Otto v. Heinemann: Die Augusteischen Handschriften 4. Cod. Guelf. 77.4 Aug. 2° — 34 Aug. 4°. Frankfurt/M.: Klostermann, 1966 (Nachdruck d. Ausg. 1900). S. 79 (Vorläufige Beschreibung)
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 84.5 Aug. 2°
Lectionarium. Hundert Abschnitte aus den Evangelien zum Vorlesen an Sonn- und Festtagen
Pergam. — 109 Bll. — 28 × 18,5 cm — 11. Jahrh.
Mit 15 bildlichen, je die ganze Seite füllenden Darstellungen: f. 1′, Doppelbild, oben Christi Geburt, unten Verkündigung der Hirten; f. 4′, der Evangelist Johannes unter einem Vorhang am Schreibtisch sitzend, darüber der h. Geist in Gestalt der Taube; f. 5, in monogrammatischer Buchstabenzusammenstellung auf blau-, grün-, rothgestreiftem Grunde der Anfang des Evangeliums Johannis (In principio); f. 10, auf Purpurgrund ein grosses P in Gold und Farbe mit daran gehängtem OSTQUAM in Goldschrift (Luc. 2. 21); f. 11′, unter einer Architektur auf Goldgrund: Anbetung der h. drei Könige; f. 12, ein grosses C in Gold und Farbe auf Purpurgrund mit angehängtem UM NATUS in Goldschrift (Matth. 1. 2); f. 19, ebenso P mit angehängtem OSTQUAM (Luc. 2. 22); f. 41, ebenso ein grosses ästiges I, an dem ein Mann emporklettert; f. 42′, vor einem Gebäude der Engel und die Frauen an Christi Grabe; f. 43, in ein Portal gestellt auf Purpurgrund ein grosses M in Gold und Farbe mit angehängtem ARIA in Goldschrift; f. 59, Himmelfahrt Christi; f. 61, Ausgiessung des h. Geistes; f. 66, dem Zacharias erscheint der Engel (auf Goldgrund); f. 69, ′ Befreiung des h. Petrus aus dem Kerker durch einen Engel; f. 79′, Tod der Maria, deren Seele durch Christus von oben herabschwebenden Engeln in Gestalt eines Kindes übergeben wird. Fast jedes Bild ist mit einem Stück Byssus überdeckt, von denen dasjenige f. 80 durch ein rothseidenes eingesticktes Kreuz hervorgehoben ist. Die Anfänge der Lectionen sind durchweg mit Ueberschriften in rother Uncialschrift und weiter mit einfachen Initialen in Gold versehen.
Der Einband hat wegen völliger Schadhaftigkeit repariert werden müssen. Dies ist unter peinlichster Wahrung dessen, was von dem Originalbande noch zu gebrauchen war, geschehen. Der Rücken musste ganz erneuert werden, die Holzbretter mit neuem der Farbe des ursprünglichen entsprechenden Pergamente überzogen werden: die silbernen Spangen und Buckeln sind einem anderen alten Buche entnommen. Das in der Mitte des Vorderdeckels eingelassene Elfenbeinrelief (12 × 11½ cm.) ist an seiner alten Stelle wieder angebracht worden. Es stellt den Tod der Maria ähnlich — nur mit geringen Abweichungen — dar, wie ihn Bl. 79′ zeigt, eine Darstellung, wie sie u. a. auch über der einen Thür der Martinikirche in Braunschweig sich findet. Vergl, über den Codex auch Schönemann, dreihundert Merkwürdigkeiten der H. Bibliothek zu Wolfenbüttel no. 31 und Vöge, eine deutsche Malerschule um die Wende des ersten Jahrtausends (Ergänzungsheft VII zur westdeutschen Zeitschrift) S. 136–138.
Herkunft: Vielleicht aus Hildesheim stammend, wo der Codex einen Marienaltar geziert haben mag.