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Beschreibung von Cod. Guelf. 718 Helmst. (geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.)
Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms "Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung"

Theologische Sammelhandschrift

Pergament — 100 Bl. — 21,5 × 13,5 cm — Lamspringe, Benediktinerinnenkloster — 12. Jh., 4. Viertel

Lagen: V (9)! 9 IV (79)! II+1 (82). IV (90). III+2–1 (97). Ab der zweiten Lage Kustoden in römischen Zahlen auf dem Fußsteg der letzten Versoseite der Lagen, erhalten I.III. Tintenfoliierung des 15. Jh. von der Hand der Schreiberin/des Schreibers der Tabula: IXCVII, das erste Bl. ungez., Zählfehler: Nach Bl. XXXVIII ein Bl. ungez., modern als Bl. XXXVIIIA gez., Bl. LII doppelt gez. Die letzte Lage besteht aus drei Doppelbl. und zwei nicht zusammengehörigen Einzelbl. Das letzte Bl. des äußersten Bifoliums wurde nachträglich abgetrennt; an dessen überständigem Falz ist mit modernem Japanpapier das Stecklesezeichen (s. unten) befestigt. Schriftraum: 16,5 × 9,5 cm, einspaltig, 34 bleiliniierte Zeilen, Punkturen an den Blatträndern z. T. noch sichtbar. Regelmäßige Carolino-Gothica von zwei Händen, 1r9v eine Hand aus der sog. "Hamersleben-Gruppe", dazu gehören außerdem Cod. Guelf. 204 Helmst., 475 Helmst., 480 Helmst., 903 Helmst. (nur 75v–142r), 982 Helmst. (89r–192r) und 1012 Helmst. (25r–169v). Im zweiten Teil 10v-97r aufrechte und gerade, noch erheblich gerundete Carolino-Gothica von einer Hand der sog. "Scriptrix"-Gruppe, vgl. dazu unten bei Cod. Guelf. 723 Helmst. Rubriziert, gelegentlich rote Schraffen am Rand; beschädigte, perforierte und nicht beschreibbare Stellen im Pergament rot umrandet und durch Wellenlinien oder Striche etc. ausgefüllt (51r–v, 57r–v). Marginal nachgetragener ausgelasssener Text und marginale Rubriken mit roten (64v) und grünen (58r) Federstrichen mit nahtartig wirkenden Schraffen umrahmt. Am Beginn einzelner Abschnitte oder kleinerer Texte sekundäre rote Initialen in Unzialform mit Silhouettenornamenten und Punktverdickungen. 1r Silhouetteninitiale P über 6 Zeilen, Buchstabenstamm in Rot, Bogen in Grün gehalten, mit einfachem konturbegleitendem Silhouettendekor in der Gegenfarbe. Gleichartig gestaltete Silhouetteninitialen auf Bl. 10v (Initiale A über 5 Zeilen, im Stamm angedeutete Spaltleiste), 58r (Initiale D über 3 Zeilen), 59v (Initiale N über 3 Zeilen) und 60r (Initiale K über 4 Zeilen). 81v Spaltleisteninitiale V über 5 Zeilen; der federgezeichnete Buchstabenkörper ist rot konturiert mit grünen Spaltfüllungen; die Spaltleisten werden am Bogen von zwei einfach genagelten und am Buchstabenstamm von einer fünffach genagelten Spange zusammengehalten. Der Buchstabenkörper endet in einem rot konturierten Ausläufer, aus dem rot schraffierte und gekernte Knospen und Halbpalmetten sprießen. Aus der unteren am Bogen befestigten Spange wächst ein weiterer, grün konturierter Palmettentrieb ins Binnenfeld, der in rot schraffierten und gekernten Dreiblättern, Knospen und Halbpalmetten endet. Auf Bl. 10r in der rechten oberen Ecke ein in flüchtigen Strichen gezeichnetes Porträt als Bruststück in halbrechter Wendung mit haubenartig gefältelter Kopfbedeckung von nachträglicher Hand.

Nach dem Verlust des vermutlich vorhandenen romanischen Holzdeckelbandes neu in einen gotischer Koperteinband ohne Rückenverstärkung oder äußerlich sichtbare Heftmerkmale gebunden. Dieser besteht zunächst aus zwei Fragmentenpaketen, zu deren Herstellung jeweils fünf Bl. eines makulierten Codex zu einem Stapel verklebt wurden (s. unten). Wie diese mit den Bünden verbunden wurden, ist aufgrund der Konstruktion nicht erkennbar. Buchblock und "Deckel" wurden anschließend mit einem (möglicherweise zweitverwendeten) Umschlag aus rot gefärbtem Schafsleder mit geradem Rücken überzogen. Als Verschlüsse dienten vier ebenfalls rot gefärbte Bindebänder, die auf der inneren Oberseite der Deckel vernäht und laschenartig durch Schlitze im Umschlag nach außen geführt wurden; sie sind bis auf die Ansatzstellen auf den Deckeln verloren.

Stecklesezeichen aus Pergament (12,5 x 3 cm), gegenwärtig am überständigem Falz des letzten Bifoliums befestigt. Auf dem Lesezeichen sind in sorgfältig ausgeführter Federzeichnung (spätes 12. Jh.) eine menschliche Halspartie und ein Unterarm mit feingliedriger, ausgestreckter Hand zu sehen; beide Körperteile sind durch eine Kette verbunden. Daneben einige verblasste feine Schriftzüge, lesbar ist noch …ranes dicuntur.

Fragment: VS und HS. Norddeutschland. 10. Jh. Pergament. 10 Bl. 21 × 13 cm. Bei den sichtbaren Spiegeln handelt es sich jeweils um das letzte Bl. von jeweils fünf miteinander und mit dem Umschlag verklebten Bl. (die Verklebung ist teilweise gelöst), die als Paket kopfständig an den Bünden befestigt sind. Soweit dies noch erkennbar ist, stammen alle aus dem gleichen Codex. Schriftraum: 18,5 × 13 cm, einspaltig (am Seitensteg randlich beschnitten), 17 blindliniierte Zeilen. Regelmäßige karolingische Minuskel von einer Hand.Rubriziert. Auf dem HS eine federgezeichnete sekundäre Initiale B mit einfachem Silhouettenornament im Binnenfeld (verdeckt unter dem Umschlagfalz). VS, HS Psalterium. Enthält auf dem VS Ps 118,34–44, auf dem HS Ps 118,65–75.

Herkunft: Der Codex wurde im frühen letzten Viertel des 12. Jh., wohl um 1180, im Benediktinerinnenkloster Lamspringe geschrieben, worauf die charakteristischen Merkmale von Schrift und Ausstattung schließen lassen; Ir findet sich außerdem ein Besitzvermerk: Liber sancti Adriani in Lamespringe (13./14. Jh.). Die Datierung wird vor allem durch den Umstand gestützt, dass hier die Schrift und die Ausstattung der älteren, sog. "Scriptrix"-Gruppe, und die der jüngeren, sog. "Hamersleben"-Gruppe, wie in Cod. Guelf. 903 Helmst. ohne kodikologische Trennung unmittelbar aufeinander folgen. Die Vorlage für diesen Codex dürfte mit ziemlicher Sicherheit aus dem Benediktinerinnenkloster Lippoldsberg stammen, in dessen Bibliothekskatalog ein Codex mit den gleichen, z. T. bislang nur in diesen beiden Hss. nachgewiesenen Texten ohne das erste und letzte Stück verzeichnet ist, vgl. Hotchin Women's reading, 187f. Nr. 46 und Schlotheuber Bräute, 75–78. Der Codex ist leider nicht erhalten geblieben. Für die Vermittlung der in beiden Hss. enthaltenen, im südostdeutschen bzw. Salzburger Raum entstandenen Streitschrift dürften die Reformverbindungen der Hamerslebener Augustiner-Chorherren, die in der zweiten Hälfte des 12. Jh. zeitweilig in Lippoldsberg und in Lamspringe die Pröpste stellten, zu Erzbischof Konrad I. von Salzburg entscheidend gewesen sein, vgl. dazu bei S. Weinfurter, Salzburger Bistumsreform und Bischofspolitik im 12. Jahrhundert. Der Erzbischof Konrad I. von Salzburg (1106–1147) und die Regularkanoniker, Köln, Wien, 1975 (Kölner historische Abhandlungen 24), 11–23. — Am 10.4.1572 mit den übrigen Lamspringer Codices in die Wolfenbütteler Hofbibliothek überführt, 1588 von Eberhard Eggelinck unter den Pergamenthandschriften der Hofbibliothek (NLA – StA Wolfenbüttel, 1 Alt 22, 83, 22r–35v, hier 34r) als Varii Tractatus Theologici vff Pergamein geschrieben in 8° und rotem leder gebunden verzeichnet. 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 214 [209]) ausführlich mit einer Abschrift der Tabula unter den Patres mit der Signatur G 2 nachgewiesen. Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt, 1644 im Helmstedter Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 16r) ausführlich mit einer Abschrift der Tabula (s. unten) unter den Theologici MSSti in quarto beschrieben; auf dem Kopfsteg des VS die entsprechende Helmstedter Signatur T 4° 56. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 438 genannt.

Schönemann, 70 Nr. 3.14. — Heinemann Nr. 782. — M. Sdralek, Wolfenbüttler Fragmente. Analekten zur Kirchengeschichte des Mittelalters aus Wolfenbütteler Handschriften, Münster 1891 (Kirchengeschichtliche Studien 1.2), 101–108.Krämer, 473. — Germania Benedictina 11, 370. — Wolter-von dem Knesebeck Lamspringe, 476. — Oldermann-Meier, 138. — Härtel Lamspringe, 119, 122, 128, 130. — Härtel, 53, 83f. Nr. 12. — El-Kholi, 62f., 75, 85. — Hotchin Women's reading, 169 und 171. — Röckelein Klosterfrauen, 30, 34. — Schlotheuber Bräute, 75–78. — Bertelsmeier-Kierst Audi filia, 264. — M. Tischler, Zwischen Zentrum und Peripherie. Die Umgestaltung der Bildungslandschaft im Bistum Hildesheim durch frühscholastische Bücher aus Nordfrankreich im 12. Jahrhundert, in: Schätze im Himmel, 237–252, hier 239. — N. Kruppa, Reform und Bildung. Die Klosterreformen der Hildesheimer Bischöfe im 12. Jahrhundert am Beispiel der Regularkanonikerreform, in: Innovation in Klöstern und Orden des Hohen Mittelalters. Aspekte und Pragmatik eines Begriffs, hrsg. von M. Breitenstein, S. Burkhardt und J. Dücker, Berlin, Münster 2012 (Vita regularis 48), 39–64, hier 53. — R. Oldermann, Aneignung und Widerstandshandeln im Kloster Lamspringe. Begleitumstände der Einziehung von Kirchenschatz und Büchersammlung, in: Rosenkränze und Seelengärten, 167–173, hier 169. — R. Oldermann, Der Kirchenschatz des ehemaligen Benediktinerinnenklosters Lamspringe, in: Der Gandersheimer Schatz im Vergleich. Zur Rekonstruktion und Präsentation von Kirchenschätzen, hrsg. von H. Röckelein unter Mitarbeit von T. Henke und M. J. Hartgen, Regensburg 2013 (Studien zum Frauenstift Gandersheim und seinen Eigenklöstern 4), 65–89, hier 81. — Kat. Illuminierte Hs. HAB 1.

Ir Tabula. In isto libro continentur primo Sermo bonus de assumpcione beate Marie folio I. Epistola de vitanda Missa uxoratorum sacerdotum optima folio XI. Sermo Brunonis episcopi de symoniacis videlicet de hiis qui emunt et vendunt spiritualia ut prebendas in claustris XIX. Tractatus de sacramentis hereticorum XXVII. Tractatus optimus de obediencia XXXIII. Tractatus de preconiis Christi et beati Laurencii LX. Disputacio de fide inter christianos et iudeos folio LXXXII. Vermutlich zusammen oder kurz vor dem anschließenden Text im späten 14. oder 15. Jh. hinzugefügt; die Foliierung dürfte parallel erfolgt sein. Der Text ist mit einem dünnen, freihändig gezogenen Federstrich gerahmt. Von späterer Hand (16. Jh.) auf dem Kopfsteg ein weiterer Inhaltsvermerk: Tractatus diversi diversorum.

Ir De libris registrandis nota. Sicud presens volumen registratum est ita registrentur omnes libri monasterii per dominas virgines sanctimoniales obedientes bonitati ancillas Christi doctiores et benivolas in monasterio Lamespringensi vel saltem petant vel procurent hoc fieri per eorum sacerdotes et scolares vel per extraneos sacerdotes vel rectores scolarum in vicino de Hildensem Boclem Gandersem Embecke, Allevelde qui ad hoc fere ad quatuor dies benigniter invitentur. Fiat fiat. Nulla excusat se per aliam nec aliqua per cantricem ad quam specialiter pertinet quia servire deo et communi sororum bono quelibet in isto potest. Est enim volumen sine registro ut nauta sine gubernaculo instita non exposita sed venalia [?] in sacco. Vermutlich zusammen oder kurz nach dem vorausgehenden Text im späten 14. oder 15. Jh. hinzugefügt. Offenbar war vorgesehen, alle Lamspringer Codices mit einem derartigen, als vorbildlich erachteten Inhaltsverzeichnis zu versehen, wie es auch im Zisterzienserinnenkloster Wöltingerode üblich war; es blieb jedoch bei knappen, nachträglichen Titelvermerken wie in den übrigen Lamspringer Bänden. Bemerkenswert ist auch, dass nicht die Nonnen, sondern die sie betreuenden Priester und Schüler (zu dieser, seit 1172 neben dem Propst im Kloster nachweisbaren Klerikergemeinschaft vgl. Germania Benedictina 11, 334 und 352–355) oder solche aus den Nachbarstädten diese Aufgabe übernehmen sollten, für deren Erfüllung offenbar keine spezielle Bibliothekarin, sondern die cantrix verantwortlich war. – Iv leer.

1r9r Sermo in festo assumptionis BMV (S59). Propheta David sancto spiritu predoctus fidelium de vite huius periculis evasionem denuntiat dicens: Benedictionem dabit legislator ibunt de virtute in virtutem videbitur deus deorum in Sion [Ps 83,8] … — … puritatis auctorem et amatorem cole puritatis matrem venerare ut consummato cursu virgineis admissa choris virginei ventris benedictum fructum quocumque ierit sequeris. Bonorum enim laborum gloriosus fructus. Die Predigt ist zweigeteilt: Während der erste Teil der Himmelfahrt Marias und deren Implikationen gewidmet ist, richtet sich der zweite ab Bl. 6r (Vobis autem o virgines propensius negotium …) explizit an die Gemeinschaft eines Frauenklosters. Da der Text bislang nur aus dieser Handschrift bekannt ist, könnte die Predigt direkt für den Lamspringer Konvent bestimmt gewesen oder wenigstens als passend für diesen hier eingefügt worden sein. – 9v leer, 10r mit Ausnahme der Skizze (s. oben) gleichfalls leer.

10v18v Berwinus (?): Epistula de vitanda missa uxoratorum sacerdotum. ›Incipit epistola de vitanda missa uxoratorum sacerdotum‹. Archangelo Germanie et Illirici constantissimo veritatis propugnatori uterque Gamaliel quicquid legitime certantibus promisit Emanuel. Tanta presul excellentissime commovemur indignatione super vulpina hereticorum illusione … — … consumato seculo culmen imponat. Die immer wieder genannte Autorschaft des Reichersberger Propstes Berwin und der angesprochene Adressat des Textes sind nicht gesichert. Dieser und die folgenden Texte zur Problematik von Simonie, Nikolaitismus und Gehorsamsverpflichtung wurden offenbar als eine nicht nur inhaltlich zusammengehörende Einheit aufgefasst, da die einzelnen Stücke nur durch kurze Rubriken und sekundäre Initialen eingeleitet und ohne Abschlussformeln aneinandergereiht sind. Neben dem verlorenen Lippoldsberger Codex (s. oben) ist bislang nur eine weitere, längere Fassung in München, BSB, Clm 16085, 36r–45r, bekannt. Edition: Sdralek Wolfenbüttler Fragmente (s. oben), 148–162 Nr. 24 (nach dieser Hs.); MGH LdL 3, 211 (nach dieser Hs., 1 genannt). Literatur: C. Mirbt, Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., Leipzig 1894, 79f. (Hs. genannt); P. Classen, Gerhoch von Reichersberg. Eine Biographie. Mit einem Anhang über die Quellen, ihre handschriftliche Überlieferung und ihre Chronologie, Wiesbaden 1960, 68 (Hs. genannt); Rep. font. 4, 359 (Hs. genannt); G. Fornasari, Celibato sacerdotale e "Autocoscienza" ecclesiale. Per la storia della "Nicolaitica haeresis" nell'Occidente medievale, Udine 1981 (Pubblicazioni della Facoltà di Magistero dell'Università di Trieste ser. 3,7), 92–94; E. Frauenknecht, Von Nikolaiten und Häretikern. Bemerkungen zu Epistola de vitanda missa uxoratorum sacerdotum von 1111, in: Bayern und Italien. Politik, Kultur, Kommunikation (8.–11. Jahrhundert). Festschrift für Kurt Reindel zum 75. Geburtstag, hrsg. von H. Dopsch, S. Freund und A. Schmid, München 2001 (Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Beihefte, Reihe B 18), 122–148 (123, 128–130 Hs. genannt); R. Deutinger, Zur Epistola de vitanda missa uxoratorum sacerdotum, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 63 (2007), 93–100 (93 Hs. genannt).

18v26v Bruno Signinus: Libellus de simoniacis. ›Incipit sermo venerabilis Brunonis episcopi de symoniacis‹. Bruno Signiensis episcopus omnibus fidelibus et catholicis universis gracia vobis et pax a deo patri et domino Ihesu Christo. Psalmista loquitur dicens: Magnificate dominum mecum et exaltemus nomen eius in idipsum [Ps 33,4]. Qua in re manifestissime docet … — … cum ergo pena similis sit cur de nomine contentio fiat? Sive nomen symoniaci dicantur sive non pena tamen eadem est. Die unvollständige Abschrift beginnt mit der Lobrede auf Leo X., bricht diese allerdings im Text ab und setzt nach einer Überleitung (19v: Quibus nunc respondendum est postea vero que cepimus persequamur sed prius quid symoniaci sunt et unde dicantur dicere oportet. Deinde vero quia multum distat inter symoniacos et eos qui ordinantur a symoniacis …) mit der thematischen Responsio de statu ecclesiae zu den Simonisten fort. Entgegen der Ankündigung wird der Schluss der Laudatio auf Leo X. nicht mehr wiedergegeben. Edition: PL 165, 1109B–1136B, hier 1109B–1111A und 1122D–1136B; MGH LdL 2, 545562, hier 546f. und 554562 (mit dieser Hs., 546 genannt . Literatur: Sdralek Wolfenbüttler Fragmente (s. oben), 103f. (in Anm. 4 und 5 Textvergl. der Hs. mit dem Text der PL); Potthast Wegweiser 1, 174 (Hs. genannt); BHL 4826; Rep. font. 2, 595; R. Grégoire, Bruno de Segni. Exégète médiéval et théologien monastique, Spoleto 1965 (Centro Italiano di Studi sull'Alto Medioevo 3), 108–112 Nr. 16 (108 und 112 Hs. genannt); CALMA 2, 510 Nr. 22.

26v33v Epistula de sacramentis haereticorum. ›Questio de sacramentis hereticorum‹. Domino ac magistro suo G. viro divine legis eruditione perfecto et in omni morum honestate gracia dei perspicuo G. quicquid optimo catholicoque magistro discipulus. De sacramentis hereticorum dulcissime virorum limina bonitatis vestre pulsamus … — … magna valitudinis iniuria caritati tue id tantillum scripsi sine preiudicio maiorum sive meliorum sive doctorum. Entgegen dem üblicherweise verwendeten Titel besteht der bislang nur aus dieser und der verlorenen Lippoldsberger Hs. bekannte Text aus einem Frage- und einem Antwortschreiben. Die in der älteren Forschung (Landgraf Dogmengeschichte, s. unten) geäußerte Hypothese, beim Respondenten G. handele es sich um Gerhoch von Reichersberg, wurde von Classen (Gerhoch, s. oben, 443) aus stilistischen Gründen verworfen, der allenfalls im Verfasser der vorangestellten Frageepistel den Reichersberger Propst erkennen wollte. Diese Hypothese berücksichtigt nicht die Angaben des Lippoldsberger Bibliothekskatalogs, der diesen und die anschließenden Texte einem nicht näher bezeichneten Godefridus zuschreibt: Cuiusdam prudentis et religiosi viri tractatus de sacramentis hereticorum vitandis et de missa uxoratorum sacerdotum omnino non curanda et cuiusdam Brunonis episcopi religiosi tractatus de symonia. Item venerabilis viri Godefridi tractatus de sacramentis hereticorum idem de beato martire Christi Laurentio pretiosiorem omni thesauro sermonem. Idem de summo bono sermonem qui liber in quo continentur haec omnia hoc habet inicium 'Habentes in nomine domini' (MGH SS 20, 557 Z. 22–28). Die mehrfach vorgenommene Identifikation mit Gottfried von Vendôme (El-Kholi, 103 und 294, danach Schlotheuber Bräute, 77, und Hotchin Women's reading, 181f.) ist angesichts der Überlieferung seiner Werke und ihrer thematischen Ausrichtung ebenfalls nicht überzeugend. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Godefridus vielleicht sogar in Hamersleben oder in den mit ihm verbundenen südostbairischen bzw. österreichischen Reformkonventen zu suchen ist. Edition: Sdralek Wolfenbüttler Fragmente (s. oben), 162–174 Nr. 25 (nach dieser Hs.); MGH LdL 3, 1220 (nach dieser Hs., ebd. genannt). Literatur: Mirbt Publizistik (s. oben), 72 (Hs. genannt); L. Ott, Untersuchungen zur theologischen Briefliteratur der Frühscholastik unter besonderer Berücksichtigung des Viktorinerkreises, Münster 1937 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 34) 14–17 u. a. (14 Hs. genannt); A. M. Landgraf, Dogmengeschichte der Frühscholastik. Dritter Teil: Die Lehre von den Sakramenten, Bd. 2, Regensburg 1955, 243; Classen Gerhoch (s. oben), 443 Opus 32 (Hs. genannt); Rep. font. 4, 355 (Hs. genannt); Frauenknecht Nikolaiten (s. oben), 129f. (Hs. genannt)

33v57v Tractatus de virtute oboedientiae. (33v34r) ›Prologus de obedientia‹. De sacramentis hereticorum his pro modulo nostro digestis restat de obedientie bono aliquid hoc in loco loquendum et que sit obedientie virtus de duobus operibus dei videlicet operibus conditionis et restaurationis … — … deo patri usque ad mortem mortem autem crucis paruisse pronuntiant. Die im Prolog erläuternd gegebene Definition des opus conditionis und restaurationis zitiert direkt Hugo de Sancto Victore: De arca Noe 4,3 (CC CM 176, 92). (34r57v) ›Incipit de obedientie virtute tractatus‹. Sciscitanti crebro et quodam caritatis cui aliquid honestum negare nefas est impulsu cogenti ut quid sit obedientia describam id primum respondeo quia id michi difficile est depromere lingua quod numquam servaverim in vita … — … quique in ea ambulat in Christo ambulat qui est via in qua itur qui est veritas ad quam itur qui est vita in qua semper beate et feliciter vivitur qui cum patre et spiritu sancto vivit et regnat unus et verus deus per inmortalia secula seculorum Amen. Der sich gleichsam als Fortsetzung des vorstehenden Brieftraktats einführende Text zur Tugend des Gehorsams ist bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt. Ob er vom gleichen Verf. wie der vorhergehende Text stammt, bedürfte genauerer Untersuchung.

58r59r Tractatulus de oratione dominica. ›Quod distet inter dominicam orationem et psalmum et cur cum oratione dominica ante horas canonicas signum crucis frontibus imponamus‹. Differentia est inter dominicam orationem et psalmos: Dominica oratio proprie et pure et simpliciter dicitur oratio quia preter laudem captationis sacre que premittitur cum dicitur 'Pater noster qui es in celis' tota est et dicitur oratio admodum perfecta … — … presbyter in inicio legendi evangelii signat frontem ut non erubescat evangelium signat pectus et labia ut corde credat ad iusticiam ore autem confiteatur ad salutem. Die Eingangsrubrik ist marginal eingefügt und mit grünem Federstrich gerahmt. Der Text ist bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt. Stilistisch sind Analogien zum vorhergehenden Text erkennbar; zur Verfasserfrage vgl. oben, 26v–33v.

59v81r Tractatus de praeconiis Christi et beati Laurentii martyris. (59v60r) ›Incipit prologus in tractatum de preconiis Christi et beati martiris Christi Laurentii‹. Non historiam in rerum gestarum descriptione nec sermonem in doctrine exhortatione sed tractatum more apud se per scriptum meditantis de preconiis Christi et beati Laurentii pretiosissimi martiris Christi depromsimus [!] quorundam fratrum pie peticioni annuentes … — … hoc tractatum edidimus ut si quid in eo quod displiceat inveneritis caritas Christi et beati et preciosissimi martiris Christi Laurentii nos excuset apud vos quam accuset temeritas. ›Explicit prologus‹. (60r81r) Textus. Karitas dei diffusa est in cordibus sanctorum [Rm 5,5] martirum per spiritum sanctum tanta eos regni enim suavitate affecit ut per omnium tormentorum genera inrevocabili affectu Christum sequerentur … — … martyr Christi Laurentius per VI tormentorum suorum differentias invictus anhelabat per VII vero quod erat craticula candens digne et secure regnum diu et fortiter desideratum introivit ubi in eternum regnat cum Christo cui est honor et gloria laus benedictio et victoria per immortalia secula seculorum Amen. Der Text ist, abgesehen von der verlorenen Lippoldsberger Parallelüberlieferung, bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt. Zur Verfasserfrage vgl. oben, 26v–33v.

81v97v Gilbertus Crispinus: Disputatio iudaei et christiani. Venerando patri et domino A. sancte Cantubrigensis ecclesie archiepiscopo G. suus servus ac filius prosperam in hac vita diuturnitatem et beatam in futuro eternitatem. Paternitati tue et prudentie tue discutiendum mitto literas et libellum quem nuper scripsi … — … venit iam missus sicut attestantur signa que pronuntiabantur Ihesus Christus expectatio gentium cui honor et imperium in secula seculorum Amen. Die Dialogpartien sind durch Initialmajuskeln abgegrenzt; die Bezeichnung der Sprecherrollen fehlt. Edition: PL 159, 1005A–1036B; Gisleberti Crispini Westmonasterii abbatis Disputatio Judei et Christiani … ad fidem codicum recensuit prolegomenis notisque instruxit B. Blumenkranz, Utrecht, Antwerpen 1956 (Stromata patristica et mediaevalia 3), 27–68 (14 Nr. 28 Hs. genannt); The works of Gilbert Crispin, abbot of Westminster, edited by A. Sapir Abulafia and G. R. Evans, London, Oxford 1986 (Auctores Britannici Medii Aevi 8), 1–54, hier bis 53 (mit dieser Hs., XIX Nr. 40, XXIX und 2–5 genannt, Sigle W). Literatur: M. Steinschneider, Miszellen und Notizen Nr. 54: Handschriften in Wolfenbüttel, in: Zeitschrift für Hebraeische Bibliographie 9 (1905), 58–61, hier 59f. Nr. 6 (diese Hs.); Rep. font. 5, 154; B. Blumenkranz, La Disputatio iudaei et christiani de Gilbert Crispin, abbé de Westminster, in: Revue du Moyen Âge Latin 4 (1948), 237–252 (245 Nr. 28 Hs. genannt); Sharpe Handlist, 142 Nr. 364.6; CALMA 4, 349 Nr. 6.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bertelsmeier-Kierst Audi filia C. Bertelsmeier-Kierst, Audi filia et vide. Frauenkonvente nach der monastischen Reform, in: Zwischen Vernunft und Gefühl. Weibliche Religiosität von der Antike bis heute, hrsg. von Ders., Frankfurt/M. u.a. 2010 (Kulturgeschichtliche Beiträge zum Mittelalter und der frühen Neuzeit 3), 61–90, hier nach dem ND in: Dies., Buchkultur und Überlieferung im kulturellen Kontext, hrsg. von T. Terrahe, R. Toepfer und J. Wolf, Berlin 2017 (Philologische Studien und Quellen 17), 255–286
BHL Bibliotheca hagiographica Latina antiquae et mediae aetatis, 2 Bde., ed. Socii Bollandini, Bruxelles 1898 und 1901 (Subsidia hagiographica 6), Bd. 3: Supplementi editio altera, Bruxelles 1911 (Subsidia hagiographica 12)
CALMA C.A.L.M.A. Compendium auctorum latinorum medii aevi, hrsg. von M. Lapidge u.a., Bd. 1–, Firenze 1999–
CC CM Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis, Bd. 1–, Turnhout 1971–
El-Kholi S. El-Kholi, Lektüre in Frauenkonventen des ostfränkisch-deutschen Reiches vom 8. Jahrhundert bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, Würzburg 1997 (Epistemata 203)
Germania Benedictina Germania Benedictina, hrsg. von der Bayerischen Benediktiner-Akademie München in Verbindung mit dem Abt-Herwegen-Institut Maria Laach, Bd. 1–, St. Ottilien 1994–
Härtel H. Härtel, Geschrieben und gemalt. Gelehrte Bücher aus Frauenhand. Eine Klosterbibliothek sächsischer Benediktinerinnen des 12. Jahrhunderts, Wiesbaden 2006 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 86)
Härtel Lamspringe H. Härtel, Lamspringe. Ein mittelalterliches Skriptorium in einem Benediktinerinnenkloster, in: Kloster und Bildung im Mittelalter, hrsg. von N. Kruppa und J. Wilke, Göttingen 2006 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 218 = Studien zur Germania sacra 28), 115–153
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Hotchin Women's reading J. Hotchin, Women’s reading and monastic reform in twelfth-century Germany. The library of the nuns of Lippoldsberg, in: Manuscripts and monastic culture. Reform and renewal in twelfth-century Germany. Working conference in August 2002 at the Benedictine monastery of Admont in Steiermark, hrsg. von A. I. Beach, Turnhout 2007 (Medieval church studies 13), 139–189
Kat. Illuminierte Hs. HAB 1 Geplant: Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1, 6.-11. Jh., beschrieben von Stefanie Westphal
Krämer S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1)
MGH LdL Monumenta Germaniae Historica. Libelli de lite imperatorum et pontificum saeculi XI et XII conscripti, Bd. 1–3, Hannover 1891–1897
MGH SS Monumenta Germaniae Historica. Scriptores (in Folio), Bd. 1–, Hannover 1826–
Oldermann-Meier R. Oldermann-Meier, Der Kirchenschatz des ehemaligen Benediktinerinnenklosters Lamspringe. Zusammensetzung und Einziehung zur Zeit der lutherischen Reformation, in: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 66 (1998), 111–146
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Potthast Wegweiser Bibliotheca historica medii aevi. Wegweiser durch die Geschichtswerke des europäischen Mittelalters bis 1500, 2 Bde., hrsg. von A. Potthast, Berlin 21896, ND Graz 1957
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Röckelein Klosterfrauen H. Röckelein, Schreibende Klosterfrauen – allgemeine Praxis oder Sonderfall?, in: Die gelehrten Bräute Christi. Geistesleben und Bücher der Nonnen im Hochmittelalter. Mit einer Einführung von H. Härtel, hrsg. von H. Schmidt-Glintzer, Wiesbaden 2008 (Wolfenbütteler Hefte 22), 15–38
Rosenkränze und Seelengärten Rosenkränze und Seelengärten – Bildung und Frömmigkeit in niedersächsischen Frauenklöstern, hrsg. von B.-J. Kruse, Wiesbaden 2013 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 96)
Schätze im Himmel Schätze im Himmel – Bücher auf Erden. Mittelalterliche Handschriften aus Hildesheim, hrsg. von M. E. Müller, Wolfenbüttel 2010 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 93)
Schlotheuber Bräute E. Schlotheuber, Die gelehrten Bräute Christi. Geistesleben und Bücher der Nonnen im Hochmittelalter, in: Die gelehrten Bräute Christi. Geistesleben und Bücher der Nonnen im Hochmittelalter. Mit einer Einführung von H. Härtel, hrsg. von H. Schmidt-Glintzer, Wiesbaden 2008 (Wolfenbütteler Hefte 22), 39–81
Schönemann K. P. C. Schönemann, Zur Geschichte und Beschreibung der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, in: Serapeum 18 (1857), 65–91, 97–107
Wolter-von dem Knesebeck Lamspringe H. Wolter-von dem Knesebeck, Lamspringe, ein unbekanntes Scriptorium des Hamersleben–Halberstädter Reformkreises zur Zeit Heinrichs des Löwen, in: Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125–1235. Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995, Bd. 2: Essays, hrsg. von J. Luckhardt und F. Niehoff, München 1995, 468–477

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.
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