Flavius Josephus, Antiquitates Iudaicae, interprete Rufino
Weißenburg, Benediktinerkloster — 9. Jh., 3. Viertel
Provenienz: 1r Benediktinerkloster Weißenburg, Besitzeintrag: in Unzialis Hic liber est sancti Petri de Wizenburg. Darüber Josephus historiagrafus(!) antiquitatum und de R R (15. Jh.). 2r Weißenburger Signaturenbuchstabe: .B. 248v unterer Blattrand H sknrkcxslfsccbtp R. Die Handschrift gelangte über Heinrich Julius von Blum 1690 in den Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig. 2°36 ( , 3–18).
Pergament — 249 Bl. — 31,5 × 24,5 cm
Lagen: 25 IV (192). V-2 (200). 3 IV (224). II (228). 2 IV (244). III-1 (249). Lagenbezeichnungen in schwarzen römischen Zahlen mittig am unteren Blattrand. Neuere Tintenfoliierung. Guter Zustand. Schriftraum: 23,5 × 17 cm, zweispaltig, 31 Zeilen. Karolingische Minuskel von mehreren Händen. Eine der Hände (151r) wurde von Kleiber in der Wiener Otfrid-Handschrift nachgewiesen (Wien, ÖNB, Cod. 2687; zur Handschrift vgl. H. J. Hermann, Die frühmittelalterlichen Handschriften des Abendlandes, Leipzig 1923 [Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich 8,1; Die illuminierten Handschriften und Inkunabeln der Nationalbibliothek in Wien 1], Nr. 35, 126–131.; , 77 Anm. 361, Taf. XIIIb; , Nr. 81). Zu den Kapiteln Überschriften in roter Capitalis Rustica, die Textanfänge mit roten, unverzierten 2–6zeiligen Federinitialen.
Roter Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1983).
INHALT
1v–249v : Antiquitates iudaicae. Liber 1–12, interprete Rufino. Vorausgehend zu jedem Buch Capitula ( ). 249v FederprobenBacchides. probacio penne. Darunter Neumen.
AUSSTATTUNG
6 initialen. 2 verzierte Randzeichnung. Ritzungen.Initialen: Einleitend zu den Buchanfängen zwei Zierinitialen (Deckfarbeninitialen; 1v, 6,6 cm und 4r, 15,5 cm) und vier unkolorierte Federinitialen (50r in Schwarz - 60r, 61r, und 62v in Rot; 2,5–8,5 cm). Des weiteren auf 197v drei verzierte tintenfarbige Initialmajuskeln. Die Deckfarbeninitialen vorgezeichnet mit roter Feder und zum Teil mit Tinte nachgezogen. Die farbig gefüllte Initiale auf 1v im Stamm vertikal gespalten und durch rechteckige Schnallen in Segmente gegliedert. Als Füllmotive dienen das Augenmotiv und die Raute. Im Binnenfeld großflächig angelegtes, schlaufenförmiges Flechtband mit zugrundeliegender Achterschlaufe und spitzwinklig verlaufendem, dornartig endendem Gegenpart. Die Deckfarbeninitiale auf 4r angelegt als Hohlinitiale ohne kolorierten Hintergrund. Der obere Initialabschluss ringförmig mit stabartigen, x-förmig angelegten, schlanken Hörnern. Als Ringbesatz kleine dreieckige Dornfortsätze mit Kleeblattkronen. Der untere Ausläufer als hakenförmige Palmette und vertikal farbig geteilt. Segmenteinteilung durch doppelte Schnallen. Als Füllmotive des Initialstamms dienen eine große angelegte Seilschlinge und Achterschlaufen. Die schwarze Federinitiale auf 50r mit in den Initialstamm eingefügten Flechtbandpaneelen. Der Hintergrund jeweils in vier Quadranten geteilt. Im Besatz zwei Palmetten mit rückwärts gebogener Spitze. Der obere Initialabschluss mit Dreiecksverzierung. Die drei roten Federinitialen gefüllt mit ausgesparter Seilschlinge (60r) und einfachem Stufenband (61r und 62v - mehrbahnig). Auf 197v drei tintenfarbig ausgeführte, verzierte Initialmajuskeln. Hier als Bogenschaft die Palmette und als Binnenverzierung eine kelchförmige Blüte.
Randzeichnung: Auf dem Blattrand von 144v eine in Tinte ausgeführte Flechtbandprobe - das obere Endgeflecht eines Initialstammes mit Hörnern und nach unten spitz zulaufenden Schlaufen. 177r Blattrand unten ein Hippocamp (?). Ritzungen: 186v P. 186r unten rechts Palmette. 185v Blattrand unten B.
Farben: Eingeschränkte Farbpalette mit Grün und Gelb.
STIL UND EINORDNUNG
Die Handschrift wird von , Nr. 7377. nach Weißenburg gegeben und in das 3. Viertel des 9. Jh. datiert. 131, 132 nennt Weißenburg unter Vorbehalt und datiert den Codex in die Mitte des 9. Jh. , 77 Anm. 361, 134, 136, 138 gelingt die Identifizierung eines Schreibers des Weißenburger Josephus mit einer Hand der Wiener Otfrid-Handschrift (s.o.), wodurch die Lokalisierung nach Weißenburg gesichert erscheint und die von Bischoff in das 3. Viertel des 9. Jahrhundert favorisierte Datierung in den Vordergrund rückt. Der Buchschmuck der Handschrift gibt sich mit seinen vier Initialvarianten eher uneinheitlich und steht mit den Deckfarbeninitialen innerhalb des Skriptoriums ohne direkte Vergleiche. Zur Federinitiale auf 50r mit den Flechtbandpaneelen vor quadratischen Feldern und den angefügten Halbpalmetten lassen sich in 61 Weiss. (Weißenburg, 2. Viertel 9. Jh.) und Wien, ÖNB, Cod. 1239 (Weißenburg, 3. Viertel 9. Jh.; zur Handschrift vgl. , Farbabb. 7) Parallelen finden. Übereinstimmung hingegen zeigen die tintenfarbigen Initialmajuskeln mit Palmettenbe- und -ersatz, wie sie in zahlreichen Weißenburger Handschriften vorliegen (vgl.4 Weiss., 74v; 63 Weiss., 10v; 46 Weiss., 170v; 60 Weiss., 78r; 66 Weiss., 7v und 49 Weiss., 197v). Als Parallele zu den Deckfarbeninitialen ist die in St. Gallen im 3. Viertel des 9. Jh. entstandene sogenannte große Hartmut-Bibel zu nennen (St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 77–83; , Nr. 89, 90, 91, 92, 93, hier 93), die im letzten Band (Cod. 83) eine ähnliche Farbgebung (gelb/grün) und vergleichbare Flechtbandabläufe aufweist (vgl. insb. p. 257; , Abb. 302)., Nr. 4106 (Heinemann Nr.). — , 707. — , The Latin Josephus. Introduction and text. The Antiquities. Books I-V. Kopenhagen 1958 (Acta Jutlandica 30,1. Humanities series 44), 40, Pl. VII. — 131, 132. — , 77 Anm. 361, 134, 136, 138. — , 89, 193 Anm. 147, 188, 208. — , Bd. 1,1.2, 824. — , Nr. 7377. — , 369.
Abgekürzt zitierte Literatur
B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014 | |
H. Butzmann, Die Weissenburger Handschriften, Frankfurt/M. 1964 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 10) | |
Flavii Josephi opera, hrsg. und bearbeitet von B. Niese, Bd. 1–7, Berlin 1955 (Nachdr. d. 2. Ausgabe) | |
L. Nees, Frankish Manuscripts. The Seventh to the Tenth Century, 2 Bde., London 2022 (A Survey of Manuscripts illuminated in France 2) | |
C. Grifoni, Auf Otfrids Spuren in der frühmittelalterlichen Bibliothek Weißenburg, in: | , 79-101|
E. Hellgardt, Die exegetischen Quellen von Otfrids Evangelienbuch. Beiträge zu ihrer Ermittlung, Tübingen 1981 (Hermaea; N.F. 41) | |
W. Kleiber, Otfrid von Weißenburg. Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung und Studien zum Aufbau des Evangelienbuches, Bern/München 1971 (Bibliotheca Germanica 14) | |
S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1) | |
E. Lesne, Histoire de la proprieté ecclésiastique en France, Lille 1938 | |
A. von Euw, Die St. Galler Buchkunst vom 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, 2 Bde., St. Gallen 2008 | |
S. Westphal, Karolingische Buchmalerei aus dem elsässischen Kloster Weißenburg, in: Die Handschriften der Hofschule Karls des Großen. Individuelle Gestalt und Europäisches Kulturerbe, Tagung Trier 2018, Trier 2019, 357–391 | |
Liste der von H. J. Blum im Jahre 1673 der Wiener Hofbibliothek angebotenen Handschriften meist Weissenburger Herkunft, in: T. Gottlieb, Die Weissenburger Handschriften in Wolfenbüttel, Wien 1910 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 163,6) | |
Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 3: Die Weissenburger Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, in: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 2 Teil 5, Wolfenbüttel 1903, 268–443 |
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).