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Beschreibung von Cod. Guelf. 649 Helmst. (geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.)
Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung

Liber ordinarius

Papier — 48 Bl. — 21,5 × 14,5 cm — Heiningen, Augustiner-Chorfrauenstift — um 1460

Wasserzeichen: Traube mit zweikonturigem Stiel: WZIS DE2040-PO-129111 (1458), Piccard XIV 554 (1459/60). Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS DE4620-PO-74733 (1462), IT8190-PO-74387 (1460). Lagen: 4 VI (48). Lagenmitte jeweils durch Papierfalze verstärkt. Bleistiftfoliierung modern: 148. Schriftraum: 16–16,5 × 9–10 cm, einspaltig, je nach Hand 22–32 Zeilen. Vier Haupthände in Bastarda und jüngerer gotischer Kursive, Hand 1 (schlaufenlose Bastarda): 1r3v und 4r21r; Hand 2 (schlaufenlose Bastarda): 3v4r; Hand 3 (jüngere gotische Kursive): 21v44r; Hand 4 (schlaufenlose Bastarda): 44v48v; ein Nachtrag in sehr unregelmäßiger jüngerer gotischer Kursive auf dem Fußsteg von Bl. 24v. Der Haupttext mit Ausnahme des Nachtrags (bis Bl. 44r) rubriziert, rote Lombarden in verschiedenen Buchstabenformen, einige mit Punktverdickungen, einige (z. B. 1r, 5v und 11r) als Fleuronnéelombarden mit blassgrünen Konturbegleitstrichen und einfachen, Punkt- und Linienmustern in Binnenfeld oder Buchstabenkörper, die meisten allerdings nur in roter Umrisszeichnung ausgeführt. Einige Zeilenfüller und Majuskelstriche blassgrün. 44v–48v keinerlei Buchschmuck, Raum für Lombarden ausgespart.

Koperteinband aus unbenutztem Kalbspergament, ohne Rückenverstärkungen. Lagen mit Langstichheftung aus gedrehten Schnüren direkt durch Umschlag geheftet. Der vordere Umschlag ist nach innen eingefaltet, der Einschlag ist mit einem schmalen gefalteten Pergamentstreifen im Zickzackstich fixiert. Die vom hinteren Umschlag als Verlängerung nach vorn reichende Klappe ist ebenso verloren wie der vermutlich daran befestigte Wickelverschluss. Auf dem VD eine Titelaufschrift (15./16. Jh.): Instructio horaria.

Herkunft: Der Codex wurde um 1460 im Augustiner-Chorfrauenstift Heiningen für den persönlichen Gebrauch der Liturginnen im Konvent geschrieben; einen sicheren terminus post quem bildet die Einführung der Windesheimer Gewohnheiten im Jahre 1451. Auf dem VS ein enstprechender Besitzvermerk: Ordinarius iste pertinet in Heyninghen monasterio sanctimonialium. — Die Hs. wurde am 12.4.1572 mit der übrigen Konventsbibliothek in die Wolfenbütteler Hofbibliothek überführt; 1614 in deren Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 288 [293]) unter den Papalia Miscellanea mit der Signatur X 33 als Ordinarius ad Instructionem Sanctimonialium compositus manuscriptus nachgewiesen, entsprechend einem zeitgleichen Inhaltsvermerk 1r auf dem Kopfsteg: Ordinarium. — 1618 aus Wolfenbüttel in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt; 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 19v) gemäß der Titelaufschrift als Instructio horaria unter den Theologici MSSti in quarto nachgewiesen; auf dem VS die entsprechende Helmstedter Signatur T. 4to 182. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 504 aufgeführt.

Heinemann Nr. 699. — Härtel Untersuchungen, 25. — Lutz, 185–188 und 192–210. — E. C. Lutz, Lesen, Verstehen und Vermitteln im Kompendium des Rektors eines reformierten Chorfrauenstifts (HAB, Cod. Guelf. 217 Helmst.: Heiningen, 1461–66), in: Lesevorgänge. Prozesse des Erkennens in mittelalterlichen Texten, Bildern und Handschriften, hrsg. von Dems., M. Backes und S. Matter, Zürich 2010 (Medienwandel, Medienwechsel, Medienwissen 11), 205–235, hier 219.Kruse/Lesser Büchersammlungen, 106. — B. Braun-Niehr, Wenn Regiebücher nicht überliefert sind. Über verborgene Anweisungen liturgischer Inszenierung, in: Liturgie in mittelalterlichen Frauenstiften. Forschungen zum Liber ordinarius, hrsg. von K. G. Beuckers, Essen 2012 (Essener Forschungen zum Frauenstift 10), 195–214, hier 196 und 206f. — Mersch, 290. — Rosenkränze und Seelengärten, 259f. Nr. IV.10 (C. Heitzmann). — Hascher-Burger/Lähnemann, 97. — B.-J. Kruse, Der verschwundene Schatz der Chorfrauen. Eine Rekonstruktion der materiellen Kultur im Augustiner-Chorfrauenstift Steterburg anhand des Inventars von 1572, in: Schriftkultur und religiöse Zentren im norddeutschen Raum, hrsg. von P. Carmassi, E. Schlotheuber und A. Breitenbach, Wiesbaden 2014 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 24), 355–411, hier 365. — Kruse Stiftsbibliotheken, 291, 306–309, 428. — Schnabel Frauenwelten, 46 und 53. — Frauenwelten, 100f. Nr. 8 (J. Tralles).

1r44r Liber ordinarius secundum usum monialium congregationis Windeshemensis CanAug. Der Text des Ordinarius ist gemäß den liturgischen Anforderungen im Augustiner-Chorfrauenstift Heiningen umgestellt und modifiziert; im einzelnen finden sich folgende Stücke:
(1r2r) ›De missis conventualibus per annum‹. Der Text bietet eine erheblich gekürzte und für einen Frauenkonvent modifizierte Fassung des originalen cap. 34, die sich auf die Anordnung der Messfeiern im Jahreslauf (Rubriken: ›In adventu domini‹, ›Ab octava epyphanie usque ad LXX‹, ›Ab LXX usque ad caput Ieiunii‹, ›Ab octava pasce usque ad ascensionem domini‹ und ›Ab octavis [!] sacramenti usque ad adventum domini‹) beschränkt; die für zum Priester geweihte Chorherren bestimmten liturgischen Anweisungen wurden entsprechend weggelassen.
(2r4r) ›De numero collectarum ad missam conventualem‹. Der Text bietet eine erheblich gekürzte und für einen Frauenkonvent modifizierte Fassung des originalen cap. 35, die sich auf Art und Rezitation der Messkollekten im Jahreslauf beschränkt (Rubriken: ›De qualitate collectarum ad missam in adventu domini‹, ›In nativitate domini‹, ›Post octavas epyphanie‹, ›Post purificationem usque ad caput Ieiunii‹, ›Ieiunio‹ ›Ab octavis [!] pasche usque ad ascensionem domini‹, ›Ab octavis [!] penthecostes usque ad adventum domini‹ und ›De collectis pro defunctis‹); die für zum Priester geweihte Chorherren bestimmten liturgischen Anweisungen wurden entsprechend weggelassen.
(4r5v) ›De collectione et transposicione aliquorum in adventu‹. Der Abschnitt behandelt diverse Sondergebräuche in der Adventszeit und hat im gedruckten Windesheimer Ordinarius kein Gegenstück.
(5v) Prologus. ›Incipit ordinarius‹. Cum universa que in officio divino cantan[da] sunt in libris ad idem officium pertinentibus locis congruentibus sufficienter exprimantur idcirco eadem in hoc ordinario non recitamus … — … idcirco in principio ebdomade convenit previderi quid per totam ebdomadam debeat observari. Abweichend vom Prolog der jüngeren, gedruckten Fassung, stimmt überein mit der älteren Fassung, z. B. in der Hs. Gent, UB, BHSL.HS.1448, 11ra–b.
(5v44r) Textus (partim mutatus partim tam abbreviatus quam dilatatus aliquot capitulis omissis). Adventus domini qui semper post sexto [!] kalendas Decembris inchoatur usque ad dominica [!] nativitatis diem precipua devocione recolitur … — … tunc potest iniungere non professis septem psalmos penitenciales cum letaniis sollicita tamen ne nimium aliqua gravetur. Et sic est finis deo gracias. Modifiziert, zumeist grammatisch in die weibliche Form transponiert und teilweise mit, teilweise ohne Rubriken und Zwischenüberschriften wurden die auch für Frauenkonvente geeigneten bzw. entsprechend adaptierten Kapitel 1–28, 36, 30, 32 und 39–43 aufgenommen und adaptiert. Die für Chorfrauenkonvente ungeeigneten Kapitel 33 (De ministratione ad missam), 36 (De prima missa), 37 (De modo celebrandi officium) und 38 (De investitione et professione noviciorum) fehlen gänzlich. Auf Bl. 33v steht folgender Verweis auf die voran- und nachgestellten Stücke: De missis conventualibus de numero et qualitate collectarum pro singulis temporibus et festis servandis vide supra ante ordinarium [sc. 1r–5v, die modifizierten und gekürzten Kapitel 34 und 35]. Sed et quomodo sorores habeant infra horas regulares et missam conventualem satis expressum est in statutis [sc. 44v–48v, als Ersatz für Kapitel 29 und 31]. Eine Auflistung aller vorhandenen Rubriken vgl. bei Lutz, 187f. – 24v auf dem Fußsteg eine Notiz des frühen 16. Jh. zu cap. 14 (De octava paschae) zum zweiten Alleluia des Offiziums, wozu der Ordinarius auf die liturgischen Bücher verweist (Primum alleluia 'Pascha nostrum' frequentatur secundum sicut in libris plenius exprimitur variatur): Dum in grad[u]alibus nostris habetur secundum 'Alleluia' de tempore hoc sic intelligendum est tempore paschali: Si est festum misse tunc secundum 'Alleluia' per ferias assignatas presertim ante ascensionem. Si vero schribitur [!] secundum 'Alleluia' de feria manifestum est. Si autem post festum ascensionis fuerit tunc secundum 'Alleluia' est 'Ascendit deus in iubilacione' (CANTUS g01080). Vgl. auch die Angaben an der entsprechenden Stelle im Windesheimer Graduale Cod. Guelf. 30 Helmst., 100v. Druck: Ordinarius divini Officii Pro ordine Canonicorum Regularium, Capituli siue Congregationis Vvyndesemensis, Daventriae: Pafradus 1521, fol. XLIIIIr–XLVIIIr, Ir–XXXVv. XLVIIIr–v, XXXVIIIr–XXXIXv, XLIr–XLIIv und LVIIr–LXVIIr (in der Abfolge der Hs.); Lutz, 192–210 (krit. Edition der Texte zur Karwoche nach dieser Hs., 15r–24v, Sigle H). Literatur: J. E. Gugumus, Ein Windesheimer "Liber oridinarius" aus Frankenthal in Cod. Pal. lat. 479 der Vatikanischen Bibliothek, in: Secundum regulam vivere. Festschrift für P. Norbert Backmund O.Praem., hrsg. von G. Melville, Windberg 1978, 335–341; H. M. Franke, Der Liber ordinarius der Regularkanoniker der Windesheimer Kongregation, Leverkusen-Opladen, Bonn 1981 (Studia Vindesemensia 2,1); R. Th. M. van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559. Bijdrage tot de institutionele geschiedenis van het kapittel van Windesheim, dl. 1: Overlevering en bronnen, Nijmegen 1986 (Middeleeuwse studies 3/1), 212–220; Lutz, 36–64 (jeweils zu dieser Hs.); U. Hascher-Burger, In omnibus essent conformes? Windesheimer Reform und liturgische Erneuerung in niedersächsischen Frauenkonventen im 15. Jahrhundert, in: Church History and Religious Culture 93 (2013), 535–547, hier 545–547.

44v48v Liber constitutionum sanctimonialium ordinis sancti Augustini (partim). Der von einer anderen, etwa gleichzeitigen Hand als Nachtrag zum Liber ordinarius hinzugefügte Auszug umfasst folgende Stücke:
(44v47v) ›Qualiter sorores se habeant infra horas regulares. Capitulum IIII‹. Regularibus horis et missis conventualibus omnes pariter moniales interesse debent … — … precedentibus iunioribus intrant exinde per dimidiam horam oracionibus vel meditacionibus seu aliis spiritualibus exerciciis operam dantes. Abschrift von Liber constitutionum sanctimonialium, cap. III,4, am Schluss eine Ergänzung gegenüber dem Druck. Dient als passender Ersatz für das ausgelassene cap. XXIX des originalen Ordinarius, vgl. oben, 33v, wo auf dieses ergänzte Kapitel verwiesen wird.
(47v48v) ›Qualiter se sorores habeant infra missam conventualem. Capitulum V‹. Dum introitus ad missam cantatur stat chorus contra chorum … — … ad benedictionem profunde inclinat chorus contra chorum. Abschrift von Liber constitutionum sanctimonialium, cap. III,5. Dient als passender Ersatz für das ausgelassene cap. XXXI des originalen Ordinarius, vgl. oben, 33v, wo auf dieses ergänzte Kapitel verwiesen wird. Edition und Literatur: R. Th. M. van Dijk, De constituties der Windesheimse vrouwenkloosters vóór 1559. Bijdrage tot de institutionele geschiedenis van het kapittel van Windesheim, dl. 2: Receptie en tekst, Nijmegen 1986 (Middeleeuwse studies 3/2), 726–833, hier 783–790.


Abgekürzt zitierte Literatur

CANTUS CANTUS: A Database for Latin Ecclesiastical Chant. Indices of chants in selected manuscripts and early printed sources of the liturgical Office (http://cantus.uwaterloo.ca//)
Frauenwelten Frauenwelten. Die Klöster Heiningen und Dorstadt, hrsg. von C. Höhl, Regensburg 2021
Härtel Untersuchungen H. Härtel, Untersuchungen zur Bibliotheksgeschichte in Niedersachsen an der Wende vom 15. und 16. Jahrhundert, in: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 11 (1986), 1–32
Hascher-Burger/Lähnemann U. Hascher-Burger und H. Lähnemann, Liturgie und Reform im Kloster Medingen. Edition und Untersuchung des Propst-Handbuchs Oxford, Bodleian Library, MS. Lat. liturg. e. 18, unter Mitarbeit von B. Braun-Niehr, Tübingen 2013 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 76)
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Kruse/Lesser Büchersammlungen B.-J. Kruse, B. Lesser, Virtuelle und erhaltene Büchersammlungen aus den Augustiner-Chorfrauenstiften Steterburg und Heiningen, in: Sammler und Bibliotheken im Wandel der Zeiten, hrsg. von S. Graef, S. Prühlen und H.-W. Stork, Frankfurt/M. 2010 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Sonderbd. 100), 95–113
Kruse Stiftsbibliotheken B.-J. Kruse, Stiftsbibliotheken und Kirchenschätze. Materielle Kultur in den Chorfrauenstiften Steterburg und Heiningen, Wiesbaden 2016 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 28)
Lutz E. C. Lutz, Arbeiten an der Identität. Zur Medialität der cura monialium im Kompendium des Rektors eines reformierten Chorfrauenstifts, Berlin, New York 2010 (Scrinium Friburgense 27)
Mersch K. U. Mersch, Soziale Dimensionen visueller Kommunikation in hoch- und spätmittelalterlichen Frauenkommunitäten. Stifte, Chorfrauenstifte und Klöster im Vergleich, Göttingen 2012 (Nova mediaevalia 10)
Piccard G. Piccard, Die Wasserzeichenkartei Piccard im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bd. 1–17, Stuttgart 1961–1997 (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg. Sonderreihe Die Wasserzeichenkartei Piccard im Hauptstaatsarchiv Stuttgart 1–17)
Rosenkränze und Seelengärten Rosenkränze und Seelengärten – Bildung und Frömmigkeit in niedersächsischen Frauenklöstern, hrsg. von B.-J. Kruse, Wiesbaden 2013 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 96)
Schnabel Frauenwelten K. Schnabel, Frauenwelten – Bücherwelten, in: Frauenwelten. Die Klöster Heiningen und Dorstadt, hrsg. von C. Höhl, Regensburg 2021, 34–54
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.
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