de :: en
Permalink: PURL

Suche


Beschreibung von Cod. Guelf. 556 Helmst.
geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil IV: Cod. Guelf. 462 bis 615 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung

Laurentius Puldericus

Papier — I, 344, I — 21,5 × 15 cm — Erfurt — 1459

Wasserzeichen: Dreiberg, darüber zweikonturige Stange, darüber zweikonturiges Kreuz: WZIS DE8580-HAAB_Q_45_1, DE8580-HAAB_Q_45_16 (beide 1457–1462). Ochsenkopf mit Augen, darüber zweikonturige Stange, darüber Blume (zwei Typen, nicht nachweisbar). Lagen: VI+1 (12)! 24 VI (300). IV (308). 2 VI (332). VI+1 (345)! Reklamanten, dazu Lagenzählung in arabischen Ziffern auf dem Kopfsteg der ersten Rectoseite jeder Lage mit Ausnahme der ersten: 229; im ersten Teil (bis Bl. 72) zusätzlich Lagensignaturen in Minuskelbuchstaben und arabischen Ziffern: a1f6. Bleistiftfoliierung modern: 1345, Zählfehler: Bl. 333 übersprungen, vorderes und hinteres Vorsatzbl. Pergament (s. Fragmente), ungez. Schriftraum: 17–18 × 7–10 cm, einspaltig, 38–44 Zeilen. Flüchtige jüngere gotische Kursive (dazu als Auszeichnungsschrift Bastarda) von der Hand des Schreibers Andreas Soteflesch. Zahlreiche Marginalien und maniculae vorwiegend von anlegender Hand. Rubriziert.

Spätgotischer Holzdeckelband, mit dunkelbraun gefärbtem, unverziertem Kalbsleder überzogen. Drei Doppelbünde. Eine Riemenschließe mit Stiftlager in Vogelkopfform und ebensolchem Schließenhaken. Auf dem Überzug des VD das typische Signaturschild der Konventsbibliothek Clus (Papier, 2 x 3 cm) mit der rubrizierten Aufschrift ›A 58‹. Der Einband wurde 1976 vollständig restauriert. Der Buchblock wurde auf neue Bünde geheftet und erhielt zwei neue Buchenholzdeckel mit Halbbezug aus braungefärbtem Ziegenleder, der Schließenriemen wurde aus dem gleichen Material erneuert, Schließenlager und -haken erneut verwendet. Die abgelösten Bünde und der vollständig erhaltene Einbandbezug befinden sich in der Einbandrestesammlung.

Fragmente, vorderes und hinteres Vorsatz, hier als Irv und I*rv gez., 1. Irv (vorderes Vorsatz): Pergament, ein Bl., 21,5 × 15,5 cm, mitgeheftet und um die erste Lage gehängt. Schriftraum (nur verso) identisch, einspaltig, noch 9 Zeilen. Über jeder Textzeile ein Notensystem mit gotischer Choralnotation auf 5 Linien, c- und f-Linie rot. Textualis, 14. Jh. Rubriziert, rot-schwarze Cadellen. Ir ursprünglich leer, vom Schreiber Andreas Soteflesch sind nachgetragen worden: Oratio ad sanctam Barbaram. Sancta Barbara intercede pro miseris ad te confugientibus apud Christum piissimum regem atque dominum ut det nobis veniam peccatorum et emendacionem morum et gaudium sempiternum. Übereinstimmend mit der Antiphon in consercratione sanctae Gertrudis ad vesperas in: AH 45 Nr. 40 Str. 1.5. Darunter quer Ps 50,3. Iv Sequentiarium (Proprium de sanctis, pars hiemalis). Sequentia de sancta Barbara: AH 37 Nr. 139, erhalten Str. 2b–6b, dann zwei abweichende Strophen. — 2. I*rv (hinteres Vorsatz): Pergament, ein Doppelbl., 21,5 × 15,5 cm, ein Bl. misst ca. 15 x 13 cm, quer mitgeheftet und um die letzte Lage gehängt. Schriftraum noch max. 15,5 x 12,5 cm, einspaltig, noch max. 15 Zeilen erkennbar. Textualis und jüngere gotische Kursive, 14. Jh., mit Nachträgen des 15. Jh., teilweise auf Rasur älterer Einträge. Rubriziert. Necrologium. Folgende Einträge sind erkennbar (I*r): … Margareta que fuit uxor Clawes Pyper de Gheyverendorp, Gheze uxoris junioris Thyderici molendinarii. Item Margarete, Gheze uxor Pawel Bedinghes, Hinrik Schake defunctus in Arnsberghe, Junghe Heningh Valkenbergh van Arnsberghe … Dy olte Schultynne van Beverynghe … Item Hennighi Vden … Tyde Molner, Henninck Crasman, Johannes Kule van … Merten Siner et …; (I*v, teilweise lesbar): … Ludekin Poscerne Herman Spidenberch … Claus et Hans Godeke, Clawes Tyde, Johannes Bechelm Alheydis uxor eius et Johannis et Ghertrudis filiorum, Hermen Hakenberch, Langhe Hansen Margarete uxor eius, Heyne Langhen … Eine nähere Identifikation der genannten Personen ist gegenwärtig nicht möglich; die Ortsnamen (Arnsberg, Beverungen) verweisen auf das Wesergebiet und das angrenzende Südwestfalen.

Herkunft: Der Codex wurde vom Besitzer, Andreas Soteflesch aus Gittelde, nach seinem Artesstudium in Erfurt – Immatrikulation zum WS 1448/1449 (Matrikel Erfurt 1, 217), Promotion zum baccalaureus artium 1452 (Schwinges/Wriedt, 84 Nr. 114.5) und Promotion zum magister artium 1455 (Kleineidam 1, 441 Nr. 397) – im Jahr 1459 eigenhändig geschrieben. Soteflesch ist in Erfurt, wie die Kolophone dieser Hs. belegen, noch bis Ende 1459 nachweisbar; er schrieb dort neben dieser Hs. noch Cod. Guelf. 282 Helmst. und 625 Helmst. sowie Teile von Cod. Guelf. 622 Helmst. und 666 Helmst. Mindestens ab 1460 war Soteflesch für eine kurze Zeit Schulleiter in Tangermünde, vgl. dazu Herbst Klus, 77–84, bes. 82f.; Meier Lakmann, 170f. (Hs. genannt). — Nach seinem Eintritt ins Benediktinerkloster Clus 1462 brachte Soteflesch seine private Büchersammlung, darunter auch die vorliegende Hs., in die Konventsbibliothek. Im Kloster selbst schrieb er, ungeachtet seiner Tätigkeiten als Prior (1465) und Prokurator (1466–1484) noch Teile von Cod. Guelf. 322 Helmst. und 1070 Helmst. Vermutlich 1485 lehnte er die Wahl zum Abt im Kloster Bosau ab und starb in Clus am 22.3.1503. Vgl. zusammenfassend neben der gen. Literatur Goetting 2, 281f. — Am 3.2.1624 wurde der Codex von Clus in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt. 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 26r) als Decretum abbreviatum scriptum per Andream Söteflesch Anno 1459 unter den Juridici MSSti in quarto nachgewiesen; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 699 aufgeführt.

Heinemann Nr. 604. — Herbst Klus, 81. — Goetting 2, 187. — Krämer, 287. — Lesser Bücherverbreitung, 352. — Lesser Clus, 204, 219.

1r345r Laurentius Puldericus: Breviarium decreti. (1r) Prologus. ›Incipit decretum abbreviatum‹. Sicut fulgur auri superat fulgorem omnium metallorum sicut legitur in canone XXXIX distinctione [!] 'Duo sunt' [D.96 c.10] sic profunda sciencia sacre maiestatis domini Ruperti Ierusalem et Cecilie [!] regis illustris irradiata fulgoribus in omni genere scripturarum superat scienciam omnium principum … — … hunc presentem librum libellum decreti breviarium appellare sub invocacione divini nominis Ihesu Christi incipio hoc modo. Im laufenden Text Verweis auf den Verfasser: Michi Laurencio Ulderico clerico Neapolitano inter decretorum doctores minimo … (1r71v) Decreti prima pars. ›Distinctio prima‹. 'Humanum genus' [D.1 c.1]. Tractaturus Gracianus de iure canonico legum ecclesiasticarum confusam materiam sive discordanciam intendit erigere in luculentam consonanciam in hoc opere … — … et ita erit intimatus quo ad unum forsan et non ad alium. Finivi hanc partem decreti ego Andreas Soteflesch quam in vigilia Sancti Andree [29.11.1459] incepi et finivi in die Barbare preclarissime martiris et virginis anno Domini 1459 [4.12.1459] in domo ad solem Erffordie prope sanctum Michaelem. Pro quo illa gloriosa martir et domina virgo sancta Barbara ferens sertum rose et lilii cum triumpho martirii pro me oret ad dilectissimum sponsum quem secuta est Ihesum Christum cum quo regnat ipsa in secula seculorum Amen. Der Kolophon ist nicht nachgewiesen; im Schlußteil zitiert der Schreiber u. a. die Antiphon CANTUS 205311 . Der Text reicht bis zum Ende der prima pars (D.101 c.1). (72r) leer. (72v) Versus et nota. Zunächst in Auszeichnungsschrift die Merkverse zu den 34 causae des zweiten Teils des Decretum, hier allerdings nur vier statt fünf Verse: Walther I 3364. Unter den Versen folgende Anmerkung zur auf dem Kopfsteg befindlichen Gliederung des folgenden Textteils: Quelibet dictio secundum numerum literarum successum significat questionis cause sic quod prima dictio designat prime cause, secunda secunde, tercia tercie. (73r345r) ›Incipit secunda pars decreti abbreviati de causis‹. Hic incipit secunda pars huius voluminis decretorum in quo [!] tractatur de negociis et potest hec pars continuari ad precedencia … — … nota quod sepe solet filius similis esse patri et discipulus magistro secundum glosam [!]. Finitur hoc decretum abbreviatum per me Andream Soteflesch anno Domini 1459 in die puerorum [28.12.1459] quod ipse incepit in profesto sancti Andree eius apostoli Erffordie in domo ad solem prope sanctum Michaelem. (Nur dieser Kolophon in Colophons 774). Der Text kommentiert das Decretum bis De cons. D.5 c.40 und ist auf dem Kopfsteg durch die Zählung der Canones bzw. der abgegrenzten Teile (De poen. und De cons.) und die Zählung der jeweiligen causae gegliedert. Das gesamte Werk ist ungedruckt. Literatur: Schulte 2, 392 Nr. 234; Hove, 502; DDC 6, 365. – 345v leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

AH Analecta hymnica medii aevi, hrsg. von G. M. Dreves und C. Blume, Bd. 1–55, Leipzig 1886–1922, Registerbd. 1–3, hrsg. von M. Lütolf, Bern u. a. 1978
CANTUS CANTUS: A Database for Latin Ecclesiastical Chant. Indices of chants in selected manuscripts and early printed sources of the liturgical Office (http://cantus.uwaterloo.ca//)
Colophons Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 1–6, ed. par les Bénédictins du Bouveret, Fribourg/Schweiz 1965–1982 (Spicilegii Friburgensis Subsidia 2–7)
DDC Dictionnaire de droit canonique, Bd. 1–7, hrsg. von R. Naz, Paris 1935–1965
Goetting 2 H. Goetting, Das Bistum Hildesheim, Bd. 2: Das Benediktiner(innen)kloster Brunshausen. Das Benediktinerinnenkloster St. Marien vor Gandersheim. Das Benediktinerkloster Clus. Das Franziskanerkloster Gandersheim, Berlin, New York 1974 (Germania Sacra N.F. 8)
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Herbst Klus H. Herbst, Das Benediktinerkloster Klus bei Gandersheim und die Bursfelder Reform, Leipzig, Berlin 1932 (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 50)
Hove A. van Hove, Commentarium Lovaniense in Codicem Iuris Canonici, Vol. 1,1: Prolegomena ad Codicem Iuris Canonici, editio altera, Mecheln 1945
Kleineidam E. Kleineidam, Universitas studii Erffordensis, Bd. 1–3, Leipzig 21992–1997 (Erfurter theologische Studien 14, 22, 42)
Krämer S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1)
Lesser Bücherverbreitung B. Lesser, Kaufen, Kopieren, Schenken. Wege der Bücherverbreitung in den monastischen Reformbewegungen des Spätmittelalters, in: Schriftkultur und religiöse Zentren im norddeutschen Raum, hrsg. von P. Carmassi, E. Schlotheuber und A. Breitenbach, Wiesbaden 2014 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 24), 327–354
Lesser Clus B. Lesser, Die Benediktiner von Clus und ihre Bücher. Exemplarische Analyse und Rekonstruktion der Konventsbibliothek, in: Zentrum oder Peripherie? Kulturtransfer in Hildesheim und im Raum Niedersachsen (12.–15. Jahrhundert), hrsg. von M. E. Müller und J. Reiche, Wiesbaden 2017 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 32), 165–228
Matrikel Erfurt 1 Acten der Erfurter Universität, Bd. 1: 1. Päpstliche Stiftungsbullen, 2. Statuten von 1447, 3. Allgemeine Studentenmatrikel, 1. Hälfte (1392–1492), bearbeitet von J. C. H. Weissenborn, Halle 1881 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete 8/1)
Meier Lakmann L. Meier, Nikolaus Lakmann O.F.M. und die Erfurter Predigttätigkeit um die Mitte des 15. Jahrhunderts, in: Franziskanische Studien 25 (1938), 162–177
Schulte J. F. von Schulte, Die Geschichte der Quellen und Literatur des Canonischen Rechts…, Bd. 1: … von Gratian bis auf Papst Gregor IX. Stuttgart 1875; Bd. 2: … von Papst Gregor IX. bis zum Concil von Trient, Stuttgart 1877
Schwinges/Wriedt Das Bakkalarenregister der Artistenfakultät der Universität Erfurt 1392–1521, hrsg. von R. C. Schwinges und K. Wriedt, Jena u.a. 1995 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Große Reihe 3)
Walther I H. Walther, Initia carminum ac versuum medii aevi posterioris Latinorum, Göttingen 1959 (Carmina medii aevi posterioris Latina 1)
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Korrekturen, Ergänzungen:
  • Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil III.
  • Weitere Literaturnachweise im OPAC suchen.
  • Weitere Literaturnachweise suchen (ehem. Handschriftendokumentation)
Dieses Dokument steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz (CC BY-SA). Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Copyright Information