Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms "Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung"
Theodoricus Engelhusius
Papier — 282 Bl. — 21 × 13,5 cm — Hannover, Ratsschule — 1444
Wasserzeichen: Traube mit zweikonturigem Stiel, Schlaufe am Stiel: DE7575-PO-129098 (1443). Traube mit einkonturigem Stiel: DE4620-PO-128745 (1445). Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber einkonturiger Stern (zwei Typen, nicht nachweisbar). Zwei Schlüssel, gekreuzt, zweikonturiger Schaft (Griff nicht erkennbar, nicht nachweisbar). Lagen: I–1 (I). 8 VI (96). VII (110). 13 VI (266). VIII (280)! In der Lagenmitte jeweils Pergamentfalze als Heftverstärkung. Bleistiftfoliierung modern: I–280, das letzte leere Bl. ungez. Zur Konstruktion des vorderen Vorsatzes vgl. unten (Fragment); das hintere Vorsatz besteht aus den beiden letzten, leeren und ungez. Bll. der letzten Lage, wobei das vorletzte Bl. als fliegendes Blatt dient, während das letzte Bl. als Spiegel an den hinteren Deckel geklebt ist. Schriftraum: 16 × 9–10 cm, einspaltig (mit Versalienspalte), 25–31 Zeilen. Unregelmäßig wirkende, zur Kursive neigende Bastarda mit Schlaufen von der Hand des Ludolfus Oldendorp. Über den gesamten Codex verteilt finden sich insgesamt elf bemerkenswerte Zusätze von ebenso vielen Händen, dabei handelt es sich um drei neu angelegte Lemmata sowie acht mnd. Übersetzungen vorhandener Lemmata, sämtlich aufgelistet bei Das Engelhusvokabular (s. unten), 227–229. Am Beginn einzelner Alphabete schlichte Fleuronnéeinitialen in Unzialform, vermutlich von Schreiberhand, nur folgende ausgeführt: 1r Initiale A über 5 Zeilen in roter Umrisszeichnung; 34r Initiale B über 11 Zeilen in roter Umrisszeichnung mit kleeblattartigem Silhouettenornament; 42v Initiale C über 9 Zeilen in roter Umrisszeichnung, unverziert; 73r Initiale D über 10 Zeilen in roter Umrisszeichnung, unverziert; 84r Initiale E über 11 Zeilen in roter Umrisszeichnung, unverziert; 161r Initiale N über 7 Zeilen in roter Umrisszeichnung mit spiralförmigem Endausläufer; 169r Initiale O über 6 Zeilen in roter Umrisszeichnung mit kopfstempelartigem Blattmotiv im Buchstabenkörper; 251r Initiale T über 9 Zeilen in roter Umrisszeichnung: Der kreisrund gezeichnete Buchstabenkörper weist Strichelungen und Perlreihen als Konturbegleitung auf, im senkrechten Buchstabenstamm befinden sich zwei komplexe Blütenmotive, ein achtstrahliger Stern und ein gefiedertes Blatt. Rechts daneben ist der Zwickel zwischen Stamm und Außenkontur von einem waagerechten Ast geteilt, aus dem zwei mächtige Fiederblätter hervorwachsen; im linken Zwickel befindet sich ein senkrechtes vegetabiles Element in Kopfstempelform. 279v Initiale Z über 9 Zeilen in schwarzer Umrisszeichnung mit Punktverdickungen, gestielten kleeblattartigen Endausläufern, konturbegleitenden Perlreihen sowie einer Blüte und einem krugartigen Ornament im Buchstabenkörper. alle übrigen Initialen – 1v Initiale A über 10 Zeilen, 96v Initiale F über 5 Zeilen, 108v Initiale G über 9 Zeilen, 115r Initiale H über 4 Zeilen, 119v Initiale I über 6 Zeilen, 134r Initiale K über 5 Zeilen, 134v Initiale L über 10 Zeilen, 145v Initiale M über 10 Zeilen, 178r Initiale P über 10 Zeilen, 211v Initiale Q über 9 Zeilen, 214r Initiale R über 9 Zeilen, 223v Initiale S über 9 Zeilen und 266r Initiale V über 10 Zeilen – sind nur als eingeritzte Vorzeichnung in Unzialform ausgeführt. Bl. 1r–85r, 96v–97r, 100v–101r, 110v–111r, 122v–123r, 134v–135r, 146v–147r, 158v–164r, 168v–171r, 182v–184r, 194v–195r, 206v–207r, 218v–219r, 230v–231r, 242v–245r, 250v–251r und 266v–267r rubriziert, am Beginn der einzelnen Alphabetabschnitte rote, roh wirkende Lombarden, z. T. nur in roter, in den letzten Alphabeten auch in tintenfarbiger Umrisszeichnung, selbst in den rubrizierten Teilen nicht durchgängig ausgeführt, meist ist die eingeritzte Vorzeichnung erkennbar; 164v tintenfarbige Fleuronnéelombarde mit flechtbandartigen Verzierungen des Buchstabenkörpers.
Spätgotischer Holzdeckelband, mit braungefärbtem Kalbsleder überzogen. Streicheisenlinien in schlichter Rautung. Einzelstempel Lilie, Mittelblatt rhombisch, unterer Abschluss lilienförmig: s006066. Blume im Rhombus: s002055 (diese beidem Motive nur auf dem VD). Ornament Punkte: s003204. Sämtlich aus der Werkstatt "Braunschweig, Dombuchbinder" ( w000987). Drei Doppelbünde. Zwei Riemenschließen mit Fensterlager in langgezogener Dreieckform, Schließenriemen und -haken unten verloren, nur noch Gegenblech mit Riemenrest auf dem HD erhalten. Auf dem VD Titelaufschrift in schwarzer Tinte, vermutlich vom Wolfenbütteler Bibliothekar Liborius Otho: Vocabularius latinus per Ludolphum Oldendorp manuscriptus.
Herkunft: Der Codex wurde von Ludolfus Oldendorp unter der Aufsicht, vermutlich sogar nach dem Diktat des Bakkalars Konrad von Springe 1444 an der Ratsschule in Hannover geschrieben; zur Lokalisierung vgl. den weitgehend textidentischen Cod. Guelf. 956 Helmst. — Der Codex befand sich später offenbar im Besitz einer oder mehrerer Angehöriger der möglicherweise in Braunschweig ansässigen Familie Mollers; ob auch der auf dem Vorsatz in einem Anniversarvermerk erwähnte Braunschweiger Patrizier Hans Krull zu den Eigentümern des Bandes gehörte, ist unbekannt. Zu den Besitzern vgl. auch Iv befindet: Iste liber pertinet in Dorstad. — Seit dem 12.4.1572 mit den übrigen Dorstädter Codices in der Wolfenbütteler Hofbibliothek; Iv Einkunftsvermerk: Einkhomen den 12. Aprilis auff Wolffenbuttel dises 72 Jhars. 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 17 [13]) unter den Lexica et Dictionaria mit der Signatur E 4 gemäß der Titelaufschrift als Vocabularius Latinus per Ludolphum Oldendorp manuscriptus et finitus 1444 a Venerabili Baccalario Conrado de Springk nachgewiesen. — 1618 in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt; 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 31r) als Dictionarium Latinum unter den Miscellanei MSSti in quarto nachgewiesen; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 939 aufgeführt.
Das Engelhusvokabular (s. unten), 227, die allerdings jede der genannten Personen als Vorbesitzer des Codex vermutet. Zu einem unbekannten Zeitpunkt schenkte Grete Mollers, wie aus dem unten zitierten Vermerk auf Bl. 280v hervorgeht, den Codex dem Augustiner-Chorfrauenstift Dorstadt, dessen Besitzvermerk sich auf Bl.Nr. 784. — , 170. — , 1, 336. — , 268. — , 212f. Nr. II.7 ( ). — , 142. — , 39 und 52.
1r–280r : Vocabularius (redactio monopartita). (1r–v) Prologus. Ad pleniorem huius libelli cognicionem primo sciendum est quod in isto vocabulario pauca nomina propria tautuniscantur [!] eo quod eorum tautunicum [!] conforme videtur latino … — … ante omnia videat ista loca scilicet adiectivum verbum et supinum et secundum ista multa poterit ab aliis per se ipsum derivare. Der Prolog ist wie in Cod. Guelf. 956 Helmst. und Cod. Guelf. 71.12 Aug. 2° gekürzt. (1v–280r) Textus. ›Sequitur capitulum‹. [A] secundum Ysiderum [!] primo ethimoloiarum [!] in omnibus linguis prior est literarum que et nascencium voces aperit … Abactor et abactus infra abigo. Abagus infra avus. Abba grece pater latine … — … Zugum grece iugum latine coniugatur ut sinzugus -a -um id est coniugatus vel coniunctus inde zinsugare [!] id est coniugare vel dicitur a 'sin' grece id est 'con' latine … inde eciam zinsugium quod secundum quosdam dicitur coniugium. ›Et sic est finis‹. Explicit iste vocabularius per me Ludolfum Oldendorp sub anno domini 1444 in die Bartolomei hora tercia post prandium a venerabili baccalario Conradus [!] de Sprink (. 12682) Lemmata lateinisch und griechisch, Worterklärungen lateinisch und mittelniederdeutsch. Deren Dialektstand lässt auf eine ostwestfälische Herkunft des Schreibers schließen, vgl. Das Engelhusvokabular (s. unten), 56f. Diese Fassung auch in Cod. Guelf. 956 Helmst., 8r–221v; 71.12 Aug. 2°, 282ra–372va; 960.2 Novi, 2r–197vb; zur Überlieferung der übrigen Fassungen vgl. bei Cod. Guelf. 692 Helmst., 54ra–81vb und 167ra–189ra. Literatur: , Zur Geschichte der Überlieferung des Engelhus-Glossars, in: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 86 (1963), 83–109 (ohne Kenntnis dieser Hs.); 2, 560 und 10, 484; , Zum Vokabular des Dietrich Engelhus, in: Dietrich Engelhus. Beiträge zu Leben und Werk, hrsg. von , Köln u. a. 1991 (Mitteldeutsche Forschungen 104), 167–178 (167 Hs. genannt); , Studien zum Engelhus-Glossar I. Der deutsch-lateinische Teil des ‚Vocabularius quadriidiomaticus‘, in: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 117 [1994], 75–92, hier 75f. (Hs. fehlt); , Das Engelhusvokabular. Lexikographie, Diktat und Lateinunterricht im Spätmittelalter, Berlin, Boston 2020 (Lexicographica. Series maior 159), pass. Hs. genannt (Sigle Wf720); Nr. 17140.
280v Nur Schenkungsvermerk: Item dut bok heft gheven Grete, Henninghen Mollers husfruwe. – I*r–v leer.
Abgekürzt zitierte Literatur
Aristoteles Latinus, hrsg. von L. Minio-Paluello, C. Steel, G. Lacombe und G. Verbeke, Bruges, Leiden, Turnhout 1939– (Corpus philosophorum Medii Aevi I, 1–) | |
Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 1–6, ed. par les Bénédictins du Bouveret, Fribourg/Schweiz 1965–1982 (Spicilegii Friburgensis Subsidia 2–7) | |
C. J. Cyrus, The scribes for women's convents in late medieval Germany, Toronto u.a. 2009 | |
Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel) | |
Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/ | |
O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3) | |
S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1) | |
Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, Bd. 1–4, hrsg. von J. Dolle und D. Knochenhauer, Bielefeld 2012 (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 56,1–4) | |
S. Reidemeister, Genealogien Braunschweiger Patrizier- und Ratsgeschlechter aus der Zeit der Selbständigkeit der Stadt (vor 1671), hrsg. von W. Spiess, Braunschweig 1948 (Werkstücke aus Museum, Archiv und Bibliothek der Stadt Braunschweig 12) | |
Rosenkränze und Seelengärten – Bildung und Frömmigkeit in niedersächsischen Frauenklöstern, hrsg. von B.-J. Kruse, Wiesbaden 2013 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 96) | |
K. Schnabel, Frauenwelten – Bücherwelten, in: Frauenwelten. Die Klöster Heiningen und Dorstadt, hrsg. von C. Höhl, Regensburg 2021, 34–54 | |
K. Schnabel, Ein Zeugnis der Marienfrömmigkeit im 14. Jahrhundert. Das Dorstädter Mariale Cod. Guelf. 617 Helmst., in: , 137–146 | |
Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 12 Bde., hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin/New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin/New York 2005–2015 | |
Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php) |
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.