Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 12. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung) (Vorläufige Beschreibung)
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 35 Weiss.
Hilarius Pictaviensis, Commentarius in Matthaeum. Ausleihverzeichnis der Weißenburger Bibliothek
Weißenburg — um 850
Provenienz: Kloster Weißenburg, Besitzvermerk. 1r Codex monasterii Petri et Pauli apostolorum in Wizenburg ordinis Benedicti. 2r Signaturenbuchstabe .E. (14. Jh.). Darüber Hylarius super Matheum Wiener Liste 2°26.
Pergament — 114 Bl. — 30 × 23 cm
Lagen: 1 Vorsatzblatt. III+1 (7). 3 IV (31). II+2 (37). III (43). II+2 (49). 6 IV (97). III (103). III+1 (110). II (114). Moderne Tintenfoliierung. Guter Zustand. Schriftraum: 20,5 × 14 cm, einspaltig, 23 Zeilen. Karolingische Minuskel von zwei Händen. 1v eine Textzierseite mit orangener Capitalis Quadrata. Die Buchüberschrift 2r zeilenweise wechselnd in roter und schwarzer Capitalis Quadrata mit anschließender Zeile Unzialis.
Roter Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1977).
INHALT
1v-113r : Commentarius in Matthaeum ( 0430; 200). 113v-114r Weißenburger Ausleihverzeichnis (2. Hälfte 10. Jahrhundert; vgl. , 146; Abdruck in , Kat.Nr. 46.).
AUSSTATTUNG
Eine Zierinitiale.Zu Textbeginn 2r eine konturierte Zierinitiale (7,3 cm). Die G-Initiale mit Minium gezeichnet. Als Füllmotive eine Doppelspirale und Seilschlingen mit je einem spitz zulaufendem Ende. Der Initialstamm mit teils kolorierten, gebuchteten Spangen. Als Initialstammendungen jeweils eine Palmette. Die im Binnenfeld befindliche, mit großem Knospeneinsatz. Am unteren Bogen ein kurzer Dornfortsatz.
Farben:
Eingeschränkte Farbskala mit Beige/Gelb und Dunkelblau. In der Vorzeichnung und Konturierung wurde Minium (Schriftfarbe) verwendet.STIL UND EINORDNUNG
Die bisherige paläographische Beurteilung des Codex erfolgte uneinheitlich. Bischoff lokalisiert die Handschrift nach Weißenburg und datiert sie in das zweite Viertel/die Mitte des 9. Jahrhunderts ( , Nr. 7388). Butzmann weicht von dieser Loklisierung mit der Angabe Südwestdeutschland(?)/Weißenburg(?) ab und präzisiert die Datierung auf Mitte 9. Jahrhundert ( , 146-147). Kleiber geht davon aus, dass sich das Buch, als Bestandteil des unter Otfrid zusammengestellten Bibelwerkes oder Kommentarwerkes bereits zur Otfrid-Zeit (Mitte 9. Jahrhundert) im Besitz des Klosters Weißenburg befunden hat, verweist aber auf eine fremde Schriftprovenienz ( , 134, 136-138). Hoffmann schließlich gibt eine Weißenburger Hand aus dem 2. Drittel des 9. Jahrhunderts an (mit einem Handvergleich zu dem Fragment HR 5,4 aus dem Staatsarchiv Marburg; , Bd. 1, 311). Auf den Blättern 113 und 114 am Ende der Handschrift wurde ein Ausleihverzeichnis hinzugefügt, das Butzmann auf die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts datiert ( , 146.). Es finden sich Namen von Ausleihern, den verliehenen Bücher und Spuren der Tilgung nach Zurückbringen von letzteren (vgl. , Kat.Nr. 46 [P. Carmassi]). Hoffmann vermutet für die Entstehung der Liste die erste Hälfte des 10. Jahrhundert oder die Zeit um 900 (nach der Gründung des Klosters Andlau, ca. 809) an und verweist auf mehrere spätere Zusätze, u.a. Anno episcopus librum I (gemeint ist Bischof Anno von Worms, 950-978; , Bd. 1, 311). Die Handschrift war bereits sehr früh in Weißenburg in Gebrauch und zeigt im Ornament Ähnlichkeit zur Heidelberger Otfrid-Handschrift (Evangelienbuch, Heidelberg, UB, Cod. Pal.lat. 52, Weißenburg, um 870). Hier findet sich auf 14r die in der Wolfenbütteler Handschrift als Initialstammendung verwendete Palmette mit Knospeneinsatz, sowie die gebuchteten Spangen. Die in der Wolfenbütteler Handschrift vorliegende Verwendung von Gold und Dunkelblau findet ihre Parallele in 48 Weiss. Motive und Initialstil lassen ebenfalls eine Nähe zum Reichenauer Skriptorium erkennen, wo sich bei ähnlicher Farbgebung das Motiv der wuchtigen Palmette, die Dornfortsätze am Initialstamm und der Wirbel als Füllmotiv wiederfinden (vgl. insbesondere das Sakramentar Wien, ÖNB, Cod. 1815, Reichenau um 850; , Kat.Nr.1; , Abb. 221, 225. Zur Gruppe vgl. 48 Weiss.)., 37. — , Nr. 4119 (Heinemann Nr.). — , 707. — , 146-147. — , 19 Anm. 62, 81, 91, 111, 114 Anm. 75, 115. — , 134. — , Les listes médiévales de lectures monastiques. Contribution à la connaissance des anciennes bibliothèques bénédictines, in: Revue Bénédictine 96 (1986), 271-326. — , The Carolingians and the Written World, Cambridge 1989, 264-266. — , 93. — (Hg.), Otfridi Wizanburgensis Glossae in Matthaeum (CC CM 200), XI. — , Kat.Nr. 46 (P. Carmassi). — , Bd. 1, 166, 296, 301, 311, 316. — , Nr. 7388. — , 94.
Abgekürzt zitierte Literatur