Rechte behaupten wollen, und nicht ge
meint sind eins derselben, so lange wir noch im
Buch.
Stande sind uns zu wehren, fahren zu lassen.
Nach der vollkommensten Niederlage hält es nie
mand für einen Meyneid, wenn die Ueberwundenen
sich von neuen vereinigen, wenn sie sich in andre
Welttheile begeben, oder sich neue Bundesgenossen
verschaffen, um den Krieg zu erneuern. Wenn
man von Natur die geringsten Begriffe von einen
solchen Contracte hätte: so würde ein solches Ver
fahren allemal für verrätherisch angesehen werden.
Ferner ist es gar nicht wahrscheinlich, daß
die ungerechte Parthey sich auf einen solchen Con
tract einlassen würde, wenn nicht die andere in
gleiche Bedingungen willigte. Hat nun jemand
jemals sich eingebildet, daß die kriegerischen Unter
nehmungen, die ein
zu vertheydigen, einen Vertrag anzeigen, daß er im
Falle er überwunden wird, seiner Unabhängigkeit,
oder der persönlichen
entsagt haben will? Es gesteht auch keine Parthey
in öffentlichen
lassen sich aber deswegen nicht auf einen solchen Con
tract ein, man kan es auch keinesweges glauben,
weil sie das Gegentheil allemal ausdrücklich bekant
machen. So gar von See- und Strassenräubern,
die doch alle Rechte des menschlichen Geschlechts ver
wirken, und ihnen vermittelst ihrer offenbar unge
rechten Gewaltthätigkeiten entsagen, glaubt man
nicht, daß sie über ihren zukünftigen Zustand, im
Falle sie überwunden werden sollten, Contracte schlies
sen. Auch hält man ihre Bemühungen zu ent
kommen, oder andre Gewaltthätigkeiten, deren sie
sich zu ihrer Vertheidigung bedienen, für keine Mei
Abschnitt.
neidigen Brüche ihrer Treue, wenn sie nicht wider
ein ausdrückliches Versprechen handeln.
Es ist
von einem
ganzen Vol
ke geschlossen
werden.
zes Volk bey solchen Gelegenheiten einen Contract
schliesse, ausgenommen in Demokratien; und in
diesen ist es aus den oben angeführten Gründen den
noch falsch. Jn andern Staaten nimt unter hun
dert Unterthanen nicht einer Theil an den angefan
genen Kriegen, oder den Jnjurien, die ihr Staat
vielleicht einem andern erwiesen hat. Viele wissen
vielleicht gar Nichts davon ob ihr Staat Krieg oder
Frieden hat, wie es sich beynahe durchgängig bey
ger Familien verhält. Dennoch mus dieses wun
derbare Recht der Eroberung, das durch einen still
schweigenden Contract unterstützt wird, sie alle der
schmerzhaftesten Strafe, nämlich einer despotischen
und erblichen Herrschaft über sie und ihre Nachkom
men auf ewig, ja so gar einer unaufhörlichen Scla
verey unterwerffen.
Gesezt auch die Gewohnheit die Ueberwund
nen der umschränkten weltlichen Oberherrschaft des
Ueberwinders zu unterwerfen, oder sie zu Sklaven
zu machen, wäre durchgängig eingeführt, ob sie
gleich wieder alle Gerechtigkeit streitet; gesezt auch
die Regenten schlössen ausdrücklich solche Con
tracte: so können sie doch dadurch keine
oder keine Person als sich allein verbinden. Durch
einen solchen Contract überschreiten sie offenbar alle
ihre Gewalt, und alle Rechte, von denen man sich
einbilden kan, daß sie ihnen bey der Einrichtung ir
Buch.
gend eines bürgerlichen Regiments zugestanden wor
den. Sie haben kein Recht ein Volk entweder durch
einen ordentlichen Verkauf, oder auf gewisse Fälle
geschlossne Contracte, unglücklich zu machen, es
an andre zu überlassen oder zu verkaufen. Alle sol
che Contracte sind auf beyden Seiten betrügerisch, und
den bekanten Bedingungen, worauf allmal die bür
gerliche Gewalt andern anvertraut wird, und dem
Rechte unschuldiger Personen zuwider. Sie kön
nen also keine andre als persönliche Verbindlichkei
ten nach sich ziehn. Ein Prinz und ein Senat hat
in den unumschränktesten Regierungsformen nur die
Rechte eines Mandatarius, dem die Gewalt
aufgetragen ist, im Namen anderer ohne wieder
holte besondere Bevollmächtigungen nützliche Un
terhandlungen zu pflegen; diejenigen die ihn dazu
gemacht haben, sind zu weiter Nichts verbunden,
als entweder den Contract zu bestätigen, oder der
andern Parthey allen Schaden, den sie durch die
von ihnen beorderte Person erlitten haben mag, zu er
setzen. Jn vielen Fällen ist es auch schon hinrei
chend, wenn sie den betrügerischen Regenten an die
beleidigte Parthey ausliefern.
VII. Diese Ursachen zeigen, daß eine blosse
Eroberung selbst in einer gerechten Sache nicht leicht
ein Recht zur höchsten Gewalt über eine überwun
dene Nation verschaffen kan. Nun ist die Erobe
rung beynahe der einzige Grund, den man für de
spotische und patromonial Königreiche anführet, wo
der Prinz die Gewalt hat, das Königreich zu ver
kaufen, es andern zu überlassen, oder zu theilen,
Abschnitt.
oder es nach seinem Belieben einer Person oder Re
gierungsform zu unterwerfen. Man kan sie also mit
Rechte für ausserordentlich gottlose Eingriffe in die
Rechte des menschlichen Geschlechts halten.
gliche aber sehr unwahrscheinliche Fälle an, wo die ei
genthümliche und erbliche Gewalt auf andern Grün
den zu ruhen scheint
*
. Wenn sich nämlich ein
ganzes Volk in der grösten Gefahr befindet, von
einem barbarischen Feinde ausgerottet zu werden: so
kan es, um einen mächtigen benachbarten Staat zu
bewegen, ihm beyzustehen, und gegen den gemein
schaftlichen Feind einen gefährlichen Krieg zu über
nehmen, sich anheischig machen, sich und seine
Rechte, in so fern es sie veräussern kan, diesem mäch
tigen Nachbar zu unterwerfen, und ihm das Recht
geben, diesen neuen Staat nach seinen Gefallen,
und so, wie es sein Vortheil erfordert, doch auf eine
menschliche Art, zu regieren. Durch ein Verbre
chen oder einen verursachten Schaden, woran viele
Theil genommen haben, können alle diese in eine ge
rechte Sclaverey gerathen, oder sie können alle ihre zu
veräussernde Rechte, die zur Ersetzung des Scha
dens etwas beyzutragen im Stande sind, verwir
ken. Diese lezte Ursache aber kan nur auf eine ge
wisse Zeit eine Gewalt über die Verbrecher oder die
Urheber des verursachten Schadens gründen. Jhre
unschuldige Nachkommenschaft besizt alle natürli
chen Rechte des menschlichen Geschlechts, und also * Siehe diese Fälle im Grot. de J. B. et P. L. 1.
Was die Contracte betrift, die in der äusser
sten Noth geschlossen werden, so kan ein Prinz
oder ein benachbarter Staat keine grössern Rechte
dadurch erlangen, als was es billig seyn würde,
zur Dankbarkeit für den geleisteten wichtigen Dienst
zu fordern. Wenn aus Uebereilung mehr zuge
standen worden ist, so mus der Contract durch
den Ausspruch unparteyischer Schiedsrichter ge
mässigt werden. Wie es bey allen andern zu be
schwerlichen oder ungleichen Contracten gehalten
wird, wo ein Theil sich in dem Werthe der zuge
standnen Dinge geirrt hat. Bey diesen allgemei
nen Unterwerfungen müssen allemal viel stillschwei
gende Vorbehalte und Bedingungen verstanden
werden: daß nämlich der Schutz dieses mächtigen
Staats fortdauren, und das bürgerliche Regiment
auf eine menschliche Art. und seinen natürlichen
Endzwecken gemäs, ausgeübt werden soll. Wenn
ein
gen Staate zu unterwerffen, der ein gelindes Re
giment führt, so enthält eine solche Handlung kei
ne Einwilligung, daß er sich einem andern schwa
chen oder ohnmächtigen, oder einem albernen, oder
grausamen Tyrannen übergeben lassen will. Ein
Staat kan auch dadurch, daß sich ein andrer ihm
Abschnitt.
unterwirft, nicht das Recht erhalten, ihn an andre zu
überlassen, zu zergliedern und zu theilen. Auch
findet die Ausnahme der Noth wider die ausdrück
lichsten Contracte allemal Statt, wenn etwas vor
genommen wird, woraus grosse unnöthige Uebel
entstehen, die denen Dingen zuwider sind, die bey
allen möglichen Unterwerfungen unter irgend einer
menschlichen Gewalt als ausgemacht vorausgesezt
werden. Alle unschuldige Personen haben ein Recht,
auf bessere Versicherungen wergen ihrer Sicher
heit zu dringen, als in allen eigenthümlichen Erb
königreichen gegeben werden. So gar Eltern, die
Verbrecher gewesen sind, können ihren unschuldi
digen
nig als ein andres natürliches oder erlangtes Recht,
das nicht von ihren Eltern auf sie gekommen ist.
VIII. Wenn ein Eroberer, der so gar gerechte
ein Eroberer
durch nach
folgende
Contracte
ein Recht er
halten kan.
Sache hat, ein überwundnes Volk zwingt, mit
ihm einen Contract zu schliessen, und sich seinem
Regimente zu unterwerfen: so erhält er durch ei
nen solchen Contract, weil er erzwungen ist, kein
anders Recht, dessen er sich mit einem guten Ge
wissen bedienen könte, als ein See- oder Strassen
räuber. Seine Sache ist nunmehr ungerecht, so
gerecht sie auch vorher gewesen seyn mag. Und ob
es gleich für die Ueberwundnen sehr wichtig ist, daß
er aufhören möge Gewalt anzuwenden, wenn er
alles, was er mit Recht verlangen können, durch
den
ehe es zu einer solchen gänzlichen Unterwerfung
kömt): so ist es doch auch unstreitig eine Sache,
Buch.
worauf sie ein Recht haben. Wenn er aufhört, fer
ner mit Gewaltthätigkeiten wider sie zu verfah
ren, die vielleicht ungerecht gewesen wären: so er
hält er dadurch eben so wenig ein Recht auf sie, als
ich ein Recht auf die Dienstbarkeit eines Menschen
erhalte, den ich nicht tödte, ob ich ihn gleich un
bewafnet und ohne Hülfe in einer Wüste angetrof
fen habe. Wenn aber ein Eroberer einem über
wundnen Volke, wie es seine Pflicht erfordert,
Schutz verleiht, und dasselbe eine Zeitlang die Waf
fen niederlegt; wenn es sich in Anordnung einiger
Landesangelegenheiten oder in Dingen, die die gemei
ne Ruhe betreffen, an den Ueberwinder oder seine
Gerichtshöfe wendet: so scheinen solche
gen
auf eine Zeitlang seiner Gewalt unterworfen seyn
wollen, und es wird ein vollkomner Stillstand
dadurch hervorgebracht. Ja die Ueberwundnen
können sogar dadurch verbunden werden, ohne eine
vorhergegangne Bekantmachung oder Erklärung
die Feindseligkeiten nicht zu erneuern. Aber die
beständige Gegenwart der Macht des Ueberwinders,
die alle Versuche wider ihn aufs äusserste gefähr
lich macht, hebt in solchen Fällen alle Gründe auf,
die uns bereden könten eine stillschweigende Einwil
ligung eines solchen Staats in eine beständige Un
terwürffigkeit anzunehmen. Nichts als ein aus
drüklicher Contract, der freywillig und ohne vor
her gebrauchte Gewalt geschlossen ist, kan dem Ero
berer das Recht verschaffen, auf die beständige Unter
würffigkeit eines Volks und seiner Nachkommen, zu
dringen.
Wenn aber ein Eroberer seine Gewalt durch
die Macht behauptet, und eine Regierungsform
einführt, die die
vollkommen in Sicherheit sezt, so, daß alle ohne
Zwang von Herzen damit zufrieden sind. Wenn
die Wiedereinsetzung des vorigen Prinzen entweder
überhaupt, oder wenigstens ohne die grösten Zer
rüttungen des Staats, deren Erfolg immer noch
ungewis bleibt, unmöglich ist: so ist der erste Prinz,
dem seine Rechte blos zum Besten des Staats,
welches nunmehr ihre Aufhebung erfordert, aufge
tragen gewesen sind, ausserordentlich unverschämt
und ungerecht, wenn er verlangt, daß ein ganzes
Volk seine Ruhe und Sicherheit für seine Grösse
wagen oder gar aufopfern soll. Der Eroberer
begeht unstreitig ein grosses Verbrechen, wenn er
die Gewalt behält, und wäre vielleicht in seinem
Gewissen verbunden, dieselbe niederzulegen, aber
das Volk ist wegen seiner Pflichten gegen sich selbst
und wegen der allgemeinen Sicherheit verbun
den, den Contract, den es mit ihm geschlossen hat,
zu halten. Mit der Zeit lassen die Nachkommen
des alten Prinzen entweder ihre Ansprüche fahren,
oder sie werden einer so hohen Würde unfähig.
Jhr Recht erlöscht, und das Recht der Nachkom
men des Eroberers kan auf alle Weise durch den be
ständig
vollkomen werden.
IX. Jn Monarchien oder Aristokratien, die
Grundgesetze
wegen der
Nachfolge
verstanden
werden müs
sen.
durch einen alten Contract des Volks, oder durch
Grundgesetze erblich gemacht worden sind, gleicht
Buch.
das Recht der Nachfolge in den höchsten weltlichen
Würden der Nachfolge in den Lehnen, wo der
Nachfolger sein Recht nicht von seinem unmittel
baren Vorgänger erhält, weil dieser nicht die Macht
gehabt hätte, ihn davon auszuschliessen, sondern er
besizt, vermöge der Grundgesetze, alle Gewalt und
alle jährliche Einkünfte seines Postens, ohne Absicht
auf die Schulden, die sein Vorgänger gemacht ha
ben mag. Und weil es keine natürlichen Ursachen
oder keinen billigen Grund in der Natur giebt, wa
rum zum gemeinen Besten eingeführte Aemter, ehe
darüber etwas von dem Volke ausgemacht worden,
erblich seyn sollten: so müssen alle solche persönli
chen Rechte blos von den Grundgesetzen, oder den
ursprünglichen Contracten abhängen.
Wo in alten Gesetzen über die Nachfolge in
einer Krone nichts ausdrückliches bestimmt ist, son
dern nur überhaupt gesagt wird, daß sie erblich
seyn soll: so ist es wahrscheinlich, daß die Gesetze
*
eben die Art der Nachfolge verstehn, die nach der * Wenn also die Erb
schaften blos erblich sind,
das ist, wenn sie auf den
nächsten Blutsfreund fal
len: so ist es auch zu ver
muthen, daß es die Absicht
der Gesetzgeber gewesen ist,
daß die Krone auf die Wei
se beerbt werden soll. Daß
z. E. ein zweyter Sohn vor
einem Enkel vom ältesten
verstorbnen Sohne ein jün
gerer Bruder vor einen
Neffen von einem ältern
Grossohn von einem jün
gern Sohne oder einer jün
gern Tochter, vor allen
Grostöchtern den Vorzug
hat. Wenn die Erbfolge
in der Linie durch die Ge
wohnheit eingeführt ist: so
hält man es auch für die
Absicht der Grundgesetze,
daß die Krone auf eine sol
che Art fortgepflanzt wer
den soll.
Abschnitt.
alten Gewohnheit unter Privatleuten eingeführt ist,
ausgenommen, wenn die Natur der Würde ganz
klar eine Veränderung erfordert. So mus z. E.
ein Königreich ungetheilt auf den Erben kommen,
obgleich andere Erbschaften getheilt werden. Auch
ist die Nachfolge auf die Nachkommen des ersten
Prinzen eingeschränkt, das Gegentheil müste denn
ganz klar ausgedrückt seyn.
Wie in den alten Gesetzen solcher Monar
Fällen, wo
die Würde
verwirkt
worden ist,
verstanden
werden müs
sen.
chien selten ewas ausdrückliches auf den Fall aus
gemacht ist, wenn der Besitzer durch üble Verwal
tung der Regierung seine Würde verwirkte, und
uns doch die gesunde
stimmung einer solchen Würde zeigen mus, daß ei
ne gröblich untreue Verwaltung derselben, die dem
ausdrücklichen Versprechen, und dem Endzwecke
der Einsetzung eines solchen Amts zuwider ist, den
Jnhaber seines Rechts verlustig machen mus: so
ist es, wenn in einer Nation die Gewohnheit durch
gängig eingeführt ist, daß wenn jemand ein verwir
kendes Verbrechen begeht, oder abdankt, er dadurch
nicht nur seine Abkömlinge, sondern auch seine
Verwandten in den Nebenlinien von der Nachfol
ge ausschliest, klar, daß die ganze Erbschaft auf
den Obern, die Person, oder den
per
nach aller vernünftigen Art zu erklären, sehr wahr
scheinlich, daß dieses die Absicht der alten Gesetze
oder Originalcontracte in Ansehung des Abkommens
der Krone gewesen ist, wenn sie nichts ausdrückli
ches in einem Falle der Verwirkung oder einer Ab
Buch.
dankung enthalten. Wenn Privatleute ihre Gü
ter verwirken, so ist eine solche Einrichtung unstrei
tig der
znm Besten der Familie bestimmt sind. Die
ber
davon, obgleich das Haupt der Familie allein alles
besorgt. Die Erben einer Krone aber haben keinen
so billigen Vorwand. Das Amt eines Königes ist
seiner Natur nach, nicht zum Besten einer Familie
bestimmt, sondern es wird einer Person zum Dienste
einer
geringsten natürlichen Grund, warum man ver
langen könte, daß solche Aemter erblich seyn, oder
nach den Graden der Blutsfreundschaft oder der
graden Linie auf andre kommen sollen. Die zu
rückbleibenden Erben haben keinen andern Anspruch,
als den sie durch die alten Contracte oder alten Ge
setze erhalten. Und es ist wahrscheinlich, daß es ih
re wahre Absicht ist, zum wenigsten alle Abkömm
linge, und oft auch die ganze Familie desjenigen,
der einmal sein Amt verwirkt hat, auszuschliessen;
weil nichts von dem, was man sonst erblich nennt,
wenn es einmal verwirkt ist, auf die Abkömm
linge oder Verwandten des alten Besitzers kom
men kan.
*
* Eine Unfähigkeit recht
fertigt nur die Ausschlies
sung der unfähigen Person.
Eine böse Verwaltung
aber kan eine ganze Linie
anders Recht besitzt, als
was sie durch die alten
Gesetze erhält.
Die Absicht solcher Gesetze ist sehr deutlich in
Ländern, wo alle erbliche Dinge vor Zeiten als Le
hen angesehen, und unter den Bedingungen der
Treue jedes Nachfolgers, einem jeden übertragen
worden sind, so, daß, sobald ein Besitzer sein Amt
verwirkte oder abdankte, das Lehn auf denjenigen,
der es ihm gegeben hatte, zurück fiel, ohne daß
man sich im geringsten an die unschuldigen Ab
kömmlinge oder Verwandten kehrte. Diese Ge
wohnheit oder dieses Gesetz, so unmenschlich es uns
auch in Privatangelegenheiten scheinen mag, zeigt
uns, was wir von der Absicht der alten Gesetze, bey
der Einführung einer erblichen Krone denken sollen,
und die Gründe der Menschlichkeit finden in denen
Fällen nicht Statt, wenn öffentliche Aemter ver
wirkt worden sind, weil man diese nicht zum Be
sten einer Familie, sondern zu Erhaltung des Wohls
eines
leicht die Menschlichkeit und Klugheit einige Bewe
gungsgründe an die Hand, warum eine Nation
bey einer neuen Vergebung der verwirckten Kro
ne, sie lieber einer würdigen Person, aus der vori
gen Familie, als einer fremden anvertrauen soll;
ob dies gleich blos ihrer Klugheit überlassen ist.
Eine
linge auf, weil diese keines haben, als was sich auf
die alten Gesetze gründet.
X. Es ist erstaunlich, wie man iemals etwas
folge nach
der Linie, ist
nichts Gött
liches, oder
in der Natur
Bestimmtes.
göttliches oder natürliches in dem Rechte der Erb
folge, in der Linie hat entdecken können, da doch ihr
ganzer Vorzug vor der blos erblichen, darinn be
Buch.
steht, daß sie alle Ungewisheit, und allen Streit
über die nächste Verwandschaft unter den Nachfol
gen aufhebt. Hingegen ist sie wieder einigen aus
serordentlichen Unbequemlichkeiten ausgesetzt: sie
kan die unsinnigsten Nachfolgen verursachen, die
vielleicht durch die blos erbliche verhütet worden
wären. Z. E. Nach der Erbfolge in der Linie, mus
ein Königreich, das in der grösten Unordnung, und
der Regierung eines weisen Prinzen äusserst benö
thigt ist, auf die junge Grosnichte von eines äl
tern Bruders Tochter, vorzüglich vor einem jüngern
Bruder fallen, der würdig ist, und ein reiffes Alter,
nebst der gehörigen
der zu den Gewohnheiten seines Landes gewöhnt ist,
bildet sich in einer gewissen Verwirrung ein, daß sie
natürlich sind, ohne zu überlegen, wie unendlich
mannigfaltige Gewohnheiten bey verschiednen Na
tionen eingeführt gewesen sind, wo doch allent
halben die Krone erblich gewesen ist. Jede von
diesen Gewohnheiten, wird durch den langen Ge
brauch auf gewisse Weise natürlich.
XI. Da das Volk das Recht besitzt, sich so oft es die
Erhaltung des
dersetzen, und ihn selbst abzusetzen, wenn er das ihm an
vertraute Amt misbraucht, so können wir auch
füglich folgenden Schlus machen. Wenn ein ge
genwärtiger Erbe, ehe er noch zum wirklichen Be
sitze gelangt, entweder so viel Dumheit, so grau
same und tyrannische Neigungen, oder so viel ge
fährlichen
verräth, daß diese mit der Anvertrauung des Amts,
Abschnitt.
das die Gesetze ihm bestimmen, und der Sicherheit
der Unterthanen, bey ihren wichtigen Vortheilen,
und ihrer
sie ein Recht, ihn zu verhindern, daß er nicht zur
Nachfolge gelangt, und also das Blutvergiessen,
oder das Unglück, das bey einem
ge
hüten. Denn eine solche Person kan keine hin
längliche Sicherheit verschaffen, daß sie die ihr an
vertraute Gewalt, wenn sie sie einmal in Händen
hat, nicht zu den ärgsten Absichten misbrauchen
wird.
Jnsbesondere; obgleich Jrrthümer in Reli
Grundsätze
schon leben
de Erben von
der Nachfol
ge ausschlies
sen können.
gionssachen keinen Menschen seiner bürgerlichen
Rechte verlustig machen; obgleich Niemand seine
Rechte durch die Vielgötterey, die
die
nur keine abergläubischen Grundsätze hegt, die ihn
treulos in seinen Contracten, grausam und tyran
nisch gegen sein Volk, ungerecht in seiner Juris
diction, oder ungeschickt machen können, die Frey
heit und Unabhängigkeit des Staats zu beobachten,
so verhält es sich doch ganz anders, wenn er solchen
Grundsätzen, als die folgenden sind, anhangt, „daß
er ein göttliches Recht haben wird, in Staatssa
chen so zu verfahren, als es ihm beliebt, und selbst
den Staat zu verkaufen, oder andern zu übergeben:
daß er ein Recht hat, oder gar in seinem Gewissen
verbunden ist, alle diejenigen, die mit ihm nicht ei
nerley Religion haben, mit Feuer und Schwerd
auszurotten, und daß diese Pflicht allen Verspre
Buch.
chungen oder Contracten, die entweder er selbst,
oder seine Vorfahren, mit den Unterthanen ge
schlossen haben, vorgeht: daß er in seinem Gewis
sen verbunden ist, einem fremden Prinzen, unter
dem Vorwande der Religion, einen grossen Theil
der bürgerlichen Jurisdiction innerhalb des Staats
und über viele Glieder desselben, ausüben zu las
sen, auch eben demselben die Jnvestitur von vielen
reichen Aemtern zuzugestehn, die eine grosse welt
liche Gewalt mit sich führen, aber zum Scheine
mit geistlichen Namen belegt sind, und alle Ge
meinschaft mit den Unterthanen des Staats, die
er in den Bann gethan hat, zu verbieten.“ Wenn
eine Person solche Grundsätze hat, so hat man
mehr Recht sie von der Nachfolge auf die Krone
einer freyen unabhängigen
regiert wird, auszuschliessen, als einen Rasenden oder
Wahnwitzigen, weil er unstreitig der Welt gefähr
licher seyn mus.
XII. Eben die Lehre von denen Rechten, die
durch die Eroberung erlangt werden können, die
bey Monarchen gilt, gilt auch bey allen andern
sie auch immer stehn mögen, und oft haben sich
Aristokratien und Demokratien so sehr als Prinzen
an den Rechten benachbarter Staaten vergriffen.
Wir können diese Materie mit einigen Betrachtun
gen über die Rechte der ursprünglichen Länder, über
Colonien, die aus ihnen entstanden sind, beschlies
sen. Diese werden in sehr verschiednen Absichten,
Abschnitt.
und mit verschiedenen Rechten abgeschickt,
*
oft
schickt eine Nation, die einen Ueberflus an Menschen
hat, und nicht Willens ist, den Bezirk ihrer Lande
zu vergrössern, einen Theil ihrer Unterthanen mit
allem hinlänglich versehn, von sich neue Woh
nungen für sich zu suchen, und einen neuen unab
hängigen Staat zu gründen, worauf die erste Na
tion kein andres Recht behält, als eine vorzügliche
len aber werden auch Colonien von freyen
gern
machen, daß die Colonien ein Theil des alten politi
schen Staatskörpers bleiben, und mit den übrigen
Theilen desselben, gleiche Rechte geniessen soll. Die
se beyden Arten Colonien zu gründen, sind in Anse
hung der Colonien selbst, vollkommen billig und er
laubt. Oft wenn entfernte Länder erobert sind, wird
eine Colonie abgeschickt, sie in Besitz zu nehmen, zu
vertheydigen und anzubauen, um sie zu einer Pro
vinz des alten Staats zu machen, der sie zu seinem
Vortheile anzuwenden gedenkt; alsdenn aber ist es
nicht seine Absicht, daß sie an der Gewalt oder den
len. Wenn eine Anzahl von Bürgern, sich diese
Bedingungen freywillig gefallen läst; wenn man ih
nen erlaubt, wenn es ihnen beliebt, mit ihrem erwor
benen Vermögen, in ihr altes Vaterland zurück zu
kehren, und alle Rechte andrer Unterthanen zu ge* Von dieser Art war
die Niederlassung der Lace
demonier zu Tarent unter
anderer
ten in
Buch
niessen, so können sie nicht sagen, daß ihnen eine Jn
jurie widerfahren sey. Es würde aber ein grau
sames, und blos durch eine grosse Noth zu rechtfer
tigendes Unrecht seyn, wenn man eine Anzahl von
Unterthanen zwingen wollte, sich in Ansehung ihrer
Rechte und Freyheiten zu verschlimmern, oder, wenn
man sie aufmunterte sich, unter der Anführung und
dem Schutze des Staats, kühn in fremde Länder zu
wagen, daselbst ihr Glücke zu suchen, und hernach,
nachdem sie sich in so entfernten Plätzen niederge
lassen hätten, Gesetze gäbe, die sie irgend eines schätz
baren Rechts oder Vergnügens beraubt, das den al
ten Staaten zu keinem Nachtheil, oder seinen Fein
den und Nebenbuhlern zu keinem Vortheile gerei
chen könte.
Der Endzweck aller
ist das gemeine Beste der Vereinigten, und dieses
Beste mus dem allgemeinen Wohl des ganzen
die Regierungsform in dem ursprünglichen Lande
durch eine fremde Gewalt verändert wird, oder sie
sich selbst allmählig so verändert, daß sie aus einer
sichern, milden, und gehörig eingeschränkten Gewalt,
in eine strenge und uneingeschränktre verwandelt wird
oder, wenn unter eben der Regierungsform, tyran
nische Gesetze, in Ansehung der Colonien und Pro
vinzen gegeben werden, und eine Colonie hat an
Menschen und Stärke so zugenommen, daß sie sich
selbst alle guten Endzwecke einer bürgerlichen Ver
einigung verschaffen kan: so ist sie nicht verbunden,
in ihrer Unterwürfigkeit zu beharren, wenn diese
Abschnitt.
weit beschwerlicher geworden ist, als sie sie im An
fange Ursache gehabt hat, sich dieselbe vorzusteilen.
Jhre Einwilligung, sich einer sichern und gelinden
Regierungsform oder Gesetzen zu unterwerfen, er
strecket sich auf keine Unterwürfigkeit unter eine ge
fährliche und tyrannische Regierung. Zu geschwei
gen daß, nach allen Grundsätzen der
ein Vorbehalt eines Rechts oder Anspruchs der
nachtheilig ist, als einem andern, das eine verbun
den ist, sein Recht fahren zu lassen, oder in solche
Bedingungen und Einschränkungen zu willigen,
welche die Freyheit und Glückseligkeit des andern
erfordern, es müste denn der dadurch verursachte
Schaden von dem andern ersetzt werden. Unzeh
lige Menschen lassen sich nicht zwingen, ihre eigene,
und ihrer Nachkommen Freyheit und Glückseligkeit
den thörichten Anschlägen ihres Vaterlandes aufzu
opfern, da es ohne Unterwürfigkeit glücklich seyn
kan; und man kan sie auch nur verbinden, die nö
thigen Unkosten, welche zur Vertheydigung des
Landes nöthig sind, zu ersetzen, und als guten Bun
desgenossen und Freunden, den Abgang der Stärke,
welche durch ihre Unabhängigkeit verursacht wird,
zu vergüten. Es ist überhaupt eine so unnatürli
che Sache, wenn man sich eine grosse
vorstellt, die bey einer unabhängigen politischen
Vereinigung alle gute Endzwecke befördern könte,
und dennoch sich der Regierung verschiedener Glie
der unterwirft, die keine hinlängliche Erkentnis von
den Umständen und Bedürfnissen der ganzen Ge
sellschaft besitzen; oder wenn man setzt, daß diese
Buch.
Gesellschaft sich blos zum Nutzen eines entfernten
Landes mus regieren lassen; daß man schwerlich ei
nen Grund in der Gerechtigkeit oder Billigkeit da
zu wird finden können. Das menschliche Elend
hat ohnedem seinen vornehmsten Ursprung daher
genommen, daß man ohne Absicht auf die
lichkeit
genden Vergleichen beharret hat, um nur die Ge
walt über entfernte
grosse und weitläuftige Reiche zu errichten.
I.
Die Macht Gesetze zu geben und zu handha
ben, wird in jedem
Wir wollen von dem ersten den Anfang machen.
Das gemeine Beste und die
Volks, die sich vornehmlich auf ihre
det, mus die Hauptabsicht aller Gesetze seyn, und
ein Gesetzgeber mus sich bemühen, durch gerechte
und wirksame Mittel die wahren Grundsätze der
Tugend zu befördern, wodurch die Menschen zur
Gottesfurcht und Gerechtigkeit ihrer Nächsten ge
führet werden; damit sie zu jedem guten Amte ge
schickt, und in allen, was ihnen anvertraut wird,
treu seyn mögen. Es ist eine sehr edle Kunst, eine
solche *
Unterricht und Zucht zu er* Dieses war die Absicht
der Gesetze des
neser.
Abschnitt.
denken, wodurch den
schaften
von einer grossen Glückseligkeit bey einer lasterhaf
ten Aufführung, welche die Menschen zu Sclaven
macht, verbessert werden. Eine reine und heilige
Gesinnung gegen
seine Güte und Vorsorge in der Welt, und die
Handhabung der Gerechtigkeit durch Belohnungen
des Guten und Bestrafungen des
wohl die Quellen der höchsten Glückseligkeit, als
die stärksten Bewegungsgründe, zu einem geselligen,
freundschaftlichen und tapfern Dienste. Die
gerliche
in diesen Stücken wohl unterrichtet, und ihm alle
Anleitung gegeben werde, dadurch diese guten Mei
nungen und Gesinnungen in ihm entstehen und
erhalten werden mögen. Die
zeit mit gleichem Vortheile die Oberhand über den
Jrrthum erhalten, wo man nur die Jrrthümer
durch solche
die alle vernünftige Untersuchung aufheben. Die
Obrigkeit mus dahero alle, besonders junge
müther
tes, und von allen geselligen Pflichten des Lebens
und den Bewegungsgründen dazu unterrichten
lassen.
Ein jedes vernünftiges Geschöpf hat ein
über die Mei
nungen der
Menschen.
Recht über diese Dinge selbst zu urtheilen. Die
Menschen müssen nach ihrer eigenen Ueberzeugung,
die sie haben, Beyfall geben, und können das Ge
gentheil davon nicht annehmen. Dieses ist ein
Buch.
Recht, dessen sie sich nicht begeben können. Es
kömt hier auf keinen Contract an, und die Obrig
keit hat kein Recht, gewisse Meinungen dem Volke
aufzudringen. Sie kan den Menschen ihre Gedan
ken nicht abzwingen, oder Strafen darauf legen, wenn
sie dasjenige, was sie vor gerecht hält, nicht eben so
ansehen. Solche Strafen sind kein Mittel, ein rich
tiges Urtheil feste zu setzen, und sie können weiter
nichts als Verstellung und Heucheley hervorbringen,
und gehören zu den grausamsten Eingriffen in die
heiligen und unverbrüchlichen Rechte aller vernünf
tigen Wesen.
Weil es nun von der grossen Nachsicht und
Abhaltung des Volks herrührt, daß kaum einer un
ter hunderten sich des Rechts, eine Privatmeinung
zu hegen, bedienet; so wird der grössere Haufen alle
zeit denjenigen folgen, die den Schein einer vor
züglichern
das Jnteresse der Obrigkeit und ihre Pflicht gegen
den
Männer bestellt und unterhalten werden, die alle
diejenigen, welche sich wollen anweisen lassen, un
terrichten können. Wenn die Obrigkeit einen er
träglichen Religionsplan hat, so hat sie auf diese
Weise ein grosses Vorrecht, den öffentlich gesetzten
Lehrern zu folgen, und die Einführung gefährlicher
es ein sehr unnatürlicher Misbrauch ihres Amtes
seyn, wenn sie bey unnützen und zweifelhaften Klei
nigkeiten, die in ihren Unterthanen keine
Abschnitt.
gen sich selbst und keine gerechten und mitleidigen
Gesinnungen gegen ihren Nächsten hervorbringen
können, eine Unterweisung vornehmen wollten. Es
gehöret aber natürlicher Weise vor diejenigen, die
mächtig sind, und zum gemeinen Besten des Volks
gewisse Güter verwalten, daß sie davor Sorge tra
gen, daß solche Grundsätze, die zu den nützlichsten
Tugenden führen, dem Volke gehörig erkläret und
eingeschärft werden.
Alles dieses mus ohne Zwang und Bestrafung
folgung.
derer, die verschiedene Meinungen hegen, geschehn;
ja wenn Leute andere Gedanken haben, und sich vor
verbunden achten, dieselben bekant zu machen, so
hat die Obrigkeit kein Recht, sie vor diese Bekant
machung zu strafen, so irrig sie auch nach ihrer Mei
nung sind, wenn sie nur der
Nachtheil gereichen. Ein Fantast mag immerhin
den ungereimtesten Religionsplan vortragen, so
lange er sich nicht wider die Güte des Allmächtigen,
oder seine Vorsorge in der Welt, und wider die
Grundsätze der sittlichen und geselligen
auflehnet, so thut er in das Amt der Obrigkeit oder
ihre Anstalten noch keinen Eingrif. Es ist da
hero ungerecht, da es kein öffentliches Jnteresse
verlanget, daß man Leute bestrafet, die sich in ihrem
Gewissen verbunden achten, auch solche einfältige
Gedanken, die dem Staate nicht nachtheilig sind,
und ihnen gleichwohl wichtig scheinen, öffentlich be
kant zu machen. Man hat allezeit gefunden, daß,
wo in freyen Staaten kein Zwang in gewissen
Lehrsätzen gewesen ist, und wo man alles gutwillig
Buch.
geduldet hat, der
ger schwachen Menschen durch einen freyen Um
gang und Gespräch nach und nach ist vertrieben wor
den, und die
ten hat.
II. Die offenbare
nung einer
lichkeit zu moralischen Tugenden, zielet geradeswe
ges dahin ab, dem Staate in seinen wichtigsten Ab
sichten Schaden zuzufügen; und die Personen, die
solche Lehren bekant machen, können in ihren Ge
wissen keine Verbindlichkeit haben, so zu handeln.
Die Obrigkeit mus ihnen dahero mit Gewalt
Einhalt thun, so wie sie mit einem Narren oder
bunden hält, die Rechte oder das Eigenthum an
derer anzugreifen, verfahren würden. Die Obrig
keit hat ein Recht, den
wider alles, was ihnen nachtheilig ist, zu vertheydi
gen, die widriggesinnten mögen sagen was sie wol
len. Dieses Recht erstreckt sich auch auf diejeni
gen, welche den schwächern, durch ihre falschen
Schlüsse, solche Meinungen beybringen, die mit der
Pflicht gegen ihren Nächsten nicht bestehen können,
oder der öffentlichen
indem sie die stärksten Antreibungen zu guten Dien
sten und die Sicherheit vor Jnjurien aufheben.
Jedoch da es nicht leicht zu befürchten ist, daß sol
che irrige Lehren bey einer gesitteten Nation, wo die
behalten werden, und hingegen die öffentlichen Be
Abschnitt.
strafungen ausser dem allgemeinen
Menschen, einen Narren in seinem Aberwitze und
Unsinn bestärken, und bey schwachen Gemüthern
den Verdacht erwecken werden, daß die Gründe auf
dieser Seite stärker als auf jener seyn; so haben es
einige vor eine obrigkeitliche Klugheit angesehen,
wo keine offenbare Gefahr bey der Ausbreitung sol
cher Meinungen ist, sie der Beurtheilung des gan
zen menschlichen Geschlechts zu überlassen, solchen
Leuten, die allem Gewissen entsagt haben, nichts an
zuvertrauen, und nur alsdenn zu strafen, wenn die
Grundsätze durch
Tag legen.
Was die verschiedenen Formen des äusserli
schiedenen
Religions
formen.
chen Gottesdienstes und
noch die grossen
Pflichten gegen
weil ohne dem keine Hofnung da ist, daß die Men
schen bey aller ihrer Scharfsinnigkeit, und unter
schiedenen
rinn einig werden sollten; so ist die Verfolgung in
diesem Stück die gröste Thorheit und Grausamkeit.
So lange man nicht zum Feuer und Schwerd seine
Zuflucht nimmt: so lange werden allezeit verschie
dene Meinungen bleiben. Eine solche Verfolgung
ist die schrecklichste Unbilligkeit und Grausamkeit,
und ein Land wird dadurch oft der nützlichsten Leute
beraubt, auf welchen sein Reichthum und Stärke
beruhet hat. Hingegen ist es augenscheinlich das
wahre Jnteresse eines Landes, wenn ruhige und
friedfertige Leute von benachbarten Nationen ihre
Buch.
Zuflucht dahin nehmen, und dadurch alle diejenigen,
die bereits darinne sind, sich verbinden. Die hal
be Verfolgung ist nicht vermögend, die verschiede
ne Meinungen zu unterdrücken; sie verbittert nur
das Volk, und verursachet Rebellion, oder verleitet
die Unterthanen zu Nationen, wo sie Ruhe haben,
ihre Zuflucht zu nehmen.
Was die Bekantmachung der Lehren anbe
trift, welche die gesellschaftlichen
Bewegungsgründe dazu, aufheben, oder dadurch das
Volk zweifelhaft gemacht wird, ob es die bürgerli
chen oder kriegerischen Pflichten, die ihm die Obrig
keit auflegen kan, zu halten verbunden sey: so mus
man allerdings einräumen, daß sich die obrigkeitli
che Macht über dergleichen Dinge erstrecke. Sie
kan die Leute von der Bekantmachung solcher Leh
ren durch Strafen abhalten, und entweder zwingen,
dem Staate die gehörige Pflicht zu leisten, oder ih
ren Abgang durch solche ersetzen, die bereit
vor sie zu thun: dieses leztere Mittel kan man
nicht in Zweifel ziehn. Hingegen der Misbrauch
dieser Gewalt, die Leute von der Bekantmachung
gefährlich scheinender Lehren abzuhalten, ist biswei
len so gros gewesen, daß es nicht zu bewundern ist,
wenn viele gutgesinnte Menschen der Obrigkeit die
ses Recht nicht einräumen, und ihr nicht mehr ver
statten wollen, daß nur solche Leute, deren Lehrsätze
der gesellschaftlichen Tugenden nachtheilig sind, oder
die Bewegungsgründe dazu aufheben, von allen
bürgerlichen Amtern auszuschliessen; und nur das
jenige, was durch diese Lehren dem Staate würklich
Abschnitt.
Schaden verursacht, zu bestrafen, und zwar in so
scharfen Maaße, als es die Beschaffenheit ihrer bö
sen Gesinnungen erfordert.
Der mögliche Misbrauch dieses angeführten
Gefahr des
Misbrauchs
dieser Ge
walt.
Rechts beweiset deswegen nicht, daß gar keines sey.
Die Stärke der
Religionsstreitigkeiten sind immer noch erstaunend
gros. Es ist beynahe nichts verhasster als die
Lehren, welche die verschiedenen Secten der
sten
ches Gemüth sehen mus, daß die meisten Beschul
digungen ungegründet sind, und daß diese Lehren,
welche die grösten Zänkereyen und wechselsweise
Verfolgungen verursachet haben, der wahren
Gottesfurcht oder gesellschaftlichen Tugenden nicht
nachtheilig sind. Wenn also jemals die öftere Ge
fahr des Misbrauchs ein Recht verschaffen könnte,
so würde es in diesem Falle seyn müssen, wenn man
die Bekantmachung gottloser und ungerechter Mei
nungen bestrafte; da die hitzigen Eiferer auf allen
Seiten
*
die übrigen Religionsformen der ihrigen
entgegen setzen.
* Alle Calvinisten, sa
gen die eifrigen Arminianer,
sind Gotteslästerer, indem
sie alle Ungerechtigkeit und
ten, und die
aller menschlichen Hand
lungen aufheben. Die Cal
vinisten hingegen machen
die Arminianer zu Gottes
der göttlichen
und Vorsorge, indem sie
die Menschen in ihren Hand
lungen unabhängig ma
chen. Alle
sind
hitzigen
einige Väter der ersten
Jahrhunderte. Die Aria
ner und Socinianer sind
Abgötter und Gottesleug
ner, sagen die
Jene behaupten gegen die
Orthodoxen, daß sie Trit
heiten sind; und auf glei
che Weise verfahren, an
dere Secten, und wiegeln
die Obrigkeit zur Verfol
gung auf, da es doch ge
wis ist, daß bey allen die
sen Secten eben die Be
wegungsgründe zur Tu
gend von dem Glauben an
die Vorsorge, eben die
käntnis
Gottes der Quell alles
Guten ist was wir genies
sen, und eben die Dank
barkeit und Vertrauen ge
gen ihn, vorgetragen wer
den
ligionsformen verleitet die
Menschen zu
ser die sehr gewöhnliche
Lehre unter ihnen von dem
Rechte der Verfolgung.
III. Wo man einmal vor eine gute Unter
derung tu
gendhafter
Leute.
am besten befördert, wenn die Obern ihren Unter
gebenen mit gutem Exempel vorgehen, und wenn
man tugendhafte Menschen zu allen öffentlichen
Aemtern und Ehrenstellen erhebet, und die Laster
haften gänzlich hintansetzet.
Die Erwählung zu öffentlichen Aemtern, die
von einem ganzen Volke oder einem Theile dessel
ben
machen, dem
keit
Absicht der Policey würde alsdenn am besten er
halten werden, wenn die Versamlungen des Volks
bey einer thörichten Wahl einem Prinz oder Se
nate andere Candidaten vorschlagen müsste, aus
welchen der Prinz oder Senat alsdenn einen er
wählte. Die Tugend würde da gewiß allgemein
werden, wo eine freye Wahl Statt findet. Hin
Abschnitt.
gegen wenn die Besetzung, der öffentlichen Ehren
stellen blos auf dem Willen eines Prinzen beruhet,
so wird sich ein gottloser Regent dieser Macht zum
Schaden des Landes bedienen, wenn er die Ver
räther des Vaterlandes, oder die seinen Lastern Vor
schub thun, damit belohnet. Jedoch wird eine
jede Macht und Gewalt einem weisen Prinzen si
cher anvertraut.
IV.Die Mässigkeit, der Fleis, die Ge Die in einem
Staate nöthigen Tugenden, die Mässigkeit.rechtigkeit und
Der Fleis ist die natürliche Quelle des Reich
in andre Länder schaffen, und dadurch ihre Macht
und Reichthümer erlangen kan. Der fleissige
Ackerbau mus die Lebensmittel und was zu Ma
nufacturen gehöret, liefern; und durch die mecha
nischen
Güter veranstaltet werden. Die Güter welche
auswärts geschickt werden, müssen überhaupt von
allen Auflagen frey seyn; und eben so sollte es auch
mit dem was die Künstler nothwendig brauchen,
so viel möglich gehalten werden, damit kein ander
Land eben diese Güter auf einem fremden Markte
heimlich verkaufen könte. Wenn ein Land gewisse
Dinge alleine besitzet, so kan man bey ihren Aus
fuhren ganz sicher einige Auflagen darauf le
gen; sie müssen nur so eingerichtet seyn, das da
durch der auswärtige Abgang nicht gar aufgeho
ben wird.
Wenn ein Volk zum Fleisse nicht ist ange
halten worden, so verursachet der wohlfeile Preis
der Lebensmittel nur noch eine grössere Trägheit.
Das beste Mittel darwider ist, wenn man nicht nur
auf die Ausfuhr der überflüssigen Lebensmittel ge
wisse Belohnungen setzet; sondern auch die Anzahl
des Volks das sie verzehren kan, zu vermehren su
chet, so wird alsdenn ein jeder, wenn sie theuer zu
werden anfangen, mehr Fleis und Mühe, sich diesel
ben zu verschaffen, anwenden müssen. Man sollte
dahero arbeitsame Ausländer in das Land ziehen,
und alle fleissige und emsige Leute unter uns in
Abschnitt.
Ruhe wohnen lassen. Man sollte das Volk sich
zu verheyrathen anhalten, sonderlich diejenigen wel
che schon
die unverheyratheten sollte man grössere Auflagen
machen, weil sie dem Staate keine neuen Untertha
nen verschaffen. Man mus ferner alle thörichte
Begriffe von dem schlechten Werthe der mechani
schen Künste zu unterdrücken, und Leute von
Stande oder Vermögen dahin zu bringen suchen,
daß sie sich mit diesen Dingen ebenfals beschäftigen.
Die Faulheit mus man wenigstens mit einer zeit
lichen Knechtschaft bestrafen. Die auswärtigen
Waaren mus man auch ins Land bringen, und
wenn es nöthig scheint Belohnungen darauf setzen,
damit wir alle etwas zu thun haben, und wenn wir
sie verarbeitet wieder wegschaffen, unsere Mühe her
nach wieder bezahlt werden kan. Fremde Manu
facturen und Producte mus man, dem der sie ver
braucht, sehr theuer machen, wenn man die Ein
führung derselben überhaupt nicht verbieten kan,
damit sie wenigstens von Geringern, die weit mehr
als die Reichen würden nöthig haben, nicht kön
nen verbraucht werden. Vornehmlich aber mus
man die Schiffarth oder Verführung sowohl der
fremden als einheimischen Waaren, als ein richti
ges Stück des Fleisses, das allen Profit der Hand
lung übersteiget, empor zu bringen bemühet seyn;
zumal da es ebenfalls die Vertheydigung auf der
See zuwege bringt.
Es ist ein eitles Vorgeben, daß die Ver
schwendung
noch Unmäs
sigkeit sind
einem Staa
te nützlich.
schwendung und Unmässigkeit zu der Hoheit eines
Buch.
Staats erfordert würden, da sie zum Besten der
Manufacturen vielen Aufwand verursachten. Es
ist vielmehr gewis, daß Personen, die nach ihrem
Vermögen die besten Producte verzehren, oder die
theuresten Manufacturwaaren tragen, ohne
seyn, und ihrem Pflichten gemäs leben können.
Ja, wenn die Menschen überhaupt etwas sparsamer
in diesen Dingen wären; so könte man die feinern
Güter mehr ausser Landes schicken; oder wenn auch
dieses nicht wäre; so würde doch der Fleis und
Reichthum ebenfalls können erhöhet werden, wenn
derjenige, welcher von seiner übermäßigen Pracht
etwas zum Besten seiner Freunde anwendete, und
den Armen Gutes thäte, dadurch andere in den
Stand setzte, besser zu leben und mehr zu verzehren,
als was er allein bey seiner Verschwendung würde
gethan haben. Fünf Familien würden bey einem
mässigen Ueberflus einen grössern Aufwand auf
eine bessere Art machen, als ein einziger Verschwen
der; und die jüngern Kinder, die in mittelmässig
reichen Familien ihr Eigenthum haben, würden
mehr verthun als ein einziger Erbe der alles im
Ueberflus hat, und die übrigen darben müssen.
Ueberhaupt ist es gewis daß die Mässigkeit den
grössten Aufwand verursacht. Sie macht daß die
Menschen reich werden und lange leben. Sie setzt
das Volk im Stand, bald zu heyrathen, und zahl
reiche Familien zu erhalten. Man erwäge nur
ein jedes ins besondere: ein mittelmässiger Auf
wand von sechzig oder siebenzig Jahren ist grösser
als eine übermässige Verschwendung von zehn
oder zwölf Jahren, da unterdessen funfzig an
Abschnitt.
dern in der grösten Armuth leben. Wo daher ei
ne Nation gefunden wird, die mit allen Lebensmit
teln hinlänglich versehen ist, so müssen die Menschen
ohne alle Verschwendung durch reichliche Versor
gung ihrer Kinder und Anverwandten, und durch
Freygebigkeit gegen die Dürftigen und würdigen
Armen, den grösten Aufwand machen.
V. Die
tigkeit ist von
grossen Nu
tzen.
tigkeit gereichen einer Nation, in welcher sie vor
züglich angetroffen werden, zu ihrer allgemeinen
ruhigung, die aus dieser Einrichtung entsteht, so
verschaffet sie die allgemeine Ruhe und Sicherheit in
einem Staate, indem ein jeder alle seine Rechte und
Vergnügen geniessen kan, und der Fleis der Unter
thanen, die sich der Früchte ihrer Arbeit zu erfreuen
haben, dadurch ermuntert wird. Weil die über
handnehmende Ungerechtigkeit eines Volks alle wi
drige und schlimme Wirkungen der Erbitterung,
Hasses,
entsetzliche Zerrüttungen in Familien verursacht,
und die Handelsleute wegen des gewöhnlichen Ver
lusts bey ihrer Handlung, durch böse Schuld, auf
geschobene Bezahlung und Unkosten dazu zu gelan
gen, auch einen viel höhern Preis auf ihre Waaren
setzen müssen; so kan es nicht anders kommen, als
daß die Güter der Nation auf allen Märkten, in
einen höhern Preis gesetzt, und zu Hause theurer
bezahlt werden, und die Unschuldigen mit darun
ter leiden müssen, und Fremde, die mehr auf die
Buch.
Gerechtigkeit halten, im Stande sind, ihre Hand
lungen auszubreiten, und ihre Waaren heimlich
einzuführen.
Jeder
haben, den Misbrauch dabey zn verhüten. Glück
lich ist das Volck, dessen Gesetze ohne Hülfe derer,
die bey der Verwirrung der Gesetze reich werden,
deutlich können verstanden werden. Es ist un
möglich ein solches System von Gesetzen zu ma
chen, welches alle mögliche Fälle und Umstände in
sich hielte, und der unglückliche Versuch, dieses zu
bewerkstelligen, hat die Verwirrung und unendli
chen Labyrinthe bey den Gesetzen, wobey noch so
viel listige und unanständige Ausflüchte sind, die
von den meisten Nationen, so lange Zeit ohne
Veränderung ihrer politischen Einrichtung zuge
bracht haben, als unerträgliche Lasten auf das Ei
genthum, und die Unterhandlungen des Volks
angesehen werden, zuwege gebracht.
Es ist gewiß, daß das Recht und Eigen
thum, durch einige wenige Gesetze, die den Rich
tern vieles zu entscheiden überlassen, wenn man
nur annimmt, daß es weise und unintereßirte Rich
ter geben könne, am allerbesten erhalten werden.
Die
weitläuftiges Verzeichnis,
*
von allen rechtsverstän
digen Männern, die von dem Prätor auf das Jahr, * Diese waren die judi- ces ſelecti, die auf eine ge
Die Richter, denen wir unser ganzes Leben
anvertrauen, müssen allezeit bestimmen können,
ob die Parthey, die den Prozes verlohren hat, eine
solche Sache gehabt hat, dabey auch ein Ehrlicher
hätte können hintergangen werden. Jm Fall es
nicht so gewesen ist; so ist die Strafe des Dieb
stahls vor eine ungerechte Vertheydigung noch
nicht zu groß, und die scharfe Bestrafung der Ver
brechen hilft allen ehrlichen Leuten, die auf diese
Weise oft mehr als durch Diebe und Räuber
verliehren.
VI. Die Tapferkeit und Kriegszucht mus auch
so allgemein als möglich seyn. Es ist eine Schan
de vor ein Land, wenn angesehne Männer sich über
haupt nicht zu den wichtigsten Diensten, nämlich
zur Vertheydigung des Landes bey gefährlichen Zei
ten schicken. Weil aber der
ges ist, und die Absichten der Eroberungen meh
rentheils von Jnjurien herrühren, so mus der
Kriegsdienst keine beständige Handthierung seyn:
sondern das ganze Volk mus dahin angewiesen wer
den, daß es allezeit auf dem erforderlichen Falle in
Bereitschaft ist, und während des Friedens, die Ge
setze der Kriegszucht blos im Gedächtnis behält.
Alles dieses ist möglich, wo es die vornehmsten Be
fehlshaber verstatten. Eine Nation, die sonst nie
mals über vierzig tausend Mann erhalten hat, wür
de in einem zwanzigjährigen Kriege wohl viermal
so viel unterhalten, und diejenigen, so fünf oder
mehr Feldzügen beygewohnt hätten, zu alten Sol
daten machen können, wenn sie eine solche Verse
Abschnitt.
tzung anstellte, daß die alten Regimenter nicht über
den fünften Theil Recruten erhielten. Auf diese
Weise würden diejenigen, die dem Staate auf eine
gewisse Zeit gedienet hätten, eine angenehme Erleich
terung bekommen, wenn sie wieder zu ihrer Arbeit
und ruhigen Genus ihrer Güter zurück kehren
könten.
Die Abwechslung in den höhern Militär
Nutzen der
Abwechse
lung bey
Kriegsdien
sten.
stellen würde der Nation eine Menge von alten
Officiers und Generals verschaffen, und nicht bestän
dig nöthig seyn, daß man sich auf einen oder zwey
verlassen müste, und im Fall diese sterben, oder sich
wider ihr Vaterland vergreiffen sollten, niemand
alsdenn im Stande wäre, ihre Stellen zu vertreten.
Man würde einen beständigen Vorrath von alten
Soldaten zu Hause haben, die sich bey unvermu
theten Anfällen widersetzen, und nach einer unglück
lichen Schlacht, eine ganze Armee wieder in voll
komnen Stand bringen könten. Man müste fer
ner die jungen Leute in allen Ständen, wo mehr
als ein Sohn in einer Familie wäre, dazu anhal
ten, daß sie Kriegsdienste thun müsten, und wenn
ihre gesetzte Zeit verflossen wäre, zu ihren häuslichen
Verrichtungen wieder zurückkehren könten. Solche
ansehnliche und tugendhafte Bürger, unter denen
viele in ihrem Lande grosses Vermögen hätten,
würden mehr Muth und Treue haben, als solche,
die um ihr Leben gedungen sind, sich selbst angege
ben haben, oder von ihrem Volke dazu ausgeliefert
worden, weit sie zu andern Geschäften un
tüchtig sind.
Eine Aufrichtung eines solchen Plans, wird
grossen Ver
lust möglich.
genen Soldaten unterhalten hat, von seinem Fleisse
abhalten. Allein, wenn die Einrichtung nur ein
mahl gemacht wäre, so würde es dem Volcke eben
so wenig hinderlich seyn als die andre Art. Ein
mässiges und tugendhaftes Volk, das sich einige
Jahre in Waffen geübt hätte, würde während der
Abwechslung einige nützliche Künste treiben, und
mit Vergnügen zu seiner Arbeit zurückkehren, wenn
der gesetzte Termin vorüber wäre. Tausend Mann,
die auf vierzig Jahre, oder auf Lebenszeit im Müs
siggange erhalten werden, sind den Manufacturen
oder Ackerbau ein eben so grosser Verlust, als wenn
fünf tausend Mann acht Jahre Kriegsdienste thun.
Es würde überdieses der achtjährige Dienst bey Leu
ten, die ihren gesetzten Termin wissen, und auf diese
Weise keinen weitern Unterhalt haben, und zu den
Auserlesensten des Volks gehören, keine solchen Be
griffe erwecken, dadurch ihnen die Rückkehr zu ihrer
ruhigen Arbeit unangenehm würde; zumahl, wenn
man sie während ihrer Kriegsdienste in der Arbeit
zum allgemeinen Besten, als z. E. im Marschiren
und Verschanzen, Wege zu bessern, Städte zu be
festigen, oder Flüsse schiffbar zu machen, geübt hät
te. Solche Arbeiten, wenn sie ihnen mässig auf
erleget wären, würden sie an
ken. Die Historie wird die Menschen überzeugen,
daß sich dieses thun lasse. Hingegen der Gebrauch
einer beständigen Militz hat mehr als die Verthey
digung des Landes zur Absicht.
VII. Nichts kan einem
seyn, als wenn ein Theil der höchsten Gewalt von
hängigkeit
von aller
fremden
Macht.
fremden Prinzen oder Höfen, die ein ganz andres Jn
teresse haben, abhängt. Wir müssen uns in die
ser Sache nur durch die Nahmen der Aemter nicht
verführen lassen. Derjenige Herr oder
cher Auflagen macht, Streitigkeiten die das
Eigenthum betreffen, entscheidet, oder es auf Lebens
zeit oder auf dem Sterbefall vergiebt, Geldstrafen
oder andere Strafen auflegt, die Waffen zu ergrei
fen verbietet oder anbefiehlt, bürgerliche Rechte, die
das Land oder dessen Einkünfte angehen, bestimmt,
die Rechte der Prinzen entscheidet, und über die
Verbindlichkeit der Unterthanen zu gehorchen, ur
theilet, und diejenigen davon ausnimmt, welche er
zu angesehnen Ehrenstellen erhebt, besitzt ohne Zwei
fel die höchste weltliche Macht und Gewalt.
Die Dinge, worauf sich diese Macht erstreckt, sind
weltlich und bürgerlich. Und wenn ein Herr oder
Hof in seinem Nahmen und nicht durch Abgeord
nete handelt, so verfährt er als ein bürgerlicher
Oberherr; es mögen Päbste, Cardinäle, Oberprie
ster und Aeltesten oder andere Versamlungen seyn;
und gesetzt, daß er seine Aussprüche durch allerhand
Kunstgriffe gültig zu machen sucht, so stellt er so
lange, als sie ihre Gültigkeit nicht von dem Staate
erhalten, einen Oberherrn vor. Ein Prinz oder
Staat, der sich ihnen unterwirft, übergiebt ihnen
so viel von der höchsten Gewalt, und wird einer
innerlichen, oder äusserlichen bürgerlichen Gerichts
barkeit unterthänig.
Wenn Prinzen oder Staaten durch Reli
gionsbetrügereyen oder niederträchtige Kunstgriffe
des
bracht werden: so sind sie nach Entdeckung des Be
trugs nicht länger mehr gebunden, weil die durch
Betrug erschlichenen Contracte keine Verbindlich
keit haben können. Wenn aber ein Staat ein
solches abergläubisches Joch abwirft, und sich
unabhängig macht; so können ihn die hohen Be
fehlshaber auf keine Weise wieder unterthänig ma
chen, eben so wenig als sie den ganzen Staat oder
einen Theil der höchsten Gewalt an einen fremden
Prinzen, unter den Vorwand solcher geistlichen
Rechte veräussern könten. Die Veränderung der
Nahmen ist der gewöhnliche Staatsstreich aller
Betrüger.
VIII. Dinge, die nach allen Betrachtungen
gleichgültig sind, gehören eigentlich nicht zu den
bürgerlichen Gesetzen. Es ist höchst ungerecht die
Menschen in solchen Sachen durch Gesetze einzu
schränken. Die Hauptabsicht der
ist, 1) die natürlichen Gesetze durch weltliche Stra
fen zu bestätigen, und sie bey der Uebertretung der
selben, durch besondere Mittel zu handhaben.
2) Die besten Muster der Contracte, Einrichtun
gen und Handlung so feste zu setzen, damit man ei
nen vollkommnen Abris von den rechten Unterhand
lungen und Absichten der Parteyen haben, und den Be
trügereyen zuvorkommen könne. 3) Die
sen
ihrer Rechte sowohl in Ansehung der öffentlichen
Abschnitt.
als Privatgüter unterrichten, und sie zu einer klugen
Art den Ackerbau, Manufacturen, und Handlung
anzulegen, anhalten. 4) Wo ein guter Endzweck auf
verschiedene Weise kan erhalten werden, da mus das
bürgerliche Gesetz die besten Mittel und Wege bestim
men, damit durch solche Einschränkungen kein grös
seres Uebel entstehen könne. Wenn aber verschie
dene Mittel gleich gut sind, so ist es doch nützlich,
daß eine ganze
let und den Gebrauch derselben anordnet, ob sie gleich
an sich nicht besser sind, als die andern. Eben so
mus auch das bürgerliche Gesetz, alles genauer be
stimmen, was nach dem Rechte der
ausgedehnt werden kan.
Es ist daher billig und gut, daß die bürger
lichen Gesetze die rechte Zeit zu den Zusammen
künften der geistlichen und weltlichen Gerichtshöfe
bestimmen; allerhand Uebungen, und gewisse
Prämien und Belohnungen anordnen; das rechte
Maas, die Zeit und Art und Weise feste setzen, wie
die Unterthanen zu den öffentlichen Jnteressen des
Staats das ihrige entweder an Gütern oder gewis
sen Diensten beytragen müssen, und endlich die
rechte Zeit ausmachen, in welcher die Menschen, zur
Verwaltung ihrer Güter reif und fähig seyn sollen.
Auf diese Weise können alle gute Absichten durch
verschiedene Gesetze, wenn sie nur bestimmt genug
sind, vollkommen erreichet werden.
IX. Es können bey der besten Einrichtung
Rechte und
ungerechte
Vortheile
der bürgerlichen Gesetze, viele äusserliche Rechte ent
Buch
stehen, und man mus gewisse Vortheile verstatten,
zugestanden
werden.
kan; und viele
*
lasterhafte Handlungen bleiben
immer noch ungestraft. Die Gerichtshöfe müssen
beyden Partheyen zur Vertheydigung ihrer Sache
Zeit
nicht wissen, auf welcher Seite die gerechte Sache
ist. Man mus einem, der überzeugt ist, daß er
unrecht hat, dennoch eine gewisse Zeit verstatten, ob
er gleich dadurch der andern Partey grosse Unkosten
verursachete. Die Gesetze müssen auf gewisse For
malien und Zeugen, die zur Bekräftigung der Sa
che dienen, nothwendig dringen, damit die Betrü
gereyen vermieden werden, sonst könten sich die
Menschen solcher Gesetze bedienen, und ohne gesetz
liche Formalien, gewisse Anordnungen, oder Testa
mente, die nach ihrer eigenen Ueberzeugung frey
willig geschehn sind, wider das gerechte Verfahren
dessen, der etwas verwilligt oder vermacht hat, in
Zweifel ziehen, und gar ungültig machen. Wenn
aber in solchen Vermächtnissen oder Testamenten
etwas ungerechtes und unmenschliches, oder wider
alle Billigkeit gegen einem parteyisches enthalten ist,
da andere, die gleiche oder bessere Ansprüche dar
auf haben, gänzlich hintangesetzet sind; so kan sich
ein solcher Mensch mit guten Gewissen des Vor
theils bedienen, dem ihm das Gesetz bey solchen
Gelegenheiten verstattet, wenn es nur gewis ist, * So ist es z. E. bey der
Undankbarkeit, Mangel der
Gottesfurcht, Unbarmher
zigkeit, Geiz u. s. w. Siehe II. wie auch
beyracs de be- .
X. Das unverbrüchliche Ansehn der Gesetze,
gen.
beruht auf den Strafen und Belohnungen. Diese
letztern finden bey allen bürgerlichen Gesetzen eben
so wohl Statt, als die Strafen. Der beständige
Schutz eines
le eines
meinen Belohnungen. Bey vielen Gesetzen giebt
es überdieses noch andere besondere Belohnungen,
z. E. Prämien, Beförderungen zu Ehrenstellen, und
andern wichtigen Aemtern, welches redlichen Leuten
die angenehmste Belohnung ist, und sie zu guten
Handlungen am meisten ermuntert.
Das Ansehn oder die geringerer Art, z. E. die Hochachtung wegen
der redlichen Gesinnungen, die einen Menschen zu
einen geselligen Leben geschickt machen; oder von besonderer Vorzüglichkeit, wie es sich vor
grosse Eigenschaften, besondere Dienste und
den
es nicht durch ein grausames Verbrechen verlohren
hat, ein vollkommenes natürliches Recht, und ge
hört dahero nicht zu den bürgerlichen Belohnungen.
Es würde eine harte Strafe seyn, wenn man je
Buch.
mand diese Rechte nehmen oder ihn davon aus
schliessen wollte. Die Obrigkeit hat nicht mehr
Macht darüber, als über das Leben und Eigenthum
des Volks. Sie kan eins von diesen nicht anders
als wegen eines Verbrechens wegnehmen. Die
klugen und verständigen Menschen werden hierin
nen keinem ungerechten Ausspruche folgen.
Unsere innerliche Hochachtung von der vor
züglichen Art wird sich nicht nach dem Entschlusse
eines Staats oder Prinzen, sondern nach der
Vorstellung, die wir von den Verdiensten einer
Person haben, richten. Die Obrigkeit kan nur
über den äusserlichen Rang, Vorzug, oder andere
Menschen ein äusserliches Recht, diese Dinge zu for
dern. Weil nun die Obrigkeit hiebey gemeiniglich
auf die wahren Verdienste der Personen zu sehen
pflegt; so können die äusserlichen Ehrenstellen einem
Staate sehr nützlich seyn. So bald aber als die
Ehrenstellen, ohne Absicht auf ein Verdienst ver
geben werden, oder auf diejenigen erblich fallen,
die von den Tugenden, wodurch ihre Familie dazu
gelangt ist, abgewichen sind; so werden sie von
selbst verächtlich, obgleich die Gewalt, die sie beglei
tet, von Lasterhaften noch unterstützet wird. Eine
solche Aufführung eines Prinzen, oder Staats bey
der unverdienten Besetzung der Ehrenstellen, hat
eine sehr schädliche Würkung, und ein solcher Rang
oder Vorzug wird von schwachen
hoch gehalten, daß diejenigen, die sie führen, vor
der gerechten Ahndung der
Abschnitt.
werden. Die
müssen nothwendig verderbt werden, wenn sie se
hen, daß da, wo die Tugend vornehmlich seyn soll
te, die abscheulichsten
Erbliche Ehrenstellen und Aemter sind um
der erblichen
Ehrenstellen.
deswillen aufgerichtet worden, damit die Nachkom
men der Tugendhaften entweder von
durch die
zu diesen Vorzügen gelangen möchten, und die
Dienste des Staats den Leuten dadurch angenehmer
gemacht würden, wenn sie die ihnen ertheilten Be
lohnungen und Ehrenstellen auch auf ihre tugend
haften Nachkommen fortpflanzen könten. Hier
durch kan es geschehen, daß man jungen Gemü
thern durch die zu hoffende Ehrenstelle viel edlere
Gesinnungen, die sich zu ihrem Stande schicken,
beyzubringen vermögend ist. Man kan dahero
die erblichen Aemter nicht gänzlich als unnütze ver
werfen, zumal wenn man diejenigen, die ihrem
Stande nicht gemäs handeln, ohne Ansehn der Per
son, jedesmal erniedrigte oder gar absetzte. Die
natürlichen Ursachen der Ehre oder Verdienste sind
aus dem, was oben von den Graden der Tugend
ist gesagt worden, leicht wahrzunehmen. Es ist
aber bey diesen
umgänglich nöthig, daß man sie nach dem Maasse
der moralischen Güte ertheilt, sondern so, wie sie zur
Beförderung der einem Staate höchst nützlichen
Tugenden am meisten beytragen können.
XI. Das andere, worauf das Ansehn der Ge
Endzweck der
Strafen.
setze beruhet, sind die Strafen. Die eigentliche
Buch.
Absicht bey denselben ist, alle Menschen von laster
haften Handlungen abzuziehn, und dadurch die
öffentliche Ruhe und Sicherheit wieder andere zu
erhalten. Wenn man nun dieses Recht zu strafen,
welches nach der natürlichen
in einem
trauet, so erlanget sie es blos in ordentlichen Fäl
len, und hat nur die Macht über Leben und Tod
in peinlichen Sachen.
Es ist billig und vernünftig, daß man die Züchtigungen, die nur blos zur Besserung des
Beleidigers dienen sollen, und der Obrigkeit nicht
eigen sind, von den Strafen unterscheidet. Jene
können heimlich geschehn, diese hingegen müssen öf
fentlich seyn, und das Verbrechen mus allen kund
gemacht werden, damit sie davon abgeschreckt wer
den. Beyde Dinge aber sind von der
Ersetzung
des verursachten Schadens unterschieden, „welche
sich auf die Wiederersetzung eines Verlusts, den
andere durch jemand erlitten haben, bezieht.“
Hierzu sind die Menschen oft verbunden, ob sie
gleich nichts lasterhaftes oder ungerechtes begangen
haben.
*
Die Gewalt, die im
wird, hat auch eine ganz verschiedene Absicht, we
nigstens, wenn sie vor der Eroberung zur Verthey
digung oder Ausführung unserer Rechte und An
sprüche dienen soll. Hingegen wenn man nach
dem Siege die Leute immer noch in Furcht setzen * Auf diese Weise hat
man nach den verschiedenen
Absichten diese viere Paena,
Caſtigatio, Compenſatio, Ma- allezeit unter
Der wahre Bewegungsgrund, warum einer
seinen Nebenmenschen Uebels zufüget, mus allezeit
von der Menschenliebe herrühren. Uberhaupt aber
mus die Obrigkeit die grössern Verbrechen bestra
fen, und in Ansehung der geringern Vergehun
gen sollten die Menschen mit der Züchtigung oder
Ersetzung des Verlusts zufrieden seyn. Nichts ist
vermögend einen redlichen Mann in diesen Hand
lungen zu beruhigen, als die eigne Ueberzeugung,
daß er alles aus einer guten Absicht gethan habe,
und daß dieses Verfahren zur Erlangung eines
grössern Gutes nothwendig erfordert werde. Wenn
wir die göttlichen Strafen rechtfertigen: so stellen
wir dabey eben diese Betrachtungen an, die zu er
kennen geben, daß die Strafen von seiner
rühren, und daß sie zur Erhaltung seiner Macht
und Beschützung seiner Gesetze dienen, die blos zur
höchsten
bestimmt sind, und seine Liebe zur
sten Entschluß, die
wegungsgründe auszurotten, anzeigen sollen. Da
hero halten wir die göttlichen Strafen um dieser
Ursachen willen vor gut und gerecht.
Weil nun die Absicht bey den Strafen die
Erhaltung der allgemeinen Sicherheit ist: so mus
auch das rechte Maas derselben von der Nothwen
digkeit, gewisse Laster um der öffentlichen Sicher
heit willen zu unterdrücken, und nicht von der
ralischen
Buch.
men werden, ob man es gleich oft nach dem Scha
den, der aus dem Verbrechen entsteht, zu ermessen
pflegt. Da es nun nicht allezeit so beschaffen ist:
so müssen oft die grösten Laster, wie wir oben schon
erinnert haben, ungestraft bleiben; und einige
Handlungen, die der Gesellschaft nachtheilig sind,
ob sie gleich aus keinen bösen Herzen herrühren,
müssen oft mit grosser Schärfe bestrafet werden,
wie z. E. bey der Empörung gegen einen gerechten
Prinzen, wegen eines scheinbaren Vorzugs eines
andern. Da die Uebel des
so müssen die Menschen abgeschreckt werden, sich
muthwillig und ohne Ueberlegung in demselben ein
zulassen. Und wenn die Menschen zu gewissen
Verbrechen, die eben nicht von der grösten
herrühren, durch die Hofnung der Verschwiegen
heit können gereizet werden, so mus man diejenigen,
die ihres Jrrthums überführt sind, schärfer be
strafen, als die Reizungen dazu gewesen sind,
z. E. der Diebstahl mus härter bestrafet werden,
gesezt auch, die Menschen wären durch die Noth ihrer
Familien dazu verleitet worden, als einige andere
Verbrechen, die von einer weit schlimmern Ge
müthsneigung herrühren.
Oeffentliche Verbrechen, die in einer übel an
gewendeten Gewalt oder unrechtmässigen Anmas
sung gewisser Dinge bestehen, müssen härter be
strafet werden, als Privatverbrechen, deren Folgen
nicht so schädlich sind. Dahero rühret der Unter
gang vieler Staaten blos von einer allzugrossen
Abschnitt.
Gelindigkeit her, solche Verbrechen an der Obrig
keit zu bestrafen.
*
Scharfe Strafen werden auch bey kleinen
Verschuldungen erfordert, zumal wenn die öftere
Wiederholung derselben, gefährlich und dem Staa
te in gewissen Bedürfnissen nachtheilig ist. So
müssen z. E. die Soldaten in Kriegszeiten, wenn sie
entweder aus Frevel oder aus einer Sehnsucht
nach einem ruhigen Leben davon laufen, harte be
straft werden. Jn Friedenszeiten ist dieses nicht
so nothwendig, und es ist vielmehr grausam, wenn
man sie ohne Noth zu einem Dienste zwingen will,
der ihnen höchst unangenehm geworden ist.
Bisweilen müssen auch Handlungen, die von
den besten Gesinnungen herrühren, wenn es das
öffentliche Jnteresse erfordert, bestraft werden. So
kan ein Unterofficier von allzugrosser Herzhaftigkeit
bestraft werden, wenn er wider die ausdrückliche
Vorschrift seines Generals einen tapfern Angriff
waget; weil es zur grössten Verwirrung Anlas ge
ben würde, wenn Untergebene ihren Befehlsha
bern, unter den Schein, daß ein Vortheil über den
Feind hätte können erhalten werden, nicht gehorchen
wollten. Denn weil aus der Unterlassung der
Kriegszucht viel grössere Uebel entstehen können,
als es sich bey einer gutwilligen Unterwerfung un
ter die Befehle der Obern, die nicht offenbar verrä
therisch und der Armee nachtheilig sind, vermuthen * Siehe den Off. L. II. c. 8. und
XII. Jnnerliche Absichten und Anschläge, die
sich bey der Handlung nicht zu erkennen geben, ob
sie gleich könten erwiesen werden, sind doch in ge
lindern Regierungsformen nicht strafbar. Leute,
die nicht boshaft genug sind, ihre Anschläge auszu
führen, mögen immer davon reden wie sie wollen.
Wofern sie aber ihre üblen Gesinnungen entdeckt,
und dadurch andere verführet haben, so müssen sie
von Rechtswegen davor bestraft werden, und die
Obrigkeit ist verbunden, denjenigen, den sie haben
verführen wollen, vor sein gutes Verhalten genug
same Sicherheit zu verschaffen. Wenn aber ein
solcher gefährlicher Anschlag schon soweit ausge
brochen ist, daß er würde glücklich seyn hinaus gefüh
ret worden, wenn er nicht durch eine höhere Macht oder
von ungefähr wäre hintertrieben worden, so ver
dienet ein solcher Uebelthäter eben die Strafe, es
mag ihm sein Anschlag gelungen seyn oder nicht,
nachdem man eben die Bosheit und eben den Scha
den, welcher der Gesellschaft aus seinen Unterneh
Abschnitt.
mungen hätte wiederfahren können, entdeckt hat.
Auf diese Weise ist einer, der den andern in der Ab
sicht ihm das Leben zu nehmen, Gifft gegeben, oder
ein Gewehr auf ihn losgeschossen hat, eben so straf
bar, als ein Mörder, es mag nun würklich gesche
hen seyn, oder nicht.
Es würde sehr nützlich seyn, wenn in einem
jeden Staate eine Macht vorhanden wäre, die or
dentlichen Verbrecher zu begnadigen, wenn es be
sondere Ursachen erforderten, oder die öffent
liche Sicherheit wieder dergleichen Vergehungen
auf andere Art könte erhalten werden. Was aber
die Verbrechen der Obrigkeiten wider die Rechte des
Volks oder den abscheulichen Misbrauch ihrer Ge
walt und ihrer verderblichen Anschläge wider die
politische Staatsverfassung anbetrift, so sollte hier
billig keine Begnadigung Statt finden.
Bisweilen erfordert es das öffentliche Jn
die Verge
hungen zu
begnadigen
teresse, denjenigen, der sich der allerschlimmsten Pri
vatverbrechen schuldig gemacht hat, eine Begnadi
gung oder wohl gar Belohnung zu geben, um ihn
in einigen wichtigen Diensten zu brauchen. So
werden z. E. alle diejenigen, welche in den Banden
der Strassen- oder Seeräuber ihren Eid brechen
und allen vertraulichen Umgang mit ihnen aufhe
ben, begnadiget und mit Rechte belohnet, wenn sie
die Bande verrathen, oder ihre vorigen Mitgesellen
ausliefern. Durch eine solche Aufführung wer
den die Zusammenverschwörungen wieder das
menschliche Geschlecht ohne unschuldiges Blut auf
gehoben; und wenn es auch der schlimste von der
Buch.
Partey wäre, der um dieser Hofnung willen sich die
ses Vortheils bediente, und seine Mitschuldigen
verriethe.
XIII. Das Ansehn der Personen, welches in
Gerichten so ungerecht ist, besteht darinn, wenn man
blos auf solche Umstände sieht, die weder die Ver
gehung noch deren Wichtigkeit, in Ansehung des öf
fentlichen Schadens, noch die Menge der darunter
leidenden betreffen. Der Schaden ist in Absicht
auf die ganze Gesellschaft immer noch einerley, wenn
gleich die Menschen, die mit dem Richter verwand
sind, oder ihm vorhero einige Wohlthaten erzeigt,
oder gewisse Dienste geleistet haben, auf verschiede
ne Art gestraft werden. Die Gerichtshöfe müssen
vielmehr auf diejenigen Umstände, so viel möglich,
aufmerksam seyn, die eine grössere oder geringere
Schuld oder Neigung zum Schaden der
anzeigen, oder die
mehren oder vermindern, wenn sie ihre Urtheile der
Gerechtigkeit gemäs abfassen wollen. Die Geldstrafen aber müssen nach Maasgebung des Ver
Eben die Summe, die ein Armer mit Mühe
und Noth erlegen kan, ist einem Reichen nur eine
Kleinigkeit.Leibesstrafen müssen bey schwa
chen und kranken Uebelthätern gelindert, und
schimpfliche Strafen bey angesehnen Standsper
sonen vermindert werden, weil es bey einerley Ver
brechen blos auf die Gleichheit der schmerzhaften
Empfindung ankomt.
Man kan hiernächst mit Rechte fragen, ob
denn nicht bey aller Erhöhung der Strafen ein ge
ein Staat in
der Erhö
hung der
Strafen ge
hen kan.
wisses Ziel zu setzen sey, über welches die
zen
vorsetzlichen Mördern und Räubern, die den
verdient haben, kan es vielleicht scheinen, als wenn
ist schädlich.
man dergleichen Missethätern etwas weit schlimmeres
anthun oder sie wohl eben so martern sollte, wie sie
es bey andern gethan haben. Hingegen auf der
andern Seite ist es möglich, daß ein solcher ab
scheulicher Anblick der Tortur, zumal wenn sie oft
nach sich ziehen kan. Die Leute werden nur da
durch verhärtet, und verlieren alsdenn die Stärke
der natürlichen
so, wie die Flechsen in einem
zusehr angegriffen werden, endlich auch ihre Kraft
verlieren. Ueberdieses so werden solche ruchlose
Menschen durch dergleichen harte Strafen noch
mehr angetrieben, sich wider alle Ueberzeugung zu
verwahren, oder sich wohl gar wegen ihrer Mit
schuldigen zu rächen. Wir werden in der
rung
eingeführet sind, selten ein so zartes Gefühl der
nichts davon weis; und daß durch eine leichte To
desart, die mit einiger Beschimpfung des todten
Cörpers verknüpt ist, und bey den
Eindruck macht, ohne den Missethäter lange zu mar
tern, der Endzweck des
kommen könne erlangt werden. Wenn man aber
Buch.
dennoch die Torturen beybehalten will, so müssen sie
nur selten gebraucht werden.
XIV. Man mus niemand wegen des Verbre
chens eines andern bestrafen; und es ist niemand
zur Ersetzung eines Schadens, wozu er durch keine
wirkliche Handlung, oder Unterlassung seiner Pflicht
etwas beygetragen, und keinen Vortheil dabey ge
habt, oder ihn durch eine Betrügerey und um seines
eigenen Nutzens willen verursacht hat, verbunden.
Dahero scheint es ganz ungerecht zu seyn, daß die
Familie eigenthümlich besitzen, und eben so gerechte
Ansprüche darauf haben, um das Verbrechen eines
Vaters, ihres ganzen Vermögens verlustig werden
sollen; ohne zu erwehnen, daß die Frau, die selbst
ein Ansehnliches dazu gebracht, oder das gemein
schaftliche Vermögen, durch ihren Fleis vermehrt
hat, eben so gerechte Ansprüche darauf haben kan.
Es ist zwar der Vater der natürliche Vorsteher und
Verpfleger seiner Familie, und die Schulden, die
er auf eine kluge oder thörichte Art machet, betref
fen die ganze Familie, und er kan alles verschwen
den: Hingegen, bey vielen gesitteten Nationen, ist
dieses natürliche gemeinschaftliche Recht durch die
bürgerlichen Gesetze so bestätiget, daß man auf Ansu
chen der Kinder, der ausschweiffenden und thörich
ten Lebensart des Vaters Einhalt thun kan. Auf
diese Weise ist es auch der Gerechtigkeit und Bil
ligkeit gemäs, und man kan es kaum mit einem
Scheine der Gerechtigkeit vertheydigen, daß man
die Schuldigen nach den bürgerlichen Gesetzen mit
Abschnitt.
solchen Strafen belegt, die den Unschuldigen eben
so sehr mit betreffen.
XV. Was die Strafen einer ganzen Gesell
fen ganzer
Gesellschaf
ten.
schaft anbetrift so scheinen folgende Grundsätze der
Gerechtigkeit gemäs zu seyn.
1) Wenn man alle Mitschuldigen, oder
soviel als zur Ersetzung des Schadens zureichend
sind, ausfindig gemacht hat; so kan man von der
ganzen
2) Wenn man dazu nicht gelangen kan, so
mus kein Unschuldiger an seiner Person oder Pri
vatvermögen um eines Verbrechens einer ganzen
Obrigkeit oder
3) Wenn die Mitschuldigen in einer Gesell
schaft, wo das Verdienst oder die Verschuldung von
einer jeden einzelnen Person abhängt, ausgestorben,
oder daraus vertrieben sind; so können die andern
Mitglieder der Gesellschaft von Rechts wegen nicht
bestraft werden. Ueberhaupt aber wird durch die
Strafe oder Geldbusse, die aus dem öffentlichen
Schatze erlegt werden, der Endzweck, den man bey
solchen Strafen hat, nicht erreicht. Böse Men
schen fühlen nur, und werden dadurch abgeschreckt,
was sie selbst betrift. Die Noth der ganzen Ge
sellschaft rühret sie nicht.
4) Was die Ersetzung des Schadens betrift:
so fällt sie, wenn man sie nicht von dem Uebelthäter
erhalten kan, auf einen Mächtigern, der durch eine
grobe und strafbare Nachlässigkeit, an der Schuld
Buch
Theil genommen hat, und man mus sich hiebey an
sein Privatvermögen zu halten suchen; wenn die
ses nicht zureicht, so muß der allgemeine Schatz da
vor haften,; und wo dieser erschöpft ist, da mus es
um eben der Ursachen willen, die wir oben
*
bey dem
Fall der Eroberung in einem rechtmässigen
angeführt haben, aus dem Privatvermögen aller
Mitglieder genommen werden.
5) Weil die ganzen Gesellschaften überhaupt
mächtig genug sind, ihre Mitglieder vor Jnjurien
zu beschützen; so sind die Befehlshaber verbunden,
eine hinlängliche Sicherheit vor zukünftige Jnju
rien zu geben, und wenn ihre vorige Macht dazu
nicht hinreichte, so sollte man ihnen eine grössere ver
schaffen. Und man kan ihnen auch wohl solche Vor
rechte, die leicht können gemisbraucht werden, ver
statten, wenn auf keine andere Weise in Ansehung
des öffentlichen Schadens eine genugsame Sicher
heit erhalten werden kan. Hingegen, ohne grosse
Noth, und wenn die Sicherheit auf andre Art kan
erlangt werden, ist es sehr ungerecht, eine ganze
Gesellschaft wegen des Verbrechens einiger Mitglie
der oder obrigkeitlichen Personen, ihrer wichtigen
Rechte
6. Was die Rechte, die kleinere Gesellschaf
ten, als Theile des grossen
pers geniessen, anbetrift; so können die obrigkeitli
chen Personen oder Räthe dieser Gesellschaft keiner * Siehe oben Absch. VIII. Art. 5. dieses
Abschnitt
wichtigen Rechte, sowohl in Ansehung der unschuldi
gen Mitglieder, als auch des ganzen Staats, durch
eine üble Verwaltung verlustig werden.
7) Handlungsgesellschaften können, wofern
sie ihre Termine oder eingegangenen Bedingungen
nicht halten, aller ihrer *
werden; und man kan die Verbindlichkeit dersel
ben gänzlich aufheben.
XVI. Jn Ansehung der Auflagen, zur Bestrei
hafte Auf
lage.
tung der öffentlichen Unkosten, so sind diese die vor
theilhaftesten, die mehr auf Ueppigkeiten und präch
tige Dinge, als auf Lebensmittel, und mehr auf
fremde Producte und Manufacturen, als auf ein
heimische gelegt werden, und so beschaffen sind, daß
sie ohne grosse Unkosten können eingetrieben wer
den. Ueberhaupt aber mus man bey dem, was
man im Lande mit Auflagen belegt, mehr auf das
Verhältnis gegen das Vermögen des ganzen
Volks sehn, als bey den Auflagen auf fremde Ma
nufacturen, weil diese letztern oft zur Ermunte
rung des Volks erfordert werden, ob man gleich kei
ne öffentlichen Ausgaben zu bestreiten hat.
Man kan aber dieses Verhältnis niemals
ohne
eine Schatzung, die in Ansehung des Reich
thums der Privatfamilien, alle fünf, sechs oder sie
ben Jahre gemacht wird, anstellen. Die
schen
Die gröste * Dieses ist
poena con- , die von der
Bey einer Schatzung könte man einen jeden
nach Maaßgebung seines Vermögens schätzen, und
auf diese Weise würden auch die öffentlichen Abga
ben niemand zu schwer werden. Denn bey Län
dereyen werden die Besitzer, die Schulden haben, all
zusehr mit Abgaben überhäuft, und diejenigen, de
ren Vermögen aus baaren Gelde bestehet, geben
nichts. Zölle und Accisen fallen zwar anfänglich
auf die Handelsleute, zuletzt aber muß sie doch der
jenige, der die Waaren braucht, tragen. Dahero
müssen edle und gastfreye Leute, oder solche, die eine
zahlreiche Familie zu unterhalten haben, die ganze
Last über sich nehmen, und hingegen ein einzelner
geitziger Mensch darf gar nichts dazu geben.
XVII. Mit diesen Rechten der Obrigkeit ist die
Verbindlichkeit der Unterthanen zu einem thätigen
und leidenden Gehorsam, aufs genaueste verbun
den, wie wir aus folgenden Anmerkungen zei
gen werden.
1) Wenn der Befehl einer Obrigkeit gerecht
und vernünftig ist, und ihr vermöge der Macht, die
ihr anvertraut ist, zukommt, so ist ein Unterthan
allzeit verbunden, seines Schadens oder Nachtheils
ungeachtet, zu gehorchen, ob er gleich den Strafen
auf eine listige Art entgehen könte. Dieses fin
det sonderlich bey der Bezahlung der Auflagen, oder
den Kriegsdiensten Statt.
2) Wenn die Obrigkeit zwar eine Sache an
lichkeit thö
richten Be
fehlen zu ge
horchen.
befehlen kan, aber sie misbraucht dabey ihre Gewalt,
so sind wir dennoch verbunden, wenn wir ihre Be
fehle durch vernünftige Vorstellungen nicht ändern
können, und sie nicht wider die vollkommnen Rechte
der Unschuldigen sind, zu gehorsamen, ob sich gleich
die Obrigkeit bey solchen Befehlen versündiget.
Dieses ist sonderlich im
Befehlshaber solche thörichte Befehle ausstellt, von
denen die Untergebenen offenbar einsehen, daß sie
ihnen zwar nachtheilig sind, aber dem ganzen
te
Weil nun die Aufhebung aller Kriegszucht
viel grössere Uebel nach sich ziehen würde, als
fes
und überhaupt alle Zucht verlohren gehen würde,
wenn ein Untergebener den Befehlen, die er vor thö
richt hält, nicht gehorchen wollte; so ist es oft der
Untergebenen ihre Schuldigkeit, auch solchen Be
fehlen,
Wofern aber die Befehle verrätherisch und
nicht gehor
chen soll.
so gefährlich sind, daß die Vollziehung derselben viel
Buch.
nachtheiliger seyn würde, als wenn alle Zucht auf
gehoben würde; so mus ein redlicher Mann nicht
gehorchen, und es aufs äusserste ankommen lassen.
Es ist gleichfalls unsere Schuldigkeit, Abgaben oder
Tribute, die eine rechtmässige Obrigkeit auflegt, zu
geben, ob wir gleich wissen, daß sie ungleich aufge
legt sind, und zu thörichten Absichten angewendet
werden. Es sind viele bürgerliche und kriegerische
Befehle, von deren Gerechtigkeit die Untergebenen
nicht recht urtheilen können, weil sie die rechten
Absichten derselben nicht wissen. Sie können aber
in aller Unschuld darnach handeln, gesetzt auch, ih
re Obrigkeit verführe unrecht, wenn sie nur ihre
Obrigkeit vor gerecht und weise hält; und sie müs
sen oft, wenn sie wissen, daß die Befehle thöricht
sind, dem allgemeine Jnteresse ihres Landes gemäs,
Gehorsam leisten.
3) Wenn aber ein Unterthan von der Unge
rechtigkeit eines Krieges oder andern Sachen, die er
thun soll, überzeugt ist, so mus er den thätigen Ge
horsam abschlagen, und lieber um des Gewissens
willen alle Arten der Trübsalen über sich erge
hen lassen.
XVIII. Wofern eine Obrigkeit die Macht, die
ihr verliehen ist, überschreitet, und sich mehr, als
ihr zugestanden ist, anmasset; so ist es allezeit ge
recht und billig, sich solcher angemasseten Gewalt,
aller vorgegebenen guten Absichten ungeachtet, gleich
im Anfange zu widersetzen, weil das Vorhergehen
de schon so gefährlich gewesen ist, und zum Verder
Abschnit.
ben der ganzen
viel schlimmer werden möchte.
2) Gesetzt nun, eine Obrigkeit überschrei
tet zwar überhaupt die ihr verliehene Macht nicht,
aber sie misbraucht eine solche Gewalt, die ihr nach
einem thörichten Plan der Staatsverfassung zuge
standen ist, zum Nachtheil der öffentlichen Sicher
heit und
Gehorsam mit Recht versagen, und sie nöthigen, in
solche Bedingungen, die zur allgemeinen Si
cherheit erfordert werden, zu willigen, und ein
redlicher Mann mus, im Fall er keinen Beystand
von andern erhielte, vor solcher Tyranney fliehen,
oder soviel Widerstand thun, als ihm möglich ist.
Denn es würde vergeblich seyn, wenn er sich ohne
Hofnung eines guten Fortgangs, nebst einigen we
nigen guten Freunden, in noch grössere Gefahr be
geben, oder ungerechten und andern höchst nachthei
ligen Befehlen gehorchen wollte
3) Gesetzt, der Plan der Policey ist gut, und
Jnjurien ei
nes guten
Prinzen sind
zu ertragen.
ein Prinz ist in allen Dingen, die ihm anvertraut
sind, zwar getreu, aber er ist mit einem ungegrün
deten
nommen, oder so zornig auf ihn, daß er seinen Un
tergang ohne gerechte Ursache suchet, so kan nie
mand seinen ungerechten Befehlen, einen Unschul
digen zu unterdrücken, gehorchen, und er mus viel
mehr selbst das Uebel ertragen, als an andern ausü
ben. Der Unschuldige, auf dessen Verderben es
abgezielet gewesen ist, hat alsdenn das Recht, sich
aller gewaltsamen Mittel der Gegenwehr, auch selbst
Buch.
wider die Person eines Prinzen zu bedienen, wenn
er nur auf das Recht eines Prinzen wider ihn sie
het; hingegen darf er wegen der Wohlfarth des
Vaterlandes, keinem Prinzen ein Leid zufügen, oder
es durch seinen Tod in noch schlimmere Umstände
setzen; sondern es ist vielmehr die Schuldigkeit ei
nes Unterthanen lieber zu entweichen, als Gewalt
zu brauchen, oder im Fall er sich durch die Flucht
nicht retten kan, vor das Vaterland ein Märtyrer
zu werden.
Es ist ungereimt, wenn man vorgiebt, daß
ein Mensch in keinem Falle ein Recht habe sich zu
widersetzen, oder daß er sich niemals unterstehen
dürfte über die Befehle seiner Obrigkeit zu urtheilen.
Auf diese Weise würden alle Endzwecke der Regie
rungsform, alle Sicherheit, und alle wichtigen
Rechte des Volks vergeblich seyn, und so bald als
die höchste Gewalt in gottlose Hände fiele, ohne
Hülfe verlohren gehn. Denn diejenigen, welche die
Billigkeit der gegebenen Befehle nicht beurtheilen
können, sind auch gewis nicht im Stande, die rech
ten Gränzen der höchsten Gewalt zu bestimmen.
Nach solchen Grundsätzen muß einer, der sich die
höchste Gewalt angemasset hat, in beständigen Be
sitz darin bleiben. Ein gottloser Prinz, ein Senat,
oder einige wenige democratische Abgeordnete, die
einmal im Besitz sind, haben niemals etwas zu
fürchten, und ihre Soldaten können nach ihren
Befehlen, worüber niemand urtheilen darf, rauben,
plündern, und umbringen, die sie vor verdächtig
Abschnitt.
halten, und niemand kan ihnen einigen Wieder
stand thun.
Was die zur Strafe verurtheilten Personen
der rechtmäs
sig verur
theilten.
anbetrift, so scheinen sie verbunden zu seyn, diese
Strafen zu ertragen, und das Aergernis, daß sie
durch ihr Exempel gegeben haben, wieder aufzuhe
ben. Man kan ihre Wiederspenstigkeit der Stra
fe durch allerhand listige Anschläge zu entgehen,
nicht vertheydigen, ob es sich gleich wegen der alzu
grossen Versuchung dazu, überhaupt noch entschul
digen lässet. Die Gesellschaft hat einmal das
Recht zu strafen, und es darf also niemand mit
Gewalt sich widersetzen. Es ist nicht rechtmässig,
wenn man Gerichtspersonen durch Geschenke, zur
Untreue in ihrem Amte zu verführen sucht, oder
wohl gar Gewalt wider dieselben braucht.
5. Ein unrecht verdamter oder angeklagter
mässig
urtheilteu
Mensch scheint ein Recht zu haben, seine Flucht durch
alle Mittel und Wege, die dem unschuldigen nicht nach
theilig sind, veranstalten zu können. Ja, weil nun
ein jeder das Recht hat, sich selbst oder andere mit
Gewalt zu vertheidigen, obgleich der angreifende
Theil in einem unvermeidlichen Jrrthume steht,
und ebenfalls unschuldig ist; so kan es auch in eini
gen Fällen bey einem unschuldigen Manne oder
seinen Freunden wieder einige Untergerichtsperso
nen gerecht seyn, wenn der ganze Schaden, der aus
einer solchen Widersetzung entsteht, ein geringer
Uebel ist als die Vollziehung eines ungerechten
Urtheils über einen Unschuldigen.
Eben dieser Fall scheint auch da noch häufi
ger vorzukommen, wo die Gesetze gegen sehr viele
Menschen offenbar ungerecht und grausam sind,
oder einer sich aller natürlichen und beständigen
Rechte der vernünftigen Geschöpfe unrechtmässiger
Weise anmasset. Dergleichen sind alle diejenigen,
die durch Verfolgung unschuldiger
nungen
Wenn jemand mit Zuziehung anderer gnugsam
mächtig ist, so hat er ein Recht den Gesetzgeber mit
Gewalt zu zwingen, daß er solche ungerechte Aus
sprüche aufheben mus, und wir haben in diesen
Stücken ein Recht, einem solchen, wenn es wahr
scheinlich ist, daß er glücklich seyn wird, wider die
Tyranney der Gesetzgeber und ihre Gesetze zu ver
theydigen.
Auf solche Weise kan man die Pflichten der
Obrigkeit und Unterthanen, aus der ihnen anver
trauten Gewalt und aus der Absicht der
chen
Die politische Klugheit, die Rechte der Obrigkeiten
nach Maasgebung der verschiedenen Bedürfnisse der
öffentlichen Angelegenheiten, zu gebrauchen, ist ein
sehr wichtiges Stück der menschlichen
welches man durch viele
fahrung
Einsicht in das Jnteresse und Verfassung der be
nachbarten Staaten, und durch die bürgerlichen
Historien und
gen mus.
I.
Der
unter Staa
ten, eben so
wie unter
einzeln Per
sonen.
Recht mit Gewalt vertheydigt oder zu er
langen sucht. Weil nun eingeschränkte Prinze
oder Staaten, einer gegen den andern in ihrer na
türlichen
angeführte Grundsatz,
*
in Ansehung der gewalt
samen Vertheydigung, und Ausführung der Rechte,
zu den Kriegen der Staaten, und zu den gerechten
Friedensschlüssen derselben.
Die Kriege sind entweder privat oder
öffent Oeffentliche oder privat Kriege, Die erstern geschehen unter Privatleuten in
* II. Abschnitt 15. §. 5.
* Siehe den I.
juſtum et purum duellum
,
Oeffentliche, aber keine feyerlichen Kriege
sind diejenigen, da die Obrigkeit Rebellionen und
Tumulte zu stillen bemüht ist, und zwo grosse Par
theyen im Staate über einige streitige Puncte bey
öffentlichen Rechten die Waffen ergreifen. Bis
weilen, als in Monarchien, hat die eine Parthey
den Schutz und die Einwilligung des höchsten Be
herrschers; bisweilen auch nicht, z. E. wenn ein * Siehe Quaeſtiones Juris pu- , 1. 2.
II. Die Gesetze des Kriegs betreffen entweder
Kriegs, wel
che die Par
theyen be
betreffen.
die Rechte oder Verbindlichkeiten der streitenden
Partheyen gegen einander oder gegen andere neu
trale Staaten, die mit beyden Theilen Friede haben.
Es ist eine Pflicht, die beyden Partheyen ge
gen einander und gegen alle Menschen obliegt, daß,
wenn sie vorhero keine Kriegserklärung machen
können, es hernach zu thun, und ihre Ansprüche und
den Grund derselben zu erklären verbunden sind.
Der angegriffene Theil ist eben sowohl als der an
dere verbunden, seine Vertheydigung und Verant
wortung wider die Anforderungen des angreiffen
den Theils kund zu machen. Solche Erklärungen
sind die natürlichsten Mittel, wie es einer dem an
dern und der ganzen Welt zeigen kan, daß keiner
von beyden ohne Recht und Gerechtigkeit, wie
Strassen- oder Seeräuber mit einander verfahren.
Und auf diese Weise vermeiden beyde Theile den
Schein, als ob sie dem Rechte der
Buch.
hätten, oder die gemeinschaftlichen Rechte des
die Erklärung etwas mit einem Scheine enthält,
das in der That geschehen ist. Wo dieses ist, da
kan das ganze Volk auf beyden Seiten unschuldig
seyn, wenn es die Vertheydigung seiner Sache vor
gerecht hält; und man mus diejenigen, die auf bey
den Seiten die Waffen führen, nicht als grausam oder
als Feinde des
sie unter ihrer bürgerlichen Obrigkeit, und nach ih
ren Befehlen, die allem Vermuthen nach gerecht
sind, so verfahren müssen.
III. Bey den Kriegen der Staaten und an
dern Privatkriegen mus man sowohl die Ursachen
als auch den Anfang, Währung und Ende dersel
ben genau bemerken.
1) Die gewöhnlichen rechtmässigen Ursa
chen des Kriegs beruhen gemeiniglich auf einer
Verletzung eines vollkommnen Rechts. Der
Wachsthum des Reichthums und Vermögens bey
unserm Nachbar, berechtiget uns nicht, ihn anzu
fallen, ob es uns gleich aufmerksamer und fleissi
ger machen mus, unser eigenes Vermögen zu ver
scheinende
Gefahr dazu.
fern aber ein Nachbar sich zum Kriege rüstet, ob er
gleich noch keine Jnjurien ausgeübt hat; und wenn
er durch eine vortheilhafte Lage oder andere Ursachen
so gesezt ist, daß ihn die benachbarten Staaten nicht
anders, als durch Unterhaltung grosser Armeen
oder Besatzungen beykommen können, so haben sie
allerdings ein Recht, sich wider dergleichen Jnju
Abschnitt.
rien durch etwas mehr als Wortversicherungen zu
widersetzen, und den angreiffenden Staat durch
Uebergabe und Schleiffung der
oder Abtretung eines andern Theils seiner Macht
zu zwingen, daß er das gesuchte Recht den andern
zugestehen mus.
2) Bey den Mitgliedern eines freyen
ist es erlaubt zu verhüten, daß sie kein so grosses
Vermögen, welches dem Staate nachtheilig seyn
könte, bekommen mögen, ob sie es gleich auf eine
unschuldige Art zu erwerben suchen, und bey benach
barten Staaten können eben die Ursachen seyn, daß
sie sich vor der anwachsenden Macht eines andern
in Sicherheit zu setzen, oder die Vermehrung ei
ner solchen Macht mit Gewalt zu hemmen bemüht
seyn müssen. Jedoch dieses scheinen nur ausseror
dentliche Rechte im Fall der Noth zu seyn, zu wel
chen die Staaten ihre Zuflucht nicht nehmen dür
fen, wenn sie das Gleichgewicht der Macht gegen
ihren Nachbar durch Fleiß, gute Zucht und andere
unanstößige Mittel erlangen können. Jn gewis
sen Fällen aber kan uns auch die Nothwendigkeit
berechtigen, etwas mit Gewalt zu fordern, was wir
als ein vollkommnes Recht ordentlicher Weise nicht
erlangen können.
*
* Es ist eben dieses, was
der Jsraeliten mit einigen
Nationen, die ihnen auf
die besten Friedensversiche
rungen den Durchzug durch
wollten, behauptet. Und
dennoch hat keine Nation
ohne wirkliche Noth ein
vollkommnes Recht, dieses
zu fordern. Eine Armee,
die einmal in den Jnnersten
eines Landes ist, kan sich
Meister davon machen, ehe
eine stärkere Armee zu sei
ner Beschützung errichtet
wird, die andere feindliche
Parthey wird eben dies
Recht verlangen, und auf
diese
Staat zum Schauplatz
des Kriegs gemacht wer
den.
3) Fremde Staaten haben eben sowohl als
stand ande
rer wider
Jnjurien.
kommnes Recht, einen andern, der unschuldiger
Weise angegriffen wird, oder nicht Macht genug
besitzt den Nachbar zur Erfüllung der gerechten
Ansprüche zu zwingen, mit aller Macht beyzustehen.
Ja sie sind in gewisser Maasse ausdrücklich dazu
verbunden, weil dergleichen Jnjurien auch andern
begegnen können, wenn man dem angreiffenden
Staate seine gemachte Eroberungen zu behalten
verstattet.
IV. Die Feindseligkeiten nehmen alsdenn ih
ren Anfang, wenn der angreiffende Staat durch
Verletzung eines vollkommnen Rechts oder Ver
sagung einer geforderten Ersetzung oder gemachten
Ansprüche seine feindlichen Absichten zu erkennen
giebt. Es ist billig und vernünftig, daß man ei
nem Feinde zuvor zu kommen, und sein Land zum
Schauplatz des Kriegs zu machen sucht, und wir
sind nicht verbunden, so lange, bis wir angegriffen
sind, zu warten.
Wir können auch die Feindseligkeiten so lange
fortsetzen, bis alle Gefahr abgewendet ist, alle Jn
jurien und Kriegsunkosten ersetzet sind, und alles
Abschnitt.
bezahlt ist, was wir mit Recht fordern konten,
die Sicherheit vor dergleichen Anfällen und Jnju
rien vollkommen wieder hergestellt ist. Hingegen
würde es offenbar ungerecht, und in Ansehung des
Ueberwundenen grausam seyn, und mit der Wohl
fahrt des menschlichen Geschlechts streiten, wie wir
oben bey den Eroberungen gezeigt haben, wenn man
nach Erlangung aller dieser Stücken die Gewalt
thätigkeiten immer noch fortsetzen wollte.
V. Der
waltthätig
keiten sind
die rechte Art
zu kriegen.
re Gewaltthätigkeiten wider diejenigen, die sich mit
Macht widersetzen, geführet; und es ist natürlicher
Weise billig und nothwendig, daß wir unser Recht
zu erhalten, oder dem Feind zur Einwilligung ge
rechter Friedensvorschläge zu bringen suchen. Eine
solche Gewalt aber, die nicht zu unserer Absicht die
net, oder ohne welche wir unser Recht erlangen
könten, ist wirklich abscheulich und ungerecht. So
ist es z. E. mit der Umbringung der feindlichen
Gefangnen und allen Grausamkeiten gegen
und
wenn wir auch den Feind durch solche Grausamkei
ten zu Annehmung gerechter Bedingungen zwingen.
Viele gesittete
stillschwei
genden Ver
gleich wer
den gewisse
Gewaltthä
tigkeiten
sen
einen stillschweigenden Vergleich übereinzukommen
scheinen, haben schon lange verwilligt sich aller un
anständigen Kriegsarten, wie z. E. das Vergifften
des Wassers, das durch die feindlichen Länder fliesst,
und der Gebrauch vergiffteter Waffen und einige
andere sind, zu enthalten. Weil nun dergleichen
Gewohnheiten menschlich sind, so ist es gottlos und
Buch.
unanständig von denselben abzugehen, zumal wenn
der Feind bereit ist, sie beyzubehalten, und über die
ses der Schaden weit mehr als es die Absicht des
Kriegs erfordert, durch die Abweichung von sol
chen Gewohnheiten vergrössert wird, wenn wir
Weiber oder Kinder oder verwundete Personen, die
ohnedem keine Dienste wider uns thun können, um
bringen; oder unser Feind durch dergleichen Kunst
griffe eben so viel gewinnen kan. Die Er
mordung der feindlichen Prinzen oder Generale
ist durch keine Gewohnheit der Nationen aus
geschlossen, es müste denn seyn, daß es durch ei
ne Bestechung der Unterthanen oder derer, die ihren
Herren den Eid der Treue geleistet haben, geschehn
sollte. Es haben es auch wirklich viele gesittete
Nationen wider einen feindlichen Prinzen oder Ge
neral ausgeübt, und man hat sie deswegen nicht ge
tadelt. Dieses aber wird überall verabscheuet,
wenn man einen Unterthanen, seinen eigenen Prin
zen, oder einen Soldaten, seinen Officier zu ermor
den, mit Gelde zu bestechen sucht.
Es ist höchst betrübt, daß man nach Abschaf
fung einiger verderblichen Kriegslisten dennoch sehr
viele erschreckliche Grausamkeiten wider einen Feind
übrig behalten hat. Man bestraft Niemanden oder
hält ihn in seinem eigenen Vaterlande vor grau
sam, wenn er während des Kriegs unschuldiges
Blut vergiesset, raubet, Weiber und Kinder ermor
det, und andere unzählige Grausamkeiten begehet.
Fällt er aber in feindliche Hände, so wird er dieser
Verbrechen wegen nicht verfolget, weil der Gegen
Abschnitt.
theil besorgen mus, daß man es auf der andern Sei
te eben so machen würde. Es ist vernünftig, daß
man die Grausamkeiten in einer Schlacht, von de
nen der
nöthig gewesen wären, übersieht, und es der mensch
lichen Schwachheit, so lange die
nung dauren, zurechnet. Was aber die unnöthigen
Grausamkeiten anbetrifft, die nur da, wo keine Ge
fahr ist, oder bey unschuldigen Blute ausgeübt
werden; so ist es einer Nation sehr anständig,
und zeigt von ihrer Gerechtigkeit, wenn sie ihre Un
terthanen solcher Verbrechen wegen aufs härteste
bestraft, und die Klagen ihrer Feinde wider sie
anhöret.
VI. Man hat bisweilen gefragt, in wie fern
die Kriegs
listen er
laubt sind.
die Kriegslisten erlaubt wären, und es ist soviel da
bey festgesetzt worden, daß wir durch solche An
schläge, die wir nicht brauchen wissen zu lassen, un
sere Feinde zu hintergehen berechtiget sind, und als
erlaubte Kriegslisten gebrauchen können. Und es
ist über dieses noch die Gewohnheit eingeführet
worden, unsern Feind durch andere
wenn wir sie gegen unsere Freunde brauchen, un
sere Gesinnungen anzeigen, zu hintergehen. Ueber
haupt werden da falsche Erzehlungen gemacht, wo
man vermuthet, daß sie vor wahr gehalten werden,
und diejenigen, welche die öffentlichen Angelegen
heiten der Nation besorgen, müssen deswegen Nie
mand vor falsch oder treulos halten. Man
könte vielleicht hierbey einwenden, daß eine sol
che allgemeine Gewohnheit eine stillschweigende Er
Buch.
lassung des Rechts sey, welches sonst die Feinde ge
gen einander in Ansehung der glaubwürdigkeit ih
rer Erzählungen haben würden. Allein es mus
dieses einem redlichen
einem
den, überhaupt sehr unangenehm seyn.
Was nun die Contracte, Waffenstillstände
oder Tractaten anbetrifft, so kan es niemals durch
eine Gewohnheit eingeführet werden, den Feind da
bey zu hintergehen, und man wird solche Betrüge
reyen allezeit vor gottlos und meineidig halten.
Die Tractaten sind die einzigen menschlichen Mittel,
wodurch ohne eine gänzliche Aufreibung der kriegen
den Partheyen der
wieder hergestellt werden kan. Und ihr Nutzen mus
durch die Treulosigkeit dabey zum Nachtheil der
heilsamsten Absichten einer Nation gänzlich hin
wegfallen.
Auf gleiche Weise sind die Feinde verbunden,
alle Versprechungen eines gegebenen sichern Ge
leits oder Passes zu halten, damit redlich Leute von
der
mit der grösten Schärffe des Krieges bestehen kan,
versichert werden.
VII. Wir haben oben bereits bey den Erobe
rungen erkläret, wie es mit dem Privatvermögen
der Unterthanen, in Ansehung der Ersetzung des
Schadens, den ihr Staat gemacht hat, und dem
Rechte der Gegenwehr beschaffen ist, und wollen
also hier nur anmerken:
1) Daß ein jeder
eigenen Unterthanen vor Jnjurien gegen einen be
nachbarten Staat, oder eines andern von ihren Un
terthanen abzuhalten.
2) Wenn dergleichen Jnjurien offenbar sind,
und die Obrigkeit thut ihnen auf geschehene Klage
nicht Einhalt, so ist es eine rechtmässige Ursache
zum Kriege; es müste denn seyn, daß die Obrig
keit darthun könte, daß solche Unterthanen ihre
Treue gebrochen hätten, und unter ihre Gesetze nicht
mehr gehörten, und daher auch keinen Schutz zu
hoffen hätten. Denn es kan kein Staat vor die
Raubereyen der Strassenräuber, die ehemals ihre
Unterthanen gewesen sind, Rechenschaft geben.
3) Weil die Unterthanen verbunden sind
den Schaden ihrer Obrigkeit zu ersetzen; so ist es
billig, daß der beleidigte Staat, wenn er keine Erse
tzung bekommen kan, sich auf die leichteste Art eine
Genugthuung zu verschaffen sucht, und wenn es
auch durch Wegnehmung der Güter, die den Unter
thanen gehören, geschehen sollte; so können sich die
se an ihre Obrigkeit halten, und von ihr die Erse
tzung des Schadens, den sie in öffentlichen Angele
genheiten unbilliger Weise erlitten haben, mit
Rechte fordern.
Es ist überall ein angenommener Gebrauch,
Anhaltung
der Güter
rechtmässig
ist.
daß bewegliche Güter, die im Kriege weggenom
men, oder in die feindlichen Festungen oder Schiffe
gebracht, oder vor rechtmässige Priesen erkant wer
den, theils den Capern, theils auch den Staaten,
Buch.
unter denen die Caper stehen, den
setzen gemäß, eigenthümlich gehören. Diese Wechs
lung des Eigenthums wird auch sogar von dem
Staate, dem die Güter genommen sind, vor recht
mässig erkant, so, daß der alte Besitzer, wenn die
Güter wieder ersetzt werden, kein Recht mehr daran
hat, sondern zum Theil dem Caper, zum Theil
auch dem Staate, nachdem es die Gesetze bestimmt
haben, zugehören. Es ist dieses eine Sache, die
man um deswillen willkührlich bestimmt und feste
setzet, damit die Unterthanen bey beyden Theilen
desto mehr angetrieben werden, dem Feinde, soviel
möglich, Abbruch zu thun.
VIII. Wir kommen nunmehro zu den Gesetzen
des
es hierbey sehr viele angenommene Gebräuche giebt,
so wollen wir hier nur die Grundsätze, nach wel
chen die vornehmsten Fragen können entschieden
werden, kürzlich angeben. Die Hauptursache be
ruhet grösten Theils auf dem, was man das öffent
liche
*
Völkerrecht nennt, wovon einige Stücke, * Es ist unnöthig, daß
wir uns in einen Wort
streit einlassen, ob das Völkerrecht von Rechte der Natur
unterschie
Die Kriegsgesetze, die neutrale Staaten betref
fen, beruhen vornehmlich auf folgenden wenigen
Grundsätzen.
1) Kein neutraler Staat ist ohne seine Neigung
nen nicht ge
zwungen
werden, sich
vor eine Par
they zu erklä
ren.
dazu verbunden, sich vor eine von beyden kriegenden
Partheyen zu erklären, oder der einen im Kriege
beyzustehen, und sich auf diese Weise den Feindse
ligkeiten der andern Parthey auszusetzen. Es kan
zwar auf einer Seite eine stärkere Verbindlichkeit
zur Dankbarkeit oder Gerechtigkeit daseyn, jedoch,
wenn sich ein
Tractaten ausdrücklich dazu anheischig gemacht hat,
so mus er frey handeln, und seine Neutralität,
so wie es ihm beliebt, fortzusetzen, im Stande
seyn. Eben dieses gilt auch bey zwoen streitenden
Partheyen in einem
Staat, der vorhero mit einem so zertheilten Reiche
in Freundschaft gestanden, nicht verbunden ist, sich
vor einen von beyden Theilen zu erklären, oder über
ihre gerechte Sache einen Ausspruch zu thun. Ei
ne sieghafte Parthey siehet es auch vor keine Ver
letzung der
Staat, da der Sieg noch zweifelhaft gewesen, kei
ne Hülfe geschickt hat, wofern er es nur mit der
andern Parthey auch nicht gehalten hat.
Diesem zu Folge, muß man einräumen, daß
serliche
Recht zu
weggenom
menen Gü
tern ist ein
völliges Ei
genthums
recht.
sie im Kriege weggenommen, ein gewisses äusserli
ches Recht erlangen können, welches unwiederruf
lich ist, wenn diese Güter von einem neutralen
Staate, oder dessen Unterthanen gekauft werden, so,
daß sie die vorigen Besitzer nicht wieder von ihren
Händen zurück fordern können. Man sieht dieses
auch vor keine Abweichung von der Neutralität an,
wenn ein neutraler Staat die Güter, die auf der ei
nen Seite vor rechtmässige Priesen erklärt sind, an
sich kauft. Der Käufer braucht ohnedem nicht zu
wissen, wie man zu den Gütern gekommen ist.
Wenn aber die vorigen Besitzer ihre Güter wieder
zurückfordern können; so mus der neutrale Staat
das Verfahren der Caper vor ungerecht erklären,
und die bezahlten Güter einbüssen, oder den Capern
den Krieg ankündigen. Wenn man aber einem
neutralen Staate auf Verlangen der alten Besitzer,
die Güter nicht verabfolgen läst, so ist dieses eine
offenbare feindliche Erklärung gegen diese Besi
tzer und ihr Vaterland. Ueberdieses, wenn die er
beuteten Güter an andere Unterthanen eben dieses
Staats, von dem sie genommen sind, entweder durch
einen neutralen Käufer, oder durch den Feind selbst,
(weil die Handlung bisweilen auch während des
Kriegs auf beyden Seiten fortdauert,) verkauft
werden; so kan sie der vorige Besitzer, sowohl in
Ansehung des erwehnten Käufers, als auch wegen
des äusserlichen Rechts eines Capers, nicht wieder
zurückfordern. Andrergestalt würde alle Handlung
Abschnitt.
entweder mit den Feinden, oder mit neutralen
Staaten, nur auf einer Vergünstigung beruhen.
Bey weggenommenen Ländern, Städten oder
te finden bey
Ländern
nicht statt.
Provinzen, von welchen ein jeder Käufer wissen
mus, wie sie der Verkäufer erworben hat, kan man
mit keinem Scheine einem Caper ein solches Recht
zugestehen. Dahero würde ein neutraler Staat,
wenn er sie an sich kauffen wollte, die alten Besi
tzer, oder den Staat ausschliessen, sich ihrer vorigen
Ländereyen wieder zu bemächtigen; oder er würde
sie nöthigen, daß sie dem Käufer den Krieg ankün
digen müsten. Um deswillen hält man dergleichen
Arten zu kaufen, der Neutralität zuwider.
Es giebt wirklich ein gewisses äusserliches
gen der ge
waltsamen
Besitzneh
mung der
Länder.
Recht, welches die gewaltsame Einnehmung der
Länder, Städte und Viehes, begleitet; nämlich,
daß alle Dienste, Einkünfte, oder andere jährliche
Abgaben, die sonst von den vorigen Besitzern an je
manden abgetragen worden, nunmehro an den ge
waltsamen Besitzer, wirklich bezahlt und abgegeben
werden; so, daß der alte Besitzer oder Beherrscher,
wenn er sie wieder erlangt, eben diese Dienste oder
Abgaben, wenn sie dem gewaltsamen Besitzer
nicht gutwillig angeboten sind, nicht widerfordern,
und dergleichen Dienste während des Kriegs, als
keine Untreue oder Feindseligkeit ansehen kan.
Hingegen kan der Vergleich eines gewaltsa
men Besitzers die Unterthanen, während seines Be
sitzes, von zukünftigen Diensten, Abgaben oder jähr
lichen Gefällen befreyen, so, daß der vorige Besi
Buch.
tzer oder Beherrscher, wenn er wieder zu dem Besitz
seiner Länder kömt, von seinen Ansprüchen ausge
schlossen wird. Wenn er aber durch Gewalt oder
Drohungen einen Schuldner gezwungen hat, die
Schuld, welche entweder der überwundenen Gesell
schaft oder deren Beherrscher zusteht, zu bezahlen, und
zwar ohne ein heimliches Verständnis mit dem
Schuldner; so ist die Schuld vollkommen abge
tragen und erloschen.
*
2) Die Neutralität kan nur dadurch erhal
ten werden, wenn man entweder keinen von beyden
Theilen, oder beyden Theilen gleich viel Hülfe lei
stet. Daher, wenn es der einen Parthey erlaubt
ist, in den neutralen Staaten zu werben, so muß
dieses der andern Parthey auch verstattet werden,
und wenn Truppen in Sold gegeben werden, so
mus es auf Verlangen an beyde Theile geschehn,
und die Freyheiten der Handlung müssen beyden
Theilen eben so, wie vorher, ehe der Krieg aus
brach, zugestanden werden. Kriegsvorrath muß
keiner von beyden Partheyen, ohne Einwilligung
der andern, die ihn vielleicht ebenfalls verlangen
würde, geliefert werden; und es pflegt auch ordent
licher Weise nicht zu geschehn. Auf eben die Art
kan der neutrale Staat einer belagerten Stadt oder
Jnsel, oder Küste, die von einer feindlichen
Flotte eingeschlossen wird, keine Lebensmittel schi* Siehe einen merk
würdigen Fall von dieser
Art in dem 10. wo
Wofern ein neutraler Staat mit beyden Par
Bindnisse
verstatten
Hülfstrup
pen zu schi
cken.
theyen in Bündnis steht, und beyden Theilen eine
gewisse Anzahl von Truppen zu geben verbunden
ist, so kan er sie, so lange die Neutralität währet,
keinen von beyden schicken. Wenn es aber sein
Jnteresse erfordert, die Neutralität aufzuheben, so
kan er an denjenigen Theil, der die gerechte Sache
hat, Truppen überlassen. Denn alle Contracte,
in Ansehung der Hülfe im Kriege, fassen allezeit
diese stillschweigende Bedingung in sich, wenn „die
Sache gerecht und billig ist.“ Kein Tractat kan
uns verbinden, einer ungerechten Gewalt bey
zustehn.
3) Der dritte gewöhnliche Grundsatz ist die
trale Staa
ten müssen
alle
luda
den Theilen
geniessen.
ser: „Ein neutraler
theile, den er in Ansehung des
Theilen geniessen kan, ausgenommen von denje
nigen, welchen er durch die Handlung mit Kriegs
vorrath machen kan, ausgeschlossen werden.“
Alle andre Vortheile der Handlung und Schiffahrt,
müssen ihm von beyden Partheyen zugestanden wer
den. Es ist dahero unbillig, wenn man die Güter
der neutralen Kaufleute, die man auf weggenommenen
und vor Prisen erklärten Schiffen findet, zugleich
confisciret. Der neutrale Staat hat ein Recht,
Buch.
die Schiffe von beyden Partheyen zn beladen; und,
weil er gleichfalls ein Recht hat, Schiffe an beyde
Theile zu vermiethen, obgleich die feindlichen Gü
ter auf neutralen Schiffen mit Recht weggenom
men werden, so dürfen doch die neutralen Schiffe
vor keine rechtmässigen Priesen angesehn werden.
Eine jede Parthey hat zwar das Recht, die neutra
len Schiffe zu durchsuchen, und zu sehen, ob feind
liche Güter darauf befindlich sind; hingegen ist kei
ner von beyden Theilen befugt, entweder die Schiffe,
oder einen Theil der Güter, die dem Feinde nicht ge
hören, wegzunehmen.
Es ist ein Recht, wie etwa diejenigen sind,
die man im Nothfalle verstattet, daß beyde Theile be
dürfenden Falls einige neutrale Schiffe in ihre Häfen
führen, und sich derselben zur Versendung der
Truppen oder des Kriegsvorraths, nach Bezahlung
einer billigen Fracht, füglich bedienen können.
Auf gleiche Weise kan kein neutraler Staat
das Recht einer Hypothek auf Ländereyen, die von
einer von beyden Partheyen in Besitz genommen wor
den, verleihen.
4) Ein andrer Grundsatz bey neutralen
Staaten ist, „daß sie ein Recht haben, beyde Theile
in neutralen Landen oder Häfen von Feindseligkei
ten abzuhalten, und die Flüchtlinge von beyden
Partheyen in Schutz zu nehmen.“ Ein neu
traler Staat ist Herr von seinen Landen und Häfen,
Abschnitt.
und hat folglich ein Recht, allen Gewaltthätigkei
ten, die darin sich ereignen, zu hintertreiben; und
sein Jnteresse erfordert es auch, so zu verfahren,
weil es ihm selbst und seinen Unterthanen zum
Nachtheil gereichen kan. Eben so kan auch durch das
Wegnehmen der Schiffe, die der neutrale Staat
aufzuhalten berechtigt ist, die Handlung mit bey
den Theilen unterbrochen oder geschwächt werden,
und die Loslassung des Geschützes kan andern mehr
Schaden thun, als denen, für welche es bestimmt
ist. Es ist der Pflicht eines gemeinschaftlichen
Freundes, daß er alle Arten der Gewaltthätigkeiten
von beyden Seiten, so viel möglich, abzuwenden
sucht, und ein jeder Staat hat auch in seinen
Gränzen ein Recht dazu. Dieses Recht erstreckt
sich eben so weit, als der Staat die Macht hat,
durch das Geschütz von seinen Festungen zu befeh
len. Der Gebrauch einer gewissen Macht wider
die Feinde gehöret unter die
jura majeſtatis
, oder un
IX. Was die Flüchtlinge von beyden Theilen
der Flücht
linge.
anbetrift, so hat ein neutraler Staat das Recht,
sie um gleicher Ursachen willen zu beschützen.
Kein fremder Prinz hat ein Recht eine
oder peinliche Gerichtsbarkeit in den Gränzen ei
nes andern Staats auszuüben. Wenn er oder sei
ne Gesandten in einem benachtbarten Staate auf
eine gewisse Zeit bleiben dürfen, so behalten sie in
Buch.
ihrem Lande alle Macht und Rechte; aber da, wo sie
sich befinden, haben sie keine, ausgenommen, was
ihnen von diesem Staate zugestanden wird. Al
lem Ansehn nach scheint es, als wenn ihnen die
Nationen durch den langen Gebrauch eine bürger
liche Gerichtsbarkeit über ihr Gefolge eingeräumt
haben, vermöge welcher sie die Streitigkeiten über
das Eigenthum bey ihren eignen Unterthanen ent
scheiden können. Eben dieses Recht hat auch ein
Consul, der nicht einen Prinzen oder Staat vor
stellet, sondern nur ein Agent vor Kaufleute an ei
nem fremden Hofe ist, und von seinem Prinzen
zum Richter über seine Landsleute in bürgerlichen
Sachen gesetzt wird. Sie haben auch in bürger
lichen Sachen, wenn es Ausländer betrift, keine
Gerichtsbarkeit, und in Ansehung der peinlichen
Gerichtsbarkeit, ist es weder einem Prinzen,
*
noch
seinem Gesandten erlaubt, über seine eigene Unter
thanen, die mit ihnen in einem andern Staate sich
befinden, zu richten, indem hierzu oft der Gebrauch
der Macht erfordert wird.
Das Recht und die Gewohnheit ist in diesem
Stücke sehr unbestimmt. Auswärtige Staaten
sind wirklich nach dem Rechte der
den, keinen Missethäter oder offenbar boshaften * Die Königin von
Schweden,
einen
Anschläge verrathen hatte,
während ihres Aufenthalts
die
ses als einen Gebrauch der
Gewalt in ihrem Lande
sehr übel.
Abschnitt.
Bankerotierer, der zu ihnen flieht, in Schutz zu
nehmen, und gleichwohl hat der
chem sie flüchten, kein Recht, sie mit Gewalt in den
Gränzen eines andern Landes zu
ein Staat nun bemüht wäre, sie der Obrigkeit zu
übergeben, so sollte man von dem fremden Staate
eine Commission verlangen; und es würde unbil
lig seyn, wenn man es bey gnugsamer Sicherheit
vor allen Schaden abschlagen wollte, alsdenn wür
de die Gewalt der Beherrscher eines solchen Staats
auf diese Weise ausgeübt. Jn Ansehung der ge
ringern Uebelthäter und gewöhnlichen Bankero
tierer, gehet man der Gewohnheit nach den Weg
der
meiniglich, und liefert sie selten der Obrigkeit aus.
Bey Staatsverbrechern ist die allgemeine Ge
wohnheit sehr vernünftig, daß man sie in fremden
Staaten aufnimmt, weil es sowohl in bürgerlichen
als Staatskriegen immer noch redliche Leute giebt:
und man hält es auch vor keine rechtmässige Ursache
zum Kriege, daß man sie nicht ausliefert, oder
zu verfolgen und wegzunehmen verstattet, wenn
sie während ihres Aufenthalts in fremden Staaten
keine neuen Zusammenverschwörungen oder Feindse
ligkeiten wider den jetzigen Beherrscher ihres Lan
des, der mit ihrer Verbannung und der Einbusse ihres
Vermögens zufrieden seyn mus, anspinnen.
X. Friedenstractaten sind die natürlichsten
schaffenheit
der Friedens
tractaten.
und besten Mittel einen
kan die Beschaffenheit derselben, ihre gerechten Be
Buch.
dingungen, Verbindlichkeit und Ausnahme aus
demjenigen hinlänglich einsehen lernen, was wir
im vorigen Buche bey den Contracten und den
Rechten, die von den Jnjurien andrer entstehen,
erinnert haben, indem alle uneingeschränkte Prin
zen und Staaten gegen einander im Stande der
natürlichen
Die Ausnahme eines mit Gewalt erzwunge
nen Contracts, findet hier vielweniger, als bey Pri
vatpersonen Platz, es mögen gleich feyerliche oder
bürgerliche Kriege seyn, die durch Tractaten sollen
geendiget werden. Wollte man diese Ausnahme
überhaupt verstatten, so würden alle Tractaten ver
geblich seyn, kein Staat würde auf die Verspre
chungen und Verpflichtungen des andern achten,
und keine streitenden Partheyen würden einander
trauen, weil eine von beyden Partheyen, die man zum
Frieden zu lenken gesucht hätte, noch immer bey ihrer
Verbindlichkeit einwenden könte, daß der Contract
oder das Versprechen erzwungen wäre. Auf diese
Weise würden alle alte Streitigkeiten, der gemach
ten Vergleiche ungeachtet, ihren Anfang wieder neh
men, und der Krieg könte nicht anders, als durch
den gänzlichen Umsturz, oder Ueberwindung der ei
nen Parthey zu Ende gebracht werden.
Jm Gegentheil sind einige Kriege, die von
Prinzen oder Staaten ohne alles Recht angefan
gen, und glücklich geführet werden, so offenbar
ungerecht, daß es unbillig seyn würde, wenn man ei
Abschnitt.
nen Staat, der mit Gewalt gezwungen worden,
die ungerechten Bedingungen einzugehen, alle
mögliche Hülfe, entweder vor sich, oder seine Nach
kommen dadurch auf ewig abschneiden wollte, ob
er gleich die beste Gelegenheit bekommen könte, das
ungerechte und grausame Joch abzuwerfen. Wo
fern man so verfahren wollte, so würde man hier
durch zu der unbilligsten Gewalt und Unterdrückung
Anlas geben.
Wir müssen daher zwischen einer wirklich
ungerechten Gewalt, die aber doch auf einem Schei
ne des Rechts beruht, wobey auch redliche Leute,
die dem Rechte der Natur gemäs handeln wollen,
können hintergangen werden; und zwischen einer
solchen Gewalt, die keinen Schein des Rechts hat,
einen billigen Unterscheid machen, und den Tracta
ten, die auf die erstere Art gemacht werden, eine
verbindliche Gültigkeit zuschreiben, sonderlich,
wenn man dabey nach dem Gebrauch der gesitteten
und die Tractaten keine Bedingungen enthal
ten, die mit dem deutlichen Gesetze der
lichkeit
zur Sicherheit der Bedürfnisse des Lebens erfor
dert werden, streiten. Hingegen solche Tractaten,
die mit Gewalt erzwungen sind, und Bedingungen
enthalten, die wider alle Billigkeit und Sicherheit
des
erlangen.
Ohne Zweifel werden nach allen möglichen
kommene
Entschei
dung vieler
zweifelhaf
ten Fragen.
bleiben. Und was sind es denn vor scheinbare Rech
te, die man vor die Gültigkeit unbillig erzwungener
Contracte anführt? Was vor Arten von Bedin
gungen kan man denn unmenschlich grausam nen
nen? Wo kein allgemeiner Richter ist, da mus man,
ohne Absicht auf das Jnteresse beyder Partheyen, sei
ne Zuflucht zu der Menschen selbsteigener
pfindung
und zu klugen und neutralen Schiedsrichtern
nehmen.
XI. Es giebt viele Eintheilungen von Tra
ctaten; einige sind persönlich, und werden nur
aus Liebe gegen die Person eines Prinzen auf sei
ne Lebenszeit aufgerichtet. Andere werden wirklich Tractaten genent, welche mit einem Prin
zen oder Regenten, der im Nahmen des ganzen
schlossen werden. Die Verbindlichkeit zu diesen daurt,
wenn keine Einschränkung auf gewisse Jahre dabey
ist, beständig. Einige sind gleichförmig, welche
auf beyden Seiten gleiche Verbindlichkeit haben,
oder solche, die dem Vermögen eines Staats ge
mäs sind; und andere sind ungleich. Von den
ungleichen Tractaten verringern einige, ob sie
gleich der einen Parthey mehr zur Last gereichen,
als der andern, ihre beyderseitige Unabhängigkeit
nicht, z. E. solche, die eine Seite verbinden, die
Unkosten des Kriegs zu ersetzen, Schiffe oder
Abschnitt.
Gränzstädte auszuliefren, oder gewisse Arten der
Handlung fahren zu lassen, oder jährlich gewisse
Summen zu bezahlen. Der
schwerlichen Bedingungen ungeachtet, bey sich, oder
bey andern
noch behaupten. Andere ungleiche Tractaten hinge
gen vermindern die uneingeschränkte Gewalt,
z. E. wenn ein Staat verwilligt, daß man sich in
gewissen Processen an die Gerichtshöfe des andern
Staats wenden müsse, oder daß er ohne Einwilli
gung des andern keinen Krieg anfangen dürfe.
Aus den Bedingungen dieser Tractaten kan man al
lererst die Verbindlichkeiten beyder Theile erkennen
und beurtheilen.
Jn vorigen Zeiten wurden oft zur Bekräfti
warum sie
abgeschaft.
gung der Tractaten gewisse Bürgen gegen einander
gegeben. Weil sie aber keine Sicherheit verschaffen
können, wofern nicht eine Nation eine grosse Grau
samkeit ausüben wollte, indem sie die unschuldigen
Bürgen, wegen der Treulosigkeit eines Landes, wo
zu sie nichts beygetragen haben, bestrafte; so hat
man den Gebrauch der Bürgen auf beyden Sei
ten abgeschaft.
XII. Alle Arten der Tractaten und Bünd
te der Ge
sandten.
nisse werden durch Gesandte und Gevollmächtigte,
welche die Unterhandlungen im Nahmen ihres
Staats führen, geschlossen. Die Rechte aller
dieser Personen sind nach dem Rechte der Natur
einerley, wennn sie zu einem Staate im Nahmen
Buch.
eines andern grossen oder kleinen Staats, der von
jenem nicht abhängig ist, abgeschickt werden
Dieses Recht steht erstlich denen zu, die
in öffentlichen Angelegenheiten, zu Kriegs- und
Friedenszeiten geschickt werden, und zwar derge
stalt, daß sich niemand an ihren Personen vergrei
fen darf. Man mus ihnen entweder erlauben,
daß sie in Ruhe dableiben können, und alle Sicher
heit verschaffen, oder, wenn man ihnen dieses nicht
zugestehen will, sie ungekränkt zurückkehren lassen.
Der mächtigste Feind ist auch bey der gerechtesten
Sache in Ermanglung eines unendlichen Rechts
verbunden, die Vorschläge der andern Parthey an
zuhören, und es giebt gewisse Vorschläge, die er,
im Fall sie gemacht werden, annehmen, und alle
Feindseligkeiten einstellen mus. Man würde aber
keine Vorschläge thun können, wenn man den Per
sonen, die sie besorgen, keinen sichern Schutz und
Bedeckung verstatten wollte.
Ein Staat ist nach dem Rechte der Natur
nicht verbunden, den Gevollmächtigten oder Abge
sandten anderer einen längern Aufenthalt in seinen
Landen zu verstatten. Solche Personen führen
allezeit, wenn sie in ihren Angelegenheiten aufmerk
sam sind, das Amt der Kundschafter, und man kan
ihnen dahero, ohne feindliche Absichten, den Auf
enthalt im Lande verbieten. Weil aber gleichwohl
der Vortheil, wenn man es gemeinschaftlich gestat
tet, auf beyden Seiten gleich gros ist, und auf die
Abschnitt.
se Weise viele Zwistigkeiten, die sonst in offenbare
Kriege ausgebrochen wären, beygelegt werden kön
nen; so ist es bey gesitteten Nationen eingeführt,
Gesandten auf beyden Seiten zuzulassen, und ih
nen, so lange als sie keine Feindseligkeiten ausüben,
oder wider die Staaten, bey welchen sie sich aufhal
ten, Zusammenverschwörungen anstiften, vollkom
mene Sicherheit zu verschaffen.
Die Gesandten können nach dem Rechte der
Freyheiten
ein Gesand
ter nach dem
Rechte der
Natur hat.
Staaten ihren Unterthanen oder andern Fremden
verstatten, die um des Vergnügens oder der Handlung
willen in ihren Landen sind, verlangen. Wenn
sie jemand um Schulden oder Verbrechen willen
verklagen will: so müssen sie eben so, wie bey ei
nem Privatfremden, in den Gerichtshöfen des
Staats, wo sie sich aufhalten, verklagt werden.
Und wenn sie natürliche Unterthanen des Staats,
wohin sie geschickt sind, bleiben, so werden sie im
mer noch als rechtmässige Unterthanen angesehn, ob
sie gleich zum Dienste vor andere gebraucht werden.
Jhr Amt, welches so wichtig und ansehnlich ist,
würde sie ohne Zweifel zu einer grössern Würde und
zu mehrern äusserlichen Kennzeichen der
sie in ihrem Privatstande hätten verlangen können,
berechtigen; allein sie haben ausser einem ausdrück
lichen oder stillschweigenden Vergleiche kein voll
kommenes Recht mehr.
Sie haben aber nach der allgemeinen Ein
der Gewohn
heit der Völ
ker.
willigung der gesitteten Nationen sehr viele andre
Buch.
deren Bestimmung einen grossen Theil des soge
nannten öffentlichen
*
Völkerrechts ausmacht, wel
ches sich auf stillschweigende Vergleiche, die durch
eine allgemeine Gewohnheit der Nationen bestätigt
sind, gründet. Es kan sich aber, dessen ungeachtet,
eine
der meisten dieser Gesetze losmachen, wenn sie ihrem
Nachbar bey Zeiten kund thut, daß sie weder vor
ihre eigenen Gesandten dergleichen Freyheiten ver
langte, noch auch andern Nationen dieselben zu
gestehen wollte. Einige von diesen Freyheiten
gründen sich wirklich auf die
dere hingegen beruhen blos auf wunderlichen Ge
wohnheiten und eitlen Gesinnungen der Prinzen.
XIII. Eine von diesen Gewohnheiten, die mei
stentheils an allen Orten eingeführt ist, gründet
sich auf vernünftige Sätze, nämlich daß „die Ge
sandten, die für andere von dem Staate unabhängi
ge Nationen handeln, den Gerichtshöfen des
Staats, zu den sie geschickt sind, weder in bürger
lichen noch peinlichen Sachen während ihres Auf
fenthalts daselbst unterworfen sind.“
**
Es ist ih
nen nichts mehr, als blos eine nothwendige Ver
theydigung wider die Gewaltthätigkeit oder Zusam
menverschwörung der ihrigen erlaubet. Alles * Man kan dieses in
,
**
Legatus non mutat forum.
Gleichergestalt sieht man keine Ursache, wa
rum ein Gesandter, der an dem Orte, wo er sich
aufhält, Handlung treibt, oder durch Kaufcon
tracte in Schulden kömt, nicht ebenfalls von dem
nämlichen
gehalten werden, den Unterthanen Genugthuung
zu verschaffen. Wofern er aber in die Gerichts
höfe einen Verdacht der Partheylichkeit setzet, so
mus er sich willkürlicher Contracte enthalten.
Buch.
Eben so wenig Grund haben die Freyheiten de
rer, die in seinem Gefolge sind, in solchen Fällen.
Es wäre billig, daß ein jeder Gesandter ein Ver
zeichnis aller seiner Bedienten, oder derer, die zu
seiner Familie gehören, verfertigte, damit der
Staat, wo er ist, urtheilen könte, in wie fern ein
so zahlreiches Gefolge zu schützen sey.
Auf gleiche Weise sieht man keine natürlichen
Ursachen, warum man sein Haus auch andern, als
nur seinen nöthigen Bedienten, zu einem Heilig
thume machen solle; vielweniger daß es die Unter
thanen des Staats, wo er sich aufhält, vor der
Vollziehung der Gerechtigkeit beschirmen, und
also die Macht des Staats über seine eigene Un
terthanen einschränken dürfe. Man hat aber bis
weilen dergleichen Ansprüche aus diesen irrigen
Begriffe gemacht, daß der Gesandte die Person
des Prinzen, der ihn schicket, vorstelle, oder eben so
angesehn werden müsse; oder einen freyen und un
abhängigen Staat vorstellen, und eine gleiche Un
abhängigkeit, und Freyheit von aller Macht des
Staats, wohin er geschickt ist, vor alle die ihn
begleiten, haben müsse.
XIV. Hieraus entstehen auch die Ansprüche
des Ranges und Vorzugs der Gesandten von ver
schiedenen Nationen. Es sind dieses aber über
haupt entbehrliche Dinge, die von der Gewohnheit
oder einem Vergleiche abhängen. Es würde eben
so natürlich seyn, daß die Gesandten den Rang
Abschnitt.
nach ihren verschiedenen persönlichen Würden und
Ehrenstellen erhielten, wenn man die unterschiedenen
persönlichen Ehrenstellen der Standspersonen bey
verschiedenen
könte. Und dieses ist gewis eben so leicht zu
machen als die Hoheit und den Vorzug verschiedener
Prinzen gegen einander zu bestimmen. Die Na
men thun bey dieser Sache gar nichts. Ein Her
zog in Rußland oder Venedig, und ein Herzog in
Brittannien, ein
ner in
sehn. Die Könige der alten Britten hatten einst
mals ein grösseres Ansehn, als die
stantinopel oder einige abendländische
Rom. Alle Rechte des Vorzugs unter unabhän
gigen Prinzen und Staaten, müssen durch einen Ver
gleich oder Gewohnheit bestimmt werden. Sollten
wir der Natur folgen, so müsten die Gesandten den
höchsten Rang haben, welche die weisesten und am be
sten eingerichteten Staaten, so die gröste Hochachtung
verdienen, vorstellten. Eine höhere Macht und ein
fürchterliches
Nationen dergleichen Ceremonien den Mächtigsten
abtreten müssen. Die erblichen Monarchien und
Oligarchien haben das wenigste Recht zu einem
vorzüglichen Range.
I.
Man kan die Dauer einer
einigung und die Verbindlichkeit eines
gen feste setzen:
1.) Weil diese Vereinigung zum allgemei
nen Besten bestimmt ist, so ist es ein grausames Ver
fahren eines Staats, wenn er eine kleine Anzahl
von Bürgern, die sich anderswo zu verbessern Hof
nung haben, aufhält, da doch der Staat durch ih
ren Abzug keinen merklichen Verlust hat. Eben
so mus es auch eine sehr böse Policeyverfassung
seyn, oder doch übel verwaltet werden, wenn man
eine grosse Menge von Bürgern nöthigt, den Staat
so vielen natürlichen Verbindungen zuwider zu ver
lassen. Jn beyden Fällen haben die Bürger, wenn
sie durch keine Vorstellungen die Beschwerden ab
wenden können, ein Recht, den Staat zu verlassen,
da die natürlichen Bedingungen, unter denen sie
sich in diese Vereinigung begeben haben, aufge
hoben sind. Jm Gegentheil ist es auch sehr gott
los und sträflich, wenn man eine gute Vereinigung,
die weislich verwaltet wird, so bald der Staat in
fremde Hände fällt, verlassen will; und der Staat
hat das Recht, die Unterthanen in diesem Falle, da
sie verbunden sind, es so viel möglich zu beschützen,
davon mit Gewalt abzuhalten.
Leute die gewisser Verbrechen wegen auf ewig
verbannet sind, gehören nicht mehr zu den Unter
thanen, wenn aber die Verbannung in eine entfern
te Provinz, die dem Staate unterwürfig ist, ge
schieht; so wird hierdurch das Recht des Staats
über solche verdorbene Mitglieder nicht aufgehoben.
II. Ein Staat, der seine Mitglieder beschü
Verände
rungen der
Policey,
setzen die
Misver
gnügten in
Freyheit.
tzen kan, ist aufs heiligste verbunden, es zu thun.
Er kan zwar in der äussersten Noth, und wenn er
auf andere Weise nicht sicher genug ist, sich selbst
durch einen Contract verbinden, keinen weiter, als
einen Unterthanen, oder ein gewisses Land, das von
einem sieghaften Feinde bedrohet wird, zu schützen.
Diese Unterhandlung aber kan die Unterthanen,
oder das ganze Land bey einen andern Hülfe zu suchen,
nicht abhalten; ihre Verbindung ist gänzlich auf
gehoben. Vielleicht kan ein Held zur Errettung
eines solchen Landes sich selbst aufopfern.
Wenn die mehresten Stimmen in einem
ein Staat
seine Unter
thanen schü
tzen mus.
Staate darein willigen, die Policey in einigen we
sentlichen Puncten, worauf die Sicherheit und
oder
vergnügten ein Recht, sich mit ihren Sachen in ein
ander Land zu begeben, oder sich gutwillig mit den
übrigen zu vereinigen, und man kan sie unter keinem
Vorwande eines alten Contracts zurückhalten, da
Buch.
man die wesentlichen Puncte ohne ihre Einwilli
gung geändert hat. Ein Mensch handelt zwar un
gerecht, der mit einer weisen und nützlichen Verän
derung der Policey nicht zufrieden ist; man würde
ihn aber dem ungeachtet nicht mit Gewalt zwin
gen können ohne grosse Noth ein Bürger zu bleiben.
Es behalten aber alle wirkliche Tractaten mit
andern Nationen nach der Veränderung der Poli
cey ihre Gültigkeit eben so wohl als öffentliche
Schulden und Ansprüche derselben gegen einander.
III. Wenn ein Staat von einem andern mit
Gewalt erobert ist, so haben die mehresten von den
überwundenen kein Recht diejenigen alten Bür
ger, die sich hinweg begeben wollen, davon abzu
halten. Es kan ein jeder von den Ueberwundenen
seine
Staate verbinden. Der vorige Bund ist nun
mehro in
gung gänzlich aufgehoben. Jedoch ist es auf alle
Weise unrecht, einen
noch Hofnung zu seiner Vertheydigung übrig ist.
Wenn ein Volk, das gänzlich überwunden
ist, sich auf einmal wieder unvermuthet in Freyheit
setzen sollte, so sind alle Bürger, die sich in keine
neuen
verbunden, ihre vorige Vereinigung, im Fall die
Bedingungen derselben billig sind, wieder zu er
neuern. Wofern aber dieses nicht ist, oder sie haben
Abschnitt
sich durch unverbrüchliche Contracte in neue Po
liceyen eingelassen; so sind alle diese neuen
Verbindungen gültig, bey welchen sie nach der
damahligen Wahrscheinlichkeit, da die vorige Verei
nigung aufgehoben wurde, gehandelt haben.
Wenn ein Volk, so bereits vor einigen
vinz, die sich
in Freyheit
setzt, erlangt
nicht alle
Rechte
wieder.
hundcrten
macht ist, hernach Gelegenheit finden sollte, sich
wieder frey zu machen; so würde es *
seyn, wenn es eine Anforderung auf diejenigen
Länder, die mit andern Staaten schon lange vor
hero verbunden gewesen sind, oder vor sich uneinge
schränkt bestehen, unter dem Vorwande machen
wollte, daß dergleichen Länder mit ihren Vorfahren
in Vereinigung gestanden hätten, oder ihnen bey
ihrer ehemaligen Freyheit unterwürfig gewesen wä
ren. Die Eroberungen haben alle diese Verbin
dungen aufgehoben, und es haben nachhero derglei
chen Länder die Freyheit gehabt vor ihre eigene Si
cherheit zu sorgen. Solche Ansprüche sind noch
lächerlicher, vermöge welcher nach einigen Jahr
hunderten, und bey so vielfältigen Veränderungen
ein Volk nicht mehr Recht haben kan, sich nebst ih
ren Vorfahren in diesem Lande noch eben dasselbe
* Siehe die weitläuftige
Untersuchung der wichtigen
Ansprüche
sen
ger zu den Rechten der
römischen Kayser Kraft ei
ger zu Rom, im
Wofern ein
sich wieder in Freyheit zu setzen, überwunden ist, so
werden alle alte Vergleiche des Volks in Ansehung
der politischen Vereinigung bey Dingen, die nun
mehro auf der einen Seite zu halten unmöglich sind,
ganz ungültig und haben keine Verbindlichkeit
mehr. Eben dieses ist der Fall bey Contracten,
wo gewisse Länder unter der Bedingung des Schu
tzes von einem Staate, der sich nunmehro selbst
nicht schützen kan, zu Provinzen gemacht worden
sind.
IV. So lange als die
daurt, so kan man die Pflichten der
entweder von dem allgemeinen Verhältnisse dersel
ben gegen ihr Land und Nebenbürger oder von be
sondern Ständen und Aemtern entstehen, aus der
Betrachtung des wahren Endzwecks der Vereini
gung, den Rechten ihrer Beherrscher und den Ge
setzen ihres Landes erkennen und einsehen. Es ist
Abschnitt.
überflüssig, allgemeine Grundsätze die bekant genug
sind, und nur in der Anwendung einige Schwierigkeit
haben, zu häufen. Ein redlicher Mann wird sich
allezeit das Jnteresse einer unschuldigen Ver
bindung, und das öffentliche Jnteresse, in welches
er durch die göttliche
gen seyn, und zu Herzen gehen lassen, und seine Ge
danken auf die Verfassung seines Glücks als auf eine
Stimme
die er vor andern herzlich liebet, geführet worden,
vornehmlich richten. Er wird allezeit eingedenk
seyn,
*
daß er und seine Mitbrüder der bürgerli
chen Policey, den Gesetzen und dem ganzen Staate un
zehlige Vortheile, als z. E. ihre gesittete
hung
und alles Vergnügen des Lebens meistentheils zu
danken habe. Die Unterthanen sollten sich billig
die Erhaltung und Verbesserung der Landsverfassung
und das allgemeine Jnteresse des ganzen Staats,
von welchen sie die göttliche Vorsehung zu
einem Theile bestimmt sind, ihnen die Wohl
fahrt des Landes durch edle Grundsätze empfohlen
hat, eifrigst angelegen seyn lassen. Kein welt
liches Jnteresse noch das Leben selbst mus uns zu
theuer seyn, es vor die Erhaltung des Staats, auf
welchen die Sicherheit und
tausend beruhet, aufzuopfern.
* Siehe des Crito.
IV. Nach Anleitung dieser allgemeinen
Grundsätze des öffentlichen Völkerrechts, und an
derer Gesetze, die einzelne Personen betreffen, kön
nen wir nunmehro die wunderbahren Wege der
göttlichen
lichen Geschlechts
Grundsätze unsrer
das
ordentlichen Einrichtung in der
uns die innerlichen
preisen, und durch eben den angenehmen Gebrauch
der
uns und andern das edelste innerliche Vergnü
gen, und zugleich die äusserlichen grossen Vor
theile und Ergötzlichkeiten, so weit es die unbestän
dige Beschaffenheit der irrdischen Dinge verstattet,
zu verschaffen suchen.
Damit wir uns aber mit keiner falschen
Hofnung schmeicheln, unsere äusserliche Glückse
ligkeit, die von einzelnen Personen oder Staaten
kan erlangt werden, nicht dauerhafter und bestän
diger, als es die Natur verstattet, ansehen, und
unsere
Grunde der Ruhe, Zufriedenheit und Freude, die
wir in der beständigen Versicherung der
Vorsorge, in dem Vertrauen auf denselben, und in
der Ueberzeugung unseres tugendhaften Wandels
geniessen, nicht abziehen mögen; so müssen wir
vor allen Dingen, auf die vergängliche, veränder
Abschnitt.
liche und eitle Beschaffenheit einer jeden äusser
lichen Sache unsre Aufmerksamkeit richten.
Die Staaten hegen in sich selbst den Saa
ten sind der
Grund ihres
Untergangs.
men des Todes und Verderbens. Er liegt theils in
der Verwegenheit, Thorheit und
ersten Beherrscher; theils in dem
Ehrgeitze und andern Leidenschaften der Regenten
und Unterthanen, die sich mit einander aufreiben;
ferner in der Schwäche und Unbeständigkeit der
menschlichen
Verschwendung und zu dem gegenwärtigen Vergnü
gen ohne Absicht auf das Zukünftige verborgen. Alle
diese Arten des bösen Saamens, nebst der äusser
lichen Gewalt und streitigen Jnteresse der Natio
nen haben allezeit den Tod und den Untergang ei
nes jeden
den es fernerhin auch verursachen, so lange, bis die
innerliche Schwäche des Körpers, und die äusserli
chen Ursachen ein schreckliches Ende damit machen
werden. Gute und redliche Leute bemühen
sich unterdessen auf alle Weise, diese fürchterlichen
Veränderungen, so lange als sie können, von ihren
Freunden oder Vaterlande abzuwenden. Diese
liebreichen Dienste sind ihnen die edelsten Beschäf
tigungen, die sie in ihrem Leben haben können.
Derjenige aber müste wenig an die
Natur
lich alle unsere Bemühungen, die entweder zur
Erhaltung einzelner Personen, oder des ganzen
Buch.
politischen Körpers
sonst sind.
Nineve, Babylon, Ctesiphon, Persepolis,
das egyptische Theben, Carthago, die ehemals die
Hauptstädte ungeheurer Reiche waren, sind jtzt
nichts als dunkle und veralterte Nahmen: Athen,
Sparta, Crete, Syracus, der Sitz der schönen
die Wohnungen der Barbarn. Hier ist keine be
ständige Dauer der Städte zu hoffen. Man
vergleiche den langen Zeitpunct ihrer Währung
mit der undenklichen Dauer, die vorher, ehe man
sie gebaut hat, vergangen ist, oder man bemühe
sich die andere unendlich lange Zeit, in welcher sie
vergangen, und vergessen sind, zu erreichen, so
wird man finden, daß die mächtigsten und dauer
haftesten Reiche vergänglich sind, und nur auf ei
nen Tag bestimmt zu seyn scheinen.
Man betrachte nur die äusserlichen Dinge
mit einiger Aufmerksamkeit. Wir sind
die einen irrdischen und verweslichen
sich tragen; gestern waren wir noch ungebohren,
und in wenig Tagen werden wir Erde und Staub
seyn. Unser
vergänglich, und oft gar schändlich. Unser
Pracht und Reichthum ist ein Betrug, den wir
uns selbst und andern spielen, eine Prahlerey ei
ner
nichts anders als das geringere Vergnügen ge
Abschnitt.
niessen können, und eben den grösten Beschwerlich
keiten des Lebens, als Krankheiten, und Verlust
unserer liebsten Freunde, und allem
Schwachheit sowohl des Leibes als
gesetzt sind, und in jenem ungewissen Zeitpuncte,
da wir alle unsere irrdischen Güter aufgeben
müssen, in die Stille, wo wir vor unserm Daseyn
waren, wiederum zurück kehren, und nicht mehr
sind. Wenn man auch wenige Jahre sich unsrer
erinnert, so geschieht es nur in einem kleinen
Winkel der Welt; und in Ansehung der Uebrigen,
find wir nichts; und in wenig Jahren darauf,
sind wir, und alle, die uns gekannt haben, bestän
dig vergessen. Gesetzt auch, man dächte allezeit an
uns; was hilft es uns, da wir es nicht wissen?
Nimrod, Ninus,
Ruhm sind
eitel.
Schmerzen, wenn man sie jtzt als verhasste Unge
heuer, als Geisseln und Plagen des menschlichen
Geschlechts ansieht? Was vor Vergnügen ge
niessen sie denn, wenn sie von andern grosse Hel
den und Halbgötter genennet werden? Durch
diese gewöhnlichen Betrachtungen, müssen wir
die allzuheftigen
se, die alle
und den ungerechten Streit, dadurch endlich die be
sten Policeyen zerrüttet werden, erregen, gänzlich
zu unterdrücken suchen.
Diese Betrachtungen müssen bey einem
nung eines
zukünftigen
Zustandes.
Wirkung haben. Ein allmächtiger und gütiger
ganzen Baue unsres Wesens, daß er an uns
die Tugend billigt, und auf seiner Seite ver
langt. Er hat um deswillen unser Geschlecht
so erschaffen, daß es im Stande ist, diese öf
tern Betrachtungen, welche uns die Thorheit
und Eitelkeit der irrdischen Glückseligkeit leh
ren, bis ins Unendliche forzusetzen. Er hat
in uns die natürlichen Triebe und das heftige
Bestreben nach einer weit edlern und dauer
haftern
Neigungen und die daher rührenden Handlun
gen, als unsere gröste Hoheit und
die man in dieser Welt doch nicht völlig erlangen
kan, angepriesen. Unser Wachsthum in
dieser so angepriesenen Vollkommenheit, zeigt
uns jenen immerwährenden Zustand nach dem
rung, wodurch unsre Herzen dazu vorbereitet,
und die dauerhafte Freude aller vernünftigen
Geschöpfe, die ein Verlangen darnach haben,
erwecket werden sollten. Seine Vorsorge hat es
so geordnet, daß diese Hofnung und dieses Ver
langen nicht allein weisen, gelehrten und gesitte
ten, sondern überhaupt allen Menschen eigen
ist. Sollten wir daher diesen allmächtigen
und gütigen Händen, die das Verlangen aller
Abschnitt.
lebendigen Geschöpfe erfüllen, nicht trauen?
Nein. Lasset uns ihm vertrauen, und nach sei
nem Beyspiele Gutes thun; und, weil wir se
hen, daß alle Staaten und Städte auf Erden
unbeständig und hinfällig sind, so lasset uns
aufsehen auf den, der einen festen und ewigen Grund im Himmel hat, dessen Schöpfer Gott selbst ist.