Evangeliar von 1194
Kalbspergament — 177 Bl. — 32,8 × 22,6 cm — Helmarshausen (?) — 1194
Kalbspergament. Lagen: III+1 (7). III (13). 5 IV (53). IV+1 (62). 14 IV (174). 3 Einzelblätter (177). Mit Ausnahme von Lage 2, 11 und 15 Befolgung der Gregory-Regel. Bei der ersten, der letzten und der achten Lage Einfügung von je einem Doppelblatt (Evangelistenbilder und Schluss der Lukasvorrede). Spätmittelalterliche Tintenfoliierung in arabischen Ziffern und Bleistiftfoliierung aus heutiger Zeit. Sprünge in der spätmittelalterlichen Foliierung von 13 auf 15 (fol. 14 neue Zählung), von 61 auf 63 (fol. 60–61 neue Zählung) und 134 auf 137 (fol. 132–133 neue Zählung) auf Grund von Verlusten vor der Neubindung 1546 (s.u.). Alphabetische Lagenzählung vom Schreiber von der 4. bis 19. Lage: a-q, jeweils auf der ersten und der letzten Seite jeder Lage (auf 30r fehlt das a). Lagenformel mit Rekonstruktion der ursprünglichen Verhältnisse und entsprechend bei der 2., 8. und 17. Lage differenziertem Lagendiagramm bei: 121 Anm. 120, 122, 124 Anm. 130. Vgl. auch , Methoden der Lagenbeschreibung, in: Scriptorium 46 (1992) 3–27, hier 18 Fig. 3. Schriftraum: 21,5 × ca. 14 cm, 26–28 Zeilen. Zur Variation von Zeilenzahl und Zeilenlänge vgl. 123 Anm. 126. Blindlinien. Carolino-Gothica; nach , 73 nicht von einem Schreiber aus Helmarshausen. Capitula in einem kleineren Schriftgrad geschrieben (19r–21r, 59r-60, 85r–88r, 131v–132r). Kolumnentitel in roten Majuskeln. Überschriften in rotem Unzialisbuchstaben, desgleichen ein oder mehrere Zeilen des den Initialen folgenden Textes. Bis zu einundzwanzigzeilige Initialen auf zumeist blaugrünem Grund: 15v N (13,5 × 8 cm), 17v P (18 × 8 cm), 21r M (12 × 10 cm), 57v M (12 × 9,5 cm), 58v P (13,5 × 7 cm), 88r Q (8 cm Durchmesser mit mächtiger Cauda), 130v H (16 × 9,5 cm), 132v L (10 × 6,5 cm). Überwiegend Rankeninitialen mit roten Ornamenten auf goldenem Buchstabenkörper. Im Binnenfeld auf blauem oder grünem bzw. blaugrünem Grund Blattranken gelegentlich mit Schnallen zusammengehalten. Die am Rand untergebrachten Kanon- und Abschnittsnummern korrespondieren mit rotumrandeten Goldbuchstaben im Text. Die Capitula mit silbernen und goldenen Buchstaben hervorgehoben, der jeweils erste dreizeilig. 3 Evangelistenbilder. Evangelisten, sitzend von vorn bei verschiedenen Schreibtätigkeiten dargestellt: 22v (25,9 × 18,5 cm) Matthäus hält mit der Linken das Messer, mit der Rechten schreibt er auf eine Buchrolle; 61v (24,9 × 16,5 cm) Markus auf einem Thron, in der Rechten die Feder, schreibt auf einer auseinandergezogenen Pergamentrolle den Anfang des Evangeliums, rechts hält sein Symbol, der Löwe, ein Ende der Rolle im Maul, links er selbst das andere Ende. (Farbabb. von 61v: 1176, Schwarzweißabb. , 141); 88v (25,2 × 17 cm) Lukas schärft die Feder, der Stier hält ein Schriftband mit dem Text von Lk 1,5 (Farbabb. von 88v: Abb. 165). Breite, ruhig, mehr gezeichnete als farbig modellierte Figuren ( ). Kleidung: rote, unterschiedlich farblich schattierte Gewänder. Vor goldenem Hintergrund, der sich durch rechts und links zurückgezogene Vorhänge öffnet, sitzen die Figuren. Breite umlaufende Rahmenleisten mit ornamentaler Füllung (Friese aus Palmetten- und Wellenfriesen, in den vier Ecken Quadrate mit Ornamenten (61v) oder Fabelwesen (22v) und Hunden (88v). Farben: rot, blau, grün, gold, schwarz. Gegenüber den Evangelistenporträts 3 Initial- bzw. Incipitseiten (23r, 58r, 89r). 10 Kanontafeln (4v–10r): Je vier oder fünf Säulen von drei oder vier Rundbögen überwölbt. Darüber Halbbögen, bei den fünf Säulen auf 8v bis 10r zwei Halbbögen. Über dem Bogenansatz jeweils Blattornamente. In allen Tympana die Evangelistensymbole einzeln oder in Gruppen zu zweit, dritt oder viert. Farben: rot, blau, grün, gold, schwarz. Evangelienzyklus: 10v Verkündigung und Geburt (22 × 14,8 cm), 11r Darbringung und Taufe (21,7 × 14,7 cm), 11v Kreuzigung und Geißelung (21,5 × 14,8 cm), 12r Grablegung und Höllenfahrt (21,4 × 14,6 cm), 12v Frauen am Grabe und der ungläubige Thomas (21,4 × 14,6 cm). Rahmen: breite seitliche Friese, horizontale dünne farbige Leisten. Im Rahmen Eckquadrate bzw. Medaillons mit Propheten, Königen und Aposteln, auf 10v, 11r, 11v mit Schriftbändern, danach nur vereinzelt. 13r Himmelfahrt Christi (21,4 × 14,8 cm). Nach sind byzantinische Einflüsse nachweisbar z.B. auf 13v (Weltgericht): der von den Füßen des Richters fließende Feuerstrom, die Leidenswerkzeuge auf dem Tisch (21,6 × 15,7 cm). Kanontafeln und Evangelienzyklus sind dem Evangeliar später vorgeschaltet worden, sie weichen in Stil und künstlerischer Qualität von den übrigen Miniaturen ab (sorgsame Modellierung der Gewandflächen, Gesichter durch Kombination von Pergamentfarbe und gelbbrauner Schattierung sehr lebendig).
Einband aus mit Leder bezogenen Holzdeckeln. Leder porös, Reste von Goldprägung. Einzel-, Rollen- und Plattenstempel. Auf dem VD Jahreszahl 1546 in das Leder eingetieft, darunter zwei Plattenstempel, links das hessische Wappen, rechts Simson, der den Löwen zerreißt mit der Unterschrift: SPEIS. GENG. VOM. FRESSER. VND. SUSSIGKEIT. VOM. STARCKEN. IVD IC 15. Auf dem HD: VERBUM DOMINI MANET in AETERNUM, darunter zwei Plattenstempel, rechts Martin Luther, links Philipp Melanchthon, Reste einer Legende.
Herkunft: Datierung (177v): Anno incarnationis dominice millesimo centesimo nonagesimo quarto conscriptus est codex iste. Deo gratias. — Übergabenotiz (Vorsatzblatt): Dem durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn, Herrn Juliussen, Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg etc: Zu betzierung Seiner F. G. Newangestelten Bibliotheca, ist dis buch, von dem auch Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn, Herrn Wilhelmen Landtgraffen zu Hessen, Graffen zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenheim vnd Nidda freundtlich verehrt worden. Praesentirt Wolfenbüttel 25 Junij. Anno domini 1573 (Wilhelm IV. von Hessen-Kassel, genannt der Weise, 1532–1592). Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt; auf dem VS alte Helmstedter Signatur T. 22.
, 36 Nr. 45. — Nr. 80. — , Aus dem Kunstkreis Heinrichs des Löwen, in: Städel-Jahrbuch 7–8 (1932) 241–397. — , Die Helmarshausener Buchmalerei zur Zeit Heinrichs des Löwen, Hildesheim 1933 (Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur des Mittelalters 1), 128–144. — , Ars sacra: Kunst des frühen Mittelalters. Katalog der Ausstellung München, Prinz-Carl Palais 1950, München 1950, 120f. — Kunst und Kultur im Weserraum 800–1600. Ausstellung des Landes Nordrhein-Westfalen Corvey 1966, Münster 1966, 509f., Abb. 190, 191, 192b. — , Die Schreib- und Malwerkstatt der Abtei Helmarshausen bis in die Zeit Heinrichs des Löwen, Marburg 1972 (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 21), 355–359. — XV-XX, 90f. — , 74–86, Abb. 38. — Die Zeit der Staufer: Geschichte, Kunst, Kultur. Ausstellung des Landes Baden-Württemberg Stuttgart 1977, Bd. 1, Stuttgart 1977, 585–587, Bd. 2, Abb. 549 und 550. — , 1175f. ( ). — , Der Welfenschatz: Zeugnis sakraler Kunst des deutschen Mittelalters, Hannover 1986, 110–112. — , Studien zum Figurenstil des Codex Helmst. 65 in der Herzog August Bibliothek, Braunschweig 1987. — , 135–141 ( ). — , Pergamentdicke und Lagenordnung, in: Pergament. Geschichte – Struktur – Restaurierung – Herstellung, hrsg. von , Sigmaringen 1991 (Historische Hilfswissenschaft 2), 97–144. — , 344. — , Miniaturen zur Weihnachtsgeschichte aus mittelalterlichen Handschriften der Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel 1991, 18f. — , The Brunn Missal: A New Addition to the Later Helmarshausener Group, in: Helmarshausen und das Evangeliar Heinrichs des Löwen: Bericht eines wissenschaftlichen Symposiums in Braunschweig und Helmarshausen, hrsg. von und , Göttingen 1992 (Schriftenreihe der Kommission für Niedersächsische Bau- und Kunstgeschichte bei der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft 4), 255–290, Abb. 27, 37, 40. — Heinrich der Löwe und seine Zeit: Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125–1235. Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995, hrsg. von und , Bd. 1, München 1995, 580–582. — , Der Codex Vaticanus Rossianus 181. Studien zur Erfurter Buchmalerei um 1200, Berlin 1996. — , Kostbarkeiten aus den Bücherschätzen der Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel 1998, 20f. — Kostbarkeiten aus den Sammlungen der Herzog August Bibliothek. Eine Führung von der Spätantike bis zur Reformation, hrsg. von , Wolfenbüttel 1999, 44f. — , Il libro manoscritto: introduzione alla codicologia, Rom 2003 (Studia archaeologica 124), 171–174. — , Buchkultur im geistlichen Beziehungsnetz. Das Helmarshausener Skriptorium im Hochmittelalter, in: Helmarshausen. Buchkultur und Goldschmiedekunst im Hochmittelalter, hrsg. von , Kassel 2003, 77–122, hier 109f. mit Abb. 18. — 386–390, Abb. 165–167 ( ). — , Helmstedter Professoren als Handschriftenbibliothekare, in: Das Athen der Welfen. Die Reformuniversität Helmstedt 1576–1810, hrsg. von und , Wolfenbüttel 2010 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek 92), 262–269. — , 289–293 Nr. 11 ( ).
1r Inhaltsverzeichnis des 15. Jh. mit Angabe der Anzahl der Capitula pro Evangelium, des Beginns der vier Evangelien (mit Initien), der voraufgehenden Capitulaverzeichnisse und des Capitulare evangeliorum mit Blattangabe gemäß der alten Foliierung. ›Ordo et numerus capitulorum quattuor evangelistarum secundum presentis libri continenciam seu distinctionem …‹ Es folgt eine Liste von Festtagen jeweils mit Hinweis auf die entsprechende Lesung, die gekennzeichnet wird durch Angabe von Evangelium, Kapitel und Initium der Lesung und Blattzahl. ›Festa maiora seu duplicia‹. Circumcisio domini. C 2. [Lc 2,21] Postquam consummati folio 95 (i.e. 94v)… Nennung von zwei Augustinusfesten deutet auf Konvent unter Augustinusregel. Vgl. , Evangeliar, in: 1175. — 1v–4v leer.
4v–10r Kanontafeln , zehnteilige Folge.
10v–13v Miniaturen. — 14r–15r leer.
15v–19r Prologi quattuor evangeliorum. Novum opus … 595. (17v) Plures fuisse … 596.
19r–21v Capitula et prologus secundum Matthaeum. Nativitas Ihesu Christi … , Sommaires, Divisions et Rubriques de la Bible Latine, Namur 1914, 270–280, Spalte A. Vgl. auch 11016. 1, 18–38, Spalte 2 (C). (21r) Matheus in Iudea … 590. — 22r leer.
22v–57v Evangelium secundum Matthaeum. (22v) Bildseite. (23r) Initialseite. (23v) Text. (57v) Explicit evangelium secundum Matheum
57v–60r Prologi et Capitula secundum Marcum. 607 und 611. – (59r) ›Incipiunt capitula‹. 1, 174–186, Spalte 2 (C od. T Harl. 2797). , Sommaires, 282–286, Spalte A. — 60v–61r leer.
61v–85r Evangelium secundum Marcum. (61v) Bildseite. (62r) Initialseite. (62r) Text. (85r) Explicit evangelium secundum Marcum
85r–88r Capitula secundum Lucam. ›Incipiunt capitula secundum Lucam evangelistam‹. 1, Fasc. 3, 274–306, Spalte 2 (C). Prologus. siehe unten zu 132r.
88r–130v Evangelium secundum Lucam. (88v) Bildseite. (89r) Bildseite. (89v) Text. (130v) Explicit evangelium secundum Lucam.
130v–132r Prologus et Capitula secundum Iohannem. ›Incipit prologus in evangelium secundum Iohannem‹. 624. (131v) ›Incipiunt capitula‹. 1, 492–505, Spalte 2.
132r Prologus secundum Lucam. ›Iste prologus in evangelium secundum Lucam deest suo loco. Hic eum reperies‹. Lucas Syrus Antiocensis. Bricht ab: … sciens tamen quod operantem [agricolam oporteat … fastidientibus prodidisse]. 620.
133r–164r Evangelium secundum Iohannem.
164v–177v Capitulare evangeliorum. In vigilia natalis domini ad sanctam Mariam secundum Mattheum cap. III. In illo tempore cum esset desponsata … Typus Δ der bei , Das römische Capitulare Evangeliorum. Texte und Untersuchungen zu seiner ältesten Geschichte, Münster in Westfalen 1935 (Liturgiegeschichtliche Quellen und Forschungen 28) aufgeführten Capitulare-Fassungen.
Abgekürzt zitierte Literatur
- Lizenzangaben korrigiert (schassan, 2020-04-17)
- Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)
- Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil I.