Collectio canonum (Dionysio-Hadriana) mit althochdeutschen Glossen
Weißenburg, Benediktinerkloster — 9. Jh., 1. Drittel
Provenienz: 1r und 174v Benediktinerkloster Weißenburg, Besitzvermerke: Codex sanctorum Petri et Pauli apostolorum in Wissenburg (1r). 174v Codex sanctorum Petri et Pauli in Wissenburg etc. pro fratribus ordinis sancti Benedicti. 1r Weißenburger Signaturenbuchstabe: .G. (14. Jh.). Die Handschrift gelangte über Heinrich Julius von Blum 1690 in den Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig ( 47; , 3–18).
Pergament — 174 Bl. — 38,5 × 23,7 cm
Lagen: III (6). IV (14). IV-1 (21). III-1 (26). 2 IV (42). IV-1 (49). IV (58). VI-1 (65). IV (73). III (79). IV-1 (86). 3 IV (110). 2 II (118). IV (126). III-1 (131). 3 IV (155). III-1 (160). IV (168). III (174) am Fußsteg des letzten Blattes Lagenbezeichnungen: I-XI, XIII, XIIII-XVII, XX-XXIIII (oben und unten gerahmt durch je drei liegende Wellen). Unten mittig zusätzlich Buchstabensignaturen: a-f, I-l, n-s, u, X-z, a. Moderne Tintenfoliierung. Schriftraum: 30 × 16 cm, einspaltig, 39 Zeilen. Karolingische Minuskel von mehreren Händen Die Zugehörigkeit zu Adallandus-Schule ist fraglich. Adallandus-Gruppe, zugehörig: 10 Weiss., 14 Weiss., 17 Weiss., 18 Weiss., 24 Weiss., 13 Weiss., 43 Weiss., 67 Weiss. (?) und 81 Weiss. (?) ( , 51–59). Die Handschrift ist bei Kleiber für die Gruppe erwähnt (vgl. , 127). Kapitel- und Titulizählungen in Rot vor dem Text am Blattrand. Incipits und Explicits zeilenweise oder wortweise wechselnd in roter und brauner Capitalis, zum Teil auch einfarbig. Text- und Kapitelanfänge in roter Unzialis. 17r Zeilenfüllornament: Zickzackmuster.
Roter Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1963).
INHALT
1r–173v : Collectio canonum (Dionysio-Hadriana). Zusammenstellung der Texte vgl. , 89–97; zu den Glossen vgl. , Nr. 968. 174v Hymnus in die resurrection (Fragment).
AUSSTATTUNG
Zahlreiche kleine Initialen. 16 Zierinitialen. 1 Initialgruppe.Initialziergruppe und Initialen: Zu den Kapitelanfängen zahlreiche kleine 1–3zeilige Initialen. Zu hervorgehobenen Textanfängen 15 größere 4–7zeilige Initialen. 1 Initialgruppe (2r). Die Übergänge in den Initialgrößen fließend. Die kleinen Initialen als schlanke Hohlbuchstaben, die Binnenfelder häufig rot oder hellgelb gefüllt. 47r, Buchstabe in Rautenform. Einige als Federinitialen und umrandet mit roter Punktkontur (vgl. 69v–70v; 2–4,5 cm). 15 größere Zierinitialen (2x 17v, 23r, 23v, 28r, 35r, 44r, 45r, 50v, 59r, 60v, 87v, 92v, 113v, 156v; 4–9 cm) und eine Initialgruppe (2r die Abbreviatur EPS - Episcopus; 11,5 cm). Diese ebenfalls rot und/oder hellgelb gefüllt oder in Aussparungstechnik, ohne Randleiste. Als Füllmotive Flechtwerk im Aussparungstypus, in den Abläufen rot und pergamentfarben gegenständig koloriert (vgl. 2r, 23v, 60v, 87v, 113v, 156v), schmetterlingsartige Blütenformen mit einbeschriebenen Rauten (92v), Vierer- und Dreierblüten, zum Teil mit gekernten Kreisverzierungen (vgl. 2r, 23v, 92v), mehrbahniges Zickzackband (vgl.2r), Schlangenlinien (44r, 92v hier kombiniert mit einem Tierkopf, 113v), Kreisen (87v), randständigen Halbpalmetten (92v). Häufiger auftretend, gekernte Kreise (Augen; vgl. 2r, untere Initialstammendung des S). Im Besatz, häufig an Fadenausläufen hängend: Halbpalmetten (vgl. 2r, 17v, 19v, 28r mit Fruchtständen, 44r, 45r, 50v, 59r, 87v, 92v, 113v, 156v), Vollpalmetten (45r, 60v), geschachtelte Herzblätter (vgl. 23v, 59r, 87v) mit und ohne konturierte Lappungen sowie teilweise mit Dolden, gekernte Kleeblätter (vgl. 2r, hier als Endmotive des Titulus, 28r, 60v), einfach gestufte Blütenendungen (vgl. 35r, 45r, 113v), Tierköpfe mit geöffneten Mäulern und langer Zunge (44r hier als Endmotive von Halbpalmetten), 92v, 156v), gehörntes, hängendes Blatt (28r). Auf 116v die Initiale oben mit angehängtem Schlangenkopf, unten mit dreiblättriger Blüte - darauf sitzend ein kleiner naturalistisch gezeichneter Vogel mit Frucht im Schnabel.
Farben: Orange, Beige und ausgespartes Pergament. Schwarze Grundierung.
STIL UND EINORDNUNG
, Nr. 7366 und , 88–97 zählen den Rechtscodex zu den Weißenburger Handschiften mit einer Datierung an den Anfang (Bischoff) und in die erste Hälfte (Butzmann) des 9. Jh. Initialformen und Füllungen bestätigen diese Lokalisierung. Mit Wolfenbüttel, HAB, 404.5 (8) Novi (Fragment) und Rom, BAV, Reg. lat. 423 liegen weitere Rechtshandschriften aus dem Kloster Weißenburg vor (Zusammenstellung und Besprechung bei , Weltliches Recht im Kloster Weißenburg/Elsaß. Hinkmar von Reims und die Kapitulariensammlung des Cod. Sélestat, Bibliothèque Humaniste, 14 (104), in: , (Hg.), Litterae medii aevi. Festschrift für Johanne Autenrieth zu ihrem 65. Geburtstag, Sigmaringen 1988, 69–85). Gute Vergleiche für die Weißenburger Bildausstattung geben die Handschriften 10 Weiss. und 18 Weiss. Parallelen geben u.a. die gleich gestalteten dünnen Initialstämmen mit einseitig schneckenartig aufgerollten Cauden (Q-Initialen - vgl. 3 Weiss., 59r mit 18 Weiss., 128v) und die als Initialstammendungen verwendeten gehörnten, hängenden Blättern (vgl. 3 Weiss., 28r, mit 18 Weiss., 132v). Auffällig gleich gestaltete Füllmotive sind das mehrbahnige Zickzackband (vgl. 3 Weiss., 2r mit 18 Weiss., 132v) und die blütenartigen Schmetterlingsformen (vgl. 3 Weiss., 92v mit 10 Weiss., 3r). Ähnliche Farbgebung und gleiche Verwendung von Flechtband, gelegentlich in Kombination mit ausgesparten Punkten und Palmetten (87v und 156v), zeigen 74 Weiss. (62r) und 72 Weiss., Bd. 4, Nr. DXCIIa Nachtrag (24). — , Nr. 4087 (Heinemann Nr.). — , 707. — , 88–97. — , 123–128, 142, 150 Anm. 687. — , Weltliches Recht im Kloster Weißenburg/Elsaß. Hinkmar von Reims und die Kapitulariensammlung des Cod. Sélestat, Bibliothèque Humaniste, 14 (104), in: / (Hgg.), Litterae medii aevi. Festschrift für Johanne Autenrieth zu ihrem 65. Geburtstag, Sigmaringen 1988, 69–85, hier 69. — , Bd. 1,1.2, 824. — , Nr. 15 ( ). — , Nr. 968. — , 225. — , 546. — , Nr. 7366. — , 363.
Abgekürzt zitierte Literatur
Katalog der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften, bearbeitet von R. Bergmann und S. Stricker, Bd. 4, Teil C. Katalog Nr. 780–1070, Berlin 2005 | |
B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014 | |
H. Butzmann, Die Weissenburger Handschriften, Frankfurt/M. 1964 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 10) | |
Divina officia. Liturgie und Frömmigkeit im Mittelalter, Wolfenbüttel 28. November - 31. Juli 2005, Konzeption von Ausstellung und Katalog P. Carmassi, Wiesbaden 2004 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 83) | |
W. Kleiber, Otfrid von Weißenburg. Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung und Studien zum Aufbau des Evangelienbuches, Bern/München 1971 (Bibliotheca Germanica 14) | |
N. Kössinger, Weißenburg, in: Schreiborte des deutschen Mittelalters. Skriptoren - Werke - Mäzene, hrsg. von M. Schubert, Berlin/Boston 2013, 537-547 | |
R. Kottje, Verzeichnis der Handschriften mit den Werken des Hrabanus Maurus, bearbeitet von R. Kottje unter Mitarbeit von T. A. Ziegler, Hannover 2012 (MGH Hilfsmittel 27) | |
S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1) | |
E. Lesne, Histoire de la proprieté ecclésiastique en France, Lille 1938 | |
E. Steinmeyer/E. Sievers, Die althochdeutschen Glossen, gesammelt und bearbeitet, 4 Bde., Berlin 1879–1922 | |
S. Westphal, Karolingische Buchmalerei aus dem elsässischen Kloster Weißenburg, in: Die Handschriften der Hofschule Karls des Großen. Individuelle Gestalt und Europäisches Kulturerbe, Tagung Trier 2018, Trier 2019, 357–391 | |
Liste der von H. J. Blum im Jahre 1673 der Wiener Hofbibliothek angebotenen Handschriften meist Weissenburger Herkunft, in: T. Gottlieb, Die Weissenburger Handschriften in Wolfenbüttel, Wien 1910 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 163,6) | |
Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 3: Die Weissenburger Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, in: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 2 Teil 5, Wolfenbüttel 1903, 268–443 |
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).