Beschreibung von Cod. Guelf. 16.1 Aug. 2° (Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung) Katalogisiert durch Stefanie Westphal Elektronische Ausgabe nach TEI P5 TEI-P5 konforme Kodierung durch Stefanie Westphal Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

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Neukatalogisiert durch Stefanie Westphal.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.) .

Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek Augusteer Handschriften in folio Cod. Guelf. 16.1 Aug. 2° Evangeliar Corvey, Benediktinerkloster 10. Jh., Ende 1r Auf Speyer bezügliche Notizen (Papierblatt, 16. Jh.). 2r–4r leer. Evangeliar 4v–5v Prologus <note>(<bibl> <abbr>Stegmüller RB</abbr> 596</bibl>).</note> 5v–7r Prologus <note>(<bibl> <abbr>Stegmüller RB</abbr> 595</bibl>).</note> 7r–v Praefatio in Evangelio <note>(<bibl> <abbr>Stegmüller RB</abbr> 595</bibl>; <bibl> <abbr>PL</abbr> 29, 525–530</bibl>).</note> 8r Federzeichnung (Verkündigung) 8v Federzeichnung (Heimsuchung) 9r Federzeichnung (Verkündigung an die Hirten) 9r-9bv leer. 10r–15v Kanontafeln 16r Federzeichnung (Darbringung im Tempel). 16v Prologus <note>(<bibl>Stegmüller RB</bibl>, 590).</note> 16v–17v Capitula 18r Federzeichnung (Taufe Christi). 18v Federzeichnung (Anbetung der Könige). 19r-21ar leer. 21av Initialzierseite Mt 22r leer. 22v Evangelistenportrait Mt 22v–55v Mt 56r–57r leer. 57v Prologus <note>(<bibl> <abbr>Stegmüller RB</abbr> </bibl> 607).</note> 58r Capitula 58v Evangelistenportrait Mc 59r-59ar leer. 59b Initialzierseite Mc 59v–82r Mc 82v-86ar leer. 86v Initialzierseite Lc 87r–126v Lc 127r-128ar leer. 128v Initialzierseite Io 129r–158v Io 159r–160v leer.

Pergament

166 Bl. 32,5 22 Foliierung in dunkelbrauner Tinte (Buchstabe mit anschließendem Punkt). Gleiche Hand in den Wolfenbütteler Handschriften Cod. Guelf. 75a Helmst. und Cod. Guelf. 84.5 Aug. 2°. Die verklebten Blätter 9, 21, 59, 86, 128 und 160 und das erste und das letzte Blatt der Lage nicht gezählt (im Lagenschema die ehemals verklebten Blätter mitgezählt als 9a, 21a, 59a, 86a und 128a). I (2). IV-2 (9a). IV (17). IV-2 (22). IV (30). III (36). 2 IV (52). III-1 (57). II-1 (59a). 2 IV (75). IV-1 (82). III-1 (86a). III (92). 3 IV (116). V-2 (126). II-1 (123a). 3 IV (152). IV-1 (159). I (160a). Lagenschema nach Bauer, Bd. 2, 116–117.

24,0 14,0 , zweispaltig, 28 Zeilen.

Karolingische Minuskel von zahlreichen Händen.

Für Incipits und Explicits rubrizierte Capitalis Rustica und eine der Rustica angenäherte Majuskel mit Aufnahme von Unzialiselementen. In derselben Schrift auch die Seitentitel. Die Textanfänge mit 2–4zeiligen roten und blauen Majuskeln (teils farbig hinterlegt, vgl. 25r). Im Text rote Satzmajuskeln. Kanontafeln. 4 Initialzierseiten. 6 Federzeichnungen. 2 Miniaturen. Miniaturen:

22v Matthäus. Gerahmte Seite mit frontal sitzendem, bärtigem Evangelist. Den linken Ellenbogen auf das Schreibpult links neben ihm und den Kopf auf die Hand, die Rechte mit kleinem Buch in der Hand auf den rechten Oberschenkel gestützt. Der farbige Hintergrund mit Punkte- und Sternbesatz. Breiter Rahmen mit durchgängiger Palmettenfriesfüllung. Unter dem Evangelisten die Inschrift Secundus Matheus Evangelista. Übermalt (15. Jh.?). 26,0 17,5 . Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Evangelisten Mt

58v Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Evangelisten Mc Markus. Gerahmte Seite mit nach links gedreht sitzendem, bärtigem Evangelisten in nach vorne gebeugter, schreibender Position. Vor ihm eine aufgeschlagenes Buch. Das tragende Pult mit vegetabiler Stütze ist übermalt, aber noch sichtbar. Hintergrund und Rahmen wie auf 22v. Unter dem Evangelisten die Inschrift Secundus Marcus Evangelista. Übermalt (15. Jh.?). 25,5 17,5 .

Die Evangelisten mit länglichen Gesichtern ähnlich der 1. Hand der Zeichnungen (vgl. Engel Gabriel 8r mit Matthäus auf 22v - hier ähnliche Frisur).

Federzeichnungen:

8r Verkündigung an Maria. Vor einer nach vorne geöffneten Stadtkulisse mit zwei Giebelhäusern und einem dazwischen befindlichen Rundbau rechts Maria, die mit empfangendem Gestus der linken Hand dem von rechts heranschreitenden Engel Gabriel entgegenblickt. In der erhobenen linken Hand ein Schriftstück. Gabriel im Segensgestus und mit Kreuzstab in der Linken. Lc 2,28–2,38. 20,2 19,5 . Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Maria Verkündigung Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Erzengel Gabriel Verkündigung an Maria Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Federzeichnung

8v Heimsuchung. Vor einem dreischiffigen Gebäude (Kirche?) ein sich nach vorne öffnender Platz. Am vorderen Rand rechts eine etwas jüngere Frau (Elisabeth) und von links kommend eine weitere (Maria). Beide im Redegestus. Lc 1,39–1,40. 20,0 17,2 . Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Maria Heimsuchung Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Elisabeth Heimsuchung Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Federzeichnung

9r Verkündigung an die Hirten. Der Bildbereich in drei horizontalen Segmenten. Oben gereiht 5 gleiche Engel (Brustbilder - Engelschöre). Im mittleren Segment von links kommend der Engel Gabriel mit Kreuzstab. Von rechts kommend drei Hirten, zwei davon mit Hirtenstab. Im unteren Segment 5 Schafe und ein Lamm. Lc 2,8–2,12. 24,5 17,0 . Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Christus Kindheit Verkündigung an die Hirten Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Engel Engelchöre Verkündigung an die Hirten Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Erzengel Gabriel Verkündigung an die Hirten Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Federzeichnung

16r Darbringung im Tempel. In einer Architektur unter einem Rundbogen übergibt Maria (links) den sitzenden Jesus. Simeon vorne rechts im Vordergrund heranschreitend, nimmt ihn mit verhüllten Händen entgegen. Lc 2,22–2,38. 17,0 16,5 . Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Christus Kindheit Darbringung im Tempel Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Maria Darbringung im Tempel Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Simeon Darbringung im Tempel Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Federzeichnung

18r Taufe Christi. Bildbereich in zwei Segmente durch eine Linie horizontal geteilt. Im oberen Segment gereiht drei Engel (Büsten der Erzengel als Stimme Gottes). Der linke mit dunklen Haaren und einem Lilienzepter in der Linken (Gabriel). Der mittlere mit Locken und verziertem Gürtel (Raphael), der rechte mit glattem Haar und etwas größer als die anderen beiden (Michael). Der mittlere dem linken im Gestus zugewandt. Der rechte nach außen weisend. Zwischen dem mittleren und dem linken Engel nach unten stoßend die Taube des Heiligen Geistes. Direkt darunter im unteren Segment Christus im Wasser des Jordan. Von rechts kommend im Taufgestus Johannes der Täufer. In der Linken ein geschlossenes Buch. Mt 3,13–3,17. 26,5 17,5 . Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Christus Öffentliches Wirken Taufe Christi Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Erzengel Stimme Gottes Taufe Christi Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Johannes der Täufer Taufe Christi Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Federzeichnung

18v Anbetung der Könige. Rechter Hand unter einer Arkade frontal thronend und nach links gewandt Maria mit Christus auf dem Schoß. Von links kommend die Heiligen drei Könige mit ihren Gaben. Mt 2,1–2,12. 23,5 16,5 . Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Christus Kindheit Anbetung der Könige Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Federzeichnung

Die Zeichnungen stammen von zwei Händen (1. Hand: 8r–9r, 2. Hand : 16r, 18r, 18v). Hand 1: Figuren mit kleinen, länglichen Gesichtern und dominanter unterer Gesichtshälfte. Die Gewänder mit großen flächigen Parzellierungen und tiefen Faltentälern. Hand 2: Kleine Gesichter mit gleichmäßigeren Gesichtszügen als bei Hand 1. Die Augenpartie zum Teil hervorgehoben durch dominante Augenbrauen. Die Gewänder mit Schlüssellochfalten und scharfkantigen Umbrüchen (vgl. Gewand des Simeon auf 16r).

Initialzierseiten:

21v Matthäus-Initium (gerahmte Initialzierseite). Rahmen mit Verflechtungen als Eck- und Gliederungselementen. Als Füllmotiv vor farbigem Grund eine Fadenranke. Die L-Initiale des Bildfeldes ebenfalls mit End- und Gliederungsgeflecht. Hier als Füllmotiv Punkte und Sterne. Übermalt (15 Jh.?). 25,0 18,5 . Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Gestalteter Text Initialzierseite Mt

59v Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Gestalteter Text Initialzierseite Mc Markus-Initium (gerahmte Initialzierseite). Rahmen mit Verflechtungen als Eck- und Gliederungselementen. Letztere farbig hinterlegt. Als Rahmenfüllmotive vor unkoloriertem Grund und den Rahmen außen begleitend rote und blaue, fleuronnéeartige Federverzierungen. Die Initiale im Aufbau wie auf 21v, als Füllmotiv eine Fadenranke vor farbigem Grund. Die oberen Initialstammabschlüsse als kurze Palmetten. 25,0 18,0 .

86v Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Gestalteter Text Initialzierseite Lc Lukas-Initium (gerahmte Initialzierseite). Rahmen mit medaillonartigen Ecklösungen. Diese zum Teil unfertig ausgeführt mit einer Zirkelschlagblüte und Punkt/Sternverzierung auf farbigem Grund. Als seitliche Gliederungselemente Verflechtungen vor farbigem Grund. Als Füllmotiv wiederholt Federverzierung (vgl. 59v). Die seitenfüllende Q-Initiale des Bildfeldes als ungegliederte blaue Initiale mit Rankenverzierung. Im Binnenfeld im unteren Bildfeld eine verkürzte I-initiale mit Tierköpfen am oberen Geflecht. Aus deren Mäulern entspringt eine symmetrisch angelegte, das Binnenfeld füllende Ranke. 23,5 17,5 .

128v Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Gestalteter Text Initialzierseite Io Johannes-Initium. Zu Johannes ein Rahmen mit Verflechtungen als Gliederungselementen und Vierblattblüten als Eckelementen. Als Füllmotiv des Rahmens eine Federranke. Die Eckblüten verziert mit Blatt- und Blütenmotiven. Die I-Initiale gleich gegliedert und verziert wie auf 21v. 22,5 16,5 .

Abbildungen der Initialzierseiten mit Umzeichnungen, vgl. Arenhövel Ornamentik , Abb. 1–13. Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Buchschmuck 10. Jh.

Kanontafeln: 10r–15v Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Kanontafeln Abfolge von Kanonbögen ( 27,5–30,0 18,5–19,5 ). Drei- und vierspaltige Kanonbögen (Anlage 10. Jh., Kolorierung und Details 15. Jh.). Über den mit geradem Architrav begrenzten Kolumnen jedes Kanonbogens die Brustbilder der den Spaltenangaben entsprechenden Evangelisten, zum Teil mit Schriftbändern und Bezeichnungen. Auf 15v nur der Johannesadler. Die Tympana purpur grundiert mit geometrischen Mustern (Ausnahmen: 12r Rankenverlauf mit Blütenbesatz 15v Zirkelschlagblütenmuster; vgl. Umzeichnungen bei Arenhövel Ornamentik , Abb. 22/23 und 36/37). Die Kapitelle als Blattkapitelle, die Basen vegetabil (unkoloriert - 10r, 10v, 11r), nicht ausgeführt (11v, 12v , 13v, 14r, 15r), einfach und unverziert (12r, 13r, 14v) oder mit blauer Feder nachträglich vegetabil gezeichnet (10r, 10v, 11r). Die Säulenschäfte in zwei unterschiedlich kolorierte Bahnen geteilt, einige mit aufgesetztem Punktmuster. Die Arkadenbögen mit Blattfriesen (10v, 11r, 11v), vereinfachten Perlstäben (10r, 13v, 14r, 14v, 15r), Palmettenranken (12r) und Spiralranken (12v und 13r - beide übermalt). In den Zwickeln Stauden mit Eichenblattbesatz vor koloriertem Grund. Die Evangelistensymbole von Hand 2 der Zeichnungen (16r, 18r, 18v). Gleiche Augen und Nasenpartie, vgl. Matthäus auf 12v mit der Maria in der Darbringung im Tempel (16r ) und die Augenpartie des Stieres mit der des Simeon (gleiche Folia). Abbildungen mit Umzeichnungen der Bogenfelder und Details, vgl. Arenhövel Ornamentik , 41, 42, Abb. 14–39.

Farben: Die Initialzierseiten, die Evangelistenbilder und die Tympana der Kanonbögen mit Purpurgründen. Initialen und Rahmen mit leuchtendem Blau grundiert, das Binnenfeld des Q auf 86v mit Grün. Die Rahmen der Evangelistendarstellungen schwarz grundiert mit blauem Ornament. Weitere Farben: Gelb, Grün, Blau, Orange und Beige in feinen Abstufungen. Details mit Deckweißauftrag. Das Blatt- und Rankenwerk in den Zwickeln der Kanontafeln pergamentfarben ausgespart, das Ornament auf dem schwarzen Hintergrund der Rahmungen des Evangelisten Matthäus mit deutlichen Weißhöhungen. Faltentäler der Gewänder linear oder mit abgedunkelter Lokalfarbe. Die Kanontafeln und die Evangelistenfiguren mit laviertem Farbauftrag. Die Initialzierseiten und die Rahmen und Hintergründe der Evangelisten mit kräftigen Deckfarben (16. Jh.). Vgl. auch Arenhövel Ornamentik , 41–42.

Restaurierung und Rekonstruktion: Im Jahr 1966 wurde die Handschrift aufwendig restauriert. Die blaue Übermalung wurde hierbei an fünf Stellen entfernt (21vbeim Flechtwerk des Rahmens rechts unten; 86v Hierbei Arenhövel Ornamentik legte 1980 die Ergebnisse ihrer mit Hilfe von UV-Licht vorgenommen technischen Untersuchungen des Evangeliars vor. Sie konnte nachweisen, dass die Bilderfolge der Federzeichnungen dem ursprünglichen Zustand entsprechen. Bei den Miniaturen (Evangelistenporträts) stellte sie fest, dass die Figuren in ihrer Anlage ebenfalls dem ursprünglichen Zustand entsprechen. Zur Übermalung gehören: Inschriften, Die Sterne und Punkte auf den Gründen, die starke Weißhöhung der rahmenfüllenden Blattfriese (Matthäus), die Übermalung des Pultes bei Markus. Auf den Initialzierseiten wurden ergänzt: die Punkt-, Stern- und Rankenverzierungen der Initialen oder der Rahmen (im Detail vgl. Arenhövel Ornamentik , 36), die roten und blauen Federverzierungen der Rahmen und Ecken auf 59v und 128v und die Nimbenverzierungen der Evangelisten. Die Musterungen der Purpurgründe wurden verwischt (Muster schimmern durch). Basierend auf den noch erkennbaren Arbeitsspuren, unter Mithilfe von UV-Licht und unter Verwendung farbiger Aufnahmen von durchleuchteten Blättern gelang es Arenhövel Ornamentik von den Initialzierseiten Rekonstruktionszeichnungen anzulegen. Demzufolge besaßen die Rahmen ursprünglich keine Füllmuster, mit Ausnahme von 21v, wo im linken oberen Feld ein Randpaneel im Aussparungstypus erkennbar war. Dieselbe Art von Paneelfüllung zeigte die Initiale auf derselben Seite. Die Purpurgründe besaßen jeweils vier Ornamentbänder (mit Ausnahme von 128v) mit motivisch alternierenden Blattfriesen. Die Bogenfelder der Kanontafeln zeigen Purpurgründe mit Mustern, von denen nicht mehr alle vollständig zu erkennen sind (vgl. Umzeichnungen Arenhövel Ornamentik , Abb. 14–37)

Neubindung 1966, wobei die alten Holzdeckel Verwendung fanden und mit Leder überzogen wurden.

Das unvollendet ausgeführte Wolfenbütteler Evangeliar 16.1 Aug. 2° zeigt mit seinen qualitativ hochwertigen Zeichnungen (16r, 18r, 18v) einen Höhepunkt der ottonischen, niedersächsischen Buchmalerei. Paläographisch wurde die Handschrift von J. Autenrieth und B. Bischoff nach Corvey gegeben ( Kunst und Kultur im Weserraum, Bd. 2, 485 Abb. 165, 166, Nr. 172 [K. H. Usener]). Kunsthistorisch wurde häufig Niedersachsen (Corvey?) als Entstehungsort gewählt ( Kunst des frühen Mittelalters, Nr. 97 [A. Boeckler]), 10. Jh., 3. Viertel; Das erste Jahrtausend, Bd. 1, 405–407; Bd. 2, 1014–1042 [V. H. Elbern], 10. Jh., 3. Viertel; Milde, Nr. 23). K. H. Usener plädierte für eine spätere Datierung der Handschrift mit der Begründung, dass die Corveyer Buchmalerei von der aus Fulda beeinflusst wurde und nicht, wie von Boeckler vorgeschlagen, die Fuldaer von der Corveyer (für ein Fuldaer Beispiel vgl. Berlin, SBBPK, Ms. theol. lat. fol. 1 (Codex Wittekindeus), Fulda, um 970–980; A. Boeckler, Der Codex Wittekindeus, Leipzig 1938). Spätere Forschung schloss sich diesem Urteil an ( Hoffmann Buchkunst , 104, 115, 129, 130). Usener konnte nachweisen, dass der Typus des Matthäus mit aufgestütztem Kopf (22v) bereits in der für Corvey vorgeschlagenen New Yorker Astor Handschrift (Lektionar, New York, NYPL, MA 001 (olim Astor Ms. 1) , Corvey, nach Mitte 10 Jh.) und in Handschriften der karolingischen Hofschule Karls des Kahlen (vgl. München, BSB, Clm 14000 (Codex Aureus von St. Emmeram), Hofschule Karls des Kahlen, 879) vorkommt. Stilistische Vorbilder sieht er in den Zeichnungen des Evangeliarfragments Leipzig, UB, Rep. I 57a (Corvey, letztes Viertel 10. Jh.; Otto der Große, B. 2, 192–198) und dem etwas später, wohl nicht in Corvey direkt entstandenen Evangeliar Kassel, UBLMB, 2° Ms. theol. 60 (Evangeliar aus Abdinghof); Lit. Kunst und Kultur im Weserraum, Bd. 2, Nr. 173 [K. H. Usener]; Vor dem Jahr 1000, Nr. 12 [G. Bauer]). Arenhövel Ornamentik gelang mit ihren Untersuchungen und Umzeichnungen eine aussagekräftige Rekonstruktion der Handschrift und ihrer ursprünglich unvollständigen, später ergänzten Ausstattung. Basierend auf ihren Untersuchungen mit Hilfe von UV-Licht konnte Arenhövel für den ornamentalen Schmuck ebenfalls engere Beziehungen zur New Yorker Astor-Handschrift (Initialfüllungen), dem Evangeliar New York, PML, MS M.755, Corvey, Mitte 10. Jh. (vgl. Otto der Große, Nr. IV. 9 mit Abbildung [R. Kahsnitz]) und Cod. Guelf. 426 Helmst. nachweisen ( Arenhövel Ornamentik ). Wie bereits auch für das Cluser Evangeliar Cod. Guelf. 84.3 Aug. 2° ergeben sich zusätzlich Vergleiche zur touronischen Handschriften (hier insbesondere in den vegetabile Kapitellen der Kanonbögen, vgl. Arenhövel Ornamentik , 59 Motive 49, 54 und 58). Zahlreiche Motive und Muster, sowie die Rahmengestaltung der Wolfenbütteler Handschrift finden sich auch in Handschriften von Bernward von Hildesheim, wie in einem Evangeliar und einem Sakramentar aus dem Hildesheimer Domschatz - Hildesheim, Domschatz, Nr. 33 (Guntbald-Evangeliar) und Hildesheim, Domschatz, Nr. 19 (Guntbald-Sakramentar) (vgl. Bauer 2, Nr. XIV, 211–223 und Nr. XXV, 224–235; Arenhövel Ornamentik , 42 , 55, Anm. 18 und 19; Hildesheim Domschatz , 75ff. und 51ff.). Schulen und Gruppen, Buchmalerei Hofschule Karls des Kahlen (erw.)

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts befand sich der Codex in Worms, wo er 1596 vom Kanzler Eberhard von Weyhe angekauft wurde (vgl. Eintrag auf 158v). Auf dem angeklebten Papierblatt 1r befinden sich zahlreiche auf Speyer bezogene Nennungen. Die Handschrift wurde in den Jahren 1630/31 vom Herzog August dem Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg für seine Bibliothek inWittekindeus Wolfenbüttel erworben (Eintrag im Bücherradkatalog auf pag. 1927; Milde Erwerbungsjahre , 96).

Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung) Wolfenbüttel Aug., Nr. 2187 (Heinemann Nr.). Goldschmidt Deutsche Buchmalerei , Bd. 1, 24, 63–64 Taf. 85–86. Boeckler Codex Wittekindeus , 22, Taf. XXIIb. Kunst des frühen Mittelalters, Nr. 97 (A. Boeckler). Ars sacra, Nr. 78, Abb. 14. Werdendes Abendland, Nr. 539, 221 Abb. 60. H. Fillitz, Das Evangelistenrelief vom Ambo Kaiser Heinrichs II, in: Karolingische und ottonische Kunst, bearb. von F. Gerke, Wiesbaden 1957, 364, Anm. (zu den Architekturen der Federzeichnungen). D. Diringer, The illuminated Book. Its History and Production, London 1958, 224. Das erste Jahrtausend, Bd. 1, 405–407; Bd. 2, 1014–1042 (V. H. Elbern). Hildesia sacra, Nr. 52. Kunst und Kultur im Weserraum, Bd. 2, 485 Abb. 165, 166, Kat.Nr. 172 (K. H. Usener). U. Storm, Die Bronzetüren Bernwards zu Hildesheim, Berlin 1966, 79, 88–96. Buddensieg, 104, Abb. 22 V. H. Elbern, Eine Inkunabel der ottonischen Goldschmiedkunst. Zur Entstehung der Lipsanotheca Mariana im Domschatz zu Hildesheim, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, Bd. 8 (1969), 61–76. Bloch/Schnitzler, Bd. 2, 94, 100–102 Abb. 333, 354. Milde, Nr. 23 mit Abb. Bauer, Bd. 2, 114–123 Arenhövel Hezilo-Radleuchter , 74, 226 Anm. 246f., 228 Anm. 264, 235 Anm. 363. Arenhövel Ornamentik . Hoffmann Buchkunst , 104, 115, 129, 130. Krämer, Bd. 1,1.2, 156. Vor dem Jahr 1000, Nr. 11 [G. Bauer]. Kunst im Zeitalter der Kaiserin Theophanu, 170. Worm Pariser Perikopenbuch , 55 Anm. 257, 57, 60–61, Abb. 30, 32, Labusiak Ruodbrechtgruppe , 309, Abb. 419. Winterer Fuldaer Sakramentar , 323 Anm. 1639, 338. Kubínová, 171. Kuder Studien , 183–184 (Nr. 7), 184, 187, 202, 207, 423, 424, 486, 487, 519, 912, 975. Boreczky Apollonius pictus , 436. S. Fisher, Embodied Time, Narrative, and Performance in the Prüm Troper, in: After the Carolingians. Re-defining Manuscript Illumination in the 10th and 11th Centuries, hrsg. von B. Kitzinger und J. O'Driscoll, Berlin /Boston 2019 (Sense, Matter and Medium, Vol. 2), 375–399, hier 385 Anm. 37.