Lex Alamannorum
Monza (?) — 8. Jh., Ende
Provenienz: 1r Kopfsteg Lex Alamannorum. Vorsatzblatt mit Helmstedter Signatur J. 3. 4to. Aus dem Nachlass von Matthias Flacius am 24.04.1597 von Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg erworben. 1618 aus Wolfenbüttel in die UB Helmstedt überführt. 1644 im Katalog der Helmstedter UB als Lex gentis Alamannorum instituta temporibus Lotharii. In membrana Vor und hinten defect ohne Band (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 26r).
Pergament — 29 Bl. — 24,5 × 15,5 cm
Lagen: IV-1 (7). III (13). IV (21). IV (29). Am Ende der ersten und der dritten Lage (7v und 21v) am unteren Blattrand mit Lagenbezeichnungen in schwarzen römischen Ziffern. Die Bezeichnung auf 7v mit gepunkteter Sternverzierung. Neuere Tintenfoliierung. Sämtliche Blätter an der vorderen Ecke des Fußsteges beschädigt. Schriftraum: 19,5–20 × 12,5–13,5 cm, einspaltig, 19 Zeilen. Vorkarolingische Minuskel. Incipit in Capitalis, zeilenweise rot und schwarz wechselnd. Zählungen und Überschriften zu den Capitula in rubrizierter Unzialis.
Papierband mit gebrochenem Rücken (18. oder frühes 19. Jh.), überzogen mit Kiebitzpapier aus der Werkstatt des Buchbinders Anton Friedrich Wirck in Helmstedt.
INHALT
1r–29v Lex Alamannorum. 1r–2v Tabula. 3r–29v Text (Leges Alamannorum, hrsg. von , Hannover 1863 [MGH LL, 3], 1–83, hier 41–83, diese Hs. Sigle: B1; Leges Alamannorum, hrsg. von , Hannover 1966 [MGH LL nat. Germ. 5/1], 36–157, hier 36–49, 63–155, diese Hs. Sigle: A 8; zum Text vgl. ausführlich [in Vorb.]).
AUSSTATTUNG
Zahlreiche Initialen.Initialen: Zu den Textanfängen der Capitula zahlreiche kolorierte Hohlbuchstaben und einige schwarze Federinitialen (5v, 6v, 20r, 21r, 23r, 25r) teils mit roter Punktrandung (1,0–12,1 cm). Die Initialstämme an den Enden trichterförmig erweitert mit seitlichen Einrollungen, häufig mit gekernten Knospen und gereihten Perlansätzen (7r, 10r, 13v, 14v, 16r, 16v, 17r, 17v, 21v, 22v, 23r, 26r, 26v, 27r). Als Stammfüllungen dienen das ausgesparte, teils kolorierte Flechtband (3r, 5r, 6r, 8v, 15r, 18r, 21r, 21v, 22v, 24v, 27r), Achterschlingen (sehr häufig, vgl. 7r), das Seilband (5r, 6r, 10r, 13v, 15r, 15v, 20v, 23r, 26r, 27v), sichelförmige Fische mit spitzen Mäulern, gelegentlich mit angedeuteten Schuppen und häufig in Kombination mit Flechtband (3v, 6v, 7v, 8v, 10r, 14v, 15v, 17v, 20v, 21r, 21v, 22v, 25r, 26v, 27r, 28r, 28v), ausgesparte Stege mit Punktverzierung (6r, 10v), eine Auge (13v) und eine kleine Rosette (23v). Einige Initialen mit der Buchstabenform angepassten schwarzen, länglichen Paneelen vor farbigem Grund. Im Besatz ein Pferdekopf (3r), Tierköpfe mit spitzen Ohren (3r, 8r, 9r), gestielte Palmetten (3r), die Profilpalmette mit Spiralansätzen und gelegentlich eingefügten Augen (3r, 8r, 8v, 9r, 9v) und gereihten Perlen (3r). Den Buchstaben voll oder teilweise ersetzend Profilpalmetten (7v, 9v, 11r, 12r), Schlangen/Fabelwesen (8r, 17r, 24v - mit zwei Köpfen) und Fische (13r).
Farben:
Oxidiertes Silber (3r), Mennige, Violett und Beige.STIL UND EINORDNUNG
Die frühe Rechtshandschrift Cod. Guelf. 513 Helmst. wurde nach , 250 Anm. 132 für das wohl in Verbindung mit der Residenz König Pippins (781–810) stehende Skriptorium in Monza vorgeschlagen. Lowe gibt die Westschweiz oder Norditalien als mögliche Entstehungsregionen an (vgl. IX, Nr. 1382) Der Codex gehört zu einer Gruppe von dort entstandenen Handschriften, in deren Zentrum ein prächtiges Purpurlektionar aus Paris steht (Paris, BnF, lat. 9451; weitere Handschriften: Karlsruhe, BLB, Cod. Aug. perg. 261, St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 108, St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 227 und Wien, ÖNB, Cod. 1616; vgl. IV, Nr. 580; VIII, Nr. 1111; VII, Nrn. 905, 930; X, Nr. 1503). An die Gruppe gliedern sich an und gehören in das Umfeld: München, BSB, Clm 6300, München, BSB, Clm 6286 und Karlsruhe, BLB, Cod. Aug. perg. 254 ( IX, Nr. 1266; VIII, Nr. 1110; Nennung bei , 93, 94). In der Initialausstattung sind die Achterschlinge (vgl. 7r), Fische und Vogelköpfe; vgl. St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 108) aber auch Tier- und Menschenköpfe (vgl. besonders Paris, BnF, lat. 9451) bestimmend. Fabelwesenköpfe und hinterlegte Schriftzüge lassen insulare Einflüsse erkennen (vgl. Karlsruhe, BLB, Cod. Aug. perg. 261, 1v; , Abb. 27). Besonders enge Parallelen zur Wolfenbütteler Handschrift zeigen die beiden Codices aus St. Gallen, St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 227, 3r (hier derselbe der I-Initiale aufgesetzte Pferdekopf, wie in Wolfenbüttel 3r) und St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 108 (hier ähnliche sichelförmige Fische). Wie von von Euw festgestellt, ergeben sich in der Schrift beider St. Galler Handschriften paläographische Bezüge zu rätischen Handschriften, wie dem Remedius-Sakramentar (St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 348; , 73). Diese Verwandtschaft zur rätischen Gruppe lässt sich für die Initialausstattung bestätigen. Wie die oberitalienischen Handschriften, zeigen auch die rätischen Codices den Buchstabenstamm abschließende, prägnante seitliche Einrollungen und insular geprägte Tierköpfe.vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB).
, Bemerkungen über einzelne Handschriften und Urkunden. II. Die Gesetze: die Volksrechte, Reichsgesetze, Formeln, Deutsche Rechtsbücher, Canonisches Recht, in: Archiv der Gesellschaft für Ältere Deutsche Geschichtskunde 7 (1839), 719–832, hier 754. — , 23. — , Nr. 560 (Heinemann Nr.). — (in Vorb.). — IX, Nr. 1382. — , 314. — , 250 Anm. 132. — , 93, 94. — , 105. — , Osservazioni sul cod. lat. 1616 (sec. VIII ex.) della Biblioteca Nazionale di Vienna, in: Palaeographica diplomatica et archivistica: Studi in onore di Giulio Battelli, a cura della Scuola Speciale per Archivisti e Bibliotecari dell'Università di Roma, Bd. 1, Roma 1979 (Storia e letteratura 139), 85–97, hier 89 Anm. 17. — , Homéliaires liturgiques médiévaux. Analyse de manuscrits, Spoleto 1980 (Biblioteca degli "Studi medievali" 12), 281. — , Traube on "Schrifttypen", in: Scriptorium 36 (1982), 293–303, hier 297. — , Bd. 1,1.2, 468. — , 314. — , 99 Anm. 107, 109, 235. — , 80. — , Nr. 7336. — , 313. — , 460. — , Zum Geltungsbereich der Lex Alamannorum, in: Die transalpinen Verbindungen der Bayern, Alemannen und Franken bis zum 10. Jahrhundert, hrsg. von , , Sigmaringen 1987 (Nationes, 6), 359–377, Nr. 71. — (Abgekürzt zitierte Literatur
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Katalog der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften, Teil III (in Vorb.) |
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).