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Beschreibung von Cod. Guelf. 17.5 Aug. 4°
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)

Walahfrid Strabo, Vitae sanctorum Galli et Otmari

St. Gallen, Benediktinerkloster — um 920

Provenienz: Die Handschrift wurde von Herzog August dem Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg 1652/53 für 12 Taler erworben (vgl. Eintrag vorderer Innendeckel - hier auch Inhaltsverzeichnis und ein Verzeichnis der richtigen Lagenanordnung; Eintrag im Bücherradkatalog, pag. 4171 vgl. Milde Erwerbungsjahre, 121).

Pergament — 140 Bl. — 21,5 × 16,2 cm

Lagen: 6 IV (48). II (52). 4 IV (84). IV-1 (91). 3 IV (115). II (119). VI (131). II (135). II+1 (140). Lagen bei Neubindung in falscher Reihenfolge gebunden. Richtige Reihenfolge: Blätter 1–8, 25–40, 9–24, 41–68, 77–84, 69–76, 92–99, 85–91, 108–115, 100–107, 116–140 (vgl. von Euw St. Gallen, 463). Neuere Tintenfoliierung. Pergament guter Zustand, Farb- und Metallauftrag, zum Teil verblichen. Blattränder beschnitten (Initialverlust). Schriftraum: 15,5 × 12,5 cm, einspaltig, 19 Zeilen. Karolingische Minuskel von drei Händen. Hand A: 2r–47r, 55r Z. 3–6; Hand B: 47v–54r, 55v–91r, 92r–99v, 132r Z. 6–19; Hand C: 100r–132r Z. 5, 132v–140v (vgl. Hoffmann Buchkunst, 397). Hand C identisch mit London, BL, Add MS 21170, Hand B (54r–98v; vgl. Hoffmann Buchkunst, 383). Auszeichnungsschriften der Initialzierseiten an die Initiale anschließend in Capitalis, Unzialis und Capitalis Rustica. Zu den Kapiteln rubrizierte Majuskeln alternierend mit silbernen und goldenen Gründen (zum Teil schwarz/grau oxidiert), daneben auf den Blatträndern rubrizierte Paragraphenzeichen und Kapitelzählungen. Erste Textzeile in Unzialis. Incipits und Explicits in rubrizierter Capitalis Rustica.

Weinroter Maroquin über dünnem Holz. Beidseitig Rahmung mit Streicheisenleisten. Zwei kleine Messingbeschläge für verlorene Schließen. (18.-19. Jh.)

INHALT

1v–86r Walahfrid Strabo: Vita et miraculi sancti Galli , liber I: 1v–8v, 8r Initialzierseite, 9r–24v, 25r–40v, 41r–52v; liber II: 53r–68v, 77r–84v, 69r–76v, 92r–99v (Walafridi Strabi abbatis Augiensis de vita B. Galli confessoris liber, in: Alamannicarum rerum scriptores, Bd. 1, Frankfurt 1606, 233–276; MGH SS rer. Merov. 4, 280–337; BHL 3247; 2VL 10, 591). 86v–91r Officium sancti Galli. 108v–116v Walahfrid Strabo: Vita sancti Otmari 100–107v, 108v–115v, 116–116v (MGH SS rer. Merov. 2, 41–47; BHL 6386; 2VL 10, 591f.). 116v–139r Iso Sangallensis: De miracula sancti Otmari (MGH SS 2, 47–54; BHL 6387; 2VL 4, 425–427; Te.Tra. 6, 440–442). 139–140 Officium sancti Otmari.

AUSSTATTUNG

9 Initialen. 5 Textzierseiten. Eine Initialzierseite.

Textzierseiten und Initialzierseite: Auf 1v , 7v, 54v, 108v und 118v Textzierseiten mit einleitenden Initialen und anschließendem Text in Capitalis. Buchstaben im Initialstil verziert oder unverziert in Minium mit goldenen und silbernen Gründen (13–22,6 × 12,5–15,1 cm). 8r eine gerahmte Initialzierseite zum 1. Buch der Vita et miraculi sancti Galli. Der Rahmen mit Blüten als Gliederungsmotiven und der Fiederung als Füllmotiv. Im Initialbinnenfeld dichtes Flechtband, das durch Ableger der Endgeflechte ergänzt wird (15 × 12,5 cm).

Initialen: Zu den Textanfängen (2r, 55r - Ligatur, 109r, 110v, 116v, 117r, 133v, 134r) und den Text- und Initialzierseiten reich verzierte Initialen mit breit angelegtem goldenen Randband. Dieses an den Enden gelegentlich durch schmale Spangen geklammert (vgl. 109r). Initialstämme häufig gegliedert mit vegetabilen End- und Gliederungsgeflechten oder -knoten (1v, 134v Blüten als Gliederungsmotive). In den Binnenfeldern vom Initialstamm ausgehendes Flechtwerk und Palmettenstauden (55r). Auf 54v die Initiale von unten in einer Hand als Strauß gehalten. Als Füllmotive in den Initialstämmen, teils von den Verflechtungen ausgehende gereihte Blatt- (Palmettenblatt: 7v) und Blütenmotiven (Vierpassblüte 55r; Lilien 55r, 116v) oder Äste mit entstprechendem Besatz (54v, 108v, 109r, 111r). Als weitere Füllmotive das Stufenband (5r, 55r, 116v, 117r), die Schlange (111r) und die Fiederung (1v, 110v). Im Besatz Sporangien, Palmetten- und Profilpalmettenblätter, an Fäden hängende Trifolien (vgl. 2r), Lilien (vgl. 54v) und fünfblättrige Blüten (vgl. 54v). Als Initialstammendung Vogel- (118v) und Tierköpfe (1v, 7v). 4,7–17,8 cm.

Farben: Silber (grau/schwarz oxidiert), Gold und Minium.

STIL UND EINORDNUNG

Die St. Galler Handschrift 17.5 Aug 4° enthält mit den von Wahlafrid Strabo zwischen 833 und 834 und 834 und 838 verfassten Viten (Gallus und Otmar), sowie der Miracula des St. Galler Mönches und Lehrers Iso von St. Gallen (um 830–871) einen direkten Bezug zum Galluskloster. Der Text der Handschrift ist in drei weiteren St. Galler Handschriften erhalten (St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 562, St. Gallen, 890–900, vgl. von Euw St. Gallen, Nr. 112, Abb. 513–518; London, BL, Add MS 21170, St. Gallen, um 920, vgl. von Euw St. Gallen, Nr. 128, Abb. 610–613; Stuttgart, WLB, HB XIV 2, St. Gallen, 3. Viertel 9. Jh., vgl. von Euw St. Gallen, Nr. 129, Abb. 614, 615), wobei nach von Euw mit St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 562 die direkte Textvorlage für die Wolfenbütteler Handschrift vorliegt. Die Schreiberhand C (s.o.) ist identisch mit Hand B der zeitgleich entstandenen Londoner Handschrift. Die Initialausstattung der Wolfenbütteler Handschrift steht fest in der Tradition des St. Galler Skriptoriums und greift auf die hier im 9. Jh. ausgeprägten Ornament- und Initialformen zurück (vgl. das vom St. Galler Diakon und Schreiber gefertigte Evangelistar St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 53, St. Gallen, um 895; von Euw St. Gallen, Nr. 108, Abb. 449–470 - hier besonders die auffällig ähnlich gestalteten Textzierseiten, wie p. 6). Anknüpfend an die identische Schreiberhand (s.o.), finden sich in den zeitgleich zu Wolfenbüttel entstandenen Viten London, BL, Add MS 21170 ebenfalls ähnlich gestaltete Initialen, wobei sich im Stil eine andere ausführende Hand zeigt. In etwas späterer Zeit lebt der Stil fort (vgl. Trier, Bistumsarchiv, Priesterseminar, Hs. 106, St. Gallen, 825/950; von Euw St. Gallen, Nr. 136, Abb. 659–668). Während H. Hoffmann für eine Datierung der Wolfenbütteler Vitae in die 2. Hälfte des 10. Jh. plädiert, erfolgte aus kunsthistorisch stilistischer Sicht eine frühere Einordnung in die Zeit des St. Galler Abtes Salomo III. (890–920), die von von Euw zuletzt überzeugend dargelegt wurde (von Euw St. Gallen, Nr. 127, Abb. 598–609).

Wolfenbüttel Aug., Nr. 3095 (Heinemann Nr.). — Merton, 89, 92. — F. Landsberger, Der St. Galler Folchart-Psalter. Eine Initialenstudie, St. Gallen 1912, 21f., 33, Abb. 15c, 16b. — E. J. Beer, Überlegungen zu Stil und Herkunft des Berner Prudentius-Codex 264, in: Florilegium Sangallense. Festschrift für Johannes Duft zum 65. Geburtstag, hrsg. von O. P. Clavadetscher, H. Maurer, S. Sonderegger, St. Gallen/Sigmaringen 1980, 15–70, hier 34. — Hoffmann Buchkunst, 397, Abb. 214. — W. Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, 3: Karolingische Biographie, Stuttgart 1991, 272–303 (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 10). — W. Berschin, P. Ochsenbein, H. Möller, Das älteste Gallusoffizium, in: Lateinische Kultur im X. Jahrhundert, in: Akten des I. Internationalen Mittellateinerkongresses Heidelberg 1988, Stuttgart 1991, 11–37 (Mittellateinisches Jahrbuch 24/25, 1989/90) — W. Berschin, Das Ottmarsoffizium. Vier Phasen seiner Entwicklung, in: Die Offizien des Mittelalters. Dichtung und Musik, hrsg. von W. Berschin, D. Hiley, Tutzingen 1999, 25–39 (Regensburger Studien zur Musikgeschichte 1). — R. Schaab, Bibeltext und Schriftstudium in St. Gallen, in: Das Kloster St. Gallen im Mittelalter. Die kulturelle Blüte vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, hrsg. von P. Ochsenbein, Darmstadt 1999, 119–136, hier Anm. 78. — M. Tischler, Der ottonische Heilige und sein karolingischer Heiliger. St. Wolfgang, St. Otmar und das Problem der historischen Wahrnehmungsfähigkeit im frühen Mittelalter, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 112 (2001), 7–52, hier 22–24, Anm. 65. — Otto der Große, Bd. 2, Nr. IV.29, 227–229, Abb. 227 (R. Kahsnitz). — Divina officia, Nr. 14, Abb. 32, 33 (P. Carmassi). — Hoffmann Schreibschulen Südwesten, 261. — von Euw St. Gallen, Nr. 127, Abb. 598–609. — Labusiak Ruodbrechtgruppe, 167 Anm. 41, 311, 313, Abb. 425. — Bischoff Katalog 3, Nr. 7296. — C. Jakobi-Mirwald, Bodenseeraum? Das karolingische Epistolar in der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda, Aa 7, in: Illustrierte Epistolare des frühen und hohen Mittelalters, hrsg. von K. G. Beuckers, V. Bienert und U. Prinz, Regensburg 2021, 45–78, hier 52 Anm. 27.


Abgekürzt zitierte Literatur

BHL Bibliotheca hagiographica Latina antiquae et mediae aetatis, 2 Bde., ed. Socii Bollandini, Bruxelles 1898 und 1901 (Subsidia hagiographica 6), Bd. 3: Supplementi editio altera, Bruxelles 1911 (Subsidia hagiographica 12)
Bischoff Katalog 3 B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014
Divina officia Divina officia. Liturgie und Frömmigkeit im Mittelalter, Konzeption von Ausstellung und Katalog P. Carmassi, Wiesbaden 2004 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 83)
Hoffmann Buchkunst H. Hoffmann, Buchkunst und Königtum im ottonischen und frühsalischen Reich, Textbd., Stuttgart 1986 (MGH Schriften 30,1)
Hoffmann Schreibschulen Südwesten H. Hoffmann, Schreibschulen des 10. und 11. Jahrhunderts im Südwesten des Deutschen Reichs, 2 Bde., Hannover 2004 (MGH Schriften 53)
Labusiak Ruodbrechtgruppe T. Labusiak, Die Ruodbrechtgruppe der ottonischen Reichenauer Buchmalerei. Bildquellen - Ornamentik - stilgeschichtliche Voraussetzungen, Berlin 2009 (Denkmäler Deutscher Kunst)
Merton A. Merton, Die Buchmalerei in St. Gallen vom neunten bis zum elften Jahrhundert, Leipzig 1923
MGH SS Monumenta Germaniae Historica. Scriptores (in Folio), Bd. 1–, Hannover 1826–
MGH SS rer. Merov. Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Merovingicarum, Bd. 1–7, Hannover 1885–1920
Milde Erwerbungsjahre W. Milde, Die Erwerbungsjahre der Augusteischen Handschriften der Herzog August Bibliothek, Supplement zum Katalog von Otto Heinemann "Die Augusteischen Handschriften" Bd. 1-5, Wolfenbüttel 1890-1903, in: Wolfenbütteler Beiträge 14 (2006), 73-144
Otto der Große Otto der Große - Magdeburg und Europa, Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg, 27. August - 2. Dezember 2001, hrsg. von M. Puhle, Mainz 2001
Te.Tra. La trasmissione dei testi latini del medioevo – Mediaeval latin texts and their transmissions, Bd. 1–, hrsg. von P. Chiesa und L. Castaldi, Firenze 2004– (TE.TRA. 1–)
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015
von Euw St. Gallen A. von Euw, Die St. Galler Buchkunst vom 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, 2 Bde., St. Gallen 2008
Wolfenbüttel Aug. Die Augusteischen Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, Teil 1-5, Frankfurt/M. 1890–1903, ND 1965–1966 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 4–8)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).
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