Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung (Vorläufige Beschreibung)
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 677 Helmst.
Gregorius I papa. Smaragdus Sancti Michaelis
Papier — II, 264, I Bl. — 21 × 14,5 cm — Clus, Benediktinerkloster — 1435–1440
Aus zwei Teilen zusammengesetzt: I IIr–158v, II 159r–263v. Lagen: VI+1 (12)! 11 VI (145)! VII–1 (158). 8 VI (254). VI–3 (263). Bleistiftfoliierung modern: 1–263, vorderes Vorsatzbl. (Papier) ungez., Zählfehler: Bl. 62 übersprungen. Der gesamte Codex ist am Kopf durch Wasserschaden und Schimmelbefall in Mitleidenschaft gezogen, besonders in der zweiten Hälfte des Buchblocks z. T. erheblicher Materialverlust.
Der zunächst verwendete Einband ist nicht mehr vorhanden; aufgrund der Anobienfraßspuren in den lezten Lagen dürfte es sich um einen Holzdeckeleinband gehandelt haben. Dieser wurde nach 1525 durch einen neuen spätgotischen Holzdeckelband, mit ungefärbtem, aber erheblich gebräuntem Schafslederüberzug ersetzt. Streicheisenlinien. Einzelstempel Blattwerk als Rautenmuster, mit Staudenfüllung: s000812. Lilie, Mittelblatt rhombisch, unterer Abschluss lilienförmig: s002479. Rautengerank, Besatz knopfförmig: s003887. Hund sitzend: s005297. Sämtlich der Cluser Werkstatt "Johannes von Brakel" ( w000352) zugeschrieben, obwohl die Stempel erst vom Nachfolger des 1525 verstorbenen Cluser Buchbinders verwendet wurden, vgl. dazu , 94–100. Drei Doppelbünde, Kapital umstochen, fehlt am Kopf aufgrund eines starken Wasserschadens. Eine mittig angebrachte Riemenschließe mit Stiftlager in Vogelkopfform, Schließenhaken abweichend. An VD und HD je zwei umgreifende Eck- und zwei Kantenbeschläge aus Messing. Zwischen Bl. 208 und 209 liegt ein schmaler (7 x 1,8 cm) Papierstreifen mit unleserlicher Beschriftung als Stecklesezeichen.
Herkunft: Die beiden Teile des Codex wurden von zwei Schreibern, darunter dem späteren Abt Hermann Bornemann, zwischen 1435 und 1440 im Benediktinerkloster Clus geschrieben. — Am 3.2.1624 wurde die Hs. von dort in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt. Sie ist 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 16v) unter den Theologici [MSSti] in quarto als Gregorii Papae Dialogi. Smaragdi Abbatis Diadema monachorum erwähnt; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 720 genannt.
Nr. 740. — , 191, 220. — , 86, 121.
I
Papier — 158 Bl. — 21 × 14,5 cm — um 1435
Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: DE4860-Ms896_416 (1435), AT5000-225_11, AT5000-225_48 (beide 1434/1435). Krone ohne Bügel, Mittelzinken einkonturig, Enden blattförmig, oben offen, Reif zweikonturig: DE1335-PO-50312 (1435), DE2040-PO-50296 (1434), DE2040-PO-50174 (1439, drei weitere Typen nicht nachweisbar). Lagen: VI+1 (12)! 11 VI (145)! VII–1 (158). Kustoden in arabischen Zahlen auf dem Fußsteg der letzten Versoseite jeder Lage mit Ausnahme der letzten: 1–12. Schriftraum: 16 × 9–10 cm, einspaltig, 26–30 Zeilen. Bastarda, teilweise mit, teilweise ohne Schlaufen, von der Hand des Schreibers Hermannus Bornemann. Rubriziert, rote Lombarden. 1r schlichte rote Fleuronnéeinitiale Q in Unzialform über 14 Zeilen, die Cauda läuft links nebem den Textspiegel in einem Kreis aus, im Binnenfeld zwei gegenständig geschwungene, eichenblattähnlich gekernte Palmettenblätter in brauner Federzeichnung.
Ir–v Fragment (s. oben), IIr–v leer.
1r–158r Dialogi. ›Incipit liber dialogorum beati Gregorii pape urbis Rome‹. (1r–2v) Prologus. (2v–22v) Liber I. ›Explicit liber primus‹. Das Kapitelverzeichnis des ersten Buches fehlt. (22v–23v) ›Incipiunt capitula in librum secundum dialogorum beati Gregorii pape‹ … — … ›Expliciunt capitula‹. (23v–55v) ›Incipit liber secundus dialogorum‹ … — … ›Explicit liber secundus‹. (55v–56v) ›Incipiunt capitula libri tercii‹ … — … ›Expliciunt capitula‹. Die rubriziert eingetrage Kapitelzählung ist fehlerhaft (es sind nur ›XXXV‹ Kapitel gez.), obwohl alle Tituli vorhanden sind. (56v–106r) ›Incipit liber tercius‹ … — … ›Explicit liber tercius‹. (106r–108r) ›Incipiunt capitula libri quarti dialogorum beati Gregorii pape‹. Die rubriziert eingetrage Kapitelzählung ist fehlerhaft (es sind nur ›LXI‹ Kapitel gez.), obwohl alle Tituli vorhanden sind. (108r–158r) ›Incipit liber quartus dialogorum‹ ›Explicit liber dialogorum beati Gregorii pape urbis Rome‹. Orate pro scriptore deum fratre Hermanno Bornemann ( 6969). Die Gliederung entspricht den Ausgaben, die Sprecherrollen sind durch rubrizierte Namenskürzel angegeben. Der Schreiber des Textes, der aus Einbeck gebürtige Hermann Bornemann, immatrikulierte sich zum WS 1430/1431 in Erfurt ( , 149) und trat vermutlich zunächst ins Kloster Bursfelde ein, bevor er nach Clus wechselte und dort 1439 zum Abt gewählt wurde. Er resignierte krankheitshalber bereits im Jahre 1446 und zog sich ins Benediktinerkloster Schinna zurück, wo er am 28.9.1480 verstarb, vgl. , 271f. u. ö. Vollständig auch in Cod. Guelf. 445 Helmst., 1ra–66va; 519 Helmst., 1v–107r; 32.11 Aug. 2°, 158ra–227va; 33.6 Aug. 2°, 2ra–61va. Auszüge und Fragmente in Cod. Guelf. 32 Helmst., 122r; 137 Helmst., VS; 482a Helmst., 83v–86r; 552 Helmst., 283r–285v; 567 Helmst., 128r–v; 1109 Helmst., 107r–128v; 17.20 Aug. 4°, 162v–168r; 50.6 Aug. 4°, 40v–41v; 404.1 Novi (10). Druck: 77, 149–429; Gregorii Magni Dialogi libri IV, hrsg. von , Roma 1924 (Fonti per la storia d'Italia 57), ND Roma 1966 und 1990; Bde. 2, 3. Literatur: 1713; 5, 227; , 54f.; 5, 135–159; 4, 413–415 Nr. 1. – 158v leer, vermutlich als Federprobe wurde die Anrede Honorabili ac discreto viro domino Hinrico Kni im späten 15. oder frühen 16. Jh. nachgetragen; der Adressat ist bislang unbekannt.
:II
Papier — 105 Bl. — 21 × 14,5 cm — 1435–1440
Wasserzeichen: Zwei Schlüssel, gekreuzt, zweikonturiger Schaft, runder Griff: DE2730-PO-120903 (1437). Zwei Schlüssel, gekreuzt, zweikonturiger Schaft, eckiger Griff: NL8370-PO-121056 (1439). Krone ohne Bügel, Mittelzinken einkonturig, Enden blattförmig, oben offen, Reif zweikonturig: DE1185-S326_217, DE1185-S594_3 (beide 1440–1441). Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern (nicht nachweisbar). Lagen: 8 VI (254). VI–3 (263). Lagensignaturen in arabischen Ziffern und Minuskelbuchstaben 1a–6j, z. T. durch Beschnitt fragmentiert. Die Mitte der letzten beiden Lagen ist mit Pergamentfalzen verstärkt. Stellenweise Verschattung des Textspiegels durch beginnende Tintenkorrosion, in den letzten Lagen Fraßbilder von Anobienbefall. Schriftraum: 16–16,5 × 9,5–10 cm, einspaltig, 31–33, meist 32 Zeilen. Sehr regelmäßige Bastarda von einer Hand. Rubriziert, rote Lombarden, meist mit Punktverdickungen. 159r rote, unverzierte Initialmajuskel H in Unzialform mit Punktverdickungen über 6 Zeilen.
159r–258v Diadema monachorum. ›Hunc modicum libellum Smaragdus ex diversis virtutibus collegit et ei nomen Dyadema monachorum imposuit quia sicut dyadema gemmis ita et hic libellus fulget virtutibus. Incipit prologus in librum qui intitulatur Dyadema monachorum‹. Hunc modicum operis nostri libellum de multorum dictis orthodoxorum opitulante Christo collegimus patrum … — … sic invisibiliter de corporis castitate vel animi puritate gaudium habere mereamur. Amen. ›Deo gracias. Explicit dyadema monachorum‹. Kapiteleinteilung und Rubriken entsprechen weitgehend dem Druck, lediglich 237r–v ist nach cap. LXXIII das cap. XCVI eingeschoben, dessen Text 254v–255r nochmals an der korrekten Stelle ohne Übergang an cap. XCV angehängt ist. (159v–161v) befindet sich im Anschluss an den Prolog ein mit den im Text eingetragenen Rubriken übereinstimmendes Kapitelverzeichnis. Teilweise in Cod. Guelf. 535 Helmst., 1r–49v. Druck (ohne Kapitelverzeichnis): 102, 593C–690A. Literatur: , Contribution à l'histoire des florilèges ascétiques, in: Revue bénédictine 63 (1953), 246–291, hier 252f. (Hs. fehlt); 2456; , Studien zu Smaragd von Saint-Mihiel, München 1974 (Medium aevum 29), 68–77 (70 Anm. 178 Hs. genannt); , Smaragde au Moyen Âge. La diffusion de ses écrits d'après la tradition manuscrite, in: Études ligériennes d'histoire et d'archéologie médiévales. Mémoires et exposés présentés à la Semaine d'études médiévales de Saint-Benoit-sur-Loire du 3 au 10 juillet 1969, hrsg. von , Auxerre 1975, 361–376 (ohne Kenntnis dieser Hs.); , La tradizione manoscritta del Diadema monachorum di Smaragdo († ca. 830), in: Inter fratres. Rivista dei monaci Benedettini-Silvestrini 34 (1984), 1–20 (20 Hs. genannt); 10, 418f.; 3003 (8a).
:Abgekürzt zitierte Literatur
M. W. Bloomfield, Incipits of Latin Works on the Virtues and Vices 1100–1500 A.D., Cambridge/Mass. 1979 (Publications of the Medieval Academy of America 88) | |
C.A.L.M.A. Compendium auctorum latinorum medii aevi, hrsg. von M. Lapidge u.a., Bd. 1–, Firenze 1999– | |
Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 1–, Turnhout 1954– | |
Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 1–6, ed. par les Bénédictins du Bouveret, Fribourg/Schweiz 1965–1982 (Spicilegii Friburgensis Subsidia 2–7) | |
Clavis patrum Latinorum, hrsg. von E. Dekkers, Steenbrugge u.a. 31995 (Corpus Christianorum. Series Latina) | |
Clavis patristica pseudepigraphorum medii aevi, hrsg. von I. Machielsen, Turnhout 1990– (Corpus Christianorum. Series Latina) | |
Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel) | |
H. Goetting, Das Bistum Hildesheim, Bd. 2: Das Benediktiner(innen)kloster Brunshausen. Das Benediktinerinnenkloster St. Marien vor Gandersheim. Das Benediktinerkloster Clus. Das Franziskanerkloster Gandersheim, Berlin, New York 1974 (Germania Sacra N.F. 8) | |
Grégoire le Grand, Dialogues, Bd. 1–3, hrsg. von A. de Vogüé, Paris 1978–1980, ND 2006 (Sources chrétiennes 251, 260, 265) | |
O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3) | |
B. Lesser, Die Benediktiner von Clus und ihre Bücher. Exemplarische Analyse und Rekonstruktion der Konventsbibliothek, in: Zentrum oder Peripherie? Kulturtransfer in Hildesheim und im Raum Niedersachsen (12.–15. Jahrhundert), hrsg. von M. E. Müller und J. Reiche, Wiesbaden 2017 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 32), 165–228 | |
B. Lesser, Johannes von Brakel – Buchbinder und Schreiber im Benediktinerkloster Clus, in: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 38 (2014), 77–122 | |
Acten der Erfurter Universität, Bd. 1: 1. Päpstliche Stiftungsbullen, 2. Statuten von 1447, 3. Allgemeine Studentenmatrikel, 1. Hälfte (1392–1492), bearbeitet von J. C. H. Weissenborn, Halle 1881 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete 8/1) | |
Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865 | |
Repertorium fontium historiae medii aevi, Bd. 1–12, hrsg. vom Istituto Storico Italiano per il Medio Evo, Rom 1962–2007 | |
C. Straw, Gregory the Great, in: Authors of the Middle Ages. Historical and Religious Writers of the Latin West, hrsg. von P. J. Geary, Bd. 4 Nr. 12, Aldershot 1996, 1–72 | |
La trasmissione dei testi latini del medioevo – Mediaeval latin texts and their transmissions, Bd. 1–, hrsg. von P. Chiesa und L. Castaldi, Firenze 2004– (TE.TRA. 1–) | |
Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php) | |
Wasserzeichen des Mittelalters (WZMA). Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien (http://www.ksbm.oeaw.ac.at/wz/wzma.php) |