Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung
Benedictus XIII antipapa
Papier — 51 Bl. — 29,5 × 22 cm — Avignon (?) — 15. Jh., 1. Viertel
Wasserzeichen: Pfeil und Bogen (nicht nachweisbar). Dreiberg im Kreis mit einkonturiger Stange (nicht nachweisbar). Lagen: 4 VI (48). II–1 (51). Reklamanten. Tintenfoliierung modern. Bl. 1 und 51 außen angeschmutzt und beschädigt. Schriftraum: 17,5 × 11,5 cm, einspaltig, 24–28 Zeilen. Zwei Hände, Hand 1 (Bastarda, die erste Textzeile in elongierter Textualis als Auszeichnungsschrift ): 1r–50v und 51v; Hand 2 (Kanzleikursive): 51r. 1r Fleuronnée-Initiale Q über 5 Zeilen in brauner Umrisszeichnung, Buchstabenkörper und Cauda mit grob ausgeführten vegetabilen Motiven in Grün und Rotbraun gefüllt, im Binnenfeld ein starker, mit roh ausgeführten Lindenblättern besetzter Ast. Den Buchstaben umgibt ein quadratischer Rahmen in Umrisszeichnung, mit Blumenmotiven gefüllt sowie mit Dreiblattranken, Dornen und Fibrillen in Grün und Rotbraun als Konturbesatz. Vom Rahmen erstrecken sich auf Kopf- und Bundsteg rotbraune, distelartig bedornte Ranken mit vielfältigen Verästelungen, deren Enden mit grünen Dreiblättern besetzt sind. 1v Fleuronnée-Initiale E über 2 Zeilen in brauner Umrisszeichnung, der Buchstabenkörper ist aus komplexen Mustern in Rot und Schwarz zusammengesetzt, die äußere Kontur des Buchstabens ist durchgehend mit einer Perlreihe besetzt. Vom spitz zulaufenden Scheitel des Buchstabenbogens erstrecken sich auf den Seitensteg braune, distelartig bedornte Ranken mit vielfältigen Verästelungen, deren Enden mit rotbraunen Dreiblättern besetzt sind. Rubrizierung vom Schreiber in Tintenfarbe ausgeführt; am Beginn der einzelnen Abschnitte Cadellen.
Koperteinband aus Schafs- oder Ziegenpergament (Haarseite außen), gebräunt, verschmutzt. Lagen mit Langstichheftung direkt durch den Umschlag auf zwei Rückenverstärkungen aus Leder geheftet. Umschlag an den Kanten zur Stabilisierung gefaltet und eingeschlagen, Einschlag an der Vorderkante mit Kreuzstichheftung aus gefärbten Lederstreifen fixiert. Der verlängerte hintere Umschlag dient als Klappe. Die Lederstreifen des Wickelverschlusses sind verloren, Befestigungslöcher an der Vorderkante des hinteren Umschlags erkennbar.
Herkunft: Die paläographischen Merkmale der verwendeten Bastarda deuten auf eine Entstehung der Handschrift im südfranzösischen Raum, mit ziemlicher Sicherheit im Umkreis der Kurie in Avignon, hin. Möglicherweise ist die Hs. mit einem Exemplar dieses Textes identisch, das zur sogenannten "Bibliothèque portative" Benedikts XIII. gehörte, die nach dem Umzug des Gegenpapstes nach Marseille 1403 als Reisebibliothek angelegt und genutzt wurde; wenigstens stimmt die Beschreibung im Katalog mit dem Äußeren dieser Hs. überein: "(X, 60) Tractatus novus De subscismate copertus de pergameno", vgl. Die beiden übrigen Erwähnungen in den Inventaren von Peñiscola (1423) und aus dem Besitz des Kardinals de Foix (1466), zeigen dagegen ein von dieser Hs. abweichendes Explicit des Textes, vgl. , et , La bibliothèque pontificale à Avignon et à Peñiscola pendant le grand schisme d'occident et sa dispersion. Inventaires et concordances, Bd. 1, Rom 1991 (Collection de l'École française de Rome 141), 247 Nr. Bup 554. — Laut der nachgetragenen Urkunde des Subpriors Robertus Masen aus dem Jahre 1483 ( , et , La bibliothèque pontificale à Avignon et à Peñiscola pendant le grand schisme d'occident et sa dispersion. Inventaires et concordances, Bd. 2, Rom 1991 (Collection de l'École française de Rome 141), 681 Nr. Pc 379 und 753 Nr. Fb 107.51r) befand sich der Codex zu diesem Zeitpunkt im Augustiner-Chorherrenstift St. Andrews, wohin er vermutlich von einem schottischen Anhänger des Gegenpapstes Benedikt XIII. gebracht wurde. Zum Konvent vgl. , Medieval religious houses: Scotland. With an appendix on the houses in the Isle of Man, London u.a. 1957, 82; The heads of religious houses in Scotland from twelfth to sixteenth centuries, ed. by — Wie einige andere von dort stammende Codices – and , Edinburgh 2001, 187–192.Cod. Guelf. 411 Helmst., 527 Helmst., 538 Helmst., 628 Helmst., 1029 Helmst. und 1108 Helmst. – von Marcus Wagner im Jahre 1553 auf einer Schottlandreise für Matthias Flacius Illyricus erworben ( , 64f., 110f.). — Am 20.4.1597 von Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg erworben, 1614 im Gesamtkatalog der Wolfenbütteler Hofbibliothek von Liborius Otho nicht eindeutig identifizierbar, vermutlich unter den Manuscripta absque titulo (Cod. Guelf. A Extrav., p. 310 [307]) subsumiert. 1618 aus Wolfenbüttel in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt; 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 2v) als Tractatus contra Conciliabulum Pisanum unter den Theologici [MSSti] in folio nachgewiesen; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 51) unter Nr. 44 aufgeführt.
Nr. 399. — , 419. — La bibliothèque pontificale à Avignon et à Peñiscola, Bd. 2 (s. oben), 971. — , 242f. — , Bücher Benedikts XIII., in: Der Papst und das Buch im Spätmittelalter. Bildungsvoraussetzung, Handschriftenherstellung, Bibliotheksgebrauch, hrsg. von , Münster/Westf. 2018 (Erudiri Sapientia 13), 277–527, hier 525–527 Nr. 4. — , 709.
1r–50v : Tractatus adversus conciliabulum Pisanum. ›Incipit tractatus specialis contra conciliabolum Pisanum et in ipso nefarie perpetrata. Incipit prologus‹. Quia nonnulli quondam sancte Romane ecclesie cardinales qui vigente huius dolorosi scismatis flebili tempestate pape Clementi et eius successori pape Benedicto hactenus adheserunt … — … ut infra ipsius matris gremium catholicorum consorcio non ficte ut soliti sunt sed vere fixe et solide iuridice ac catholice uniantur. Amen. Neben den in der Literatur genannten Codices auch in Cod. Guelf. 32.10 Aug. 2°, 64r–71v (ultima pars) und 129r–140r (prima pars), dazu 1071. Teiledition: , Die kirchenrechtlichen Schriften Peters von Luna (Benedikts XIII.), in: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 7 (1900), 515–575, hier 535–540.Literatur: 2, 192 Nr. 8; 2, 206f. Nr. 24.3; , 56, 216f.; , Ein Schisma ist nicht zu beenden ohne die Zustimmung der konkurrierenden Päpste. Die juristische Argumentation Benedikts XIII. (Pedro de Lunas), in: Archivum historiae pontificiae 17 (1989), 187–247 (243 Hs. genannt); , Erfolglos zu Recht schreiben – Benedikt XIII. und sein schriftliches Werk nach den Pariser Handschriften des Traktats Quia nonnulli, in: "Eure Namen sind im Buch des Lebens geschrieben". Antike und mittelalterliche Quellen als Grundlage moderner prosopographischer Forschung, hrsg. von , Münster/Westf. 2014 (Erudiri sapientia 11), 381–408 (382, 385 Hs. genannt).
51r : Instrumentum (St. Andrews, 11.3.1483). Nos Robertus Masen supprior ecclesie metropolitane Sanctiandree et eiusdem loci conventus venerabilibus et religiosis viris domino Iohanni Sowles vicario … — … in cuius rei testimonium sigillum commune nostri capituli presentibus est affixum die undecimo mensis Marcii antedicti Anno domini Mo CCCCo octuagesimo secundo. Die Datierung ist aus dem Annuntiationsstil korrigiert. Ungedruckt. Eine weitere Urkunde dieses Ausstellers findet sich in Cod. Guelf. 411 Helmst., 62v.
51v De malis iudicibus nota ex libro de miseria humanae conditionis Innocentii III papae deprompta. Mali iudices personarum acceptores non attendunt ad causarum merita set personarum non iura set munera non iusticiam set pecuniam … — … et post pauca lucrum in archa dampnum in consciencia pecuniam captatis sed animas captivatis. Weitgehend wörtlich entnommen aus Innocentius III papa: De miseria humanae conditionis, lib. II, cap. 4 (Hauptteil) und cap. 5 (Schluss). Druck: 217, 718C–D und 719B. Zu Parallelüberlieferung, weiteren Ausgaben und Literatur vgl. bei Cod. Guelf. 353 Helmst., 88ra–108va.
Abgekürzt zitierte Literatur
- Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt. (schassan, 2019-08-20)
- Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)
- Überarbeitung abgeschlossen; gleicher Stand wie im gedruckten Katalog. (lesser, 2023-02-04)
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil II.