Beschreibung des Cod. Guelf. 287 Extrav.
Butzmann, Hans: Die mittelalterlichen Handschriften der Gruppen Extravagantes, Novi und Novissimi. Frankfurt/M.: Klostermann, 1972. (Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Neue Reihe, Bd. 15) S. 148–149
CHANSONNIER
ACHTUNG: Weitgehend unkorrigierter OCR-Text aus einer Digitalisierungskampagne des Projektes Handschriftenportal.
Pergament. 69 blatt. Bl. 15 x 10 cm. cm. XV. Jh., 4. Viertel. Burgund.Feines Pergament. Neun Quaternionen und ein Doppelbl. Das ursprünglich
erste Bl. der ersten Lage ist ausgerissen, desgleichen eine große Ecke von Bl. 1,
mit Textverlust. Von der 9. Quaternio (63–67) fehlt ein Doppelbl. Auf jeder Seite
bis 7 rotlinige Notensysteme mit „weißen“ Mensuralnoten. Der Text zwischen
den Notensystemen und am Fuße derselben. Französische Bastarda. Groteske
Initialen (s. u.).
Der Band wurde im Jahre 1957 restauriert und neu in weißes Schweinsleder
gebunden. Die Pappen der alten Deckel, bestehend aus zusammengeklebten Fragmenten
eines französischen Kopialbuches aus dem Anfang des XV. Jhs., sind erhalten
und stehen in einem besonderen Umschlag bei der Handschrift. Lesbar u. a.
das Datum 1401, 21. Januar und: Deodatus Astigny … in Lugduno sepultus.
Auch Federzeichnung einer Kirche.
Die Handschrift stammt von dem Schreiber, der auch die Chansonniers Dijon
517 und Kopenhagen, Königl. Bibliothek, Thott 291 ausgeführt hat. (Vgl. Jeppe-
sen, S. XXV; s. u.). Bl. 68r–69v Schnörkelzüge, darunter (69r) der vermutliche
Namenszug Philyppe St.Symons. Ein Philippe St. Simon war um 1540 Abt des
Klosters Genlis und Dekan in St. Quentin (Jeppesen, S. XXIX).
Knud Jeppesen u. Viggo Brondal, Der Kopenhagener Chansonnier, Kopenhagen
u. Leipzig 1927, S. XXIVff. Abb. der Bll. 34v u. 35r, S. XVII. F. E. Droz, G. Thi-
baut u. Y. Rokseth, Trois Chansonniers frangais du XV. siöcle, Paris 1927. Die
Musik in Geschichte und Gegenwart 14, 1968, Sp. 810–811. Abb. in: Mus. in
Gesch. u. Geg. 2, Sp. 515/516.
Ir Chansons, dreistimmig. Voraus 1r Ave regina celorum und 1v Funde preces
… 2v A: Estil mercy de quoy on peust finer … Superius auf der Versoseite,
Tenor und Contratenor auf der Rectoseite jedes Blattes. 63v A: Cent mille
escuz quant je vouldroye … Nur Superius. Tenor und Contratenor fehlen.
64r nur Initialen. 65v Händewechsel, gelbliche Tinte. A: Ma dame trop vous
mesprenes … 66v A: (C)elle de parier bien aprise … 67v Händewechsel. A:
(O)utre Peronne et Saint Quentin … Nur Superius.
68v–69v nur Notenlinien und Eintragungen.
Eine genauere Beschreibung der vorliegenden Handschrift soll der geplante
Katalog der Musikhandschriften in der Herzog August Bibliothek bringen.
Die zierlich-grotesken Initialen (etwa 2,5 cm hoch) bilden in ihrer äußersten
Mannigfaltigkeit ein gutes Beispiel burgundischer Formenphantasie. Mensch,
Tier und Pflanze sind hier innig ineinander verflochten und verknäult. Nur wenige
Beispiele: Ein schwertbewaffneter Mann sitzt in einem riesigen Vogelschenkel,
er trägt eine Schnecke als Helm. Auf einem goldenen Becher liegt ein Fisch. Eine
Frau mit goldenen Flügeln und spitzem Hut sitzt auf einem Hocker. Zwei Affen
sitzen auf Baumstümpfen und halten zwischen sich einen goldenen Vogel mit
Menschenkopf an seinen ausgebreiteten Flügeln. Quer über zwei Männerköpfen
mit zusammengewachsenen Fischschwänzen kriecht eine grüne, geflügelte Raupe.
Ein Affe tritt auf den Schwanz einer sich emporkrümmenden Schnecke. Aus einem
Schneckenhaus schaut eine Greisenmaske hervor. Nackte Frauenleiber in blütenartigen
Trichtern usw. Die Zeichnung, besonders der Frauenköpfe, ist ausdrucksvoll-melancholisch,
trotz der Kleinheit. Braune, lichtblaue, zartgrüne und rosa
Töne herrschen vor. Sie sind meist mit Gold aufgehöht.
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