Beschreibung von Cod. Guelf. 17 Weiss.
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 12. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)
Handschriftentitel: Pseudo-Hieronymus, Breviarium in Psalmos
Entstehungsort: Weißenburg
Entstehungszeit: 9. Jh., 2. Jahrzehnt
Beschreibstoff: Pergament
Umfang: 324 Bl.
Format: 32,2 × 21 cm
Seitennummerierung: Neue Tintenfoliierung
Lagenstruktur: III (7). 38 IV (317). VI-1 (324). Lagenbezeichnung I-XL unten mittig auf dem letzten Blatt der Lage, gelb/dursichtig überstrichen, vgl. (vgl. 46 Weiss., 19 Weiss. und 47 Weiss.).
Zustand: Guter Zustand.
Seiteneinrichtung: 25,5 × 16,5 cm, einspaltig, 32 Zeilen.
Hände: Karolingische Minuskel von zwei Händen.
Zwei Haupthände ( , 126, 127). Adallandus-Gruppe, zugehörig: 10 Weiss., 14 Weiss., 17 Weiss., 18 Weiss., 24 Weiss., 74 Weiss., 13 Weiss., 43 Weiss., 71 Weiss. (?), 13 Weiss. (?), 67 Weiss. (?), 91 Weiss. und 81 Weiss. (?) ( , 51-59).
Zwei Haupthände ( , 126, 127). Adallandus-Gruppe, zugehörig: 10 Weiss., 14 Weiss., 17 Weiss., 18 Weiss., 24 Weiss., 74 Weiss., 13 Weiss., 43 Weiss., 71 Weiss. (?), 13 Weiss. (?), 67 Weiss. (?), 91 Weiss. und 81 Weiss. (?) ( , 51-59).
Schrift: Incipit in Capitalis, Wörter rot grün alternierend (1v). Explicit in tintenfarbiger Capitalis mit roter Punktkrandung, Buchstaben farbig gefüllt (324r). Buchüberschriften in roter Unzialis. Im Text rote und schwarze Satzmajuskeln.
Incipit in Capitalis, Wörter rot grün alternierend (1v). Explicit in tintenfarbiger Capitalis mit roter Punktkrandung, Buchstaben farbig gefüllt (324r). Buchüberschriften in roter Unzialis. Im Text rote und schwarze Satzmajuskeln.
Incipit in Capitalis, Wörter rot grün alternierend (1v). Explicit in tintenfarbiger Capitalis mit roter Punktkrandung, Buchstaben farbig gefüllt (324r). Buchüberschriften in roter Unzialis. Im Text rote und schwarze Satzmajuskeln.
Auszeichnungsschriften / Buchschmuck:
- Zahlreiche ornamentierte und kolorierte Hohlinitialen. 7 Zierinitialen. 2 autonome figürliche Zeichnungen.
-
Initialen:
Zu hervogehobenen Textabschnitten 1-3zeilige Federinitialen mit roter Punktrandung (107v, 2x 108v, 109v; 1,5-3). Einleitend zu den Buchabschnitten ornamentierte und kolorierte Hohlinitialen sowie drei farbig, zum Teil schwarz hinterlegte Inititialen mit Flechtband (212v, 233r, 263v; 3-7). 258v und 301r nachträglich eingefügte Initialen von gleichem Stil aber minderer Qualität. Füllmotive: ausgesparte Schnallen, häufig mit flankierenden Dreiecken (einige dienen als Kragen für Vögel und sind gelegentlich als eigenständige, verzierte Elemente ausgeführt, vgl. 105v). Große Kreuzblüten (vgl. 5r), kleine Vierpaßblüten - gelegentlich mit eingefügten kleinen Blättchen, gegenständige Halbpalmetten (vgl. 2r), Wellen- und Zickzackbänder - zum Teil mit Palmettenlappungen und Knospenansätzen (vgl. 85v), Blütenkelche (vgl. 79r), Stufenband (vgl. 263r), M-Formen (vgl. 20r), kopfstempelartige Formen (vgl. 74v) und gekreuzte Achterschlingen. Das Flechtband ist den farbig hinterlegten Initialen vorbehalten und findet dort auch als Endgeflecht Verwendung (212v). Im Besatz einfach- und doppelkonturige Halbpalmetten mit fleischigen, großen unterschiedlich kolorierten Lappungen, deren Zusammensetzung teils gestückelt wirkt. Häufig sind tropfen- und spiralartige Übergangsformen zu beobachten (vgl. 60v, 162r, 166v). Als Besonderheit tritt die zwei-dreilappige Halbpalmette mit rückwärts gebogener Einrollung auf (vgl. 85v, 60v, 299r). Palmetten können mit elegantem Schwung Buchstabenteile ersetzen (vgl. 154r, 299r). Die Initialstämme enden gegabelt oder in feinen, meist spiralförmig aufgerollten Serifen, die als Voluten verstärkt werden können (vgl. 273v). Des weiteren finden sich ein-und zweistufige Blütenendungen, ein Tierkopf (212v) und Palmetten mit geradem Abschluss. Auf 5r als Bogenersatz ein springender Hund. Der Verlauf der Buchstabenglieder häufig in großzügig angelegten, eleganten Schwüngen (vgl. 154r, 299r). Einige Ausläufer von I-initialen stielartig mittig nach unten ragend (vgl. 269v). -
Zeichnungen:
2 autonome braune Federzeichnungen: 1r sich aufrichtender Mann (12,5). In brauner Federzeichnung ein sich aufrichtender, oder sich duckender bärtiger Mann im Profil. Nur die dem Betrachter zugewandten rechten Gliedmaßen des Mannes sind wiedergegeben (der hintere Arm im Gewand eingehüllt und dezent erkenntlich). Das Gesicht im Dreiviertelprofil geradeaus nach schräg oben blickend. Der rechte Arm (grüßend?) erhoben, zwei Finger im Segensgestus. Die Zeichnung erscheint unfertig und ist im Kinnbereich durch ein kleines Kreuz gestört (zeitgleich). Gegenüber die Gesichtszüge einer Frau (leicht abgerieben). Der Segensgestus der rechten Hand, die Beinhaltung sowie das weibliche Gesicht im Gegenüber veranlassen zu der Annahme, dass es sich um eine unfertige Verkündigungsdarstellung handelt (Verkündig an Maria oder Verkündigung an die Frauen am Grabe). 324v sitzender Evangelist (13,2). 324v in brauner Federzeichnung ein frontal thronender jüngerer Mann, bekleidet mit Tunika und darüber liegendem Pallium. Das rechte Bein ist leicht vorgestellt und deutlich vergrößert. Die rechte Hand greift nach rechts, während die linke angewinkelt ein kleine Rolle hält. Der Blick des Mannes geht nach links. Weitere Attribute fehlen. Gesicht und Füße sind detailgetreu wiedergegeben. Schultern, Arme und Hände erscheinen unfertig. Sitztypus und -haltung deuten auf eine Evangelistendarstellung, wie sie vorbildhaft in der Hofschule Karls des Großen, in leicht abgewandelter Form aber auch im Laufe des 9. Jahrhunderts in anderen karolingischen Skriptorien gebräuchlich wurde. Die Sitzhaltung mit der nach unten gerichteten Armbewegung nach rechts verweist auf den sogenannten Eintauchtypus (G. Denzinger, Die Handschriften der Hofschule Karls des Großen. Bemerkungen zu ihrem Bildschmuck und ihrer Ornamentik, in: , 109-129, bes. 112-117). -
Farben:
Gelb, Grün, Minium und Beige. Gelegentlich Dunkelblau. Die Kolorierung wirkt nachlässig und zum Teil unvollständig.
Einband: Roter Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1972).
Geschichte der Handschrift: Der Stil der kolorierten Hohlinitialen lässt sich eng an die Ausstattung der Wolfenbütteler Handschriften 14 Weiss. und 24 Weiss. anschließen. Verbindene Elemente sind hierbei die Initialgestaltung mit den eingerollten oder volutenartigen Serifen und die Auswahl der Füllmotive (hier vor allen Dingen die gegenständige Halbpalmette, das Zickzackband mit Knospe, das Stufenband und Blütenkelche). Diese Motive sind allgemein im Bodenseegebiet verankert (vgl. 14 Weiss. und 24 Weiss.). Mit Motiven wie der großen Kreuzblüte, gekreuzten Achterschlingen, der doppelkonturigen und der gekernten Palmette treten allerdings Parallelen zur frühen St. Galler Buchmalerei unter Abt Gozbert (816-837) in den Vordergrund (zur Handschriftengruppe, vgl. , 41-61), insbesondere zu den Stuttgarter Handschriften, WLB, HB II 17 (Augustinus, St. Gallen, 1. Viertel 9. Jh.; , Nr. 41, Abb. 144-147; , Kat.Nr. 27, Abb. 98-102 gibt die Handschrift in den Bodenseeraum) und HB II 54 (Bibel, St. Gallen, 820/830; , Nr. 21, Abb. 52-56). Von besonderem Interesse sind die in diesem Zeitabschnitt in St. Gallen auftretenden, fleischigen Palmetten, die, wie in 17 Weiss. gestückelt wirken können (vgl. St. Gallen, StiB, Cod. 183; 800/830 - , Kat.Nr. 24, Abb. 59) und in den Lappungen verschiedenfarbig koloriert sind (vgl. Stuttgart, WLB, HB II 54, 109r und 121r). Auch die in St. Gallen in diesem Zeitabschnitt übliche Verwendung von fadenförmigem Flechtband im Endgeflecht und die gelegentlich auftretende schwarze Hinterlegung von Flechtbandfüllungen (vgl. St. Gallen, StiB, Cod. 116 St. Gallen, Schreiber um Wolfcoz, 1. Drittel 9. Jh.; , Kat.Nr. 29, Abb. 76-79) sowie der immer häufiger werdende Verzicht auf vollständig mit Hohlbuchstaben verzierte Seiten sprechen für die gleiche Zeitstellung. Die den Initialen und auch den Halbpalmetten eigenen eleganten Schwünge und Abläufe, insbesondere die zwei-dreilappige Halbpalmette mit rückwärts gebogener Einrollung (vgl. 85v), das Füllmotiv der gegenständigen Halbpalmette sowie die verstärkten und verzierten Halskrausen der Vögel, wie sie ausgeprägt in 17 Weiss. vorliegen (vgl. 105v), sind aus französischen Handschriften (Bern, Burgerbibliothek, Cod. 118, Fleury, Anfang 9. Jh.; , 42-44 und München, BSB, Clm 14325, Südfrankreich, Ende 8. Jh, (?); , Kat.Nr. 252, Abb. 545, 546, 548) und einer weiteren elsässichen, nicht näher lokalisierten Handschrift (Fulda, HLB, Aa 9, 8./9. Jh.; , Kat.Nr. 5, Abb. 33-37) bekannt. Zu den Zeichnungen (1r und 324v): Butzmann erkannte in der Zeichnung auf 1r die Ähnlichkeit zu einer Abraham-Figur im Berner Prudentius-Codex (Bern, Burgerbibliothek, Cod. 264, 1. Viertel 10. Jh., Reichenau; zur Handschrift, vgl. , 285, 286; , Bd. 1, Bern 1962, 136–158). Wie oben genannt handelt es sich jedoch um den Engel einer Verkündigungsszene. Ikonographische Entsprechungen aus der Entstehungszeit der Handschrift liegen in Elfenbeinen aus der Hofschule Karls des Großen vor (Harrachsches Diptychon, Köln, Museum Schnüttgen, Dauerleihgabe der Stiftung Ludwig und Oxforder Buchdeckel (Oxford, Bodleian Library, Ms. Douce 176, Aachen, Hofschule Karls des Großen, um 800); T. Jülich, Fragen an die Hofschule, in: Karls Kunst, Kat.Nr. 2, 266, Abb. 17). Erst aus ottonischer Zeit liegen aussagekräftige Vergleiche in der Buchmalerei vor (Würzburg, UB, Ms. M. p. th. q. 4a, Einzelblatt, Fulda, 1000/1010; C. Nordenfalk, The chronology of the Registrum Master, in: Kunsthistorische Forschungen. Otto Pächt zu seinem 70. Geburtstag, Salzburg 1972, 69f.). Der Stil beider Zeichnungen (Engeldarstellung und Evangelist) lässt schließen, dass sie von einer Hand ausgeführt und nicht später als im späten 9. Jahrhundert entstanden sind. Dementsprechend wurden sie der Handschrift später, aber noch im 9. Jh., hinzugefügt.
Die angeführten Vergleiche, insbesondere die Nähe zur St.Galler Wolfcoz-Gruppe, veranlassen zu einer Datierung in das zweite Jahrzehnt des 9. Jh.
Provenienz der Handschrift: Kloster Weißenburg, Besitzvermerk. 1r Signaturenbuchstabe C. (14. Jh.). 1r Codex monasterii sanctorum Petri et Pauli apostolorum in Wyssenburg. Von weiterer Hand ergänzt: Ordinis divi Benedicti. Darunter 2r Codex monasterii sanctorum Petri et Pauli apostolorum in Wissenburg und Hieronymus super psalterium.1r Jeronimus super psalterium (15. Jh.). 1r oben: eingeritzte Runen beatus uir kui non habiit in konsilio impiorum et in uia pekkatorum. Wiener Liste 2° 41.
Inhalt:
1v-324r Hieronymus: Breviarium in Psalmos. 1r leer. 1v Pseudo-Hieronymus, Breviarium in Psalmos ( 26, 812-1270; zum Text, vgl. ausführlich Weißenburg, 126). 324v leer.
Bibliographie
- , Kat. 48, Nr. 95.
- , Nr. 4101 (Heinemann Nr.). , 706. , 126, 127. , Bd. 1, 91. 107, 123-128. , 19. , 24, 25, 34. , Nr. 7372. , 38, Abb. 9.
Korrekturen, Ergänzungen:
- Lizenzangaben korrigiert (schassan, 2020-04-17)
Abgekürzt zitierte Literatur
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