Hugutio Pisanus
Papier — 239 Bl. — 29,5 × 21 cm — Braunschweig — 1430–1440
Wasserzeichen: Anker mit einkonturigen Flunken, darunter einkonturiges Kreuz (nicht nachweisbar). Krone ohne Bügel, Mittelzinken einkonturig, Enden blattförmig, oben offen, Reif zweikonturig: DE5205-PO-50266, DE5205-PO-50267 (beide 1431). Zwei Schlüssel im Kreis, einkonturiger Schaft: DE6300-PO-121476 (1432). Ochsenkopf mit Augen und Nase, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: DE2730-PO-76131 (1431). Lagen: 19 VI (228). VI–1 (239). Reklamanten. Lagenmitte mit Pergamentfalzen verstärkt. Bleistiftfoliierung modern: 1–239. Zeitgenössische Tintenfoliierung in Majuskelbuchstaben und arabischen Zahlen von der Hand Gerwins von Hameln auf dem Kopfsteg jeder Rectoseite, die mit jedem Buchstaben des Alphabets im Wörterbuch neu einsetzt: A1–V11. Bl. 1 und einige weitere Bl. eingerissen und beschädigt. Schriftraum: 22–24 × 13–14,5 cm, zweispaltig (jede Spalte ca. 6 cm breit), 38–46 Zeilen. Bastarda, z. T. mit Merkmalen der Kursive, von einer Hand. Ob es sich dabei entgegen der bisherigen Forschungsmeinung ( , 81–97) um ein Autograph Gerwins von Hameln handelt, ist zwar sehr wahrscheinlich, kann hier jedoch nicht entschieden werden. Rubriziert bis 225rb, rote Lombarden. Am Beginn der einzelnen Alphabete mit Ausnahme der letzten drei jeweils federgezeichnete Initialen über 10–14 Zeilen in roter oder rot-brauner phantasievoll gestalteter Umrißzeichnung mit vegetabilen Silhouettenornamenten (100vb,, 101ra,, 141va,, 150va,, 183ra,, 186ra,, 192va, und 218vb,), häufig wirken die Buchstabenkörper wie aus gerollten oder gefalteten Stoff- oder Papierbahnen zusammengesetzt (1ra,, 32ra,, 52ra,, 83vb, und 92rb,). Die Konturen einiger Initialen sind von meist braun oder schwarz ausgeführtem Knospenfleuronnée, Perlreihen und Fibrillen begleitet, 1ra, auch von einer stilisierten Maske; in den Binnenfeldern (12rb,, 16va,, 36va,, 43vb,, 120va, und 156ra,) oder Rahmen (74va) Reihen oder Ähren von schwarzbraunen, rot gekernten Knospen. Die Tatsache, dass zahlreichen Knospen anstelle punktförmiger Kerne die rubrizierte Minuskel ›n[otarius]‹ eingeschrieben ist, deutet darauf hin, dass Gerwin von Hameln selbst den Buchschmuck hinzugefügt oder wenigstens derart ergänzt haben dürfte, denn der Buchstabe ist ein integraler Bestandteil seines ab 1440 geführten persönlichen Notariatssignets, vgl. , 16 und 339 mit Abb. 3 sowie Cod. Guelf. 598 Helmst., VS.
Gotischer Holzdeckelband mit Schweinslederbezug. Streicheisenlinien. Vier Doppelbünde. Kapital an Kopf und Schwanz mit ungefärbten Lederstreifen umflochten. Ehemals zwei Langriemenschließen, Schließenriemen einschließlich der Gegenbleche entfernt. Liber catenatus, eiserne Buchkette erhalten (Halteöse, 4 Glieder und Öse, 27,5 cm lang). Auf dem VD die Aufschrift [H]uguicio, darunter Titelschild (4,5 × 2 cm, Papier): Huicio; identischer Schriftzug auf Ober- und Unterschnitt. Am Beginn der einzelnen Alphabete rotgefärbte lederne Registerzungen als Blattweiser.
Herkunft: Der Codex dürfte laut Wasserzeichendatierung zwischen 1430 und 1440 wahrscheinlich in Braunschweig entstanden sein. — Er befand sich seit mindestens 1440 im Besitz Gerwins von Hameln, sofern dieser nicht selbst der Schreiber war, s. oben, 1r Wappen und Gebetsbitte wie in Cod. Guelf. 381 Helmst. Zusammen mit seiner übrigen Bibliothek übergab er den Codex 1495 der Liberei von St. Andreas in Braunschweig. — Im frühen 18. Jh. von Hermann von der Hardt in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt, vgl. dazu bei Cod. Guelf. 381 Helmst. Im Handschriftenkatalog der Helmstedter Universitätsbibliothek von P. J. Bruns (1797, BA III, 51) unter Nr. 33 genannt (Zuschreibung an Johannes Balbus): Januae catholicon, ut videtur. Nam nomen autoris lexici latini reticetur. Fol. chartac.
Nr. 444. — , 581 Nr. 20 — , 57 Nf. IV.15. — , 180 Nr. 13. — , 83.
1ra–239vb : Magnae Derivationes. Abba syrum nomen quod interpretatur pater unde hic abbas -atis monachorum pater … Abbax … Abissus … Abulla … — … Xeros … Xerses … Xatus [!] locus deambulacionis. Xilon grece latine dicitur lignum … Silvula di[minutivum] et Silvius filius Enee quia natus fuit in silvis et Silvosus. Der Prolog und die Artikel A1–A18 fehlen, ebenso X9 und X12–Z53. Die einzelnen Lemmata sind zum leichteren Auffinden marginal wiederholt. Auch in Cod. Guelf. 1.6 Aug. 2°, 1ra–286rb. Edition: , Bd. 2, 15–1305. Literatur: , 190–196 (192 Hs. genannt); , 280 Nr. 310.2 (Hs. genannt); , I codici manoscritti delle "Derivationes" di Uguccione Pisano. Saggio d’inventario bibliografico con appendice sui codici del "Catholicon" di Giovanni da Genova, Roma 1936 (Pubblicazioni bibliografiche dell’Istituto di Studi Romani), 29 (Hs. genannt); , Die "Magnae derivationes" des Uguccione da Pisa und ihre Bedeutung für die romanische Philologie, Roma 1965 (Temi e testi 11); 6, 446f. Nr. 3.
Abgekürzt zitierte Literatur
G. L. Bursill-Hall, A census of medieval latin grammatical manuscripts, Stuttgart-Bad Cannstatt 1981 (Grammatica speculativa 4) | |
C.A.L.M.A. Compendium auctorum latinorum medii aevi, hrsg. von M. Lapidge u.a., Bd. 1–, Firenze 1999– | |
Clavis patristica pseudepigraphorum medii aevi, hrsg. von I. Machielsen, Turnhout 1990– (Corpus Christianorum. Series Latina) | |
Clavis scriptorum latinorum medii aevi. Auctores Galliae (735–987), Bd. 1–, hrsg. von M.-H. Jullien, Turnhout 1994– (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis) | |
Gerwin von Hameln: Braunschweiger Büchersammler im späten Mittelalter. Katalog anläßlich der Ausstellung im Städtischen Museum Braunschweig vom 5.9.–27.10.1996, hrsg. von A. Haucap-Nass unter Mitarbeit von H. Blume, Braunschweig 1996 (Braunschweiger Werkstücke 96 = Reihe A: Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek 43) | |
G. Goetz, De glossariorum Latinorum origine et fatis, Leipzig 1923 (Corpus glossariorum latinorum 1) | |
A. Haucap-Nass, Der Braunschweiger Stadtschreiber Gerwin von Hameln und seine Bibliothek, Wiesbaden 1995 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 8) | |
O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3) | |
P. Lehmann, Gerwin van Hameln und die Andreasbibliothek in Braunschweig, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 52 (1935), 565–586 | |
B. Lesser, Von Leipzig nach Niedersachsen: Der Braunschweiger Stadtschreiber Gerwin von Hameln († 1496) als Sammler und Benutzer juristischer Literatur, in: Rechtshandschriften des deutschen Mittelalters. Produktionsorte und Importwege, hrsg. von P. Carmassi und G. Drossbach, Wiesbaden 2015 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 29), 71–105 | |
Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865 | |
Repertorium fontium historiae medii aevi, Bd. 1–12, hrsg. vom Istituto Storico Italiano per il Medio Evo, Rom 1962–2007 | |
Uguccione da Pisa, Derivationes. Editio critica princeps a cura di E. Cecchini, 2 Bde., Firenze 2004 (Edizione Nazionale dei testi mediolatini 11) | |
Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php) |
- Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)
- Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil II.