Johannes Chrysostomos, In Matthaeum Homiliae
Konstantinopel (?) — um 600
Provenienz: Frühe Provenienz unklar. Die lateinischen Übersetzungen von der Hand des 10. Jarhunderts zeigen, dass die Handschrift bereits früh in einem zweiprachigen Umfeld in Gebrauch war (Süditalien oder Nordostitalien, um Ravenna; vgl. 23r) als: Ein schon alt buch auff Pergamen mit griegischen Littern geschrieben, vnd in dicken brettern gebunden verzeichnet. 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav.) nicht verzeichnet. Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt, 1644 im Helmstedter Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 2v) als Johannis Chrysostomi Homiliae in Matthaeum, Graecè in membrana, antiquissima scriptura. In der Mitte defect unter den Theologici MSSti in folio beschrieben; auf dem VS die entsprechenden Helmstedter Signaturen T. 21 und T. F. 21. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 51) unter Nr. 118 genannt.
, 98). Die Hs. ist 1588 von Elias Bodenburgk unter den Pergamenthandschriften der Hofbibliothek (NLA – StA Wolfenbüttel, 1 Alt 22, 83, 22r–35v, hierPergament — 186 Bl. — 33 × 27 cm
Lagen: IV (8). IV-2 (14). 3 IV (38). III-1 (43). 10 IV (123). III (129). IV (137). IV-4 (141). IV(149). IV-4 (153). IV-2 (159). IV-3 (164). IV (172). IV-1 (179). IV-1 (186). Griechische Lagenbezeichnungen auf jedem ersten Recto unten links: Γ (15r), ΙΔ (100r), ΙΖ (108r), ΚΗ (180r). Vermerke Α (1r) und Β (9r) fehlen. Lagen ΙΕ und ΙΖ fehlen. Blattverluste. Foliierung in dunkelbrauner Tinte (Buchstabe mit anschließendem Punkt). Gleiche Hand in den Wolfenbütteler Handschriften Cod. Guelf. 84.5 Aug. 2° und Cod. Guelf. 16.1 Aug. 2°. Guter Zustand, Pergament teils wellig. Auf den Haarseiten gelegentlich Tintenfraß. Schriftraum: 23,5 × 19,5 cm, zweispaltig, 26 Zeilen. Durchgängiger Text von einer Hand. Maiuscola biblica. Falls Textverlust aufgrund von Tintenfraß vorhanden, auf den Blatträndern gelegentlich Textwiederholungen (vgl. 45v, 60, 50r; Majuskel, Hand des 10. Jahrhunderts[?]; ( , Weitere Beispiele frühester Minuskel, in: I manoscritti greci tra riflessione e dibattito, hrsg. von , Florenz 2000 [Papyrologica Florentina 31], Bd. 1, 153-156, Taf. 1-3a.; , Graphis. Per una storia della scrittura greca libraria [secoli IV a.C. - XVI d.C.], Rom 2011, 68). Von derselben Hand zahlreiche lateinische Übersetzungen, marginal und interlinear. Zahlreiche Textverbesserungen (Leserlichkeit) von einer weiteren Hand. Textüberschriften in roter Unzialis.
Mittelbrauner Ledereinband (18. Jahrhundert). Oben rechts (unter Rasur): Ex Fl. Darüber T. 21 (alte Helmstedter Signatur). Auf einem am Spiegel angeklebten Zettel: T. F. 21.
INHALT
1r-186r In Matthaeum Homiliae. 17 von 90 Homillien der Kommentierung zu Matthäus: Homilia 33, 35-37, 41-43, 46, 73, 79, 80, 85-90 ( 57-58; 4424; Reihenfolge und Fehlstellen, vgl. , 102-103; vgl. , Telos als Explicit, in: Das Verhältnis der Humanisten zum Buch, hrsg. von , , Boppard 1977, 47-62, hier Abb. 2; , Formules Latines de Colophons, Turnhout 2006 [Bibliologia 25], 295-302). 18r-19v : Canon in mulieres unguiferentes. Odae 3-6 (unvollst., vgl. 8219; , Pentekostarion charmosynon …, Rom 1983, 96-102; Text: , Four Greek hymns, in: Mélanges Joseph de Ghellinck S. J., in: Antiquité, Gembloux 1951 [Museum Lessianum Sect. hist. 13], 331-344.). Nachträge aus dem 8. Jahrhundert auf den Blatträndern.
:AUSSTATTUNG
Zahlreiche unverzierte Initialen. Zwei Zierinitialen. Zahlreiche Schlusstitelverzierungen.Schlusstitelverzierungen:
Schlusstitel mit Coronides-Borten (Winkelborten: 18r,, 43v,, 62r, - mit zwei gegenständigen Winkeln, 73r,, 83r,, 146v,, 159r, - rahmende Borte, 186r, ; einfache Borten: 98r,, 128v,, 152v,, 176v,) und zusätzlichem Schlusstitelornament, wie gereihten Punktverzierungen mit angehängten Herzblättern (18r,, 186r,), eingefügten Fruchtständen mit eingerollten Trieben (18r,, 43v,, 62r,, 73r,, 83r,, 146v,, 159r,, 176v,, 186r, Weinreben? - diese auch häufig als Eck- bzw. Endverzierungen der Borten) und Vögeln (62r, einen Fruchtstand flankierend). Die Borte als Wellenlinie mit Blüteneinsätzen. Winkelborten: 7-15,1 × 2,3-9 cm, einfache Borten: 1,5-3 cm.Initialen:
147r, und 33v, verzierte, einzeilige Initialen. Als Buchstabenersatz (Ersatz der E-Haste) eine Wellenlinie mit Punktverzierung (33v,), als Verzierung im Binnenfeld ein Kreuz mit Punktverzierungen an den Kreuzenden (147r,). Zu einigen Textpassagen unverzierte Initialen mit mittig verstärkten Initialstämmen und dreieckig erweiterten Stammenden (mit stumpfer Seite nach außen; vgl. 10v). Die Initialen stehen als hängende Initialen frei vor dem jeweils zweiten Buchstaben des Wortes, halb aus dem Text auf den Blattrand gerückt.Farben:
Tintenfarbe und Details in Rot.STIL UND EINORDNUNG
Die Wolfenbütteler Chrysostomos-Handschrift gilt als das älteste erhaltene griechische Manuskript mit Texten des Kirchenvaters und wurde von Nordenfalk nach Konstantinopel lokalisiert ( , 119, 125 Anm. 3, 161, Taf. 25b und c). Tischendorf gibt die Handschrift in das 6. Jahrhundert (Novum Testamentum graece, hrsg. von , editio octava critica maior, IV., Leipzig 1894, 1174), Cavallo in das 7. ( , Ricerche sulla maiuscola biblica, Florenz 1967 [Studi e testi di papirologia 2], 106, Taf. 95). Die Wolfenbüttler Homilien-Sammlung zählt zu den wenigen erhaltenen griechischen Handschriften überhaupt, die vor 800 entstanden sind. Der Texttypus ist eine Rarität, da es sich in den meisten erhaltenen Fällen um Bibelhandschriften handelt. Der Text verweist auf eine Benutzung während des Mittelalters als Predigttext, vermutlich in Süditalien (bei den ausgewählten Homilien handelt es sich vorrangig um Predigten zu Anlässen des Kirchenjahres in vorösterlicher Zeit). Die Bildausstattung der Handschrift mit ihren Schlußtitelverzierungen und dem sparsamen Initialsschmuck vergesellschaftet sie mit ähnlich ausgestatteten spätantiken, griechischen Bibelhandschriften: Codex Sinaiticus, London, BL, Add. Ms. 43725, Sinai, Katharinenkloster; Leipzig, UB, Cod. gr. I; St. Petersburg, Russische Nationalbibliothek, Mitte 4. Jahrhundert. Codex Vaticanus, Rom, BAV, Vat. gr. 1209, 2. Hälfte 4. Jahrhundert. Codex Alexandrinus, London, BL, Ms. Royal 1. D. V-VIII, 1. Hälfte 5. Jahhrundert (vgl. , 97-116). Gemein ist diesen Handschriften die Verwendung von aufwendig verzierten Schlußtiteln. Es handelt sich um sogenannte Coronides-Borten, die sich in frühen griechischen Handschriften aus einfachen, den Textschluss (die Coronides) begleitenden Lesezeichen, hin zu aufwendiger gestalteten, häufig in der Form eines "einarmigen" Kreuzes angeordneten Zierleisten entwickelten. Sie wurden vom Schreiber in Schrifthaltung eher geschrieben, als gezeichnet (vgl. 18r, 62r und 176v). Eine dem Wolfenbüttler Codex äußerst ähnlich arbeitende Hand findet sich in der jüngsten, der erhaltenen Bibelhandschrift, dem Codex Alexandrinus (vgl. , fig. 25 - gleiche Borte). Ein spätes Beispiel aus dem 10. Jahrhundert gibt die griechische Bibel von León (Rom, BAV, Reg. gr. 1A). Wie in der Wolfenbütteler Chrysostomos-Hanschrift wurden auch im Codex Alexandrinus die "einarmigen" Kreuze bereits gegen Winkellösungen ausgetauscht (die Winkellösung findet anschließende häufig in griechischen Handschriften des 9. Jahrhunderts Verwendung, vgl. Paris, BnF, gr. 2389, Paris, BnF, gr. 510; 879-882; Rom, BAV, Vat. Pal. gr. 14; vgl. La Bible du Patrice Léon. Codex Reginensis Graecus 1. Commentaire codicologique, paléographique, philologique et artistique, hrsg. von [Studi e Testi 463], Vatikan 2011, 195-272 [I. Hutter, The Decoration], 208). Den Titeln wurden, wie in Wolfenbüttel Fruchtstände und Vögel, gelegentlich Vasen, Kannen, Körbe oder Pflanzenstauden hinzugegeben (vgl. , fig. 26 und 27 - vermutlich Lebensbaummotive). Die bereits frei stehenden, bzw. hängenden Initialen zeigen einen Fortschritt in der Initialentwicklung, der sich bereits im 6. Jahrhundert in griechischen Handschriften, ausgehend von sogenannten stehenden, also auf der jeweiligen Textzeile ruhenden Initialen, vollzogen hat (Wechsel nach der Mitte des 6. Jahrhunderts; vgl. , 128). Mit der Wolfenbütteler E-Initiale auf 33v zeigt sich wieder eine äußert enge Parallele zum Codex Alexandrinus (vgl. 347v; , Taf. 25a - gleiche Haste). Im Pariser Octateuch (Paris, BnF, Coislin gr. 1, Konstantinopel [?], 6. Jahrhundert) liegen ähnlich kreisrunde, mittig verdickte Initialen wie in Wolfenbüttel vor (vgl. 33v mit Paris, 125v; , Taf. 33d; zu den Initialen vgl auch , Die illustrierten Homilien des Johannes Chrysostomos in Byzanz, Wiesbaden 2004, 144 Anm. 900).Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB).
, Variae Lectiones Textus Graeci Evangelii S. Matthaei, Ex plurimis impressis ac manuscriptis Codicibus collectae … , Helmstedt 1672, 263-404. — , Dissertatio de lectionariis orientalis et occidentalis ecclesiae …singillatim de Io. Chrysostomi lectionario msto. quod in bibliotheca publica illustris Juliae asservatur …, Helmstedt 1703. — , 44, Kat. Nr. 176. — , 23, Kat. Nr. 6. — , Nr. 95 (Heinemann Nr.). — Novum Testamentum graece, hrsg. von f, editio octava critica maior, IV., Leipzig 1894, 1174. — , Textkritik des Neuen Testaments, Bd. 2, Leipzig 1902, 765. — , Der heilige Johannes Chrysostomos und seine Zeit, Bd. 2 (Konstantinopel), München 1930, 392. — Faks. Die Wiener Genesis. Farbenlichtdruckfaksimile der griechischen Bilderbibel aus dem 6. Jahrhundert nach Chr. Cod. Vindob. theol. graec. 31 / Nationalbibliothek in Wien, hrsg. von , Wien 1931, 54, 57, 222, Taf. VII, 32. — , Four Greek hymns, in: Mélanges Joseph de Ghellinck S. J., in: Antiquité, Gembloux 1951 (Museum Lessianum Sect. hist. 13), 321-344. — , Ricerche sulla maiuscola biblica, Florenz 1967 (Studi e testi di papirologia 2), 106, Taf. 95. — , Codices Chrysostomici graeci, Bd. 2, Codices Germanieae, Paris 1968 (Documents, études et répertoires 14), 82. — , 119, 125 Anm. 3, 161, Taf. 25b und c. — , Kat.Nr. 7 — , La culture grecque dans l'occidentlatin du VIIe au XIe siècle, in: La cultura antica nell'Occidente latina dal VII all'XI secolo, Spoleto 1975, 425-446. — , 13-16. — , Griechisch-Lateinisches Mittelalter, Bern/München 1980. — , Ein Unzialcodex mit Predigten des Johannes Chrysostomos. Der 75a Helmst. der Herzog August Bibliothek zu Wolfenbüttel. Thessaloniki 1985. — , H. Maehler, Greek Bookhands of the Early Byzantine Period A.D. 300-800, London 1987, Nr. 44. — , Matthias Flacius, in: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 2 (1990), 43-48. — , Scrivere greco fuori d'Egitto, Florenz 1996 (Papyrologica Florentina 27), 78, 102, 107. — , Byzance et Italie méridionale, in: (Hrsg.), Byzantium in the Ninth century. Dead or Alive?, Aldershot 1998, 229-243. — , 11. — I manoscritti greci tra riflessione e dibattito. Atti del V Colloquio Internazionale di Paleografia Greca (Cremona, 4-10 ottobre 1998), hrsg. von , 2 Bde. und Tafelbd., Florenz 2000, Bd. 1 20 Anm. 107, 108 Anm. 154, 110-111, Taf. 75-77. — , Weitere Beispiele frühester Minuskel, in: I manoscritti greci tra riflessione e dibattito, hrsg. von , Florenz 2000 (Papyrologica Florentina 31), Bd. 1, 153-156, Taf. 1-3a. — , Kat. Nr. 11, Abb. 27 — , 225. — , Die illustrierten Homilien des Johannes Chrysostomos in Byzanz, Wiesbaden 2004, 14, 144. — La Bible du Patrice Léon. Codex Reginensis Graecus 1. Commentaire codicologique, paléographique, philologique et artistique, hrsg. von , (Studi e Testi 463), Vatikan 2011, 195-272 ( , The Decoration, hier bes. 207, 208 und Anm. 47). — , Graphis. Per una storia della scrittura greca libraria (secoli IV a.C. - XVI d.C.), Rom 2011, 68 — , 116 Anm. 568, Abb. 255. — , 101-103 (Abgekürzt zitierte Literatur
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.