Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung) (Vorläufige Beschreibung)

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 36.23 Aug. 2°

Agrimensores (Codex Arcerianus)

Rom (?) / Italien — 6. Jh., Anfang/um 500

Provenienz: Die frühe Provenienz der Handschrift ist unklar (entsprechende Einträge fehlen), wobei die Annahme, dass sich der Codex im 10. Jh. im Benediktinerkloster San Columban in Bobbio befunden haben soll, in der Forschung kontrovers diskutiert wird (zur Diskussion vgl. Faks. Arcerianus, 36). Aus textlichen Gründen argumentierten Lange und Lachmann für diese Theorie (L. Lange, Prolegomena critica et historica in Hygini. De munitionibus castrorum libellum, Göttingen 1847, 9. und Lachmann, Bd. II, 10.), welche von Heinemann übernommen wurde (Wolfenbüttel Aug., Bd. 3, Nr. 2403, 128). Für eine Lokalisierung des Arcerianus nach Bobbio im 15. Jh. sprechen die Einträge auf einem Blatt heute in Hannover (Hannover, GWLB, Cod. XLII, 1848), das ehemals dem Mailänder Humanisten Giorgio Merula (1430/1431–1494) gehörte. Es werden 25 Texte aus seinem Besitz genannt, von denen die letzten fünf Einträge und die Reihenfolge ihrer Nennung mit den Schriften des vorliegenden Codex übereinstimmen. Da Schriften aus Teil B vor denjenigen aus Teil A genannt werden, ist wahrscheinlich davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt beide Texte noch ungebunden vorlagen. Dem Sekretär Gorgio Galbiato, der im Auftrag Merulas handelte, gelang 1494 nachweislich die Entdeckung der Klosterbibliothek von Bobbio, eine Nachricht, die Merula an seinen Auftraggeber Ludovico Sforza weitergab. 1506 erwähnt Raffaele Maffei (gen. Volaterranus) in seinem 4. Buch der Commentariorum urbanorum, dass aus Bobbio stammende Bücher vom päpstlichen Sekretär Tommaso Inghirami (gen. Phaedra) nach Rom verbracht wurden. Inhalt und Reihenfolge der Nennung entsprechen der Liste heute in Hannover, so dass dieselbe Quelle angenommen werden darf. Zusammen mit der Agrimensorenhandschrift Florenz, BML, Cod. Plut. 29.32 befand sich der Arcerianus vermutlich in der Sammlung von Angelo Colocci (1497–1549; Sekretär Papst Leos X. und Humanist), die 1527 einer Plünderung zum Opfer fiel (zur Diskussion vgl. Carder, 19–23). Nach Heinrich Julius Blum (Lachmann, Bd. 2, 17–18) gelangte der Arcerianus in der Zeit von 1529–1535, in Freiburg in den Besitz des Erasmus von Rotterdam (vgl. Eintrag von der Hand des Praedinius, s.u.). Nicht auszuschließen ist jedoch auch die direkte Übergabe der Handschrift von Papst Leo X. an denselben (vgl. Carder, 23,24). Nach seinem Tod ging der Arcerianus an Johannes a Lasco weiter, um daraufhin in den Besitz der Humanisten Gerhard Mortaigne und Regnerus Praedinius überzugehen (s. Einträge). In den Händen von Ludovicus Miraeus ist die Handschrift in der Zeit von 1559–1566 in Lyon belegt (vgl. L. Lange, Prolegomena critica et historica in Hygini De munitionibus castrorum libellum, Göttingen 1847, 9). Ungefähr um 1565 fand die Handschrift ihren Weg in den Bestand des namengebenden Utrechter Gelehrten Johannes Theodoretus Arcerius, von wo aus sie an Pieter Schrijver zeitweilig verliehen wurde. Letzterer gelangte nach dem Tod Arcerius, wahrscheinlich über den Sohn des Arcerius, Sixtus, in den Besitz der Handschrift (vgl. P. Molhuysen, Zur Geschichte des Codex Arcerianus der Agrimensoren, in: Centralblatt für Bibliothekswesen, Bd. 19 (1902), 269–271). 1663 wurde die Handschrift an Herzog August den Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg verkauft (Eintrag im Bücherradkatalog auf pag. 5822; Milde Erwerbungsjahre, 102) und gelangte über diesen in die Sammlung der Herzog August Bibliothek. Einträge: IIIr-IVv: F. A. Ebert, 1823. 1r: At nunc Joanis Arcerii 1566 (Johannes Arcerius, 1538–1604) Gerardus Mortaigne (3x) Bonus vir (Gérard Mortaigne, 1553–1554?); Regneri [nuc] [su] Predinii (Regnerus Praedinius, 1559); Jan Laski (Johannes a Lasco, 1499–1560). 2r: Et hic ex bibliotheca Erasmi (Schrift des Praedinius, s.u.).; Johannes Theodoretus (1566); Petrus Scriverius (1602–1621).

Pergament — 120 Bl. — 31,5 × 24,5 cm

Aus 2 Teilen zusammengesetzt: A, Bl. 2–83, B, Bl. 84–122. Lagen: Aus zwei Teilen zusammengesetzt: A 2r83v und B 84r156v. Vorsatz: Papierblätter I-XXVII. Ein Pergamentblatt, foliiert als Blatt 1. Papierblatt XXVIII. Text: nach der Foliierung von Heinemann, beginnend mit Bl. 2 (Zahl 123 bei der Zählung ausgelassen): IV-2 (7). IV (15). IV-1 (22). IV-1 (29). 2 IV (45). IV-3 (50). IV (58). IV-1 (65). IV-1 (72). IV-2 (78). IV-3 (83). 4 IV (115). IV-1 (122). V-1 (132). 3 IV (156). Verschiedene Zählungen, nach Butzmann zusammengestellt in: Faks. Arcerianus, 38–40; 1. ältere Foliierung in lateinischen Ziffern, 2. Foliierung aus dem 15.(?) Jh., 3. Foliierung aus dem 16. (?) Jh., 4. Spaltenzählung von Lachmann für seine Ausgabe, 5. Foliierung von Thulin (vgl. Thulin Handschriften, 12–23), 6. Foliierung von O. v. Heinemann.

Roter Ledereinband (Neubindung in den 60/70er Jahre 20. Jh.).

INHALT

Neuzeitliche Vorsatzblätter, Papier, bez. I-XXVII. — I leer. (IIv) Otto von Heinemann: Beschreibung der Handschrift (Wolfenbüttel Aug., 2. Abt., Bd. 3, Nr. 2403, 124–128). (IIIr-IVv) Friedrich Adolf Ebert: Beschreibung der Handschrift Dat. 10.7.1823 (Druck: F. A. Ebert, Zur Handschriftenkunde, Leipzig 1827, 5–12, Nr. 20; Lachmann, Bd. 2, 467–471). (Vr/v) Johannes Isaacus Pontanus: Brief an Petrus Scriverius (Dat. Harderovici [Hardewijk im Gelderland], 26.10.1621). (VIr-VIIIr) Emendatio in libellum Hygini, De munitionibus castrorum (Beilage zum Brief des Pontanus). — VIIIv leer. (IXr) Lectiones zu Hyginus. — IXv-Xr leer. (XIr-XIVv) Hyginus: Auszug aus HyginusDe munitionibus castrorum. Am Textende, XIVv unten, Verweis auf Volaterranus, Commentarii urbici, Liber 30. (XVr) Pierre Galand: Brief des Pierre Galland. Brief über den Fund einer Agrimensorenhandschrift in St. Omer an Charles de Guise, Kardinal von Lothringen (dat. 10.12.1554). Darunter aus Epitome Bibliothecae Conradi Gesneri (Hand des Scriverius, dat. Zürich 1555). (XVv) Volterranus: Auszug aus den Commentarii urbici. (XVIr-XVIv) Inhaltsverzeichnis einer Agrimensorenhandschrift. Raptim hos titulos excerpsi Petrus Criverius. Prid. Kal. Novi Anni MDCIIII. Hyginus: Auszug aus Hyginus. Ex Antonii Galesii Massae cod. et Basil Zanchi, vgl. Lachmann, 30. Unten der Eintrag Sum Petri Scriverii ex dono Jo. Wouverii (Holländischer Philologe, 1574–1612) ex cuius manu suae scheda manuscripti. (XXVv-XXVIr) Lesarten zu Hyginus , nachfolgend XXVIv leer. (XXVIIr-XXVIIv) Hyginus: Auszug aus Hyginus. Das Blatt XXVIIr (Pergament) in der Foliierung als 1 gezählt. (1rv) Text aus dem 13. Jh. (XXVIIIr) Volterranus: Auszüge aus Liber 16 , nachfolgend XXXXVIIIv leer.

STIL UND EINORDNUNG

Die vorliegende Handschrift 36.23 Aug. 2°, der, nach seinem Vorbesitzer benannte Codex Arcerianus, gilt als das älteste erhaltene Exemplar mit dem Corpus Agrimensorum Romanorum überhaupt. Er enthält zwei unterschiedliche Textsammlungen, Arcerianus A (Bl. 2–83) und Arcerianus B (Bl. 84–122 und 124–156). Nur Teil A beinhaltet Bildausstattung. Bereits Thulin erbrachte den Nachweis, dass sämtliche erhaltenen Vermessungstexte auf einen einzigen Archetypus zurückzuführen sind, dessen Abschriften in der nachfolgenden Zeit in drei unterschiedliche Haupttextgruppen zu unterteilen sind - A/B (benannt nach dem Arcerianus; vor texthistorischem Hintergrund ursprünglich entstanden in der Zeit 4.-6 Jh.), P1/P2 (entstanden in zwei Redaktionen, 533 und 550, vgl. Koehler/Mütherich Karolingische Miniaturen VIII, 55, 57, 77; Thulin, 41–59; zugehörige Handschriften: Rom, BAV, Pal. lat. 1564 (zur Handschrift vgl. Frankish Manuscripts, Nr. 65; Wolfenbüttel, HAB, 105 Gud. lat.) und E:F (nach Thulin, 69–72 Codices mixti; zugehörige Handschriften: Florenz, BML, Cod. Plut. 29.32; Erfurt, UB, Dep. Erf. CA. 4° 362; London, BL, Add MS 47679).

Paläographisch wird Teil B um 500 datiert. Teil A entstand wohl kurze Zeit später, im beginnenden 6. Jahrhundert und war vermutlich als Ergänzung gedacht. Für Letzteres spricht der in A zu Beginn noch wie in Teil B vorhandene zweispaltige Schriftspiegel, der erst mit dem Einsetzen der aufwendigen Illuminationen auf 17r aufgegeben und durch einen einspaltigen ersetzt wird. Zwei Kopien des Arcerianus aus dem 16. Jh. sind erhalten, beide mit den im 16. Jahrhundert noch vorhandenen Bildern (Rom, BAV, Vat. lat. 3132 - abgeschlossen durch den vatikanischen Schreiber Zanchi - hier Bilder mit Variationen; Jena, UB, Cod. 156; vgl. C. Thulin, Humanistische Handschriften des Corpus Agrimensorum Romanorum, in: Rheinisches Museum für Philologie 66 (1911), 417–451, hier 419–422, 425–431).

Die beeindruckenden Miniaturen, Diagramme und geometrischen Zeichnungen der Handschrift erfuhren vorrangig durch die Dissertation von Carder, sowie durch die Veröffentlichungen von Campbell, XXIII-XXVI und Koehler/Mütherich Karolingische Miniaturen VIII, 55, 57, 77 kunsthistorische Beachtung. Als Quelle für die Diagramme dürfen Darstellungen auf Vermessungskarten und -berichten angenommen werden (vgl. Fragment einer Vermessungskarte aus Augusta Emerita (Mérida/Spanien) und die Vermessungskarte der Grundbesitze in Arausio (Orange/Frankreich; vgl. Campbell, XXIV). Die farbigen Illustrationen stehen, mit ihren Ansichten aus der Draufsicht und den fehlenden figürlichen Darstellungen, in der Tradition der spätantiken, genauer römischen, topographischen Landschaftsmalerei und antiken chorographischen Kartographie. Letztere Variante besitzt auf den Darstellungen, wie der Arcerianus, eine häufig anzutreffende Markierung von topographischen Details, die für die jeweilige Gegend typisch waren, und dem Reiseverlauf einer Route glichen, wie auf der Tabula Peutingeriana (Wien, ÖNB, Cod. 324 - aus dem 11./12. Jh. Jh. stammende Kopie nach einer Straßenkarte des Römischen Reichs, 1. Hälfte 5. Jh. - Theodosius II., 435 ?; vgl. M. Rathmann, Tabula Peutingeriana. Die einzige Weltkarte aus der Antike, Darmstadt 2016, 15, 16; Campbell, XXV). Die über reine Illustrationen hinausgehenden, den Text tiefer erklärenden Diagramme und geometrischen Zeichnungen stehen in der Tradition der technischen Zeichnung, wie sie bereits von Vitruv (De Architectura, 1.1.4) für Architekturzeichnungen empfohlen wurde. Carder, 189–204 gibt an, dass die Stadtdarstellungen und Bergzüge des Arcerianus stilistisch in die Zeit 4.-6. Jh. verweisen - einige Bergdarstellungen möglicherweise auf einen früheren Zeitpunkt. Dementsprechend nimmt er an, dass die Illustrationen bereits in der ersten Rezension der Handschrift vorhanden gewesen sind. Ob die Illustrationen bereits von Beginn an den Texten beigegeben waren, oder später hinzugefügt wurden, lässt sich auf dieser Grundlage nicht genauer bestimmen. Das Autorenportrait auf 67v wurde in der Forschung ausführlich besprochen (Zusammenstellung bei Carder, 130–136). Demnach geht die Körperhaltung des Mannes auf einen in der Spätantike geläufigen Typus zurück, der seinen Ursprung in der frühhellenistischen Epoche hat. Carder, 198–199 konnte nachweisen, dass die Frisur des gezeigten Mannes Parallelen im späten 5. und frühen 6. Jh. besitzt. Die in griechischer und römischer Kunst geläufige Darstellung des Philosophen, häufig mit übereinander geschlagenen Beinen unter einer Architektur sitzend, wird im Frühmittelalter als Typus des Autorenportraits bei Evangelistendarstellungen übernommen. Die im Arcerianus vorhandene Geste der kalkulierenden Finger verweist auf einen Zählvorgang, anzutreffen bei antiken Darstellung von Mathematikern (Euclid (?); zur Diskussion vgl. Carder, 132).

Die im Agrimensorencodex eine untergeordnete Rolle spielenden Initialen und Registerbuchstaben wurden bereits von Nordenfalk Zierbuchstaben, 122–124 in den Kontext der spätantiken Buchmalerei verortet. Demnach findet sich die relativ textungebundene Stellung der Registerbuchstaben, wie sie im Arcerianus vorliegt, bereits im Wiener Dioscurides (vgl. Wien, ÖNB, Med. gr. 1, Byzanz, um 512; vgl. Nordenfalk Zierbuchstaben, 123, Taf. 139–140). Die Initialform mit den gerollten Serifen hat ihre Parallelen bereits früh im Vergilius Augusteus (Rom, BAV, Vat. lat. 3256, Rom, 2. Hälfte 4. Jh.; Nordenfalk Zierbuchstaben, Taf. 17–23), letztere und die bekrönenden Dreiecke kommen im sogenannten Codex Forojuliensis (Cividale, Museo Archeologico Nazionale, Cod. CXXXVIII, Italien, Anfang 6. Jh.; Nordenfalk Zierbuchstaben, fig. 32) und in weiteren Handschriften aus dem 6./7. Jh. vor (Zusammenstellung vgl. Nordenfalk Zierbuchstaben, 136). Hier finden sich auch die Füllmotive, wie u.a. der laufende Hund.

Die in der Forschung bisher geleisteten Besprechungen (Text und Bild) verweisen auf die grundlegende Rolle des Wolfenbütteler Arcerianus bezüglich der Corpusforschung. Paläographische, textliche und kunsthistorische Vergleiche lassen jedoch kaum mehr als eine zeitliche Einordnung der Handschrift auf die Zeit um 500 (Teil B) und das frühe 6. Jh. (Teil A), sowie eine allgemeine italienische Provenienz mit einem Vorschlag für Rom zu (Teil A, vgl. Nordenfalk Zierbuchstaben).

A. Schulten, Römische Flurkarten, in: Hermes 33 (1898), 534–565, hier 536. — Thulin. — CLA IX, 1374a+b. — K. Weitzmann, Ancient Book Illumination, Cambridge 1959, 6, 7 (Martin Classical Lectures XVI). — Wolfenbüttel Aug., Nr. 2403 (Heinemann Nr.). — Dilke Illustrations, 11–30. — Lachmann, Bd. 2. — Faks. Arcerianus. — Nordenfalk Zierbuchstaben, 122–124, Taf. 36–38. — A. Petrucci, L'Onciale Romana, in: Studi Medievali, ser. terza, XII, 1971 (Centro Italiano di studi sull'alto Medioevo, Spoleto, 75–134), hier 107. — Milde, 2–9. — C. Nordenfalk, Rezension zum Faks., in: Kunstchronik 26 (1973), 79–83. — B. Bischoff>, Rezension zum Faks., in: Gnomon 46 (1974), 563–567. — Carder. — M. T. Hause, Konkurrierende Grenzen. Text, Bild und Raumvorstellungen in De limitibus constituendis des Hyginus Gromaticus, in:M. Bauer, T. Rahn (Hg.), Die Grenze. Begriff und Inszenierung, Berlin 1997, 279–299. — F. Mütherich, Geographische und ethnographische Darstellungen in der Buchmalerei des frühen Mittelalters, in: Popoli e paesi nella cultura altomediavale, Bd. 2, Spoleto 1983, 709–743, 745–750, hier 723,724 (Settimane di studio del Centro Italiano di studio sull'alto Medioevo XXIX). — L. Brubaker, Introduction of Painted Initials in Byzantium, in: Scriptorium 45 (1991), 22–46, hier, 30 Anm. 35 und 36. — Dilke Land Surveyors, 17, 67, 68, 101, 102, 128, 129, 154, 171, 172. — Sörries, 120, 121. — Stückelberger, 113–120, 55, Taf. 37, Taf. 38. — Toneatto, 139–162; Taf. III — Zaitsev, 546–552. — Europas Weltbild, Nr. 1. — Kaiser, 277, 289. — Koehler/Mütherich Karolingische Miniaturen VIII, 55, 57, 77. — Tewes, 60 Anm. 226, Abb. 79. — Kleine, 117–125. — B. Lesser, Longe maximum vero Bibliothecae Augustae ornamentum. Zur Geschichte und Katalogisierung der Codices Gudiani in Wolfenbüttel, in: P. Carmassi, Retter der Antike. Marquard Gude (1635–1689) auf der Suche nach den Klassikern, Wiesbaden 2016, (Wolfenbütteler Forschungen 147), 445–516, hier 481–483. — M. Nanni, Musikalische Diagramme zwischen Spätantike und Karolingerzeit, in: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung (2017), Bd. 22, Heft 2, 273–293, hier 280, Abb. 2. — Hyginus Feldmesserbuch. — Boreczky Apollonius pictus, 450f. — M. C. McNamee, Imaging and Imagining Solidity, in: After the Carolingians. Re-defining Manuscript Illumination in the 10th and 11th Centuries, hrsg. von B. Kitzinger und J. O'Driscoll, Berlin /Boston 2019, (Sense, Matter and Medium 2), 86–117, hier 87–89. — J. O'Driscoll, Shaping Tradition. The Use of the Carolingian Past in a Tenth-Century Manuscript at the Morgan Library (PML, MS M.319), in: After the Carolingians. Re-defining Manuscript Illumination in the 10th and 11th Centuries, hrsg. von B. Kitzinger und J. O'Driscoll, Berlin /Boston 2019, (Sense, Matter and Medium 2), 213–244, 233 Anm. 31. — Frankish Manuscripts, Bd. 2, 245f. (Hs. erwähnt).

A

Pergament — 82 Bl. — Rom (?) — 6. Jh., Anfang

Pergament — 82 Bl.

Guter Zustand. Ausgeschnittene Darstellungen und Blattverluste: 20r, erhalten in: Jena, UB, Cod. 156, 76v und Rom, BAV, Vat. lat. 3132, 9r; 20v, erhalten in: Jena, UB, Cod. 156, 77r und Rom, BAV, Vat. lat. 3132, 9v; Blatt-/Textverlust zwischen fol. 48 und 49 (vermutlich mit Abbildungen); 59v, erhalten in Jena, UB, Cod. 156, 25v und Rom, BAV, Vat. lat. 3132, 52r; Blatt-/Textverlust zwischen fol. 59 und 60; 60r, erhalten in: Jena, UB, Cod. 156, 26v und 53r; 60v, erhalten in: Jena, UB, Cod. 156, 27r und Rom, BAV, Vat. lat. 3132, 53v. Vermutlich eine ähnliche Abbildung, wie die auf 62r fehlende erhalten in Rom, BAV, Pal. lat. 1564, 102r. Zeichnungen von Grenzsteinen, wahrscheinlich ehemals vorhanden auf den nun fehlenden Blatt 82 und 83, erhalten in Erfurt, UB, Dep. Erf. CA. 4° 362, 3,14–4 und Florenz, BML, Cod. Plut. 29.32, 5r–8v. Vgl. Carder, 11, 12. Schriftraum: 24 × 19,5 cm, zweispaltig (2r16v) und einspaltig (17r78v), 28 Zeilen. Unzialis von mehreren Händen Kapitelüberschriften entweder in roter Unzialis, Capitalis Quadrata oder Capitalis Rustica. Explicits in brauner oder roter Capitalis Rustica. Textanfänge häufig in roter Unzialis. Paragraphenanfänge häufig hervorgehoben durch vergrößerte Initialen in Uncialis oder Capitalis Quadrata. Nachträge: 41v (10. Jh., vgl. CLA 9, 1374b); 75r: Giselbertus, darunter ab is s stux; 38r und 51r: Hinc orantes cum/precamur … und Sub tempore Iere mie multe malti tie … ; 28r und 29v: tachygraphische Marginalien.

INHALT

Agrimensores. (2ra-4ra) Marcus Iunius Nipsus: Fragmentum de lapidibus centuriarum (Lachmann, Bd. 2, 291, 13–295,15). (4ra-6rb) Liber podismi (Lachmann, Bd. 2, 295, 16–301; Bubnov, 510–516). (6rb-16vb) Vitruvius Rufus, Epaphroditus: Excerpta geometrica de mensuris agendis (Lachmann, Bd. 2, 245,3–246,9; Bubnov, 518–524, 527). (16vb-23r) Iulius Frontinus: De agrorum qualitate, De controversiis, De arte mensoris (Thulin, 1–3 und fig. 11; 4–6,16; 7,3–8,2; 8,7–9,12; 10,11–8 und fig. 24; Lachmann, Bd. 2, 1–8,9; 9–16,6; 17,3–19,4; 20,3–22,8; 24,10–26,2 und fig. 24). (23r23v) Iulius Frontinus: De limitibus (Thulin, 14,23–15,4 und fig. 32; Lachmann, Bd. 2, 26,5–10 und fig. 25). (23v) Iulius Frontinus: De arte mensoria (Thulin, 18,13–19,14; als De limitibus bei Lachmann, Bd. 2, 26,11–27,9). (24r25v) Iulius Frontinus: De limitibus (Thulin, 11,13–14,21 und fig. 31; Lachmann, Bd. 2, 28,9–31,10 und fig. 33). (25v27v) Iulius Frontinus: De arte mensoria (Thulin, 15,6–18,11; als De limitibus bei Lachmann, Bd. 2, 31,12–34,13). (27v28r) Liber coloniarum I (Lachmann, Bd. 2, 209–210,2). (28r28v) Liber coloniarum I (Lachmann, Bd. 2, 210,3–19). (28v29r) Liber coloniarum I (Lachmann, Bd. 2, 211,1–21). (29r34r) Liber coloniarum I (Lachmann, Bd. 2, 211,22–213,11; 213,13–214,2; 213,11–3; 214,3–225,2). (34r35r) Liber coloniarum I (Lachmann,Bd. 2, 225,3; 225,14–227,2; 227,4–9; 227,11–228,2). (35r41r) Liber coloniarum I (Lachmann, Bd. 2, 229,10–233,15; 233,18–234,5; 233,16–7; 234,6–16; 234,19–20; 234,18–235,14; 235,20–236,13; 235,15–9; 236,14–239,13). (41r41v) Subscriptio vel annotatio antiqua mensoris cuiusdam, de lebris regionum excerpendis (Lachmann, Bd. 2, 239,14, 17–9). (41v66r) Hyginus Gromaticus: Constitutio limitum (Thulin, 131–141,13; 145,10–146,15; 155,17–156,15 und fig. 112; 146,15–154,11 und fig. 106; 155,3–7 und fig. 108; 154,12–155,3 und fig. 107; 155,7–155,17 und fig. 110; 156,17–160,21; 161,21–163,18; 164,1–165,17; fig. 135 und 166,3–167,13; 167,15–168,14 und app.; 169,2–171,4 und fig. 144; als De limitibus constituendis bei Lachmann, Bd. 2, 166–177,4; 181,5–197,19; 198,20–202,18; 203,6–205,13 und app.; 205,17–206,14; 206,15–208 und fig. 205; Hyginus Feldmesserbuch, 112–209, mit deutscher Übersetzung und Abbildungen aus dem Arcerianus). (66r67r) Excerptum legis Mamillae Rosciae Peducaeae Allienae Fabiae, cap. III-V (Lachmann, Bd. 2, 263–6; FIRA Riccobono, 138–140). (67r76r) Agennius Urbicus: De controversiis agrorum (Thulin, 37, 13–43,16; 45,3–47,6; 47,9–51,3; Lachmann, Bd. 2, 77,20–83,13; 84,17–86,3; 86,8–13; 86,26–90,21). (76r76v) Marcus Iunius Nipsus: Fluminis variatio (Lachmann, Bd. 2, 285,4–286,10 und fig. 208). (77r77v) De sepulchris (Lachmann, Bd. 2, 271,12–272 und fig. 210). (78r78v) Liber coloniarum I. Mensurae terminorum (Lachmann, Bd. 2, 242,7–243 und fig. 206). (78v) Marcus Terentius Varro: Ad Rufum Siluium de geometria (Bubnov, 494; Lachmann, Bd. 2, 243). (79r81v) >Casae litterarum 'A' (Josephson, 2–16). (81v) Liber coloniarum I Nomita agrorum (Lachmann, Bd. 2, 246,24–247,20). (82ra-82rb) Liber coloniarum I. Nomita limitum (Lachmann, Bd. 2, 247,21–249,30). (82rb) Annotatio cuiusdam, qui et Aeneidos XII 898 laudat (Lachmann, Bd. 2, 249; Thulin Handschriften, 17). (82v83r) Liber coloniarum I Nomina lapidum finalium (Lachmann, Bd. 2, 249,32–3 und fig. 207, 208 sup.; 251,18). (83r) Catalogus geometrarum in qua Catalogus arati interpretum laudatur (Thulin Handschriften, 18; Lachmann, Bd. 2, 251). (83v) Figurae tres finitionum pictae (Lachmann, Bd. 2, fig. 208, 209).

AUSSTATTUNG

Zahlreiche aufwendigere Malereien in Kombinationen mit Diagrammen und geometrische Zeichnungen. Eine ganzseitige Federzeichnung.

Die Bilder der Handschriften beziehen sich auf folgende Themenkomplexe (Campbell, XXIII): 1. subseciva (Land, das für die Vermessung unbrauchbar ist), compascua (gemeinschaftlich genutztes Land) und praefectura (Gemeinschaft römischer Bürger): 17r (2x), 17v (3x), 18r (unten), 18v (2x), 19r (oben, Mitte), 21r, 22r oben, 22v (2x), 23v oben, 44v Mitte, 45v unten, 59r, 61v. 2. die Aufteilung, Ausrichtung und Anordnung von limites (ein von Menschen gemachter Grenzverlauf): 24r (2x), 24v, 25r (2x), 25v (2x), 23v unten, 42r, 42v (2x), 43r (2x), 43v, 44r, 44v oben u. unten, 45r (2x), 45v oben, 47v unten, 48r (2x), 55v, 56r (2x), 57r, 65r (3x), 65v oben. 3. Grenzsteine, die centuriae (Maßeinheit) markieren: 46r, 46v (3x), 47r, 47v oben, 57v (2x), 58r, 58v (2x). 4. Kennzeichnung von Grenzverläufen und die Auszeichnung von Höfen/Ländereien mit speziellen Problemen und Eigenheiten: 18r oben, 19v (2x), 20r, 22r unten, 23r (2x), 70r. 5. Gebiete und topographischen Eigenheiten von einzelnen Gemeinschaften und den dazugehörigen Gebäuden: 69v, 74v, 75r, 49v, 56v (2x). 6. Gebiete und topographischen Eigenheiten von mehreren Gemeinschaften: 60r, 62v, 63v. 7. Astronomie, Geometrie und Vermessung: 49r unten, 51r, 51v, 52v, 53r, 53v, 54r (2x).

Zu unterscheiden sind zum einen schematische Diagramme, oder geometrische Zeichnungen, die den Text erklärend erläutern, zum anderen bildliche Darstellungen (in Farbe ausgeführte Malereien), die, oft auch in Kombination mit Diagrammen, den Text illustrieren oder ebenfalls erklären.

Initialen: 1 (40v) Initiale und 21 Registerbuchstaben (97r81r): Davon 17 Hohlinitialen mit den Füllmotiven: laufender Hund (41v, 97r, 79v, 80r), Sternblüten (79v, 80r), Gittermuster (97r), Zickzackband (79v, 80v), Kreise (80v) und 5 gefüllte Initialen (79v - 2x; 80v - 3x). Die Initialstämme abschließend mit gerollten Serifen (vgl. 97r), einige mit winkelförmiger Bekrönung (40v, 97r - 2x).2–2,5 cm. Die Zierbuchstaben spielen im Arcerinaus eine untergeordnete Rolle und fungieren auf 41v als Initiale und auf 97r, 79v, 80r, 80v und 81r als Registerbuchstaben auf dem Blattrand neben dem Text.

Vermiculata-Borten der Schlusstitel: Ansätze von Spiralranken mit Herzblättern an Fäden (16v; 27v, 76r); Zickzacklinien mit eingefügten Punkten (27v; 41v).

Farben: Malereien mit Pinsel auf Pergament mit Lasuren und Aufhöhungen (vgl. Faks. Arcerianus, 30, 31.). Farbskala: Mennig-Rot (Auszeichnungschriften, Umrandungen, an den Dächern der Tempel, Blüten - vgl. 21r, 59r, 61v); leuchtendes Grün (Umrandungen, Laub der Bäume, Wassertiere - 25r, 71r, Rundtempel und Minerva - 74v); dunkeles und helles Rosa (Umrandungen); dunkeles Blau (Wasser, Flüsse - zusätzlich mit schwarzen Umrissen, Schatten; Hügel und Berge - an der sonnenabgewandten Seite); Hellrosa (Hügel und Berge an der sonnenzugewandten Seite); Grauviolett (Felsen); Braun (Schattierungen); Blassgelb (Orpigment - Füllfarbe; Grund zwischen Mauerwerk und Koloniedarstellung, 18r, 56v; Baumstämme, 70r).

B

Pergament — 38 Bl. — 31,5 × 24,5 cm — Italien — um 500

Pergament — 38 Bl. — 31,5 × 24,5 cm

Schriftraum: 24,5 × 19,5 cm, zweispaltig, 26 Zeilen. Unzialis von einer Hand. Rubrizierte Textanfänge.

INHALT

Agrimensores. (84ra-93rb) Agennius Urbicus: De controversiis agrorum (Thulin, 37,13–51,3; Lachmann, Bd. 2, 77,20–90). (93va-102va) Agennius Urbicus: De controversiis agrorum (Thulin, 23,3–24,23, 30,14–31,26; 32–33,11; 33,14–35,26; 35,28–37,10; 26,6–27,26; 27,28–30,10; 24,23–26,2; Lachmann, Bd. 2, 62,17–64,1; 71,18–72,21; 73,11–74,10; 74,17–76,17; 76,19–77,18; 65,14–67,10; 67,16–70,9; 64,1–65,12). (102va-104va) Hyginus Gromaticus: De condicionibus agrorum (Thulin, 77,18–78,17; 74,21; 74,24–77,18; als Agrorum quae sit inspectio geführt bei Lachmann, Bd. 2, 283,21–284; 281–283,21). (104va-106va) Agennius Urbicus: De controversiis agrorum (Thulin, 20,5–23,1; Lachmann, Bd. 2, 59,4–62,15). (106va-122vb) Hyginus Gromaticus: De limitibus. De conditionibus agrorum. De generibus controversiarum. (106va-122vb) Siculus Flaccus: De condicionibus agrorum (Thulin, 71–73; 102–103,19; 78,18–86,18; 86,20–91,4; 103,19–105,24; 109,1–110,22; 91,4–95,12; 95,14–96,13; 110,22–112,4; 112,7–22; 96,14–98,5; Lachmann, Bd. 2, 111,9–113,18; 138,3–139,19; 115,15–128,4; 139.20–141; 145,2–146,21; 128,4–133,1; 146,21–148,1; 148,4–19; 133,1–134,13). (124ra-125vb) Marcus Terentius Varro: Fragmentum Geometriae (Bubnov, 504–508,24). (125vb-136va) Hyginus Gromaticus: De munitionibus castrorum (Lenoir, 1–23). (136va-155va) Hyginus Gromaticus: Constitutio limitum (Thulin, 131,1; 131,3–135,6; 135,10–138,3; 138,5–146,15; 155,17–156,15; 146,15–154,11; 155,3–7; 154,12–155,3; 155,7–17; 156,17–163,1; 163,4--18; 164,1–167,8; 167,10–3; 167,15–168,16; 169,3–171,4; geführt als De limitibus constituendis bei Lachmann, Bd. 2, 166,3–170,8; 170,12–173,6; 173,8–182,14; 192,17–193,15; 182,14–191,11; 192,7–17; 194–2002,2; 200,4–201,1; 201,3–204,10; 204,12–205,16; 206,1–208). (155va-156vb) ›Excerptum legis Mamiliae Rosciae Peducaeae Allienae Fabiae‹. Cap. II-V (Lachmann, Bd. 2, 263,4–266; FIRA Riccobono, 138–140). (156vb) Balbus Gromaticus: Ad Celsum expositio et ratio omnium mensurarum (Lachmann, Bd. 2, 91,1–9). (156v) Gerardus Mortaigne: Ad codicem uersus fluminis vara IV de rusticitate sua (Thulin Handschriften, 33).

AUSSTATTUNG

Zeilenfüller. 105v,, 121v,, 155v, Zeilenfüller: Wellenlinien mit Punktverzierungen. 135v kleine Blüten.

Abgekürzt zitierte Literatur

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Bubnov Gerberti, postea Silvestri II papae opera mathematica, hrsg. von N. Bubnov, Berlin 1889, ND 1963
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FIRA Riccobono Fontes iuris Romanis antejustiniani, in usum scholarum, Bd. 1, Leges, ed. S. Riccobono, Florentinae 1941
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