Lectionarium officii Bursfeldense
Papier — I, 216 Bl. — 27,5 × 20 cm — Clus, Benediktinerkloster — 15. Jh., 3. Viertel, und 16. Jh., Mitte
Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: IT8190-PO-74725 (1460), DE7635-PO-74731, DE7635-PO-74388 (beide 1461), DE2730-PO-75447 (1463), DE4500-PO-74747 (1462, zwei weitere Typen nicht nachweisbar). Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern, Stange über Kreis im Kopf: DE2730-PO-77090, DE2730-PO-77093 (beide 1459, auch in dem aus Clus stammenden Cod. Guelf. 303 Helmst.). Im nachträglich ausgebesserten Teil (111r–160v): Krone mit zweikonturigem Bügel, mit Perlen, darüber Lilie: DE4620-PO-55703 (1563). Krone mit zweikonturigem Bügel, mit Perlen, darüber Kleeblattkreuz: ≈ DE2040-PO-55594 (1560). Lagen: I (ungez.). V+1 (11). V (21). VII (35). V (45). VII (59). V (69). VII (83). V (93). VII (107). IV+3 (118). 5 IV (157)! II–1 (160). 4 VI (208). III+1 (215). Reklamanten und Lagensignaturen in römischen Zahlen, im restaurierten Teil aus Minuskelbuchstabe und Zahl, meist durch Beschnitt verloren. Lagenmitte durch Pergamentfalze verstärkt. Vorsatzkonstruktion: Ein mitgeheftetes Pergamentbifolium, davon ein Bl. als Spiegel an den Deckel geklebt, dazu ein Schmutzbl. aus Papier. Bleistiftfoliierung modern: 1–215, Vorsatzbl. ungez., Zählfehler: Zwischen 124 und 125 ein Bl. ungez. Bei der Bindung durch Johannes von Brakel wurde der Buchblock erheblich beschnitten. Im älteren Teil des Codex (1–110 und 161–215) Tintenfraß, teilweise starke Verschattung und Schwärzung, Bl. 110 z. T. zerstört. Aufgrund dessen wurden im 16. Jh. die Bl. 111–160 entfernt und durch eine neue Abschrift des verlorenen Textes ersetzt. Schriftraum: 23–25 × 15–17 cm, einspaltig, je nach Hand 25–38 Zeilen. Schlaufenlose Bastarda von drei Händen, Hand 1 (15. Jh.): 1r–110r; Hand 2 (16. Jh.): 111r–160v; Hand 3 (15. Jh.): 161r–214r. Rubriziert, rote Lombarden.
Der ursprüngliche gotische Einband ist verloren. Zwischen 1495 und ca. 1510 erhielt der Codex einen neuen spätgotischen Holzdeckelband (Holzdeckel zweitverwendet, Spuren von zwei älteren Riemenschließen mit Ösenverschluss und Dornen an der Kante des VD erkennbar) mit braungefärbtem Schafslederüberzug. Streicheisenlinien. Einzelstempel Lilie, Mittelblatt rhombisch, unterer Abschluss lilienförmig: s006012. Rosette, ein Blattkranz, sechsblättrig: s007888. Rosette, ein Blattkranz, siebenblättrig: s008048. Siegel, Umschrift Guilh. de Lut.: s009265. Siegel, Umschrift S. Thider. de Brac. plebani I. Sesen: s009273. Sämtlich aus der Cluser Werkstatt "Johannes von Brakel" ( w000352). Drei Doppelbünde. Eine Riemenschließe mit Stiftlager, Schließenriemen und -haken verloren, Schließenlager in Fächerform mit Zierbohrungen ähnlich wie bei den in der gleichen Werkstatt gebundenen Handschriften Cod. Guelf. 589 Helmst., 596 Helmst., Gandersheim, StiB, Hs. 242 und Hildesheim, DB, J 24 sowie den Drucken 130.4 Theol., E 353.2° Helmst. und S 471.2° Helmst.
- VS. Clus, Benediktinerkloster. 15. Jh., 2. Hälfte. Papier. 2 Doppelbl. 13–15 × 19–19,5 cm. Die beiden Doppelbl. wurden nachträglich auf den VS über die älteren Fragmente geklebt. Schriftraum: 10 × 7 cm, einspaltig, 19 und 20 Zeilen. Bastarda von einer Hand. Rubriziert, am Beginn der einzelnen Abschnitte eigenartig geformte rote Lombarden mit floralen Mustern im Binnenfeld. Schreibsprache: Mittelniederdeutsch (ostfälisch). VS Gebete zur Passion Christi. Im einzelnen sind enthalten: Oberes Bl. links: (Text setzt ein) … alle to ruge efte se dot worden o heytestu se wedder up stan … — … myt deme kusse vor rest tu des mynschen sone. O here Ihesu Christe ik bydde di dor der groten othmodycheit willen … — … bodest to kussende. Leve he[re]… (Text bricht ab). Oberes Bl. rechts: (Text setzt ein) … van groter barder leve water vnde blot over de math also zere … — … dat hedde blot gereghent de blodyghe sweyt … (Text bricht ab). Unteres Bl. links: O soyte here Ihesu Christe ik vormane vnd dancke dy der groten vorschreckynge … — … vnde morder do tzetterden vnd beveden … (Text bricht ab). Unteres Bl. rechts: (Text setzt ein) … [de]me cruce stundest vnde stryddest myt deme dode … — … Dyn klechliken worden … (Text bricht ab). Die Bl. stammen zweifellos aus dem von der gleichen Hand geschriebenen und gleichartig rubrizierten Cod. Guelf. 1388 Helmst., 308r–321v (ebenfalls volkssprachige Gebete aus Clus).
- Vorsatz. 12. Jh., 1. Hälfte. Pergament. 1 Bl. 27,5 × 20 cm. Das Bl. ist beschnitten, um die erste Lage gehängt und kopfständig eingeheftet. Schriftraum: 11 × 20 cm, zweispaltig (jede Spalte ca. 8 cm breit, beschnitten), noch 19 blindliniierte Zeilen erhalten. Regelmäßige karolingische Minuskel von einer Hand. Rubriziert, am Beginn der einzelnen Abschnitte rote Initialen in Unzialform über 2 Zeilen mit sorgfältig ausgeführten vegetabilen Silhouettenornamenten. Ira–vb Lectionarium officii. Im einzelnen sind enthalten: (Ira–b): Lesungen zu ›[Feria] secunda‹ und ›[Feria] tertia‹ aus I Th 4,12–5,4. (Iva–b): Eine Lesung aus Ps.-Beda Venerabilis: Homilia subdititia 54, Druck: 94, 411C–D; eine Lesung aus I Th 4,9–11. Auf VS und Vorsatzbl. verso jeweils eine Inhaltsangabe des 17. Jh. in Majuskeln: Lectionarium. Makulatur aus diesem Lektionar wurde auch in den in Clus gebundenen Cod. Guelf. 587 Helmst., 677 Helmst., 1252 Helmst. und 1388 Helmst., in den Inkunabeln QuH 40 (nur HS), E 296a.2° Helmst. und Li 2906 sowie in dem Frühdruck E 329.2° Helmst. verwendet.
- HS. 12. Jh., 1. Hälfte. Pergament. 1 Doppelbl. 27,5 × 19 cm. Schriftraum: 14,5 × 11,5 cm, einspaltig (beschnitten), noch 16 blindliniierte Zeilen erhalten. Karolingische Minuskel von einer Hand, Gesangsteile in kleinerer Schrift abgesetzt. Über jeder Gesangszeile adiastematische, sog. "frühdeutsche" Neumen (HS Missale (Proprium de sanctis). Oberer Teil (ehem. recto): Gradualresponsorium ( g02035) und Versikel ( 800223) sowie Lesung (Mt 24,42–46) in festum Gregorii papae (12.3.), unterer Teil (ehem. verso): Lesung (Io 15,12–16) und Offertorium ( g00025) in festum Matthiae apostoli (24.2.). Als Makulatur nur in diesem Codex verwendet. , 3.59–66). Rubriziert, am Beginn der einzelnen Abschnitte rote Initialen in Unzialform über 2 Zeilen.
- Heftverstärkungen. 12. Jh., 2. Hälfte. Pergament. Insgesamt 21 Pergamentfalze als Heftverstärkung. Karolingische Minuskel von einer Hand. Rubriziert. Missale. Die als Heftverstärkung dienenden Pergamentfalze stammen aus dem gleichen Codex wie die Spiegel- und Vorsatzbl. in Cod. Guelf. 547 Helmst., eine genauere Bestimmung ist anhand des erhaltenen Materials jedoch nicht mehr möglich.
Herkunft: Der Codex wurde im dritten Viertel des 15. Jh. im Benediktinerkloster Clus geschrieben und dort etwa um die Mitte des 16. Jh. teilweise erneuert. — Er wurde mit einem Großteil der Buchbestände des Klosters am 3.2.1624 in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt. 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 9r) als Lectionarium in bretter, braun unter den Theologici [MSSti] in folio nachgewiesen; im Katalog von 1797 (BA III, 51) unter Nr. 74 beschrieben.
Nr. 432. — , 93, 119. — , 185f. mit Abb. 4, 192, 216–218, 221.
1r–160r Lectionarium officii Bursfeldense (Proprium de tempore, redactio antiquior). (1r–67v) Pars hiemalis. ›Dominica prima adventus domini. Incipit Ysaias propheta. Lectio prima‹. Visio Isaie filii Amos quam vidit super Judam et Ierusalem in diebus Ozie [Is 1,1] … — … repulisti nos iratus es contra nos vehementer [Lam 5,22]. 21v–23r sind die Lektionen 9–12 zur dominica infra circumcisionem falsch abgeschrieben, Korrekturhinweis 21v auf dem Fußsteg: Hoc evangelium cum omelia non legitur sed aliud scilicet: Erant pater Ihesu et mater mirantes [Lc 2,33] cum omelia Origenis: Congregemus in unum. Require in fine numero scilicet 62 (Numerierung auf den ersetzten Bl. nicht mehr erkennbar). Am Schluss des Winterteils (63v–67v) stehen die in den noctes privatae ab Gründonnerstag verwendeten Lektionen aus Lam 1,1–5,22 (s. unten, 214r).
(68r–160r) Pars aestivalis. ›Dominica sancta pasce. Sermo beati Maximi episcopi lectio prima‹. Exsultandum nobis est fratres in hac die quam fecit dominus continuata leticia … — … vidimus quia laudavimus legamus et intelligamus. Tu autem domine miserere nobis. Da im neu abgeschriebenen Teil (111r–160v) auch die Rubriken wörtlich mit dem unten genannten Drucken übereinstimmen, liegt wohl eine direkte Abschrift aus diesen vor. Auch in dem ebenfalls im Kloster Clus geschriebenen Lektionar Gandersheim, StiB, Hs. 257, 46ra–163ra ( , 45f.). Die Lektionen des Winterteils der redactio recentior gemäß dem Brevierdruck von 1493 (5179) separat in Cod. Guelf. 533 Helmst., 1r–65v. Eine ältere (1469), abweichende Fassung findet sich in Cod. Guelf. 1161 Helmst., 22r–133r. Alle hier genannten Hss. wurden ebenfalls im Benediktinerkloster Clus geschrieben. Druck: M05741 (= 722, vergl.) und 5178 (= 46, 109, 721), vol. II: pars hiemalis, A IIIr – DD Ir; vol. III: pars aestivalis, A IIr–V IVv.
160r–214r Lectionarium officii Bursfeldense (Nocturnale in privatis diebus, redactio antiquior). ›Sequitur lectionarius trium lectionum‹. (160r–170r) Lectiones in privatis diebus a festo omnium Sanctorum usque ad dominicam I adventus. ›Nota cum festum omnium sanctorum venerit in tertia aut quarta feria … salvo notabili precedenti prima privata nocte mensis Novembris legentur lectiones que sequuntur. Lectio prima‹. Tu autem fili hominis audi que loquor ad te [Ez 2,8] … — … omnia precepta mea custodivit et fecit illa vita vivet [Ez 18,19]. Tu autem domine etc. Insgesamt 19 Gruppen von je drei Lektionen, gegenüber den unten genannten Drucken und der Parallelüberlieferung fehlen drei Gruppen.
(170r–179r) Lectiones in privatis diebus a dominica I adventus usque ad vigiliam nativitatis Domini. ›Privatis diebus per adventum domini. Ex Ysaia propheta nocte prima. Lectio prima‹. Verbum quod vidit Ysaias filius Amos super Iudam et Iherusalem [Is 2,1] … — … baptismum precedendo fieret umbra veritatis. Insgesamt 18 Gruppen von je drei Lektionen, gegenüber den unten genannten Drucken und der Parallelüberlieferung fehlen drei Gruppen (Weihnachtsvigil und Nächte der Weihnachtsoktav).
(179r–195v) Lectiones in privatis diebus a circumcisione Domini usque ad dominicam Septuagesimae. ›Prima privata nocte post circumcisionem imponuntur epistole Pauli et lectiones ex eisdem continuantur per omnes privatas noctes usque ad septuagesimam. Prima privata nocte incipit epistola beati Pauli apostoli ad Romanos‹. Paulus servus Ihesu Christi vocatus apostolus segregatus in evangelium dei [Rm 1,1] … — … gratia domini nostri vobiscum caritas mea cum omnibus vobis in Christo Ihesu Amen. Tu autem domine. Insgesamt 34 Gruppen von je drei Lektionen, gegenüber den unten genannten Drucken und der Parallelüberlieferung um eine Gruppe von drei Lektionen (II Cor 1,1–22) ergänzt.
(195v–210v) Lectiones in privatis diebus a dominica Septuagesimae usque ad dominicam I passionis. ›Nota si dominica septuagesime venerit in die purificacionis tunc liber Genesis imponetur proxima privata nocte … Alioquin prima privata nocte erunt lectiones subsequentes ex libro Genesis‹. Tulit ergo dominus deus hominem et posuit eum in paradisum [Gn 2,15] … — … munera ante eum ipse vero mansit nocte illa in castris. Tu autem domine. Insgesamt 38 Gruppen von je drei Lektionen.
(210v–214r) Lectiones in privatis diebus a dominica I passionis usque ad vigiliam paschatis. ›Notandum si dominica passionis fuerit occupata festo annunciacionis tunc primi nocturni lectiones de principio Iheremie … Alioquin prima privata nocte lectio prima‹. A seculo confregisti iugum meum rupisti vincula mea [Gn 2,15] … — … non est obducta cicatrix filie populi mei [Ier 8,22]. Tu autem domine. ›Expliciunt lectiones privatis diebus‹. Insgesamt 9 Gruppen von je drei3 Lektionen, gegenüber den unten genannten Drucken und der Parallelüberlieferung fehlen die drei Gruppen ab Gründonnerstag, auf die am Schluss des Textes lediglich verwiesen wird: Tribus diebus anta pasca leguntur lamentationes Ieremie prophete. Require eas post dominicam palmarum (cfr. 63v–67v). Zur Parallelüberlieferung vgl. Cod. Guelf. 296 Helmst., 1ra–120va. Druck (in dieser Reihenfolge): M05741 (= 722), 123ra–132vb, 134vb–144va, 146ra–192vb (vergl.); 5178 (= 46, 109, 721), vol. III: pars aestivalis, T Vr – V IIIv; vol. II: pars hiemalis, C IIIIv – E Ibr, M Vv – Q Ibv, U Ibv – BB Ibv, DD Ir – EE IIIv (vergl.). – 214v–215v leer.
Abgekürzt zitierte Literatur
H. Bohatta, Liturgische Bibliographie des XV. Jahrhunderts mit Ausnahme der Missale und Livres d'heures, Wien 1911, ND Hildesheim 1961 | |
CANTUS: A Database for Latin Ecclesiastical Chant. Indices of chants in selected manuscripts and early printed sources of the liturgical Office (https://cantusdatabase.org/) | |
S. Corbin, Die Neumen, in: Palaeographie der Musik, Bd. 1,3, hrsg. von W. Arlt, Köln 1979 | |
Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel) | |
Die Handschriften der Stiftsbibliothek zu Gandersheim, beschrieben von H. Härtel, Wiesbaden 1978 (Mittelalterliche Handschriften in Niedersachsen 2) | |
Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978– | |
O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3) | |
B. Lesser, Die Benediktiner von Clus und ihre Bücher. Exemplarische Analyse und Rekonstruktion der Konventsbibliothek, in: Zentrum oder Peripherie? Kulturtransfer in Hildesheim und im Raum Niedersachsen (12.–15. Jahrhundert), hrsg. von M. E. Müller und J. Reiche, Wiesbaden 2017 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 32), 165–228 | |
B. Lesser, Johannes von Brakel – Buchbinder und Schreiber im Benediktinerkloster Clus, in: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 38 (2014), 77–122 | |
Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865 | |
Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php) |
- Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)
- Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil III.