Pontificale
Eichstätt, Dom — 11. Jh., 3. Viertel
Provenienz: Die frühe Provenienz der Handschrift ist unklar. Laut Eintrag auf dem vorderen Spiegel Hic liber nomine Egregii viri et domini Sixti Tucher utriusque Juris doctoris famosissimi denuo datus est Ecclesie Novi Hospitalis Anno etc. 1508 befand sie sich im Besitz des Nürnberger Patriziers Sixtus Tucher (1459–1570), nach dessem Tod sie 1508 an das Heilig-Geist-Spital in Nürnberg übergeben ( , Gelehrtentum und Patrizierstand. Wirkungskreise des Nürnberger Humanisten Sixtus Tucher (1459–1507), Tübingen 2014 [Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 77], 248) und anschließend 1554 von Matthias Flacius Illyricus erworben wurde ( , 108f.; , 227–229). Von ihm stammen zahlreiche rote Markierungen und Nota-Vermerke (vgl. 39r–40v), von der Hand eines seiner Mitarbeiter der Inhaltsvermerk auf 1r Agenda papistica (Kopfsteg). Die Handschrift wurde 1597 zusammen mit den anderen Büchern der Bibliothek des Flacius vom Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg erworben. Sie erscheint 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 299). 1618 wurde die Handschrift von Wolfenbüttel nach Helmstedt überführt; dort 1644 im Handschriftenkatalog der Universitätsbibliothek unter den Theologici MSSti in quarto unter Agenda Episcopalis in membrana in bretter roth (vgl. Einbandaufschrift) beschrieben. Auf dem vorderen Spiegel die Helmstedter Signatur T. 4to 179. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) geführt unter der Nr. 501.
Pergament — I, 176, I Bl. — 23 × 16 cm
Lagen: 14 IV (112). III+1 (119.) IV+1 (128). 6 IV (176). Lagenbezeichnungen in römischen Ziffern unten auf der Blattmitte der letzten Seite einer jeden Lage. Lagenreihenfolge durch Bindefehler im 14./15. Jh. vertauscht (dementsprechend: 1r–40v, 49r–56v, 41r–48v, 57r–176v). Neuere Tintenfoliierung. Schriftraum: 16,5–17 × 11,5–12 cm, einspaltig, 18 Zeilen. Späte karolingische Minuskel von mehreren Händen. Gesangsteile, wie Antiphonen und Responsorien, abgesetzt in kleinerer Schrift und versehen mit interlinearen deutschen Neumen der Epoche I (vgl. , 182f.). Vorderer Spiegel mit Fragment in Kursive aus dem 15. Jh. (vgl. Angaben bei ; gedruckt in , Nr. 585). Textanfänge, hervorgehobene Textabschnitte sowie Initial- und Satzmajuskeln rubriziert. Einige Buchstaben in den Binnenfeldern blau gefüllt.
Holzdeckelband mit rotem Schafslederüberzug (14. Jh.). Vorder- und Rückseite verziert mit Streicheisenlinien. Eine Lederschließe. Ursprünglicher Nagelbesatz entfernt. Auf dem VD der Titel AGENDA EPISCOPLIS (Majuskel, 17. Jh.). Restaurierung 1960 in der Hamburger Werkstatt von A. Peters und I. Hahne. Hierbei wurden die Schließe und der Rückenüberzug erneuert. Die ehemaligen Spiegel wurden abgelöst und als Vor- und Nachsatzblatt eingefügt (vgl. Vermerk hinterer Spiegel).
INHALT
1r–176v Pontificale (zu den enthaltenen Texten und deren Reihenfolge vgl. ausführlich ).
AUSSTATTUNG
27 Initialen.Initialen: Einleitend zu den Textabschnitten Spaltleisteninitialen mit kleinen einfachen oder genagelten Spangen 5r, 9r, 18r, 26r, 29r, 31v, 34v, 38v, 41r, 41v, 58r, 59r, 61v, 86r, 96r, 101v, 105v, 113v, 133r, 135r, 137v, 139v, 140v, 141v, 149r, 153v, 170v; 1,0–6,2 cm. Vom Initialstamm ausgehend einfache Rankenverläufe mit Knollen- und Profiblattbesatz, teils den Initialstamm schlaufenförmig umschlingend (vgl. 58r und 153v - wellenförmig). Auf 29r eine Knospe mit Schraffur im Ansatz als Mittelmotiv. Die großzügig angelegten Knollen häufig schneckenartig eingerollt, gelegentlich mit nach außen spitzlappig abzweigendem Beiblatt (vgl. 141v). Auf 139v ein Greifvogel als Buchstabenersatz.
Farben: Die Initialen gezeichnet mit roter Feder und blau hinterlegt. Initialstämme und Ornament mit starkem Metallauftrag in Gold und Silber (oxidiert).
STIL UND EINORDNUNG
Die Auswahl der Heiligen in der Litanei der Handschrift zeigt, dass das Pontificale für den Gebrauch in der Diözese Eichstätt geschrieben worden ist. Ein Abgleich der Initialornamentik bestätigt die Einschätzung B. Lessers ( ), der Parallelen im Initialornament des Eichstätter Gundekarianums erkannte (Eichstätt, Diözesanarchiv, Cod. B 4, Eichstätt, um 1070; Lit. Das Pontifikale Gundekarianum. Faksimile Ausgabe des Codex B 4 im Diözesanarchiv Eichstätt, hrsg. von und , Wiesbaden 1987). Das Ornament des Gundekarianums zeigt auf Blatt 2v–6r, dem ältesten Teil der im 3. Viertel des 11. Jahrhunderts nachweislich für den Eichstätter Bischof Gundekar II. angefertigen Pontifikalien, enge Übereinstimmung (Rankenbesatz mit großen Knollen und spitz ausgezogenen Beiblättern), so dass die Wolfenbüttler Handschrift demselben Skriptorium zu geordnet werden kann und zeitgleich entstanden sein dürfte. Eichstätter Handschriften aus der frühen 2. Hälfte des 11. Jh., wie Cod. Guelf. 268 Helmst., zeigen ähnliches Ornament wie die beiden Pontificale-Handschriften, mit etwas schlankeren Ranken und Knospen. Die aus Cod. Guelf. 537b Helmst. bekannten Knospenmotive und wellenförmig angelegten, schlaufigen Abläufe finden sich bereits in Eichstätter Handschriften aus dem 1. Drittel des 11. (vgl. Cod. Guelf. 331 Gud. lat).vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB).
, Nr. 585 (Heinemann Nr.). — , Bd. 1.1,2, 626. — , 109, 236. — , Nr. 39 ( ). — (Abgekürzt zitierte Literatur
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).