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Beschreibung von Cod. Guelf. 326 Noviss. 8° (Johanna Schirra: Beschreibung erstellt im Rahmen eines Bibliothekspraktikums an der HAB, 2019)

Schönrainer Liederhandschrift ('Büdinger Fragmente')

Pergament — 22 Bl. — 17–17,5 × 12–12,5 cm — Rhein-Main-Raum — 14. Jh., 2. Viertel

Lagen: V (10). II (14). III+2 (22). Bleistiftfoliierung modern: 122, außerdem frühere Bleistiftfoliierungen einzelner Blätter sowie teilweise Bleistiftpaginierung. Fragmente einer ursprünglich wohl umfangreicheren Liederhandschrift, neu zusammengebunden. Bei der Bindung sind einige Fehler unterlaufen, siehe Inhalt. Vom letzten Bl. ist nur ein restaurierter und ergänzter Streifen erhalten, misst 17 x 4,5 cm. Schriftraum: 12,5 × 8 cm, einspaltig, 21 liniierte Zeilen, Punkturen an den Blatträndern sichtbar. Verse sind lediglich im letzten Text (15r22v) abgesetzt und mit einer zusätzlichen Majuskelspalte versehen. Regelmäßige Textualis, von einer Hand geschrieben. 12rv verschiedene archivalische Beschriftungen (16./17. Jh.), z. B.: (12r) Vnser freundlichen dienst vnd alles gutts zuuor E. D. seyen mein vnderthenig phlicht u.a., in marg. links neben dem Textbeginn das leicht modifizierte Wappen von Ysenburg-Büdingen: Schild fünffach von Schwarz und Silber geteilt. (12v) Dem durchleuchtigsten hochgebornen Fursten vnd hern Landtgrauen zu Hessen. Rubriziert, an den Strophenanfängen abwechselnd rote und blaue Lombarden, letztere mit roten Konturbegleitstrichen mit Perlen- und Fibrillenbesatz und roten Füllungen im Binnenfeld. 1v, Fleuronnéeinitiale D über 3 Zeilen, Buchstabenkörper im Kopfstempel- und Zackenschnitt von Rot und Blau geteilt, im Binnenfeld, rote federgezeichnete Muster aus schachbrettartigen gekernten Quadraten mit seitlicher Strichelung. 15r eine gleichartig gestaltete Fleuronnéeinitiale E über 5 Zeilen mit einem Rahmen, in dem das Muster des Binnenfeld wiederholt wird und der mit eckständigen Perlen verziert ist.

Moderner Pappdeckeleinband (Anfang 21. Jh.) mit Kalbslederüberzug, darauf kleine vegetabile Blindstempel. Vermutlich sind die Fragmente im Zusammenhang mit dem Eingang in das Antiquariat gebunden worden.

Herkunft: Die Hs. entstand im zweiten Viertel des 14. Jh. vermutlich im hessisch-rheinfränkischen Gebiet, die Schriftsprache deutet auf den südrheinfränkischen Sprachraum hin. Eine genauere Lokalisierung, etwa nach Büdingen oder ins Kloster Schönrain, ist heute aufgrund des Zustandes der Fragmente nicht mehr möglich. Es ist anzunehmen, dass die Pergamentblätter als Makulatur auf der Frankfurter Buchmesse für die Verwendung im Archiv erworben wurden. Zwei weitere Bll. befinden sich heute in Basel, UB, Cod. N I 1, 73c.d, zwei weitere in Kassel, UBMB, 2° Ms. poet. et roman. 30[3+4], ein weiteres Fragment (genannt 54c) befindet sich bisher weiterhin im Privatbesitz der Familie Isenburg. — Die hier vorliegenden Fragmente wurden 1856 von W. Crecelius im Fürstlich Ysenburg- und Büdingenschen Archiv aufgefunden, wo sie als Umschläge für Akten dienten. Dort dürften sie sich gemäß der Datierung der oben zitierten ehemaligen Aktenbeschriftungen spätestens seit dem 16. Jh. befunden haben. Im späten 19. oder frühen 20. Jh. brachte der letzte Standesherr zu Ysenburg-Büdingen, Wolfgang Fürst zu Ysenburg und Büdingen (1877–1920), auf dem Fußsteg der Bl. 1r und 14r folgenden Besitzvermerk an: Eigenthum Seiner Durchlaucht des Fürsten Wolfgang von Ysenburg und Büdingen. Im Zuge der massiven Veräußerungen des Familienbesitzes wurden die Fragmente im Jahr 2003 an das Antiquariat Dr. Jörn Günther, Hamburg, übergeben, wo sie in der heute vorliegenden Form neu gebunden wurden. R. von Lucius, 'Für Forscher wichtiger als eine Gutenberg-Bibel', Die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel erwirbt die 'Schönrainer Liederhandschrift', in: arsprototo 1/2010, 32–35, hier 35. — Die Herzog August Bibliothek erwarb den Codex mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder am 1.12.2007 vom Antiquariat Dr. Jörn Günther.

W. Crecelius, Bruchstücke mittelhochdeutscher Handschriften in Büdingen, in: ZfdA 10 (1856), 273–291. — F. Schanze, Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mügeln und Hans Sachs, Bd. II: Verzeichnisse (MTU 83), München 1984, 160. — K. P. Decker, Büdingen 2, Fürstlich Ysenburg- und Büdingensche Bibliothek, in: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Bd. 5, hrsg. von B. Dugall, Hildesheim u.a. 1992, 47–54, hier 53. — Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts, , unter Mitarbeit von E. Klesatschke hrsg. von H. Brunner und B. Wachinger, Bd. 1: Einleitung, Überlieferung, Tübingen 1994, 109. — 2VL 11, 1384–1388. — Antiquariat Dr. Jörn Günther: Eight centuries of manuscript illumination, Brochure No. 8, Hamburg 2004, Nr. 4. — Antiquariat Dr. Jörn Günther: Catalogue 8. Fifty Manuscripts and Miniatures. Hamburg 2006, 34f. Nr. 9. — Handschriftencensus Nr. 2235.

Schreibsprache: Südrheinfränkisch mit rheinfränkischen Einschlägen (Hallmann Studien zum mittelhochdeutschen Wartburgkrieg, s. unten, 35)..

1rv Fürstenlob (Fragment). › (1v) Ez saz der lantgrafe Herman von Duringen und die landgrafin in irme sal und sozzen die meistere vor in und singen underem ander der erste her Walther von der Vogelweide der ander her Reimar der alte der dritte herr Heinrich von Ofterdingen der vierde der tugenthafte schriber der funfte herr Wolfram von Esschelbach der sehste Meister Clinsor vnde Bitterolf do hub an der von Ofterdingen‹. (1v) Daz erste singen nu hie tut Heinrich von Ofterdingen in des edeln fursten don von Duringenlant … — … (1r) ob im ein adlar zu allen ziten ist mit hohen flugen her … (Text bricht ab). Das Blatt ist seitenverkehrt eingebunden; die korrekte Textreihenfolge lautet: 1v, 1r. Edition: Der Wartburgkrieg, hrsg. von T. A. Rompelman, Amsterdam 1939, hier 147–149; J. Hallmann, Studien zum mittelhochdeutschen Wartburgkrieg. Literaturgeschichtliche Stellung – Überlieferung – Rezeptionsgeschichte. Mit einer Edition der Wartburgkrieg-Texte. Berlin, Boston 2015, hier 516–518, zum Text vgl. Str. 1–3 (mit dieser Hs., 29–36 beschrieben, Sigle Bd. Literatur: 2VL 10, 740–766, hier 743–746; Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts, unter Mitarbeit von E. Klesatschke hrsg. von H. Brunner und B. Wachinger, Bd. 5: Katalog der Texte, älterer Teil, Q–Z, Tübingen 1994, 496.

2rv Rätselspiel (Fragment). (2v, Text setzt ein) … pine er sluc an sie mit dornen scharpf vnde sine fuzze er sie vil ofte warf … — … (2r) wir heizzent sunde smeher mist des brunnen sprung ein wol gewirdet priester … (Text bricht ab). Erhalten ist nur ein Teil des Königstöchterrätsels, und zwar Str. 2–6 nach der Ausgabe von Hallmann. Das Bl. ist seitenverkehrt eingebunden; die korrekte Textreihenfolge lautet: 2v, 2r. Edition: Der Wartburgkrieg, hrsg. von T. A. Rompelman, Amsterdam 1939, hier 190f. Str. 38–42; Hallmann Studien zum mittelhochdeutschen Wartburgkrieg (s. oben), 383–385 (mit dieser Hs., 29–36 genannt, Sigle Bd. Literatur: 2VL 10, 740–766, hier 746–750. B. Wachinger, Sängerkrieg. Untersuchungen zur Spruchdichtung des 13. Jahrhunderts (MTU 42), München 1973, 12–14, 332; B. Wachinger, Überlegungen zu einer Neuausgabe des 'Wartburgkriegs'. Mit Editionsproben zum Rätselstreit, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 133 (2011), 57–99, hier 82–86; Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts, Bd. 5 (s. oben), 511.

3r8v, 10r12v, 13r14v Reinmar von Zweter: Gedichte (Fragment). (Text setzt ein) … kan iht gutes one dich beginnen welch herze mag dich sunder dich geminnen … — … wil er zuht und ritters namen vergessen im zeme baz uf… (Text bricht ab). Enthalten sind insgesamt 43 Gedichte, dazwischen 4 Strophen des Litschauer (vgl. unten). Teilweise wurde bei der Bindung der Fragmente die Abfolge beeinträchtigt. So müsste 8 auf 3 folgen, 13 auf 9 und 9 auf 14. Folgende Strophen sind identifizierbar (gez. nach der u. g. Ausgabe): (3rv): 10–13 (10 ab V. 7); (4rv): 55–58 (55 ab V. 2, 58 bis einschl. V. 4); (5r6v): 61–67 (61 ab V. 5); (7rv): 74–77 (74 ab V. 7); (8rv): 14–17 (17 bis einschl. V. 4); (9r): 252 (wie in der Ausgabe ab uf), danach Litschauer (s. unten); (10rv): 78–81 (81 bis einschl. V. 3); (11rv): 101–104 (101 ab V. 6, 104 bis einschl. V. 8); (12rv): 112–115 (112 ab V. 7, 115 bis einschl. 11); (13rv): Ende der 4. Strophe Litschauer, danach 75, 93, 61, 270 (V. 1, danach dz ist vor geschriben); (14rv): 199 (ab V. 2), zwei bislang unbekannte (ed. bei Schanze als Scheltstrophe I u. II); Anfang von 252 (ed. bei Schanze als Scheltstrophe III). Edition: Die Gedichte Reinmars von Zweter, hrsg. von G. Roethe, Leipzig 1887, 415–419, 438–444, 449–451, 456, 462–464, 468–470, 543. F. Schanze, Scharfe Schelte. Drei unedierte Strophen im Ehrenton Reinmars von Zweter, in: Dichtung und Didaxe. Lehrhaftes Sprechen in der deutschen Literatur des Mittelalters, hrsg. von H. Lähnemann und S. Linden, Berlin, New York 2009, 107–116, hier 109–114 (nach dieser Hs.). Literatur: 2VL 8, 1198–1207; Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts, Bd. 5 (s. oben), 225. In den Text ist eingeschoben:

9rv, 13r Der Litschauer: Gedichte (Fragment). (Text setzt ein) Wol zimt der edele stein in rotem golde sain zieret einen schonen lip … — … … die sint der werlde ir valscher mein die sint der schraf und auch daz klein ist ir fruntlich schimpfen. Str. I, 1–4 auf 2 Bll., durch falsche Bindung nicht mehr zusammenhängend. Edition: Kleinere Spruchdichter des dreizehnten Jahrhunderts. Der Hardegger – Höllefeuer – Der Litschauer – Singauf – Der Unverzagte, hrsg., übers. und komm. von E. Collmann-Weiß, Stuttgart 2005 (ZfdA Beiheft 5), 104–111 (mit dieser Hs., 13 genannt, Sigle T). Literatur: 2VL 5, 851f.; Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts, Bd. 5 (s. oben), 256f.

15r22v Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg. Ein kunig was zu troie hi vor | Den twang der tugende bor | Daz er noch hoher virde vaht | Uff ere leit er sine maht … — … Da sach … | Nit la … | Der nu … | Zu din … | Her o… Text bricht ab. Drei Textabschnitte auf acht Bll.: 15r16v: V. 325–408; 17r21v: V. 451–660; 22r: Rest von V. 922, 22v: Anfänge der V. 934–954. Edition: Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg und die anonym überlieferte Fortsetzung, hrsg. von H. Thoelen und B. Häberlein, Wiesbaden 2015 (Wissensliteratur im Mittelalter 51), 5f., 6–10 und 14 (XV Nr. 4 Hs. genannt). Literatur: Anmerkungen zu Konrads Trojanerkrieg, hrsg. von K. Bartsch, Tübingen 1877 (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 133), IIf. 2VL 5, 272–304, hier 297–299 (ohne Nennung der Hs.); E. Lienert, Die Überlieferung von Konrads 'Trojanerkrieg', in: Die deutsche Trojaliteratur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Materialien und Untersuchungen, hrsg. von H. Brunner, Wiesbaden 1990 (Wissensliteratur im Mittelalter 3), 325–406, hier 342f.


Abgekürzt zitierte Literatur

MTU Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters, München 1961–, Tübingen 1994–
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015
ZfdA Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, Stuttgart 1 (1876) –

Korrekturen, Ergänzungen:
  • Angaben zum Bibliothekspraktikum ergänzt oder korrigiert. (henseleit, 2023-12-08)
  • Lizenzangaben korrigiert (schassan, 2020-04-17)

Beschreibung erstellt im Rahmen eines Bibliothekspraktikums an der HAB vom 23.09.–18.10. 2019.
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