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Beschreibung von Cod. Guelf. 371 Helmst.
Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil III: Cod. Guelf. 371 bis 460 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung

Vocabularius brevilogus

Papier — 288 Bl. — 28 × 20,5 cm — Braunschweig — 1450–1455

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS DE8370-PO-75223, DE4620-PO-75226, DE1335-PO-75367, DE1335-PO-75381 (sämtlich 1452, weitere Typen nicht nachweisbar). Lagen: 24 VI (287)! Reklamanten, vielfach durch Beschnitt verloren oder fragmentiert, Lagenmitte durch Pergamentfalze verstärkt. Tinten- und Bleistiftfoliierung modern: 1287; Zählfehler: Bl. 83 übersprungen, Bl. 94 und Bl. 222 doppelt gez. In den einzelnen Lagen originale Blattzählung, nur noch sporadisch erkennbar. Schriftraum: 21–22 × 14–15 cm, zweispaltig (Spalten 6,5–7 cm breit), 43–47 Zeilen. Bastarda mit Schlaufen von einer Hand. Am Beginn der einzelnen Lemmata Versalien, in den ersten Zeilen der Spalten häufig litterae elongatae oder Cadellen. Am Beginn der Hauptabschnitte und einiger Alphabete groteske Figureninitialen in kunstvoller Federzeichnung, die ebenfalls in sehr ähnlicher, z. T. weitgehend identischer Form in dem 1469 in Braunschweig entstandenen Cod. Guelf. 523.3 Novi mit einer Abschrift des "Vocabularius Coenobita" zu finden sind: 1ra rote Figureninitiale A über 12 Zeilen: Ein zweibeiniger Drache, dessen zu einem Knoten gewundener Schwanz in einer Glocke endet, wird von einem Krieger mit einer Lanze erstochen. Der Mann trägt ein rotes, eng anliegendes Untergewand, darüber einen weißen Waffenrock und einen Gurt mit Tasche, seinen Kopf bedeckt eine rote Mütze. 68va rote Figureninitiale E über 11 Zeilen, der Buchstabenkörper mit vegetabilen Schaftaussparungen ist aus einem verschlungenen Gürtel gebildet; 101va rote Initiale I über 15 Zeilen mit dem Schriftzug Iohan im gürtelartigen, in der Mitte von zwei Schnallen zusammengehaltenen Buchstabenkörper; 112va rote Initiale K über 11 Zeilen mit einer ausgesparten Krone und einem belaubten Ast im Buchstabenkörper, Bogen mit Schaftaussparungen im Kopfstempelschnitt; 113rb rote Initiale L über 14 Zeilen mit einem Eichenzweig, zwei Jagdhundeköpfen und einem Ast mit Vogel im Buchstabenkörper. 125ra rote Figureninitiale M über 16 Zeilen: Zwei langhalsige, geflügelte, beinlose Drachen stecken ihre Köpfe in ein in roter Umrisszeichnung gestaltetes kannenartiges Gefäß. 143vb rote Figureninitiale O über 12 Zeilen aus zwei kreisförmig angeordneten zweifüßigen Drachen, deren Hälse und Schwänze miteinander verflochten sind. 151va rote Figureninitiale P über 20 Zeilen: Den Buchstabenstamm bildet ein nach rechts gewendeter Mann in roter Umrisszeichnung mit rotem Spitzhut, einem langen gegürteten weißen Übergewand mit Gürteltasche, engen Beinlingen und Schnabelschuhen mit untergeschnallten Trippen. Er schlingt sich den Schwanz eines roten, geflügelten vierfüßigen Drachen um den Hals und steckt seine Rechte gleichzeitig in den Rachen des Fabelwesens, dessen rückwärts gebogener Körper den Kopf des Buchstabens bildet. 261va rote Figureninitiale F über 14 Zeilen: Den Buchstabenstamm bilden zwei rote sich kreuzende, Leisten mit abgerundeten Enden und vegetabilen Schaftaussparungen; ein Dreiblatt mit Ausläufern formt die obere Haste, die untere wird von einem gefiederten Pfeil mit mächtiger Spitze gebildet, der durch das Zentrum des Buchstabenstammes dringt. 264rb rote Figureninitiale H über 10 Zeilen: Ein roter geflügelter zweifüßiger Drache windet seinen Hals um einen mit ausgesparten Knospen verzierten Stamm; beides bildet den unzialen Majuskelbuchstaben. 266rb rote Initiale L über 10 Zeilen mit einer Doppelmanschette am oben getreppten, gespaltenen Buchstabenstamm; im senkrechten Schaft sind eine Krone und zwei belaubte Äste (links Ahorn, rechts Eiche) ausgespart. An den Anfängen der meisten übrigen Alphabete rote sekundäre Initialen in Unzialform, mit vielfältigen, meist geschwungenen, vegetabilen und ornamentalen Schaftaussparungen, die Motive werden vielfältig wiederholt und kombiniert; am Beginn der einzelnen Abteilungen analog gestaltete rote Lombarden. Der gesamte Codex ist rubriziert.

Spätgotischer Holzdeckelband mit braunem Schweinslederbezug. Streicheisenlinien. Fünf Doppelbünde. Zwei Riemenschließen mit Stiftlager in einfach geschwungener Gabelform und massiven, identisch gestalteten Schließenhaken; die ungewöhnlichen Gegenbleche zur Befestigung der Schließenriemen sind herzförmig. Auf dem VD Aufschrift Brevilogus manuscriptus.

Fragment: Spiegel. Niedersachsen. 14. Jh. Pergament. 2 Doppelbl. 28 × 20 cm. Schriftraum: 17 × 9 cm, einspaltig, 25 Zeilen. Textualis von einer Hand. Rubriziert. Einige Marginalien in jüngerer gotischer Kursive von gleichzeitigen und späteren Händen. VS, HS Alexander de Villa Dei: Doctrinale. Da die Doppelbl. nicht aus der Lagenmitte stammen, sind hier die vier nicht zusammenhängende Versgruppen Z. 27–52, Z. 388–414, Z. 1755–1774 und Z. 1339–1364 enthalten. Druck. Das Doctrinale des Alexander de Villa-Dei: Kritisch-exegetische Ausgabe mit Einleitung, Verzeichniss der Handschriften und Drucke nebst Registern hrsg. von D. Reichling, Berlin 1893 (Monumenta Germaniae paedagogica 12), hier 8f., 28–30, 110–113 und 86f.Literatur. Glorieux Faculté 86–88 Nr. 23c; Walther I 17375; CALMA 1, 177 Nr. 6; 2VL 11, 59–61.

Herkunft: Der Codex wurde wie der sehr nahe stehende Cod. Guelf. 370 Helmst. im dritten Viertel des 15. Jh. in Braunschweig geschrieben; die Lokalisierung ermöglicht vor allem der ungewöhnliche Buchschmuck; Kolophone oder Besitzvermerke fehlen allerdings. — Der Registraturvermerk des Bibliothekars Lonicer (s. unten) deutet darauf hin, dass sich der Codex in einer der 1572 für die Wolfenbütteler Hofbibliothek konfiszierten Klosterbibliotheken befunden hat. Da die charakteristischen Einkunftsvermerke mit Angabe der Provenienz fehlen, kommen als Vorbesitzer die Augustiner-Chorfrauenstifte Heiningen oder Marienberg bei Helmstedt in Betracht. — Sofern dies zutrifft, befand sich der Codex seit dem Frühjahr 1572 in der Wolfenbütteler Hofbibliothek, 1r Registratureintrag von Johann Adam Lonicerus: Dictionarium latinum msc. in folio. Registrirt 1602 sub Lonicero . 1614 von Liborius Otho im Gesamtkatalog der Hofbibliothek (Cod. Guelf. A Extrav.) auf p. 16 (12) unter der Nr. D 12 der Lexica et Dictionaria in folio als Brevilogus etiam manuscriptus beschrieben. 1618 aus Wolfenbüttel in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt, 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 30r) als Brevilogus sive Dictionarium unter den Miscellanei MSSti in folio nachgewiesen, auf dem VS die falsch zugeordnete Helmstedter Signatur Misc. 56 (dem Katalogeintrag entspricht Nr. 55, Verwechslung mit Cod. Guelf. 400 Helmst.). Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 286 genannt.

Heinemann Nr. 406.

1ra–284vb Vocabularius brevilogus (redactio recentior). (1ra–va) Prologus totius operis. A a a domine nescio loqui [Ier 1,6] licet illud propheticum ab ipso propheta alio fine sit enarratum … — … non michi ex toto sed a quibus recipio imputabitur ita tamen ut pre omnibus et super omnia Ihesus Christus Marie filius benedicatur in seculo seculorum Amen. (1va) Prologus nominum. Quoniam quidem presens collectio arti deservit grammatice que secundum quosdam in literam et sillabam et in oracionem dividitur … — … triplici alphabeto specialiter prosequendo scilicet nominum verborum ac parcium indeclinabilium. (1va–238vb) Nomina. Aleph prima litera hebirorum [!] vel hebraici alphabeti est et interpretatur doctrina Alpha vero grecorum est prima litera A vero Aaron Ab … — … Zozomus -a -um idem est quod zodicus id est vitalis vivax vel vividus et dicitur a soen id est vita vitam inquam eternam nobis concedat qui sine fine vivit et regnat in secula seculorum Amen. Am Schluss einiger Alphabete Schreibervermerke, z. B. (97rb) : Dat stont ezel vnd vart ker dy vmme myn lieue lutgard vnde kusse my voer myn gad. Hic nichil deficit nisi pulchra puella (letzteres auch 118va und 176rb wiederholt). (188ra) erläuternder Vers zum Lemma ru[p]tus, -a, -um: Nobilis est ruta que non est frigore ru[p]ta Vgl. Walther II 17000b. (238vb) Prologus verborum. Postquam determinatum est de nominibus quo ad eorum significaciones nec non interpretaciones restat nunc dei iuvamine recitare de verbis … — … genus et coniugacio ipsius verbi cognoscitur facilius ipsius significatum et in flectio [!] per tempora reperitur. (238vb–278vb) Verba. ›Sequitur de A‹. Abarceo, -es, -ere id est prohibeo vel constringo s. a. Abdico Abdo … — … Uxorare Zelare Zelator id est amator. Zimare significat pastam facere proprie sueren. Inde azimus. (278vb) Prologus indeclinabilium. Expeditis dei gracia exposicionibus nec non interpretacionibus vocabulorum dictionum parcium declinabilium duplici alphabeto nunc dei clemencia restat tractare de exposicionibus parcium indeclinabilium … — … quantum igitur ad primum dicam de illa preposicione A unde sequitur A. (278vb–284vb) Indeclinabilia. ›Sequitur A‹. A preposicio id est sine eciam est interiectio exclamantis Absque id est sine. Aborsum id est ab alia parte … — … Utpute id est certe vel videlicet. Utrumque Utinam est adverbium finis est deus unus in essencia trinus in personis cui sit laus et gloria necnon sue intemerate virgini Marie matris [!] sue benedicte nec non toti curie celesti per infinita secula seculorum Amen. Amen. Die Lemmata mit niederdeutschen Interpretamenten sind jeweils am linken Rand der betreffenden Spalte durch ein rotes Notazeichen hervorgehoben. Nach Ausweis der Parallelüberlieferung ist der "Vocabularius brevilogus" in zwei verschiedenen Fassungen überliefert. Die jüngere Redaktion, zu der auch diese Hs. gehört, weist modifizierte Prologe und eine größere Anzahl von nunmehr konsequent alphabetisierten Lemmata auf. Sie liegt außerdem vor in Cod. Guelf. 303 Helmst., 1ra–13vb und 15ra–410rb; 370 Helmst., 2ra–282ra; 446 Helmst., 12r–238r; 39.4 Aug. 2°, 1ra–337vb; 44.25 Aug. 2°, 1ra–271vb; 71.12 Aug. 2°, 1ra–281ra; ein Fragment in Cod. Guelf. 282 Helmst., 1ra–vb. Zur älteren Fassung vgl. Cod. Guelf. 400 Helmst., 1ra–218rb. In fast allen Abschriften finden sich auch mittelniederdeutsche Interpretamente; ihre Anzahl und Anordnung ist jedoch in keinem der Codices einheitlich. Die Drucke der 1475 von Johannes Reuchlin redigierten Ausgabe der jüngeren Fassung sind nachgewiesen in: J. Benzing, Bibliographie der Schriften Johannes Reuchlins im 15. und 16. Jahrhundert, Bad Bocklet u. a. 1955 (Bibliotheca Bibliographica 18), 1–5; GW M37895–M37947. Literatur: K. Hamann, Mittheilungen aus dem Breviloquus Benthemianus, einem handschriftlichen lateinischen Glossar des 15. Jahrhunderts, 2 Bde., Hamburg 1879/1880 (Programm des Johanneums); Goetz, 239–243; W. Padberg, Der Vocabularius Breviloquus und seine Bedeutung für die Lexikographie des ausgehenden Mittelalters. Phil. Diss. Münster/Westf. 1909, Münster 1912; Stegmüller RB 9733; Grubmüller, 31–39; 2VL 1, 1033f. – 285r–287v leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

CALMA C.A.L.M.A. Compendium auctorum latinorum medii aevi, hrsg. von M. Lapidge u.a., Bd. 1–, Firenze 1999–
Glorieux Faculté P. Glorieux, La Faculté des Arts et ses maîtres au XIIIe siècle, Paris 1971 (Études de philosophie médiévale 59)
Goetz G. Goetz, De glossariorum Latinorum origine et fatis, Leipzig 1923 (Corpus glossariorum latinorum 1)
Grubmüller K. Grubmüller, Vocabularius Ex quo: Untersuchungen zu lateinisch-deutschen Vokabularen des Spätmittelalters, München 1967 (MTU 17)
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Stegmüller RB F. Stegmüller, Repertorium biblicum medii aevi, Bd. 1–11, Madrid 1950–1980
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015
Walther I H. Walther, Initia carminum ac versuum medii aevi posterioris Latinorum, Göttingen 1959 (Carmina medii aevi posterioris Latina 1)
Walther II H. Walther, Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi, Bd. 1–6; P. G. Schmidt, Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi. Nova series, Bd. 7–9, Göttingen 1963–1986 (Carmina medii aevi posterioris Latina 2,1–9)
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Revisions:
  • Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)
  • Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil II.
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