Augustinus, Opera minora
Mainz, Benediktinerkloster St. Alban — 9. Jh., 2. Viertel / 9. Jh., 3./4. Viertel
Provenienz: 1r und 1v Bendiktinerkloster Weißenburg, Besitzeinträge: Codex monasterii in Wizenburg sanctorum Petri et Pauli in Wizenburg (durchgestrichen; 1r). 1v Codex sancti Petri in Wissenburg (schwarz übermalt). Die Handschrift gelangte über Heinrich Julius von Blum 1690 in den Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig. 4°20 ( , 3–18).
Pergament — 194 Bl. — 24,5 × 17,5 cm
Lagen: 5 IV (40). III (46). IV (54). II-1 (57).4 IV (89). III-1 (94). 7 IV (150). IV-1 (157. 2 III (168). IV (177). V-1 (186). V-2 (194). Lagenbezeichnungen in römischen Zahlen zum Ende jeder Lage auf der unteren Blattmitte. Die Handschrift ist in vier Teilen entstanden: A: 1–57, B: 58–94, C: 95–186, D: 187–194. Die mit 95–102 neu beginnende Lagenzählung (später radiert), belegt, dass Teil C zeitweilig gesondert aufbewahrt und Teil D vermutlich hinzugefügt wurde (andere Schrift, vgl. u.). Bleistiftfoliierung. Das erste und letzte Blatt mit Rostspuren und Löchern des letzten Weißenburger Einbandes. Schriftraum: 19 × 12,5 cm, einspaltig, 28–29 Zeilen. Karolingische Minuskel von mehreren Händen. 133v unterer Blattrand rotes, unziales D mit dem Namen Benzelinus (Schreiber?).
, Nr. 7414 unterscheidet paläographisch zwei Entstehungszeiträume: Bl. 1–184, Mainz, 2. Viertel 9. Jh. und Bl. 185–192, Mainz, 3./4. Viertel 9. Jh. Zur Händescheidung vgl. auch , 214–216. Teil A-D: Überschriften in roter Unzialis (Teil D anderer Duktus). Teil B: Explicitzeilen in schwarzer Capitalis.Rotbrauner Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1968).
INHALT
1v–57v : De nuptiis et concupiscentia ad Valerium comitem ( 44, 413–474; 42, 207–319; , 168; 350). 58r leer. 58v–94v : De catechizandis rudibus, Liber I ( 40, 309–348; , 52; 46, 121–178; 297). 95r leer. 95v–117r : Sermo 71 ( 38, 445–467; Rev. Bén. 75 (1965), 65–108). 117r–145v : Ad Monimum , lib. 1. ( 65, 153–178; 91, 1–64; 814). 145v–153r : Sermo 82 ( 38, 506–514). 153r–165v : Adversus iudaeos tractatus ( 42, 51–64; 315; , 147). 165v–167v . ›Eiusdem de eodem contra Iudaeos sermo‹. 167v–187r : De bono viduitatis ( 40, 431–450; 41, 303–343; 301). 187r–192v : Etymologiae sive Origines. lib. VII, cap. 2–4 ( 82, 264–272). 192v–193v : Libri ecclesiasticorum dogmatum (redactio 2), cap. 1–5 ( 58, 979–982; 958a). 193v–194v : De septem sigillis ( 101, 1169–1170; , The Pseudo-Alcuinian "De septem sigillis". An Early Latin Apocalypse Exegesis, in: Traditio 36 (1980), 113–116; A2110–650. 194v Probatio pennae incausti.
AUSSTATTUNG
4 Initialen.Initialen: Zu den Textanfängen auf 1v, 22v, 153v und 167v (Teile A-C, s.o.) jeweils eine verzierte kleine Initiale (2,2–4,2 cm), davon zwei Federinitialen (153v und 167v). Die Initialstämme teils farbig gefüllt (1v, 22v und 167v) mit kräftiger dunkler Kontur. Die Endungen dreiecksförmig erweitert mit fadenförmig zugespitzten Ecken (vgl. 167v). Im Besatz Profilpalmetten mit doppelten Blattrandungen (153v), fadenförmig gebogenem Dorn am Blattansatz (vgl. 153v - abgeschabt oben am Initialstamm und 1v), tropfenförmigen Kernen (153v) sowie eine gekernte Vierpassblüte (167v) und ein gedoppeltes Herzblatt (22v). An den Initialstamm angefügt ein Spiralpass mit Einsatz (1v). Als Füllelement dient das Seilband im Aussparungstypus (22v).
Farben: Tintenfarbe und Orange (teils abgedunkelt) als Füllfarbe.
STIL UND EINORDNUNG
, Nr. 7414 lokalisiert die vorliegende Augustinus-Handschrift paläographisch nach Mainz und datiert den früheren Teil, der Buchschmuck enthält (Bl. 1–184), in das 2. Viertel des 9. Jh. (zum Mainzer Skriptorium vgl. , 20–22; , Handschriften im karolingischen Mainz, in: In Gold geschrieben. Zeugnisse frühmittelalterlicher Schriftkultur in Mainz, hrsg. von und , Ausstellung 24. März - 18. Juni 2017 im Dom- und Diözesanmuseum Mainz, Regensburg 2017, 75–84). Diese Zeitangabe gilt für den illuminierten Teil der Handschrift (Bl. 1–184; s.o.). Der relativ bescheidene Initialschmuck der Wolfenbütteler Handschrift bestätigt diese Einschätzung. Als charakteristisches "Leitmotiv" für die Mainzer Buchmalerei im 2. Viertel des 9. Jh. gilt das in 68 Weiss. vorhandene Profilblatt mit Dorn am Blattansatz (vgl. 1v), das seinen Ursprung in der touronischen Buchmalerei aus der Zeit unter Abt Alkuin (796–804) hat und bereits in Mainzer Handschriften aus dem 1. Viertel des 9. Jh. auftritt (vgl. Karlsruhe, BLB, Cod. Aug. perg. 107, 72r; zum Motiv vgl. , Karolingische Buchmalerei des Maingebietes [Mainz, Würzburg], in: Das Frankfurter Konzil von 794. Kristallisationspunkt karolingischer Kultur, Teil II, Kultur und Theologie, hrsg. von , Mainz 1997 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, Bd. 80, 555–570, hier 566, 567 nach , 71–73). Weitere Motive wie das Seilband, das doppelte Herzblatt (22v) und die dunkle Kontur der Initialen gehören ebenfalls zum festen Bestandteil des Mainzer Skriptoriums (gute Vergleichsbeispiele geben die Mainzer Handschriften aus dem 1. Drittel/2. Viertel des 9. Jh., wobei die Elemente in der Ausführung und Auswahl variieren: München, BSB, Clm 4451; Paris, BnF, lat. 10437; Rom, BAV, Pal. lat. 289 (mit Zusammenstellung weiterer Handschriften, vgl. , Der Codex Vat. pal. lat. 289. Ein Beitrag zum Mainzer Skriptorium im 9. Jahrhundert, in: Skriptorium [1987], Bd. 41, 78–86.); Freiburg/Schweiz, Franziskanerkloster, Ms. 70 (mit einer Zusammenstellung verwandter Handschriften, vgl. , Karolingische Sakramentarfragmente aus Freiburg in der Schweiz. Ein Beitrag zum Mainzer Skriptorium des 9. Jahrhunderts, in: Palaeographica diplomatica et archivistica. Studi in onore di Giulio Battelli, Rom 1979 [Storia e letteatura raccolta di studi e testi, Bd. 139], 99–104, Fig. 1 und 2). Im Bestand der Wolfenbütteler Bibliothek befinden sich mit Cod. Guelf. 365 Helmst. und Cod. Guelf. 39 Weiss. (unverziert - Mainz und Fulda, 2. Viertel/Mitte 9. Jh., vgl. , Nr. 7391) weitere Mainzer Handschriften aus dem 9. Jh., Nr. 4152 (Heinemann Nr.). — , 707. — , 134, 146 Anm. 663 — , 34. — , 214–216. — , Bd. 1,1.2, 824. — , Nr. 7414. — , 53 Anm. 42.
Abgekürzt zitierte Literatur
B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014 | |
H. Butzmann, Die Weissenburger Handschriften, Frankfurt/M. 1964 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 10) | |
Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 1–, Turnhout 1954– | |
Clavis patrum Latinorum, hrsg. von E. Dekkers, Steenbrugge u.a. 31995 (Corpus Christianorum. Series Latina) | |
Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum, Bd. 1–, Wien 1866– | |
W. Kleiber, Otfrid von Weißenburg. Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung und Studien zum Aufbau des Evangelienbuches, Bern/München 1971 (Bibliotheca Germanica 14) | |
S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1) | |
R. Kurz, Die handschriftliche Überlieferung der Werke des heiligen Augustinus, Bd. 5/1: Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, Werkverzeichnis, Wien 1976 (Veröffentlichungen der Kommission zur Herausgabe des Corpus der lateinischen Kirchenväter 9 = Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte 306) | |
R. Kurz, Die handschriftliche Überlieferung der Werke des heiligen Augustinus, Bd. 5/2: Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, Verzeichnis nach Bibliotheken, Wien 1979 (Veröffentlichungen der Kommission zur Herausgabe des Corpus der lateinischen Kirchenväter 10 = Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte 350) | |
E. Lesne, Histoire de la proprieté ecclésiastique en France, Lille 1938 | |
C. Moulin, Rand und Band. Über das Spurenlesen in Handschrift und Druck, in: | , 19-59|
Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865 | |
Repertorium edierter Texte des Mittelalters aus dem Bereich der Philosophie und angrenzender Gebiete, 2. Aufl., hrsg. von R. Schönberger u. a., 4 Bde., Berlin 2011 | |
A. Weiner, Die Initialornamentik der deutsch-insularen Schulen im Bereich von Fulda, Würzburg und Mainz, Würzburg 1992 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 43) | |
Liste der von H. J. Blum im Jahre 1673 der Wiener Hofbibliothek angebotenen Handschriften meist Weissenburger Herkunft, in: T. Gottlieb, Die Weissenburger Handschriften in Wolfenbüttel, Wien 1910 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 163,6) | |
Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 3: Die Weissenburger Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, in: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 2 Teil 5, Wolfenbüttel 1903, 268–443 |
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).