Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung) (Vorläufige Beschreibung)
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 268 Gud. lat.
Suetonius, De vita Caesarum
Eichstätt, Dom — 11. Jh., 2. Hälfte
Provenienz: Das in 268 Gud. lat. im 15. Jh. als Spiegel verwendete Fragment eines Missales (11. Jh.; vgl. Zusätze) konnte ebenfalls in einer mit Sicherheit aus St. Ulrich und Afra in Augsburg stammenden Handschrift, heute in München nachgewiesen werden (München, BSB, Clm 4317). Somit ist ein Verbleib von Cod. Guelf. 268 Gud. lat. im Augsburger Kloster während des späten Mittelalters wahrscheinlich. Dort wurde sie ebenfalls, wie Cod. Guelf. 125 Gud. lat., Cod. Guelf. 334 Gud. lat. und Cod. Guelf. 72 Gud. lat.) von Bernhard Rottendorf erworben, gelangte über ihn in die Sammlung Gude und von dort 1710 in den Besitz der Herzog August Bibliothek (zur Sammlung Gude in Wolfenbüttel vgl. , 445–516).
Pergament — 173 Bl. — 20 × 15,5 cm
Lagen: 5 IV (40). II (44). 3 IV (68). I (70). 3 IV (94). V (104). IV (112). II (116). III (122). 5 IV (162). III (168). II+1 (173). Zwischen Bl. 70 und Bl. 71 ein ungezähltes Blatt eingefügt. Lagenbezeichnungen am Ende jeder Lage in römischen Ziffern Blattmitte unten. Als Spiegel vorne und hinten ein Missale-Fragment des 11. Jahrhunderts. Fragmente derselben Handschrift wurden für die Bindung der Münchener Handschrift München, BSB, Clm 4317 verwertet (vermutlich Augsburg, um 1140; , Nr. 177, Abb. 387). Neuere Tintenfoliierung. Schriftraum: 15,5 × 10,1 cm, einspaltig, 26 Zeilen. Karolingische Minuskel von mehreren Händen. Hand A: 1v Z. 4–41v, 70r Z. 11–70ar Z. 8, 95r–96v, 122v Z. 2-Z.4, 162v Z. 19–173r. Hand B: 42r–55v, 56r Z. 5–70r Z. 11. Hand C: 71r–78v Z. 11, 78v Z. 14–94v Z. 11, 94v Z. 25-Z. 26. Hand D: 94v Z. 12–25. Hand E: 97r–99v Z. 10, 99v Z. 14–116r Z. 3, 116r Z. 3-Z. 6, 116r Z. 6–118r Z. 13, 119r–120r, 121v–122v Z. 2. Hand F: 118r Z. 13–118v, 120v–121r. Hand G: 123r–136r Z. 24, 136r Z. 26, 136v–143r Z. 20, 143r Z. 23–147r Z. 19, 147r Z. 21–153r Z. 2, 153rZ. 4–154v. Hand H: 155r–161v Z. 4, 161v Z. 7–162v Z. 19; 173v spätere Zusätze (zur Händescheidung vgl. , 142, 143). Hoffmann/Pokorny gelang der Nachweis, dass Hand A der Wolfenbütteler Handschrift identisch ist mit der von ihnen identifizierten Hand F des Eichstätter Pontificale Gundekarianum (Eichstätt, Diözesanarchiv, Cod. B 4; , 137–138; zur Handschrift vgl. Das Pontifikale Gundekarianum. Faksimile Ausgabe des Codex B 4 im Diözesanarchiv Eichstätt, hrsg. von und , Wiesbaden 1987). Des weiteren bestehen, nach Hoffmann/Pokorny, enge Parallelen zu München, BSB, Clm 4622 und Wien, ÖNB, Cod. 275, 68r–91r ( , 140, 142). Textanfänge in rubrizierter Capitalis Rustica. Absätze eingeleitet mit 1–2zeiligen rubrizierten Initialmajuskeln.
Heller Schweinsledereinband (15. Jh.). Vorder- und Rückseite mit rautenförmigen Streicheisenlinien und Stempelverzierungen (einfache Vierpassblüten; Blüte, Vierblatt ohne Zwischenblätter: s009609; Dublette zu s002043 - Cod. Guelf. 72 Gud. lat. und auch Cod. Guelf 325 Gud. lat.).
INHALT
1v–173v : De vita Caesarum (Druck: Die Kaiserviten. Berühmte Männer / De vita Caesarum. De viris illustribus, hrsg. und übers. von . , Berlin 2014; R. Kastner, Studies on the text of Suetonius "De vita Caesarum", Oxford 2016) 172v–173r Summa Theologiae, 1, 1–1,6 (Druck: Kleinere deutsche Gedichte des 11. und 12. Jahrhunderts. Nach der Auswahl von A. Waag, hrsg. von , Tübingen 1972, 31; , Kommentar zur frühmittelhochdeutschen Summa Theologiae, München 1970, 13).
AUSSTATTUNG
2 Initialen. Eine Randzeichnung.Initialen: Zum Textbeginn (1v; 3,5 cm) und auf 23v zu Beginn des 2. Buches (Biographie über Kaiser Augustus) jeweils eine Spaltleisteninitiale mit genagelten Spangen. Vom Buchstabenkörper ausgehend unregelmäßig verlaufende kräftige Knollenblattranken, auf 23v mit gestielten Trifolien. Die Zweigstellen der Ranken mit Schraffuren.
Randzeichnung: Auf dem unteren Blattrand von 17r die vordere Hälfte eines vierbeinigen Fabelwesens (beschnitten); 1,4 cm.Farben: Die Initialen gezeichnet mit roter Feder, die Binnengründe teils bräunlich/gelb hinterlegt. Auf 1v relativ starker Farbverlust. Die Randzeichnung in Tinte.
STIL UND EINORDNUNG
Hoffmann gelang der Nachweis, dass Hand A der vorliegenden Kaiserviten identisch ist mit Hand F des sogenannten Pontificale Gundekarianum aus Eichstätt (s. o.). Als paläographisch zusammenhängende Eichstätter Gruppe der 2. Hälfte des 11. Jh. nennt er zusätzlich zu den beiden aufgeführten Handschriften die Codices: Eichstätt, UB, Cod. st 772; Erlangen-Nürnberg, UB, H62/MS 149; Erlangen-Nürnberg, UB, H62/MS 2112–11; Lambach, StiA, Nekrologfragment; München, BayHStA, Kaiserselekt 887 und 882; München, BSB, Clm 3728, Anfangsblatt; München, BSB, Clm 4622, 168r–177v; München, BSB, Clm 14396, 1r–37v; München, BSB, Clm 29880/2; Rom, BAV, Pal. lat. 248, Randnotizen (Zusammenstellung der Handschriften vgl. , 136–143). Ein Abgleich der Initialornamentik von 268 Gud. lat. mit der von Hoffmann/Pokorny zusammengestellten Eichstätter Gruppe ergab anschließend an die paläographische Analyse ebenfalls Übereinstimmungen. Die mit Initialornament ausgestatteten Handschriften München, BSB, Clm 3728, Anfangsblatt und München, BSB, Clm 14396, 1r–37v zeigen Ähnlichkeiten im Trifolienbesatz und den an den Zweigstellen verwendeten Schraffuren. Die von beiden Händen verwendeten Knospenansätze liegen in Cod. Guelf. 268 Gud. lat. nicht vor, jedoch in früheren Eichstätter Handschriften aus der 1. Hälfte des 11. Jh. (vgl. Cod. Guelf. 331 Gud. lat.). Die für die Wolfenbütteler Handschrift typischen großen Knollenansätze haben ihre Parallelen im Eichstätter Gundekarianum und in dem Pontificale Cod. Guelf. 537b Helmst., das von B. Lesser aufgrund der in der Litanei zur Kirchweih erwähnten Diözensanpatrone ebenfalls nach Eichstätt und in das engere Umfeld des Gundekarianums lokalisiert wird., Nr. 4573. — , 142f. — , 282f.
Abgekürzt zitierte Literatur
P. Carmassi, In doctrina studium. Spannungsfelder zwischen Theologie und Bildung, in: Theologie und Bildung im Mittelalter, hrsg. von P. Gemeinhardt und T. Georges, Münster/Westf. 2015 (Archa Verbi, Subsidia 13), 277-291 | |
Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel) | |
H. Hoffmann, P. Pokorny, Das Dekret des Bischofs Burchard von Worms. Textstufen - Frühe Verbreitung - Vorlagen, München 1991 (Monumenta Germaniae Historica. Hilfsmittel 12) | |
Die romanischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek. Die Bistümer Freising und Augsburg. Verschiedene deutsche Provenienzen, beschrieben von E. Klemm, Wiesbaden 1988 (Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek 3,2) | |
B. Lesser, Longe maximum vero Bibliothecae Augustae ornamentum, in: Retter der Antike, Marquard Gude (1635-1689) auf der Suche nach den Klassikern, hrsg. von P. Carmassi, Wiesbaden 2016 (Wolfenbütteler Forschungen 147), 445-516 | |
Die Gudischen Handschriften, beschrieben von F. Köhler und G. Milchsack, Wolfenbüttel 1913, ND 1966 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 9) |